# Elementarkurs Experimentalphysik
*Skriptum zum Kurs „Physik (mit Experimenten)“*
**Dr. Herbert Schletter**
Technische Universität Chemnitz
*Wintersemester 2024/2025*
## Hinweis zum Urheberrecht
Dieses Skriptum steht unter einer [Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz](http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/).
Ausgenommen hiervon sind Inhalte (insbesondere Abbildungen), die aus externen
Quellen übernommen wurden und dort unter einer anderslautenden Lizenz
veröffentlicht wurden. Derartige Inhalte sind im Skript stets mit einem eigenen
Lizenzhinweis versehen, der Vorrang vor der hier genannten Lizenz besitzt.
## Vorwort
Dieses Skriptum wurde konzipiert und verfasst als Lehrmaterial zur Vorlesung
„Physik (mit Experimenten)“ für die Studiengänge ‚Wirtschaftsingenieurwesen‘ und
‚Lehramt an Grundschulen‘ an der Technischen Universität Chemnitz. Es bietet
einen Überblick über grundlegende Konzepte und Arbeitsmethoden der Physik mit
einem Schwerpunkt auf die Gebiete der klassischen Physik.
Da ein Skriptum auf den jeweiligen Vorlesungsinhalt abgestimmt ist, erreicht es
nicht den Umfang und die Ausführlichkeit eines Lehrbuchs und kann daher auch ein
solches nicht ersetzen. Es bietet jedoch eine didaktische Einführung in das
Themengebiet.
Der diesem Skriptum zu Grunde liegende Physikkurs hat einen Umfang von 15
Vorlesungen. Dieser recht geringe zeitliche Umfang erfordert eine Konzentration
des Vorlesungsinhalts auf die zentralen physikalischen Prinzipien der einzelnen
Stoffgebiete zusammen mit den grundlegenden mathematischen Herleitungen.
Aufgrund dieser Stoffreduktion trägt dieses Skriptum die Bezeichnung
„Elementarkurs“.
### Aufbau des Skriptums
Dieses Skriptum wurde in [LiaScript](https://LiaScript.github.io/course/?https://github.com/LiaScript/docs)
verfasst, einer Variante der Beschreibungssprache Markdown. Da es sich hierbei
um eine reine Textdatei handelt, ist eine Anzeige des (unformatierten)
Quelltexts in jedem Texteditor möglich. Die [formatierte Anzeige](https://liascript.github.io/course/?https://raw.githubusercontent.com/HerbertSchletter/elementarkurs-exphy/main/skriptum.md)
erfolgt im Browser über den LiaScript-Interpreter, der eine progressive Web-App
darstellt.
## Einführung
Die erste Frage, die in diesem Skriptum beantwortet werden soll, bezieht sich
auf die Zielstellung dieses Buchs. Da es sich um Lehrmaterial der Physik handelt,
ist dies gleichbedeutent mit der Frage nach der Zielstellung der Physik. Deshalb
findet sich unter der nachfolgenden Überschrift ‚Was ist Physik?‘ als erstes
eine Definition dieser Naturwissenschaft, zusammen mit einigen Erläuterungen.
Im Zentrum der Physik steht die Frage nach den Eigenschaften von Körpern und
deren gegenseitigen Wechselwirkungen. Um sich diesem hochgesteckten Ziel zu
nähern, hat die Physik zwei grundlegende Herangehensweisen entwickelt, die als
Experimentalphysik und Theoretische Physik bezeichnet werden. Wie der Titel
dieses Skriptums verrät, ist der vorliegende Kurs im Bereich der
Experimentalphysik angesiedelt.
Kennzeichnend für die Experimentalphysik ist das namensgebende Experiment, das
als eine gezielte Frage an die Natur aufzufassen ist. Untrennbar mit dem
Experimentieren verbunden sind Messungen physikalischer Größen. Beide Begriffe –
Experiment und Messung – werden in den nachfolgenden Abschnitten erläutert.
Der letzte Abschnitt dieses ersten Kapitels lenkt den Blick auf das
mathematische Handwerkszeug der Physik. Um die Eigenschaften eines Körpers in
ihrem räumlichen und zeitlichen Verlauf anzugeben, werden Bezugsysteme für
Raum und Zeit definiert. Für Berechnungen innerhalb dieser Bezugsysteme bedient
sich die Physik der Methoden der Vektorrechnung sowie der Differential- und
Integralrechnung.
### Was ist Physik?
> Die Physik ist eine Naturwissenschaft, die Vorgänge der (unbelebten) Natur
> qualitativ und quantitativ beschreibt. Sie fragt nach den Eigenschaften und
> gegenseitigen Wechselwirkungen physikalischer Körper.
Der Begriff „Körper“ bezeichnet dabei ganz allgemein eine definierte Menge an
Materie. Ihm können sehr vielfältige und unterschiedliche Eigenschaften
zugeordnet werden. Aus diesem Grund entwickelten sich im Laufe der Zeit
verschiedene Teilgebiete der Physik, in denen Körper jeweils unter bestimmten
Gesichtspunkten charakterisiert werden.
