Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 12479. Wien, Sonntag, den 21. Mai 1899 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Stoxreiter, Daniel Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 12479. Wien, Sonntag, den 21. Mai 1899 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max Wien 21.05.1899
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Jacques Fromental Halévy.

Ed. H. Nicht immer schützt Chauvinismus vor Ver geßlichkeit. Vor längerer Zeit erinnerte der Senior der Pariser Musikkritik, Arthur Pougin, daran, daß auf den 27. Mai d. J. der 100. Geburtstag des Tondichters Halévy fällt. Mit anklagendem Bedauern fügte er hinzu, daß weder die Große Oper noch die Komische irgend welche Vor bereitungen für diese Gedenkfeier treffe. Und doch haben Halévy’s Opern zu dem Ruhm und dem Wohlstand dieser beiden Theater sehr wesentlich beigetragen! Außer der Jüdin“, welche über 550 Wiederholungen erlebt hat, empfing die Große Oper von HalévyDie Königin von Cypern“, „Guido und Ginevra“, „Karl VI.“ und andere erfolgreiche Werke. Die Opéra Comique besitzt nicht weniger als 18 Opern von Halévy, worunter viele beifälligst auf genommene und oft wiederholte, wie „Der Blitz“, „Die Mus ketiere der Königin“, „Das Thal von Andorra“, „Die Rosen

fee“. Aber seit mehreren Jahren hat keines dieser beiden Operninstitute auch nur ein einziges Werk Halévy’s gegeben — eine Vergeßlichkeit, die hart an Undank streift. Selbst „Die Jüdin“, welche in Deutschland und Italien jahraus jahrein ein dankbares Publicum erfreut, fehlt auf dem Repertoire der Pariser Großen Oper seit dem Brande des alten Opern hauses. „Diese nur zu berühmte Feuersbrunst,“ sagt Pougin, „ist ein bequemer Vorwand geworden, um gewisse Opern beiseite zu schieben, welche den Wagner’schen etwa schaden könnten.“ Die Centenar-Feier Halévy’s bot seither den schönsten Anlaß, die verbrannten Decorationen zur „Jüdinwiederherstellen zu lassen. Desgleichen wäre es Pflicht der Opéra Comique gewesen, eine sorgfältige Aufführung des Blitz“ oder der „Musketiere der Königin“ vorzubereiten. Nichts von alledem. An einer einzigen Stelle hat sich der Gedanke geregt, in bescheidener Weise den 100. Geburts tag eines Künstlers zu feiern, der zu dem musikalischen Ruhm Frankreichs hervorragend beigetragen und dessen Werke allein sich neben den Meyerbeer’schen in der Große Oper erhalten haben. Es ist die „Gesellschaft der Ton dichter“ in Paris, welche das Andenken Halévy’s in einer Abendsitzung feiern wird mit der Aufführung einiger Ge sangsstücke von ihm und einem Vortrage über sein Leben und Wirken.

Halévy war am 27. Mai 1799 in Paris geboren. Sein Vater, ein Deutscher aus Fürth bei Nürnberg, stand als hebräischer Dichter und Gelehrter in hohem Ansehen und genoß insbesondere die wärmste Freundschaft und Werth schätzung des berühmten Orientalisten Sylvestre de Sacy. Sein wahrer Name war Lévy. Infolge des Gesetzes vom Jahre 1807 über die Familiennamen der Juden setzte er die den Artikel ersetzende Sylbe hal (das arabische al) vor seinen bisher geführten Namen. Das musikalische Talent des Sohnes verrieth sich frühzeitig. Er kam 1809 an das Con servatorium, wurde Schüler Cherubini’s und Méhul’s in der Composition und erhielt 1819 den grand prix de Rome. Dem Gesetz, richtiger dem alten Zopf gemäß, begab er sich für 3 Jahre nach der Ewigen Stadt. Er litt unter diesem, für musikalische Ausbildung so unergiebigen Aufenthalt nicht weniger, als seine Nachfolger Berlioz, Thomas, Gounod und arbeitete dort ebensowenig wie diese. Auf der Rückreise ver

