Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Nr. 13787. Wien, Dienstag, den 13. Januar 1903 Hanslick, Eduard Wilfing, Alexander FWF Der Wissenschaftsfond.
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Hanslick Edition: Hanslick in Neue Freie Presse Herausgegeben von Wilfing, Alexander Projektmitarbeiterinnen Bamer, Katharina Pfiel, Anna-Maria Elsner, Daniel Picej, Cornelia Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage Wien 2023

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Maschinenlesbares Transkript der Kritiken von Eduard Hanslick.

Nr. 13787. Wien, Dienstag, den 13. Januar 1903 Hanslick, Eduard Neue Freie Presse Morgenblatt Herausgegeben von Etienne, Michael Friedländer, Max 13.01.1903
font-style:italic; font-weight:bold; Deutsch Transkribus OCR und Lektorat. Transformierung der Daten des Transkribus TEI-Export mit "editions.xsl". Formatierung und Referenzen eingefügt. Letztkorrektur für Zwischenrelease.
Musik. Fünftes Philharmonisches Concert. — Briefwechsel zwischen Robert und Clara Schumann.

Ed. H. Volkmann’sOuvertüre zu Shakespeare’s Richard III.“ ist durch wiederholte Aufführungen in den Philharmonischen Concerten bekannt. Das eng, fast ängst lich dem Verlauf der Tragödie sich anschließende Werk würde nach meiner Empfindung als Ouvertüre vor einer wirklichen Bühnenaufführung viel kräftiger und verständ licher wirken. Als Concertstück macht es trotz geistvoller Einzelheiten doch den Eindruck des Fremdartigen, Un zusammenhängenden. Obendrein lastet der trübe, schwere Nebel dieser Harmonien lange und empfindlich auf dem Zuhörer, besonders während des durch 20 Tacte in gleichen halben Noten dahinschleichenden „Andante sostenuto“. Wenn dann urplötzlich mit Trommeln und Querpfeifen das lustige Kriegslied in D-dur erklingt, so begrüßt man es fast wie eine Erlösung — freilich nicht ohne den Neben gedanken, daß dies Bühnenmusik sei... Einen freundlich milden, fast zu harmlosen Gegensatz zu dem wilden Richard III. bot eine Novität unseres Ignaz Brüll: Andante und Allegro, Concertstück für Clavier und

Orchester.“ Viel Neues, Ueberraschendes bringt uns das Stück nicht, am wenigsten in dem allzu gleichmäßig rhythmisirten Andante. Frischer und glänzender klingt das Allegro, schon durch den häufigeren Tactwechsel und das lebendig einströmende Passagenwerk des Claviers. Man kennt Brüll als unvergleichlichen Claviervirtuosen im edelsten Sinne dieses Wortes. Der vortreffliche Concertflügel von Ehrbar (dessen Namen sowol der Concertzettel als das Handprogramm auffallenderweise ver schwieg) kam dem ebenso kräftigen wie gesangvollen Anschlag Brüll’s ganz besonders zu statten. Vom Publicum herzlich empfangen, wurde Brüll, der Componist der Novität und Liebling der Wiener vom „Goldenen Kreuzher, wiederholt stürmisch gerufen. ... Den Beschluß des Concertes machte R. Schumann’s oft gehörte Es-dur- Symphonie, unter Hellmesberger’s sorgfältiger Leitung.

Nur mit halber Aufmerksamkeit, offen gestanden, bin ich der Aufführung der Symphonie gefolgt — die andere Hälfte hielt Schumann selbst gefangen. Eben vertieft in das von B. Litzmann herausgegebene köstliche Buch „Clara Schumann“, mußte ich während der Symphonie unausgesetzt an Robert und Clara denken. Das Bild dieser beiden unvergeßlichen Künstler, mit denen mir wiederholt herzlicher Verkehr vergönnt ge wesen, spiegelte sich mir leuchtend auf den Tonwellen der Symphonie. Die Leser der „Neuen Freien Presse“ kennen den herrlichen Aufsatz Victor Widmann’s über „Clara Schumann’s Mädchenjahre“. Weder auf dem Titelblatt der Biographie noch in dieser selbst erwähnt, scheint mir Widmann dennoch nicht ganz ohne Einfluß darauf geblieben. Als vertrauter Freund Brahms’, dem er ein schönes literarisches Denkmal gesetzt, Johannes Brahms in Erinnerungen von J. V. Wid mann“ (Berlin, 1898, bei Paetel). stand Widmann auch der Schumann’schen Familie nahe. Soeben sendet er mir eine Photographie der von Clara’s Töchtern Marie und Eugenie Schumann bewohnten Villa in Interlaken. Dort ist der Plan zur Veröffentlichung des Briefwechsels