Die Physik strebt danach, komplexe Phänomene auf grundlegende, allgemeingültige
und möglichst einfache Gesetzmäßigkeiten zurück zu führen. Um diese
Gesetzmäßigkeiten quantitativ auszudrücken, bedient sich die Physik der
Mathematik. Dabei ist das wesentliche Ziel der Physik ein qualitatives
*Verständnis* der Naturvorgänge. Die quantitative Beschreibung dieser Vorgänge
durch mathematische Formeln ist dem nachgeordnet und kann das Verständnis nicht
ersetzen.
Die Physik strebt eine möglichst einfache Beschreibung der Natur an. Diese
Einfachheit kann jedoch nur soweit gehen, dass die Realität nicht durch zu
starke Vereinfachungen verfälscht widergegeben wird. Die Komplexität
physikalischer Formeln und Beschreibungen widerspiegelt daher lediglich die
Komplexität der uns umgebenden Natur.
Für eine solche einfache Beschreibung der Naturvorgänge ist es erforderlich
(und charakteristisch für die Physik), diese Vorgänge auf ihre wesentlichen
Eigenschaften zu reduzieren und Unwesentliches außen vor zu lassen. Ein solches
vereinfachtes oder reduziertes Abbild der Natur wird als **Modell** bezeichnet.
Physikalische Modelle sind stets nur unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar.
So wird uns in den ersten Kapiteln das Modell des Massepunkts begegnen, bei dem
die Form und Größe eines Körpers als unwesentliche Eigenschaften ignoriert
werden und lediglich die Masse berücksichtigt wird, die – modellhaft – in einem
Punkt gedacht wird. Für die Beschreibung einer geradlinigen Bewegung ist dieses
Modell ausreichend, für die Rotation jedoch nicht mehr. Für letztere müssen dann
andere Modelle herangezogen werden.
Mitunter werden Modelle soweit reduziert, dass sie die Realität nur noch
näherungsweise widergeben (z.B. durch Vernachlässigung der unvermeidbaren
Reibung bei der Beschreibung von Bewegungen). Es muss dann geprüft werden,
ob ein solches Modell den konkreten Sachverhalt mit ausreichender Genauigkeit
beschreibt. Ist dies nicht der Fall, muss ein entsprechend aufwändigeres Modell
angewendet werden.
#### Entwicklung der Physik
Die Menschheit hatte seit jeher ein Interesse an der Naturbeobachtung. Die
Physik in ihrem heutigen Sinn entstand jedoch erst im 17. Jahrhundert und ist
eng mit den Personen Galileo Galilei und Isaac Newton verbunden. Seither ist die
Physik geprägt durch:
1. systematisches Experimentieren anstelle einer bloßen Naturbeobachtung und
2. eine enge Verknüpfung von Theorie und Experiment.
Vom 17. bis 19. Jahrhundert entwickelten sich die Teilbereiche, die heute als
klassische Physik bezeichnet werden: Mechanik, Wärmelehre, Elektrizitätslehre &
Optik. Ab ca. 1900 entstand die moderne Physik, zu der (unter anderem) die
relativistische Physik, Quantenphysik, Atom-, Molekül- und Festkörperphysik
sowie die Elementarteilchenphysik gezählt wird. Die einzelnen Teilgebiete der
Physik lassen sich nicht scharf voneinander abgrenzen. So werden beispielsweise
die Gesetze der Mechanik auch in der Elektrizitäts- oder Wärmelehre angewendet
und finden sich auch in der modernen Physik wieder.
### Arbeitsmethoden der Physik
Die Physik kennt zwei grundsätzliche Herangehensweisen zur Untersuchung von
Naturvorgängen:
In der **Experimentalphysik** werden Naturvorgänge durch Experimente (siehe
unten) empirisch untersucht. Durch systematische Veränderung der Einflussgrößen
werden physikalische Zusammenhänge ermittelt. Mit Hilfe mathematischer Methoden
können Beziehungen zwischen den physikalischen Größen hergestellt und die
ermittelten Ergebnisse in Formeln ausgedrückt werden.
Die **theoretische Physik** orientiert sich stärker an der mathematischen
Vorgehensweise. Dabei bilden physikalische Grundgesetze, Axiome oder Annahmen
die Basis der Überlegungen. Darauf aufbauend werden dann – unter Anwendung der
Gesetze der Mathematik – neue Zusammenhänge und Gesetze geschlussfolgert. Die
zugrunde liegenden Gesetze müssen dabei so formuliert werden, dass sie die
Gegebenheiten der Natur widerspiegeln.
Beide Herangehensweisen ergänzen sich und müssen identische Ergebnisse liefern.
So sollen experimentelle Befunde auch theoretisch (ausgehend von physikalischen
Grundgesetzen) erklärt werden. Umgekehrt werden Berechnungen und Vorhersagen der
theoretischen Physik experimentell überprüft.
Der vorliegende Physikkurs ist in der Experimentalphysik angesiedelt. Das kann
jedoch nicht bedeuten, dass auf die Anwendung der Mathematik verzichtet wird.
Vielmehr werden auch hier mathematische Methoden genutzt um Beziehungen zwischen
physikalischen Größen herzustellen und gefundene Zusammenhänge zu begründen.
### Experimente & Messungen
Experimente sind elementarer Bestandteil jeder *Natur*wissenschaft.