weilte Halévy mehrere Monate des Jahres 1822 in Wien, wo er ernstere Studien betrieb, auch eine vierhändige Sonate, ein Rondo und Capriccio bei Diabelli veröffentlichte. Nach Mittheilungen seines Bruders Léon hat er hier Beethoven kennen gelernt, den er öfter besuchte und dem er lebens lang eine liebevolle, bewundernde Erinnerung bewahrt hat. (In keiner Beethoven-Biographie findet sich eine Erwähnung Halévy’s, welcher damals freilich ein noch unbekannter junger Mann war.) In Paris übernahm er eine Classe im Con servatorium, gab Unterrichtsstunden und bemühte sich, wie alle die unglücklichen Laureaten von Rom, um Operntexte. Endlich glückten ihm einige kleinere komische Opern, die mit mehr oder weniger Erfolg aufgeführt wurden, ohne über die Grenzen Frankreichs zu dringen. Dies ist ihm erst 1855 mit der „Jüdin“ gelungen, welche bald alle europäischen Bühnen erobert und Halévy’s Ruhm begründet hat. Noch am Schlusse desselben Jahres brachte Halévy seine komische Oper Der Blitz“ auf die Scene. Ungeachtet großer Schön heiten haben seine späteren Opern einen so ungetheilten, an haltenden Erfolg wie „Die Jüdin“ und „Der Blitz“, namentlich in Deutschland, nicht errungen. Nach London berufen, brachte Halévy dort 1850 die Oper „La tempestazur Aufführung. Er hatte damit ebensowenig Glück, wie später Ambroise Thomas, dessen letztem Werke gleichfalls Shakespeare’s „Sturm“ zu Grunde liegt. Mit „La Magicienne“, welche an der Großen Oper viele Aufführungen erlebt hat, beschloß Halévy 1858 seine Laufbahn als dramatischer Componist. Halévy, der fast sein ganzes arbeitsvolles Leben ununter brochen in Paris zugebracht hat, mußte schließlich schwer leidend sich nach Nizza begeben. Dort ist er am 17. März 1862 gestorben. Eine von ihm unvollendet hinterlassene Oper Noah“ bezeichnet ein seltsames Ereigniß in der Theater geschichte. Sie hat nämlich ihre erste Aufführung nicht in Frankreich, sondern in Deutschland erlebt, und zwar am Karlsruher Hoftheater 1885. Halévy hatte die Partitur seiner großen Oper „Noah, oder: Die Sündfluth“ im Jahre 1858 unvollendet hinterlassen. Da erwies sein Schwieger sohn George Bizet ihm für den „Noah“ denselben Liebes dienst, den einst Halévy als junger Mann dem Componisten Herold geleistet hatte, indem er dessen unvollendete Oper

Ludovic“ in sehr geschickter Weise vervollständigte. Nun ist auch Bizet seit zwanzig Jahren todt, und noch immer harrt die Oper „Noah“ in Paris ihrer Auferstehung. Im Jahre 1870 war dort eine Aufführung des „Noah“ geplant, jedoch angeblich durch den Ausbruch des Krieges vereitelt. Da griff der so lebhaft für französische Musik eingenommene Felix Mottl beherzt zu und brachte den von Putlitz ins Deutsche übertragenen „Noah“ in Karlsruhe zur allerersten Auf führung. Das Werk vermochte übrigens den an die Namen Halévy und Bizet geknüpften Erwartungen nicht zu entsprechen und hat von Karlsruhe aus keine weiteren Kreise gezogen.