zwischen Robert und Clara zur Reife gediehen. Die musi kalische Welt, ja auch die nichtmusikalische, dankt es den Töchtern Schumann’s, daß sie diesen lang gehüteten Schatz jetzt freigegeben haben. Weder Robert noch Clara konnten ahnen, daß ihre intimen, nur für einander bestimmten Briefe je einem Dritten zu Gesicht kommen würden; so echt und rückhaltlos sprechen sie sich darin aus, wie sie es im Leben gegen die besten Freunde nicht gethan. Beide zeigen sich uns da von neuen Seiten. Zunächst Robert Schumann, der Schweig same, Nachdenkliche. Von seiner überquellenden Wärme und Beredtsamkeit gewinnt man erst aus diesen Briefen eine Vorstellung. Im Leben mußte man oft seinen so freund lichen Blick und langen Händedruck für seine stockende Rede hinnehmen. Schreibt doch Clara selbst in ihrem Tagebuche von 1840: „Den 4. April ging ich mit Robert nach Connewitz. Mir ist doch nie so wohl, so heimisch, als wenn ich mit ihm gehe! Er braucht gar nicht zu reden — ich mag ihn so gern nur sinnend, und möchte ihm jeden Gedanken ablauschen! Und wenn er mir leise einmal die Hand drückt, dann bin ich ganz beglückt im Innersten — ich fühle dann so ganz, daß ich sein Liebstes bin.“

Clara vollends rückt durch ihre Briefe in ein neues verklärendes Licht. Im täglichen Verkehr hatte ihr Wesen, namentlich ihre Sprache, für meine Empfindung, etwas vorherrschend Verständiges, ja mitunter Kaltes, Scharfes, das mit nervöser Aufgeregtheit wechselte. Ihren Robert schrankenlos bewundernd, als Menschen und Künstler, ver mochte sie nicht das leiseste, achtungsvollste Bedenken gegen ihn zu ertragen. Von meiner schwärmerischen Verehrung für ihn durch jahrelange Proben überzeugt, nahm sie es mir doch sehr übel, daß ich in seinen letzten Compositionen eine Schwächung seiner Erfindungskraft, eine Ermüdung seiner Phantasie wahrnahm — worüber heute wol kein Streit mehr besteht. „Die Düsseldorfer Werke meines Mannes,“ wiederholte sie nachdrücklich, „sind durchaus nicht schwächer als die früheren, sie sind nur anders.“ Schlimmer

noch nahm sie meinen Artikel über Wasielewsky’s Schu mann-Biographie auf, aus welcher ich die Stelle citirte, Schumann sei in Folge seiner anhaltenden Krankheit von der Düsseldorfer Musikgesellschaft seiner Dirigentenstelle enthoben worden. Clara war gewiß im Recht, wenn sie diese Nachricht für falsch erklärte; aber nicht mich, sondern Wasielewsky trifft die Schuld. „Wasielewsky,“ eiferte sie, „hatte gar keine Ahnung von dem Charakter und der Be deutung meines Mannes; sein Buch steckt voller Falsch heit und Irrthum.“ Natürlich äußerte ich den Wunsch, Clara möchte das Buch, das sie gar nicht angesehen, doch lesen: jede von ihr kommende Widerlegung würde ja als alleinige Wahrheit für immer entscheidend sein und bleiben. Dieser Vorschlag machte sie aber vollends böse. Nichts wolle sie lesen, nichts hören, was nur den geringsten Zweifel an Schumann enthalten könnte.

Diese standhafte innige Pietät für ihren Mann kommt vollständig erst in den neu veröffentlichten Briefen zu ent zückendem, ja großartigem Ausdruck. Jetzt erst lernen wir diese seltene Frau ganz kennen und lieben. Jetzt erst erfahren wir, mit welch beispielloser Härte und Ungerechtigkeit der alte Wieck die beiden Liebenden verfolgt und zu trennen versucht hat. Fast noch ein Kind lernte Clara ihren Robert Schumann kennen und lieben. Niemals hat sie, die Vielgefeierte, für irgend einen andern Mann ein leb hafteres Interesse empfunden. Still und heimlich ver lobte sich die Fünfzehnjährige mit Schumann. Die Beiden hielten fest zu einander, nachdem Clara’s Vater sie grausam getrennt und Robert das Haus verboten hatte. Während einer Ewigkeit von drei Jahren sahen sie einander nur flüchtig für zwei bis drei Tage: in Leipzig, Berlin, Zwickau. Es blieb ihnen allein der fleißige Briefwechsel; der denkbar innigste, dabei reinste, un schuldigste. Robert, dessen Temperament ohnehin zur Melancholie neigte, konnte schmerzlichen Ahnungen und Sorgen nicht wehren; immer ist es Clara, die ihn be ruhigt, ermuntert, aufrichtet. Immer schmerzlicher, immer gefährlicher wird die lange Trennung mit der steigenden Erbitterung von Clara’s Vater, der sogar ihr durch