Ein **Experiment** ist eine gezielte Frage an die Natur. D.h. durch Experimente
werden Zusammenhänge der Natur gezielt und systematisch untersucht. Der Aufbau
und die Durchführung eines Experiments müssen dieser Zielstellung entsprechen:
- Der Versuchsaufbau muss den relevanten Effekt widerspiegeln.
- Störende Einflussfaktoren sollen ausgeschlossen oder minimiert werden (z.B.
Vermeidung von Reibungsverlusten in der Mechanik, Abschirmung gegen
elektromagnetische Felder).
- Experimente müssen systematisch durchgeführt werden, indem Einflussfaktoren
einzeln unter sonst gleichen Bedingungen geändert werden.
- Messungen müssen mit ausreichender Genauigkeit erfolgen.
Diese Anforderungen bedingen einen entsprechenden apparativen Aufwand für das
Experimentieren, der sich in der Größe und den Kosten von Versuchsaufbauten
widerspiegelt. Mitunter sind selbst bauliche Anforderungen an die Laborräume
einzuhalten, damit ein Experiment gelingt (z.B. Sonderfundamente für atomar
auflösende Elektronenmikroskope).
Im Experiment sollen Zusammenhänge der Natur quantitativ erfasst werden. Dazu
müssen relevante Größen gemessen werden. Eine **Messung** ist ein Vergleich
einer (unbekannten) Größe mit einem Maßnormal. Dieser Vergleich kann direkt
(z.B. Längenmessung mit einem Lineal) oder indirekt (z.B. Massebestimmung mit
Digitalwaage) erfolgen. Die Maßnormale verkörpern eine festgelegte Quantität der
zu messenden Größe und definieren damit gleichzeitig auch die Maßeinheiten der
jeweiligen Größe. Beispiele für Maßnormale sind: Lineal für die Längenmessung,
Massestücke, ein Metronom als Zeitnormal aber auch elektrische Multimeter usw.
Eine physikalische Größe ist definiert als:
$$\textrm{Größe}=\textrm{Zahlenwert}\cdot\textrm{Einheit}$$
Beispielsweise könnten für einen Menschen Körpergröße $h$ und Masse $m$ wie
folgt angegeben werden:
$$\begin{array}{c}
h=1{,}88\cdot 1~\mathrm{Meter}=1{,}88~\mathrm m \\
m=87\cdot 1~\mathrm{Kilogramm}=87~\mathrm{kg}
\end{array}$$
Physikalische Größen ohne Maßeinheiten existieren nicht. Für jede Größe muss
eine Einheit definiert sein. Daraus ergibt sich eine sehr große Zahl
physikalischer Einheiten. Um diese zu systematisieren werden Einheitensysteme
(oder: Maßsysteme) angewendet. Ein Einheitensystem definiert einen Satz
physikalischer Grundgrößen mit den zugehörigen Grundeinheiten. Daraus können
alle weiteren Größen mit ihren Einheiten abgeleitet werden.
In der Physik ist das Système international d’unités – kurz: SI-System –
allgemein gebräuchlich. Die sieben SI-Grundgrößen mit ihren Grundeinheiten sind
in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt. Alle weiteren physikalischen
Einheiten lassen sich aus diesen Grundeinheiten ableiten. Für die Einheit der
elektrischen Spannung – das Volt – gilt beispielsweise
$$1~\mathrm V=1~\frac{\mathrm{kg\cdot m^2}}{\mathrm{A\cdot s^3}} \, .$$
| SI-Grundgröße | Grundeinheit |
|:------------------------|:-----------------------------|
| Länge | Meter ($1~\mathrm m$) |
| Zeit | Sekunde ($1~\mathrm s$) |
| Masse | Kilogram ($1~\mathrm {kg}$) |
| (absolute) Temperatur | Kelvin ($1~\mathrm K$) |
| Stoffmenge | Mol ($1~\mathrm{mol}$) |
| Elektrische Stromstärke | Ampere ($1~\mathrm A$) |
| Lichtstärke | Candela ($1~\mathrm{cd}$) |
Vorsicht ist geboten bei Einheiten, die keine dezimalen Umrechnungsfaktoren
besitzen. Das betrifft unter anderem Zeitangaben in Minuten oder Stunden. Hier
sollten Angaben stets in Sekunden erfolgen. Ebenso sollten Winkelangaben im
Bogenmaß (Radiant) vorgenommen werden.
Wie oben bereits angegeben ist eine Messung der Vergleich einer Größe mit einem
Maßnormal. Ein solcher Vergleich ist jedoch niemals völlig exakt. Es treten
stets **Messunsicherheiten** (Messfehler) auf, die sich unter anderem aus
Unzulänglichkeiten oder der begrenzten Anzeigegenauigkeit des Messinstruments
ergeben. Diese Messunsicherheiten müssen ermittelt und zum Messwert angegeben
werden. Die Angabe eines Messergebnisses ohne Unsicherheit ist für die Praxis
wertlos. Die Bestimmung der Messunsicherheit ist somit ebenso wichtig (und
ebenso schwierig) wie die Messung selbst.