Von Halévy’s Opern haben sich auf der deutschen Bühne bis heute zwei erhalten: „Die Jüdin“ und „Der Blitz“. Die Jüdin“ wird stets als sein Meisterwerk gelten; als dasjenige, welches die Individualität des Tondichters am prägnantesten offenbart, die Mängel und Härten seines Talents am reichsten mit Blüthen bedeckt. Scribe’s Libretto weist „Die Jüdin“ unter jene echt französischen Schreckens dramen der Dreißiger-Jahre, welche den Rückschlag der romantischen Schule auf die Opernmusik augenfällig dar thun; ein grelles Bild religiösen Hasses und Fanatismus. Aus diesem dunklen Grunde erblühen aber Situationen von zartester Empfindung und herzenswarme Melodien, wie sie Halévy nur selten so überzeugend gesungen hat. Ich brauche hier nicht ausdrücklich an Recha’s seelenvolle Romanze „Il reviendra“, an Eleazar’s rührende Arie im vierten Act, an das Gebet und die Brotweihung im dritten Act zu erinnern. Das nationale jüdische Element in Halévy, das (wie bei Meyerbeer) auch manches Bizarre, raffinirt Berechnete er klären hilft, gedieh gerade diesem Werk zu eigenartigem Vortheil. Vor Allem die weihevolle Scene der Osterfeier trägt ein so echtes Gepräge, daß wir uns in das Haus eines der alten biblischen Patriarchen versetzt glauben. Die beiden Hauptgestalten Eleazar und Recha werden stets die Seele des Empfangenden im Innersten aufregen und haben bis heute den bedeutendsten Darstellern lohnende Aufgaben geliefert. Der seltsame Einfall, den Eleazar, eine pathetische Väterrolle, dem Tenor zuzutheilen, entstammt einer ganz persönlichen Beziehung. Halévy hatte die Rolle ursprünglich für den Bassisten Levasseur gedacht. Der Tenorist Nourrit, der Recha’s Liebhaber singen sollte, bewog

jedoch den Componisten zu dem Wagstück, die Rolle des Juden für ihn zu schreiben. Dieser geistvolle dramatische Sänger war es überdrüssig geworden, lauter sentimentale, zärtlich girrende Liebhaber zu singen. Dies ist auch manchem der besten deutschen Tenoristen widerfahren; Tichatschek, Niemann, Wachtel, Sontheim und Andere zählten den Eleazar zu ihren Glanzrollen. Auf den Rath Nourrit’s schloß auch Halévy den vierten Act mit der Arie Eleazar’s, während früher ein großes Chorfinale beabsichtigt war. Bekanntlich ist es auch Nourrit’s Verdienst, daß Meyerbeer, welcher den vierten Act der Hugenotten“ mit der Waffenweihe schließen wollte, das große Liebesduett hinzucomponirt hat, die Perle der ganzen Oper. Nourrit’s geistiger Einfluß war sehr groß; die namhaftesten Componisten suchten und befolgten gern seinen Rath, der fast immer richtig war, freilich auch immer darauf bedacht, die volle Strömung des Effects auf seine eigene Mühle zu leiten.

Von den hervorragenden Werken, welche Halévy für die Pariser Große Oper geschrieben, sind in Wien außer der Jüdin“ nur noch zwei zur Aufführung gelangt: „Guido und Ginevra, oder: Die Pest in Florenz“ (1844) und 1852 die „Königin von Cypern“. Keine von beiden hat die künstlerische Bedeutung, noch auch den äußeren Er folg der „Jüdin“ erreicht. Sie gehören beide zu jenen zahl reichen fünfactigen Opern, welche das Historische, also eine nothwendige Kunstrichtung der Zeit, als Modesache behandeln und für äußerlichen Prunk ausbeuten. Als dramatische Unter lage für all die blendenden Aufzüge, Märsche, Ballette und decorativen Ueberraschungen werden möglichst gewalt thätige Leidenschaften und aufregende Situationen gehäuft. So in „Guido und Ginevra“ das Wüthen der Pest, Schein tod, Leichenraub und alles dahin Gehörige. Eine einzige ge müthvolle, melodiös reizende Nummer ist mir daraus er innerlich: die Des-dur-Romanze Guido’s im ersten Act. Es fehlt dieser Oper, auf welche Halévy besondere Mühe verwendet hatte, auch sonst nicht an effectvollen Musikstücken; daß sie trotzdem auf allen Bühnen nur ein kurzes Leben fristete, erklärt sich großentheils aus der uns abstoßenden, mehr trostlos traurigen als tragischen Handlung. Noch äußerlicher, musikalisch unerquicklicher berührt uns „Die Königin von Cypern“. In Wien ist sie erst