Concertreisen erworbenes ganzes Vermögen sich aneignen wollte als Entschädigung für die ihr ertheilten tausend Unterrichtsstunden! Im Herbst 1838 schreibt sie an Robert: „Schwer wird mir die Trennung vom Vater werden, viel werd’ ich kämpfen müssen, doch die Liebe gibt mir Kraft zu Allem. Ist die Zeit da, dann auch ich! ... Nun wir wollen recht viel an einander denken, und gleich jetzt geb’ ich dir die Hand auf Erneuerung unserer Verlobung. Auch dein Ring blieb rein und nur berührt von deinen Küssen. Wie doch die Zeit vergeht! Also ein Jahr sind wir nun bald verlobt? ... Wie macht einem die Liebe auch so empfänglich für alles Schöne; die Musik ist jetzt ein ganz anders Ding für mich, als ehe mals. Wie selig, wie sehnsüchtig stimmt sie; es ist un beschreiblich. Ich könnte mich aber jetzt zuweilen aufreiben am Clavier; mein Herz macht sich Luft in den Tönen. Ach, wie schön ist doch die Musik, so oft mein Trost, wenn ich weinen möcht’.“ Und ein Jahr später, am Syl vesterabend 1839: „Den Neujahrskuß lass’ dir geben, mein geliebter Robert! Mit welchen Gefühlen ich das neue Jahr betrete, kann ich dir nicht sagen; es sind freudige, aber auch ernste. Ich soll dir nun bald ganz angehören, das erregt mich freudig, mein ganzes Lebensglück liegt dann aber auch in deiner Hand. Ein unbegrenztes Vertrauen hab’ ich zu dir, du wirst mich ganz beglücken, aber auch ich will dir immer von ganzer Seele ergeben sein; mein ganzes Sinnen und Trachten ist ja dein Glück. Gib mir deine Hand, mein Robert, treu will ich mit dir durchs Leben gehen, Alles mit dir theilen, und kann ich es, dir auch eine gute Hausfrau sein. ... Ach, ich liebe dich ja so innig, so ganz unendlich! Bald dein glückliches Weib, deine Clara.“

Würden die Briefe blos von Sehnsucht und Liebe sprechen, sie könnten bei aller Innigkeit vielleicht doch bald ermüden. Aber dem ist nicht so; Hand in Hand mit der Herzens neigung Clara’s und Robert’s geht ein zweiter Cultus: die Musik. Sie, „die holde Kunst“, hat die Beiden zu erst einander genähert, verbunden, und hält sie fest ver eint durchs ganze Leben. Von musikalischen Erlebnissen ist,