Die Angabe der Messunsicherheit kann als absolute oder relative Unsicherheit
erfolgen. Für die Masse der oben angegebenen Person könnte die vollständige
Angabe wie folgt aussehen:
$$m=(87\pm 4)~\mathrm{kg}\quad\textrm{bzw.}\quad m=87~\mathrm{kg}\pm5\,\% \, .$$
### Bezugssysteme
Die Physik beschreibt Naturvorgänge in ihrer räumlichen und zeitlichen
Entwicklung. Dazu müssen physikalische Größen orts- und/oder zeitabhängig
gemessen, berechnet und angegeben werden. Mathematisch bedient sich die Physik
hierbei der Methoden der Vektorrechnung sowie der Integral- und
Differentialrechnung. Darüber hinaus müssen geeignete Bezugsystem definiert
werden, damit Orts- und Zeitangaben eindeutig erfolgen können.
Für die Zeit wird ein Referenzzeitpunkt festgelegt. In vielen Fällen ist dies
implizit der Beginn des Experiments oder der Messung. Es können jedoch auch
beliebige andere Referenzzeiten definiert werden.
Für Ortsangaben muss ein geeignetes Koordinatensystem definiert werden. Dieses
sollte dem betreffenden Sachverhalt so angepasst werden, dass eine einfache
Beschreibung des Vorgangs möglich ist. Tatsächlich kann durch die Wahl eines
geeigneten Koordinatensystems der Rechenaufwand erheblich reduziert werden. Für
lineare (eindimensionale) Probleme (z.B. geradlinige Bewegung) genügt auch ein
eindimensionales Koordinatensystem ($x$-Achse). Für zwei- oder dreidimensionale
Beschreibungen werden entsprechend 2D $\left( x,y \right)$ oder 3D
$\left( x,y,z \right)$ Koordinatensysteme verwendet.
Die bisher genannten Koordinatensysteme sind rechtwinklige oder kartesische
Koordinatensysteme. Es handelt sich um sogenannte Rechtssysteme, d.h. die Lage
der Achsen zueinander kann durch die Finger der rechten Hand ermittelt werden.
Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, entsprechen Daumen, Zeigefinger und
Mittelfinger – rechtwinklig abgespreizt – der $x$-, $y$- und $z$-Achse.
Anstelle dieser rechtwinkligen Koordinatensysteme können auch
Winkelkoordinatensysteme verwendet werden. In zwei Dimensionen sind dies die
Polarkoordinaten $\left(\phi ,r\right)$, die beispielsweise bei der Beschreibung
von Kreisbewegungen angewendet werden. In 3D lassen sich anhand von
Winkelangaben Zylinderkoordinaten $\left( \phi ,r,z\right)$ und Kugelkoordinaten
$\left(\phi , \theta ,r\right)$ aufstellen. Letztere werden beispielsweise für
Positionsangaben auf der Erde genutzt: die geografische Länge und Breite
entsprechen den Winkeln $\phi$ und $\theta$ eines Kugelkoordinatensystems,
dessen Ursprung im Erdmittelpunkt liegt.
Um ein physikalisches Problem räumlich zu beschreiben, muss zunächst ein
Koordinatensystem festgelegt werden. Diese Festlegung kann willkürlich erfolgen.
Es existieren oftmals mehrere gleichwertige Koordinatensysteme. Nach Festlegung
eines Koordinatensystems sollte dieses für die gesamte Beschreibung beibehalten
werden. Der Wechsel in ein anderes System ist zwar prinzipiell möglich, jedoch
mit einem mitunter erheblichen Rechenaufwand verbunden.
## Mechanik — Kinematik der Translation
Die Mechanik ist ein Teilgebiet der klassischen Physik. Sie beschreibt die
Bewegungseigenschaften von Körpern sowie die Wirkung von Kräften.
In diesem Skriptum bildet die Mechanik den umfangreichsten Teil und ist daher
auf mehrere Einzelkapitel aufgeteilt. Am Beginn steht die Behandlung der
Translation, das heißt der geradlinigen Bewegungen. Dem schließen sich
Rotationsbewegungen und schließlich Schwingungen an.
Die Kinematik ist ein Teilgebiet der Mechanik. Sie befasst sich mit der
Beschreibung der Bewegung von Körpern. Die Frage nach der Ursache einer Bewegung
oder der Änderung eines Bewegungszustands wird nicht betrachtet. Dieses
Vorgehen erscheint beinahe zu trivial. Die exakte und quantitative Beschreibung
von Bewegungsabläufen ist jedoch Voraussetzung für die nachfolgenden
Teilgebiete, in denen die Ursachen der Bewegung ergründet werden.
Dementsprechend sollte die Bedeutung der Kinematik nicht unterschätzt werden.
Im Laufe dieses Kapitels werden uns einige Größen begegnen, die aus dem
alltäglichen Sprachgebrauch bekannt sind. Dazu zählen Geschwindigkeit und
Beschleunigung ebenso wie die Zeit und der Aufenthaltsort eines Körpers.
Letzterer wird durch den Ortsvektor in einem Koordinatensystem mathematisch
exakt angegeben.
### Der Ortsvektor
Für die Bewegung eines Körpers auf geraden oder gekrümmten Bahnen spielen Form
und Größe dieses Körpers keine Rolle und können vernachlässigt werden. Auf diese
Weise gelangt man zum Modell des Massepunktes bzw. der Punktmasse, bei dem die
gesamte Masse des betrachteten Körpers in einem Punkt vereinigt ist (vgl.