zwanzig Jahre nach ihrer Pariser Première (mit Frau Czillagh in der Titelrolle) erschienen. Um das Libretto war an fangs heftig polemisirt und processirt worden; der Dichter Saint- Georges hatte es als „Catarina Cornaro“ für Franz Lachner geschrieben, trotzdem aber an Halévy verkauft. Dadurch war die allgemeine Aufmerksamkeit erregt, aber das Textbuch nicht besser geworden. Niemals habe ich eine Oper mit solchem Luxus und so malerischer Pracht aufführen gesehen, wie diese „Reine de Chypre“ im Pariser Neuen Opern haus; aber alle Sammtgewänder und vergoldeten Rüstungen vermochten die traurige Blöße dieser Musik nicht zu ver decken. Halévy’s Absichtlichkeit ist darin so vorschlagend, daß es ihm fast unmöglich wird, einen breiten einfachen Chor zu schreiben. In dem großen Ensemble erscheint Alles verzwickt, zu einer Originalität gequält, die durch keine Mühewaltung erreicht wird. Dazwischen begegnen wir wieder einzelnen ruhiger hinfließenden Gesangsstücken (wie das erste Duett Gérard’s mit Catarina), welche durch ihre Weichheit und Herzlichkeit überraschen. Sie weisen darauf hin, daß Halévy’s ursprüngliche Natur ihn eigentlich mehr für das Lyrische als für gewaltsame Dramatik, mehr für den Einzelgesang als für Massenwirkungen eignete. Wir finden dies fast überall bestätigt, wo sein Text einen ebenen Schritt geht, was freilich bei diesen großen, aufge regten Stoffen selten der Fall ist. Am meisten spricht für unsere Ansicht Halévy’s einfachste und gemüthvollste Oper Der Blitz“. Im Hofoperntheater ist sie 1849 nach wenigen Vorstellungen verschwunden und wurde erst 32 Jahre später, unter Director Jahn aufs sorg fältigste neu studirt, wieder aufgenommen. Auch da hat sie jedoch nicht den Beifall gefunden, der ihr anderwärts so treu geblieben. Das lag nicht sowol an dem Werke selbst als an zwei wichtigen Bedingungen der Aufführung. „Der Blitzbraucht ein kleines intimes Theater und sehr gewandte, temperamentvolle Darsteller. Eine Conversations-Oper, die nur für zwei Soprane und zwei Tenore geschrieben ist, ohne Baß stimme, ohne Chor. Es ist wörtlich kaum zu nehmen, daß Halévy, dieser peinlich ernsthafte Künstler, sich, wie man erzählt, durch eine Wette zu solchem Wagestück habe bestimmen lassen. Die Handlung ist bei aller Einfachheit gut erfunden und geschickt geführt; sie leidet nur an über mäßiger Verzögerung des Ausgangs. Eine auf so dürftige

Kunstmittel gestellte Oper geräth in Gefahr, langweilig zu werden, sobald sie zu lang wird. Halévy’s Musik erfreut durch Eleganz, Anmuth und Geist, ganz besonders aber durch eine glänzende technische Gewandtheit. Daß Manches darin veraltet, einer früheren Mode verfallen ist, darf uns heute, nach fast 44 Jahren, nicht Wunder nehmen. Und französische Opernjahre zählen fast doppelt, wie Kriegsjahre. Zu den verblichenen Moden gehören zum Beispiel be schreibende große Arien, wie die des Lyonel, welcher das See mannsleben, die Abfahrt, das Abschiednehmen, die Seeschlacht, die glückliche Heimkehr, Alles im Detail schildert. Ein Seiten stück dazu bildet die minutiöse Schilderung einer großen Jagd, welche in den „Musketieren der KöniginOlivier in einer endlosen Arie zum Besten gibt. Immerhin bleibt Halévy’s „Blitz“ ein kleines Meisterstück — wohl gemerkt, für ein kleines Theater. Dem „Blitz“ hat Beulé in seiner akademischen Gedächtnißrede auf Halévy einige treffende Worte gewidmet. „Welches ist das besondere Verdienst dieses Werkes?“ fragt der Redner des Institutes. „Ist es das Komische, das der Titel anzukündigen scheint? Nein, denn man findet hier weder die lebhafte noch die etwas boshafte Fröhlichkeit, welche dem französischen Geiste eigen ist, noch das unerschöpfliche, dem Gezwitscher der Vögel gleichende Lachen, das eine italienische Partitur erfüllt. Nur Verve der Darstellung, Gang der Handlung, interessanter Aufputz und eine gewisse Komik, die sich aus den mit außerordentlicher Geschicklichkeit geschaffenen musikalischen Verbindungen ergibt, sollen Anlaß zum Lachen bieten. Das israelitische Volk lacht wenig; es ist ebenso ernst wie die anderen semitischen Racen. Die an den Weiden von Babylon aufgehängten Harfen sind das Sinnbild aller Musik des Orients, die klagend und träumerisch ist. So ist im Grunde Melancholie die herrschende Stimmung im „Blitz“; darin besteht eigentlich seine dramatische Einheit. Die lieb lichen Melodien athmen zugleich etwas von Traurigkeit und Zartheit. Die Leidenschaft ist vorhanden, aber verschleiert, abgeschwächt bis zu dem, was man inniges Gefühl nennt.“ ...