wenn auch oft nur flüchtig, in fast allen Briefen die Rede; insbesondere in jenen Clara’s, die auf ihren Kunst reisen so viel Musik und Musiker kennen lernte. Von Liszt (der auch Schumann’s Herz in Leipzig erobert) schreibt sie aus Berlin: „Als ich Liszt das erstemal in Wien hörte, da konnte ich’s nicht mehr aushalten, da habe ich (bei Graf war es) laut geschluchzt, so hatte es mich erschüttert. Kommt es dir nicht auch vor, als wollte er am Clavier untergehen, und dann wieder, wenn er zart spielt, ist es himmlisch. Ach ja, sein Spiel steht noch ganz lebhaft vor meiner Seele. Gegen Liszt kommen mir doch alle Virtuosen so klein vor, selbst Thalberg, und mich — mich sehe ich gar nicht mehr. Nun, ich bin doch glücklich, ich verstehe doch alle Musik — das ist mir mehr werth, als all mein Spiel, und in dir, in deiner Musik, bin ich selig.“ Dann vertraut sie in Leipzig ihrem Tage buch: „Liszt ist so liebenswürdig, daß ihn Jeder lieb ge winnen muß. Seine Unterhaltung ist voll Geist und Leben, auch ist er wohl kokett, das vergißt man aber ganz und gar. Ich mußte ihm auch Einiges spielen, ich that’s aber mit wahrer Seelenangst. Im Uebrigen fühlte ich mich gar nicht befangen in seiner Nähe, wie ich vorher befürchtet hatte; er selbst bewegt sich so ungenirt, daß sich Jeder in seiner Gesellschaft wohl fühlen muß. Lange aber könnt’ ich nicht um ihn sein; diese Unruhe, dies Unstete, diese große Lebhaftigkeit, das Alles spannt Einen sehr ab.“ In Berlin genoß Clara das wiederholte Zusammensein mit Mendelssohn. Lange hatte sie ihn nicht gehört und stand nun aufs neue ganz beglückt und doch zugleich bedrückt unterm Banne seiner unvergleich lichen Meisterschaft: „Seit ich Bach’s Cis-moll-Fuge neulich von Mendelssohn gehört, ist mir ein neues Licht aufgegangen. Mendelssohn spielte sein Trio und das G-moll- Quartett von Mozart. Er spielte meisterhaft und so feurig, daß ich mich wirklich in einigen Momenten nicht der Thränen enthalten konnte. Er ist mir doch der liebste Spieler unter Allen!“ Nach der Lectüre von Schumann’s Aufsatz über die Siebente Symphonie von Schubert ruft sie aus: „Leben wir doch noch! Es erfüllt Einem so

mit Wehmuth, daß er es nicht erlebte, so anerkannt zu werden wie jetzt. Ich kann sagen, mich hat doch ein ganz eigenes Gefühl übermannt, als ich an seinem und Beet hoven’s Grabe stand. Wie innige Freunde müßtet ihr sein! ...“ In Leipzig feierte die schöne und kokette Clavier- Virtuosin Camilla Pleyel große Triumphe; man machte Clara Angst vor dieser Rivalin. Da schreibt Clara in ihr Tagebuch: „Ich lebe nur für Einen, und möge ihm nur die Welt Gerechtigkeit widerfahren lassen — das sollte meine höchste Freude sein. Daß ich in der Welt nie ein großes Glück machen kann, ist mir klar geworden. Ich besitze nicht die Persönlichkeit, die dazu gehört, will sie aber auch nicht besitzen. Ich habe recht lange für mich geweint heute, ich sehne mich gar zu sehr nach Robert und nach Ruhe.“ Ganz glücklich macht sie die Zusendung der „Novelletten“ von Schumann. Sie findet immer wieder neue Schönheiten darin. „Geist, Gemüth, Humor, größte Zartheit, Alles vereint sich darin; der feinsten Züge sind unendliche darin. Man muß ihn kennen wie ich, und man wird sein ganzes Ich in seinen Compositionen allen finden. Die Zeit wird noch kommen, wo die Welt ihn erkennen wird ..., aber spät wird sie kommen. ...“ In Paris wird ihr die freundlichste Be grüßung von dem alten Cramer, dem Etuden-Cramer. „Es ist ein sehr liebenswürdiger alter Mann,“ berichtet sie an Robert, „doch sehr wenig mit der neueren Zeit fort geschritten; über Liszt raisonnirt er schrecklich, nur Beethoven hat ihn entzückt; alles Andere ist nichts in seinen Augen.“ Entzückt ist sie von dem Cellisten Franchomme, hingegen nennt sie Osborne einen „höchst mittelmäßigen“ Pianisten. Baillot, sowie Auber trifft sie nicht zu Hause; „Paër war sehr liebenswürdig; von neuerer Musik versteht er gar nichts. Von Kalkbrenner wurde gestern ein Sextett gespielt, das erbärmlich componirt ist, so arm, so matt und so ohne alle Phantasie. Kalkbrenner saß natürlich, süß lächelnd und höchst zufrieden mit sich selbst und seiner Er schaffung, in der ersten Reihe. Der Cellist Alexander Batta, der hier von den Damen angebetet wird, hat ein delicates Spiel, aber eine affectirte, eine französische Seele.“

In Leipzig hört sie dann Thalberg und Dreyschock. Thalberg’s Spiel ist schön, Alles vollendet, auch ausdrucksvoll, jedoch die höhere Poesie geht ihm ab. Sein Anschlag ist der schönste, nie mißlingt ihm etwas. Als Spieler steht er groß da; doch über Allen steht Mendelssohn.“ Von Dreyschock schreibt sie, daß er „zwar viel Fingerfertigkeit, aber keinen Geist hat und auf eine schreckliche Weise vorträgt. Thalberg steht hundertmal höher.“