Hinweise zu physikalischen Modellen im Kapitel [Einführung](#was-ist-physik?)).
Die Lage dieses Massepunktes innerhalb des ursprünglichen Körpers ist nicht frei
wählbar, sondern entspricht dem Schwerpunkt (oder Massenmittelpunkt), für den
eine genaue Berechnungsvorschrift existiert. Auf letztere wird jedoch in diesem
Kurs nicht näher eingegangen. Das Modell der Punktmasse kann nicht angewendet
werden, wenn die Form des Körpers für einen Vorgang von Bedeutung ist. Dies
betrifft beispielsweise die Eigenrotation eines Körpers oder dessen Verformung.
Ziel der Kinematik ist also, die Position eines Massepunktes im Raum sowie deren
zeitliche Änderung (= Bewegung) anzugeben. Zu diesem Zweck benötigen wir eine
Größe, die die Position erfasst. Dies ist der **Ortsvektor** $\vec r$. Er zeigt
stets vom Koordinatenursprung zur aktuellen Position des Massepunktes. Im
allgemeinen Fall ist der Ortsvektor dreidimensional mit den Komponenten
$$\vec{r}(t)=\begin{pmatrix} x(t) \\ y(t) \\ z(t) \end{pmatrix} .$$
Bei ebenen (zweidimensionalen) Bewegungen enthält der Ortsvektor entsprechend
nur zwei Komponenten. Bei geradlinigen Bewegungen reduziert sich der Ortsvektor
auf eine skalare Größe.
Bewegt sich der Massepunkt, so ändert sich sein Ortsvektor, d.h. der Ortsvektor
ist zeitabhängig: $\vec{r}= \vec{r}(t)$. Der Zusammenhang $\vec{r}(t)$ wird als
**Orts-Zeit-Gesetz** oder **Weg-Zeit-Gesetz** bezeichnet. Anhand dieses
Orts-Zeit-Gesetzes lassen sich grundlegende Bewegungsformen unterscheiden, die
im Folgenden zunächst für die geradlinige Bewegung betrachtet werden.
### Geradlinige Bewegung
Bei der Beschreibung einer geradlinigen Bewegung wird der Ortsvektor ersetzt
durch eine skalare Positions- oder Wegangabe, z.B. $x(t)$.
#### Gleichförmig geradlinige Bewegung
Eine geradlinige Bewegung wird als gleichförmig bezeichnet, wenn in gleichen
Zeitabschnitten $\Delta t$ jeweils gleiche Strecken $\Delta x$ zurückgelegt
werden. In der grafischen Darstellung des Orts-Zeit-Gesetzes $x(t)$ entspricht
dies einer Geraden (siehe nachfolgende Abbildung, links). Der Anstieg dieser
Geraden gibt an, wie schnell sich die Position des Massepunktes (das heißt sein
Ortsvektor) ändert und wird als Geschwindigkeit $v$ definiert:
$$v=\frac{\Delta x}{\Delta t} \qquad\textrm{Einheit: } \left[ v \right]=1~\frac{\mathrm m}{\mathrm s}$$
Wird diese Berechnung – wie hier angegeben – für einen makroskopischen Zeitraum
$\Delta t$ durchgeführt, so ergibt sich die Durchschnittsgeschwindigkeit während
des betrachteten Zeitraums. Für die gleichförmige Bewegung ist die konkrete Wahl
des Zeitintervalls jedoch unerheblich, da das Orts-Zeit-Gesetz eine Gerade
darstellt und damit die Geschwindigkeit für alle Zeitintervalle gleich ist.
Folglich ist bei der gleichförmigen Bewegung die Geschwindigkeit eine Konstante
(siehe Abbildung, mittleres Diagramm).
Aus der Definition der Geschwindigkeit erhält man durch Umstellen für den in
einem Zeitintervall zurückgelegten Weg:
$$\Delta x = v\cdot\Delta t \, .$$
Setzt man den Beginn des betrachteten Zeitintervalls auf den Zeitpunkt $t=0$, so
erhält man das Weg-Zeit-Gesetz der gleichförmig geradlinigen Bewegung:
$$x(t) = vt+x_0 \, ,$$
wobei $x_0$ die Position des Körpers (Massepunkts) zum Zeitpunkt $t=0$ angibt.
Diese kann durch geeignete Wahl des Koordinatensystems häufig $x_0 = 0$ gesetzt
werden.
#### Beschleunigte geradlinige Bewegung
Bewegungen, bei denen die Geschwindigkeit nicht konstant ist, werden als
beschleunigt bezeichnet. Das Weg-Zeit-Gesetz ist dabei keine Gerade, d.h., in
gleichen Zeitintervallen $\Delta t$ werden zu unterschiedlichen Zeitpunkten
verschiedene Wege $\Delta x$ zurückgelegt. Zudem hängt die Bestimmung der
Durchschnittsgeschwindigkeit von der Länge des betrachteten Zeitintervalls ab.