Von Halévy’s komischen Opern haben außer dem Blitz“ einzig „Die Musketiere der Königinsich eine zeitlang beliebt erhalten auf deutschen Bühnen. Weniger originiell und melodiös als der „Blitz“, aber dramatisch bewegter, farbenreicher, sichert ihnen in Frank

reich ihre in Galanterie und Ritterlichkeit schwelgende Hand lung noch manche Wiederholung. Im Wiener Hofopern theater sind die „Musketiere“ zuletzt 1863 wieder auf marschirt, um bald wieder abzuziehen ohne klingendes Spiel und fliegende Fahnen. Die Musik ist von zu geringem und zweifelhaftem Werth, um durch eigene Kraft die Wirkung dieser Oper zu sichern; oberflächlich tändelnde Melodien, welche weniger den Kern als die letzte Zierde einer lebensvollen, geistreichen Darstellung zu bilden haben. Diese Anschauung ist den Franzosen ganz eigen thümlich und bestimmt sehr wesentlich den Charakter ihrer Opéra comique. Wer die „Musketiere“ in Paris gesehen, begreift, auch ohne besonderer Verehrer Halévy’s zu sein, den ziemlich anhaltenden und lebhaften Erfolg derselben. Für ein deutsches Publicum sind ein pikantes Marschthema und ein hübsches Duett noch keine Oper.

Das Bild Halévy’s bliebe unvollständig, wollte man seine Verdienste als Schriftsteller übergehen. Halévy war über sein specielles Fach hinaus ein Mann von umfassender gründlicher Bildung und ein ausgezeichneter Stylist. Um dieser Vorzüge willen wählte ihn die Akademie der Schönen Künste zu ihrem Secrétaire perpetuel, ein Amt, das nie zuvor ein Musiker innegehabt. Unter dem Titel „Souvenirs et portraits“ ist eine lesenswerthe Auswahl seiner Gedächtniß reden (Eloges) und musikalischen Aufsätze in zwei Bänden bei Michel Lévy erschienen. Ebenso gewissenhaft und erfolg reich versah Halévy die Professur der Compositionslehre am Con servatorium als Nachfolger von Fétis. Seine Schüler — unter welchen Gounod, Victor Massé, F. Bazin, Potier — bewahrten ihm stets ein dankbares herzliches Andenken. Seinem flecken losen Charakter konnte Verleumdung nicht beikommen; trotz dem hatte Halévy zeitlebens viel Gehässigkeit und feindselige Geringschätzung zu tragen. In Paris nistete schon vor Dreyfus ein kleiner ästhetisch-kritischer Generalstab, welcher den Mann, den man nicht auf die Teufelsinsel schicken konnte, wenigstens zu allen Teufeln wünschte. Es hat seinem Andenken nicht geschadet. Halévy’s Tod war, nach dem Zeugnisse Pougin’s, eine allgemeine Trauer für Frankreich, das in ihm nicht blos einen großen Musiker und geistvollen Schriftsteller, sondern auch einen vortrefflichen Menschen von idealem Streben, rastlosem Fleiße und edlem Charakter ver loren hat.