Unsere Leser möchten wol auch gern erfahren, wie es den jungen Brautleuten in Wien ergangen ist? Clara über alle Erwartung glänzend — Robert unter aller Erwartung schlecht. Im März 1838 hatte Clara Wieck in Wien mit ungeheurem Erfolg concertirt. Sie wurde zur k. k. Kammervirtuosin ernannt, was ihr noch Tags vorher „wegen des unüberwindlichen Hindernisses der Religion“ als unmöglich bezeichnet worden ist. Der Minister Graf Kolowrat versicherte nachträglich, daß das ohne Beispiel sei und vielleicht nie wieder vorkommen würde, weil sie eine Ausländerin, protestantisch und zu jung sei. Aber der Kaiser habe auf den Vortrag gutmüthig erwidert: „Nun wenn es der Clara angenehm ist und sie es ernstlich wünscht, will ich eine Ausnahme machen.“ „Da ich nun auch eine Wienerin geworden,“ schreibt sie an Schumann, „nenne ich dich mein herzallerliebstes Schatzerl!“ Ihre Wiener Erfolge und Schilderungen verstärken in Schumann die alte Sehnsucht, einige Jahre in Wien zu leben, der Stadt Beethoven’s und Schubert’s. „Also, deine Hand,“ ruft er Clara zu, „es ist beschlossen, reiflich von mir bedacht, mein sehnlicher Wunsch, unser Ziel ist Wien.“ Hier will er eine Musikzeitung gründen. Er stellt sich das, an Leipziger Verhältnisse gewöhnt, viel zu leicht vor. Clara hat ein wenig vorgearbeitet, ins besondere bei Hofrath Vesque v. Püttlingen (J. Hoven) und dem Clavierprofessor Joseph Fischhof. So spricht ihm denn Clara Muth zu: „Fischhof’s Brief hat mich unendlich gefreut; thue nur Alles, was er dir sagt, die Sache wird schon gehen ... nur Geduld! Vesque kann dir allerdings viel nützen, ist auch ein liebenswürdiger

Mann. Graf Sedlnitzky war ein Beschützer von mir und scheint mir ein guter Mann, und hat viel Macht. Er kann Alles streichen, was er will, und Alles stehen lassen. Er ist es, der alle Blätter erst durchliest, ehe sie gedruckt werden dürfen.“ Der „gute Mann“ (dessen grausamen Rothstift ich selbst noch als jüngster Mitarbeiter von Frankl’s „Sonntags blättern“ zu kosten bekam), machte Schumann Schwierig keiten. „Meine Ueberzeugung,“ schreibt Schumann im Februar 1839, „daß hier keine gute Zeitung aufkommen kann, wächst immer mehr, und eine musikalische vollends nicht, da Wien so sehr außer Verbindung mit Mittel deutschland.“ Bald darauf überzeugte sich Schumann von der völligen Unmöglichkeit, seine Zeitung in einer oder andern Form nach Wien zu verlegen. „Warum willst du in Wien bleiben,“ fragt ihn Clara, „unter Menschen leben, die dir nicht zusagen? Geh’ fort, wieder nach unserem Leipzig, da würden wir doch, glaube ich, am glücklichsten sein. Daß du hier Stunden gibst, ist schön, doch bin ich einmal bei dir, dann darfst du das nicht mehr thun. Das ist dann mein Geschäft!“ Und so geschah es denn. Robert folgte seiner Clara, die wie immer Recht hatte, und kehrte nach Leipzig zurück, wo seine in Wien „unmögliche“ Musik zeitschrift schnell zu Erfolg und Berühmtheit gedieh. Schlimme Tage sollten den schwergeprüften Brautleuten noch durch den ihrer Heirat feindselig entgegenarbeitenden alten Wieck bevorstehen. Endlich siegte aber doch die Sonne über all das schwarze Gewölk. „Die Liebe wird’s erreichen!“ rufen sie mit Fidelio aus. Am 12. September 1840 wurden Robert und Clara in der protestantischen Kirche in Schönfeld bei Leipzig vermält. „Es war ein schöner Tag,“ schreibt Clara in ihr Tagebuch, und selbst die Sonne, die sich seit vielen Tagen versteckt hatte, warf am Morgen, als wir zur Trauung fuhren, ihre milden Strahlen auf uns, als ob sie unseren Bund segnen wollte. Nichts störte uns an diesem Tag, und so sei er denn auch in diesem Buche als der schönste und wichtigste meines Lebens aufgezeichnet.“