Zur Bestimmung einer exakten Momentangeschwindigkeit muss daher das betrachtete
Zeitintervall infintesimal klein gewählt werden. Mathematisch entspricht dies
der Ableitung des Orts-Zeit-Gesetzes nach der Zeit:
$$v_\mathrm{momentan}(t) =\lim_{\Delta t \to 0}\frac{\Delta x}{\Delta t} = \frac{\mathrm d x(t)}{\mathrm dt} = \dot x(t) \, .$$
Der Zusammenhang $v(t)$ wird dabei als **Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz**
bezeichnet.
Bei beschleunigten Bewegungen ist also die Geschwindigkeit keine Konstante:
$v(t)\neq\mathrm{const.}$ Um die Änderung der Geschwindigkeit zu quantifizieren,
wird die **Beschleunigung** $a$ als weitere physikalische Größe eingeführt, die
die zeitliche Veränderung der Geschwindigkeit erfasst. Mathematisch bedeutet
dies, dass die Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit gebildet wird:
$$a (t) = \frac{\mathrm dv (t)}{\mathrm dt} = \frac{\mathrm d^2 x (t)}{\mathrm dt^2} = \ddot{x} (t) \qquad \textrm {Einheit:}\, [a] = 1~\frac{\mathrm m}{\mathrm s^2}$$
In physikalischer Sprechweise ist auch das Bremsen eine Beschleunigung, jedoch
mit negativem Vorzeichen $a<0$. Vektoriell ausgedrückt ist beim Bremsen die
Richtung der Beschleunigung dem Geschwindigkeitsvektor entgegengesetzt.
Ausgehend von der Beschleunigung erhält man das Weg-Zeit-Gesetz durch zweimalige
Integration. Für den Sonderfall der gleichmäßig beschleunigten Bewegung
($a= \mathrm{const.}$) folgt für das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz $v(t)$:
$$v (t) = \int\limits a\, \mathrm dt = a \cdot t + C_1 \,.$$
Die Integrationskonstante $C_1$ folgt mathematisch aus der Lösung des
unbestimmten Integrals und muss noch mit einer physikalischen Größe
identifiziert werden. Aus den Anfangsbedingungen (Anfangszeitpunkt $t = 0$)
folgt:
$$v(t = 0) = a \cdot 0 + C_1 = C_1\,.$$
Die Integrationskonstante entspricht also der Anfangsgeschwindigkeit zum
Zeitpunkt $t = 0$, d.h. $C_1 = v_0$. Das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz der
gleichmäßig beschleunigten Bewegung lautet also:
$$v (t) = a \cdot t + v_0 \,.$$
Das Weg-Zeit-Gesetz erhält man durch Integration des
Geschwindigkeits-Zeit-Gesetzes:
$$x(t)= \int\limits v (t)\mathrm dt = \int\limits (a \cdot t + v_0) \mathrm dt = \frac{1}{2}a t^2 + v_0 t + C_2$$
Über die Anfangsbedingungen lässt sich wiederum die physikalische Bedeutung der
Integrationskonstante $C_2$ finden:
$$x(t = 0) =\frac{a}{2} \cdot 0^2 + v_0 \cdot 0 + C_2 = C_2$$
Die Konstante $C_2$ entspricht also der Anfangsposition $x_0$ des Körpers zum
Zeitpunkt $t=0$. Damit erhalten wir das Weg-Zeit-Gesetz der gleichmäßig
beschleunigten Bewegung:
$$x(t)=\frac{1}{2} a t^2 + v_0 t + x_0$$
Für ungleichmäßig beschleunigte Bewegungen ($a \neq \mathrm{const.}$) ist die
Vorgehensweise prinzipiell gleich. Ausgehend vom zeitlichen Verlauf der
Beschleunigung $a(t)$ erhält man durch ein- bzw. zweimalige Integration das
Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz und das Orts-Zeit-Gesetz. Die hergeleiteten
Beziehungen für $x(t)$, $v(t)$ und $a(t)$ spiegeln sich auch in den grafischen
Darstellungen des Orts-Zeit-Gesetzes, Geschwindigkeits-Zeit-Gesetzes und
Beschleunigungs-Zeit-Gesetzes wider. Für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung
sind diese Diagramme in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.
Ein Spezialfall der gleichmäßig beschleunigten Bewegung ist der freie Fall. Zu
dessen Beschreibung definieren wir folgendes eindimensionale Koordinatensystem,
wobei wir die Koordinate $x$ der Anschaulichkeit wegen durch die Höhe $h$
ersetzen (siehe Abbildung):
- $h$-Achse in vertikaler Richtung, positive Richtung zeigt nach oben.
- Der Nullpunkt der $h$-Achse entspricht dem Startpunkt
der Bewegung, d.h. $h_0=0$.
Im freien Fall wird der Körper nach unten (d.h. in Richtung der negativen
$h$-Achse) beschleunigt. Dabei wirkt die Fallbeschleunigung, die in der Nähe der
Erdoberfläche annähernd konstant den Wert $a=g=9{,}81~\frac{\mathrm m}{\mathrm s^2}$
aufweist (siehe folgende Abbildung). Für das Orts-Zeit-Gesetz gilt demnach:
$$h=-\frac{g}{2}t^2$$
Beginnt der freie Fall nicht in der Höhe $h=0$, so ist die Anfangshöhe $h_0$ zu
berücksichtigen:
$$h=-\frac{g}{2}t^2 + h_0$$
Von einem senkrechten Wurf wird gesprochen, wenn der Körper zusätzlich eine
Anfangsgeschwindigkeit $v_0$ in vertikale Richtung erhält. Für das
Orts-Zeit-Gesetz gilt dann:
$$h=-\frac{g}{2}t^2 + v_0 t + h_0$$
### Überlagerung von Bewegungen – mehrdimensionale Bewegung
Bewegungen, die nicht geradlinig verlaufen, müssen in zwei- bzw.
dreidimensionalen Koordinatensystemen beschrieben werden. Der Ortsvektor besitzt
dann im allgemeinen Fall drei Komponenten:
$$\vec r(t)=\begin{pmatrix}x(t) \\ y(t) \\ z(t)\end{pmatrix}\, .$$
Gleiches gilt für die Geschwindigkeit
$$\vec v(t) =\dot{\vec r}(t) = \frac{\mathrm d}{\mathrm dt}\vec r(t) = \frac{\mathrm d}{\mathrm dt}\begin{pmatrix}x(t) \\ y(t) \\ z(t)\end{pmatrix}
= \begin{pmatrix}\frac{\mathrm dx(t)}{\mathrm dt} \\ \frac{\mathrm dy(t)}{\mathrm dt} \\ \frac{\mathrm dz(t)}{\mathrm dt} \end{pmatrix}
=\begin{pmatrix}v_\mathrm x(t) \\ v_\mathrm y(t) \\ v_\mathrm z(t)\end{pmatrix}$$
und die Beschleunigung
$$\vec a(t) =\dot{\vec v}(t) = \frac{\mathrm d}{\mathrm dt}\vec v(t)
= \frac{\mathrm d}{\mathrm dt}\begin{pmatrix}v_\mathrm x(t) \\ v_\mathrm y(t) \\ v_\mathrm z(t)\end{pmatrix}
= \begin{pmatrix}\frac{\mathrm dv_\mathrm x(t)}{\mathrm dt} \\ \frac{\mathrm dv_\mathrm y(t)}{\mathrm dt} \\ \frac{\mathrm dv_\mathrm z(t)}{\mathrm dt} \end{pmatrix}
=\begin{pmatrix}a_\mathrm x(t) \\ a_\mathrm y(t) \\ a_\mathrm z(t)\end{pmatrix} \, .$$
Die Komponenten dieser Vektoren können getrennt voneinander jeweils als
geradlinige Bewegung betrachtet werden. D.h. die Bewegungen in verschiedene
Raumrichtungen überlagern sich ohne gegenseitige Beeinflussung. Diese
Eigenschaft wird als *Superposition* der Bewegung bezeichnet.
Wir betrachten die Bewegung auf einer gekrümmten Bahn am Beispiel des
waagerechten Wurfs. Für diesen definieren wir folgendes zweidimensionale
Koordinatensystem mit $x$- & $z$-Achse (siehe nachfolgende Abbildung):
- Die x-Achse ist waagerecht orientiert, die z-Achse senkrecht
- Der Abwurf erfolgt in positive $x$-Richtung:
$$\vec v_0 = \begin{pmatrix} v_0 \\ 0 \end{pmatrix}$$
- Die Fallbeschleunigung zeigt in negative $z$-Richtung:
$$\vec{a} = \begin{pmatrix} 0 \\ -g \end{pmatrix}$$
- Die Abwurfposition liegt über dem Koordinatenursprung:
$$\vec r_0 = \begin{pmatrix} 0 \\ h_0 \end{pmatrix}$$
Diese Bewegung wird nun komponentenweise betrachtet. In $x$-Richtung liegt eine
gleichförmige Bewegung mit der Geschwindigkeit $v_0$ vor:
$$x(t) = v_0 t$$
In $z$-Richtung liegt eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung mit der
Anfangshöhe $h_0$ vor:
$$z(t) = - \frac{g}{2} t^2 + h_0$$
Beide Bewegungen überlagern sich, und es gilt für den waagerechten Wurf:
$$\vec{r}(t) = \begin{pmatrix} v_0t \\ h_0 - \frac{g}{2}t^2 \end{pmatrix}$$
In der vertikalen Richtung führt ein Körper beim waagerechten Wurf demnach
dieselbe Bewegung aus wie beim freien Fall. Hinzu kommt lediglich die
waagerechte Bewegung.
Mit dem eben hergeleiteten Orts-Zeit-Gesetz wird zwar der zeitliche Verlauf der
Bewegung beschrieben, nicht jedoch die Bahnkurve, auf der sich der Körper
bewegt. Um diese aufzustellen, muss der Parameter $t$ in der obigen Formel
eliminiert werden. Man erhält so die parameterfreie Darstellung $z(x)$. Die
$x$-Komponente lässt sich wie folgt umformen:
$$t = \frac{x}{v_0}$$
Eingesetzt in die $z$-Komponente erhält man:
$$z = h_0 - \frac{g}{2}t^2 = h_0 - \frac{g}{2v_0^2}x^2$$
Die Bahnkurve des waagerechten Wurfs ist somit eine nach unten geöffnete Parabel
mit dem Scheitelpunkt $\begin{pmatrix} 0\\ h_0 \end{pmatrix}$ (= Abwurfpunkt).
Mit dieser Vorgehensweise lassen sich Orts-Zeit-Gesetze und Bahnkurven für
beliebige Bewegungen bestimmen. Die Betrachtung des schrägen Wurfs
beispielsweise unterscheidet sich vom vorigen Beispiel lediglich darin, dass der
Abwurf nun um einen Winkel $\alpha$ gegen die Horizontale geneigt erfolgt. Die
Anfangsgeschwindigkeit beträgt demzufolge:
$$\vec v_0=\begin{pmatrix} v_0 \cdot \cos(\alpha) \\ v_0 \cdot \sin(\alpha) \end{pmatrix} \, .$$
Im Ergebnis ergibt sich wiederum eine parabelförmige Bahnkurve, deren
Scheitelpunkt nicht mehr mit dem Abwurfpunkt übereinstimmt, sondern von $h_0$,
$v_0$ und $\alpha$ abhängt.
## Mechanik — Dynamik der Translation
Die Dynamik befasst sich mit der Ursache von Bewegungen, oder genauer
ausgedrückt: mit der Ursache von Bewegungszustandsänderungen. Eine solche
Änderung eines Bewegungszustands erfordert immer das Einwirken einer Kraft. Das
quantitative Zusammenspiel von Kraft und Bewegungszustandsänderung wird durch
die drei Newtonschen Axiome ausgedrückt, die in den ersten Abschnitten zur
Dynamik betrachtet werden.
Ebenfalls in den ersten Abschnitten wird der Impuls als neue Größe eingeführt.
Zunächst dient er nur als quantitativer Ausdruck eines Bewegungszustands. Im
weiteren Verlauf der Betrachtungen zeigt sich jedoch, dass es sich beim Impuls
um eine Erhaltungsgröße handelt. Solche Größen, die unter bestimmten
Voraussetzungen konstant bleiben, haben immer eine große Bedeutung für die
Beschreibung oder Berechnung von Naturvorgängen.
Anschließend an die Betrachtung des Impulses, lenken die folgenden Abschnitte
das Augenmerk auf den Begriff der Kraft. Dabei werden verschiedene Kräfte durch
Formeln quantifiziert. Aufbauend auf die Kenntnis dieser Kräfte wird die Arbeit
als physikalische Größe eingeführt. Sie wird immer dann relevant, wenn ein
Körper unter dem Einfluss einer Kraft bewegt wird. Dies geschieht beispielsweise
beim Anheben oder bei der Beschleunigung eines Körpers.
Die Betrachtung der Arbeit wiederum führt zu der Erkenntnis, dass ein Körper
die an ihm verrichtete Arbeit gewissermaßen speichern kann und damit seinerseits
in der Lage ist, Arbeit zu verrichten. Diese „gespeicherte Arbeit“ wird als
Energie bezeichnet. Sie ist – ähnlich wie der Impuls – eine Erhaltungsgröße.
### Bewegungszustände und Bewegungszustandsänderungen
Den Ausgangspunkt für die Betrachtung der Dynamik bilden die beiden folgenden
qualitativen Beobachtungen:
- Körper (bzw. Massepunkte) ändern ihren Bewegungszustand nicht spontan. Für
eine Änderung des Bewegungszustandes ist stets eine Wechselwirkung des Körpers
mit seiner Umgebung erforderlich.
- Die Größe der Bewegungszustandsänderung wird durch die Stärke dieser
Wechselwirkung bestimmt.
Wir schlussfolgern daraus, dass sich Körper einer Änderung ihres
Bewegungszustandes widersetzen. Diese (qualitative) Eigenschaft wird als
Trägheit bezeichnet. Um diese Erkenntnis auch quantitativ zu beschreiben,
benötigen wir zunächst eine Größe, die den Bewegungszustand eines Körpers oder
Massepunkts beschreibt. Des Weiteren müssen wir auch die Wechselwirkung des
Körpers mit seiner Umgebung durch eine physikalische Größe quantitativ erfassen.
Zur Beschreibung von Bewegungen kennen wir bereits die Geschwindigkeit als
physikalische Größe. Wir ergänzen dies durch eine weitere mechanische Größe: den
Impuls $\vec{p}$, der als das Produkt aus Masse und Geschwindigkeit definiert
ist:
$$\vec{p} = m \cdot \vec{v} \qquad \textrm {Einheit: } [\vec{p}\, ]= 1~\frac{\mathrm{kg\cdot m}}{\mathrm s}$$
Die besondere Bedeutung dieser Größe wird später noch diskutiert werden. Wir
betrachten sie zunächst als quantitativen Ausdruck eines Bewegungszustands. Der
Impuls ist eine vektorielle Größe. Seine Richtung stimmt mit der
Bewegungsrichtung überein.
Die Wechselwirkung zwischen zwei Körpern beschreiben wir durch die Kraft:
$$\textrm {Kraft: } \vec{F} \qquad \textrm {Einheit: }[\vec{F} ] = 1~\frac{\mathrm{kg\cdot m}}{\mathrm s^2}=1~\mathrm N \quad \textrm{(Newton)}$$
Der Vektorcharakter der Kraft widerspiegelt, dass die Wechselwirkung zwischen
Körpern stets gerichtet ist. Entsprechend gibt die Richtung des Kraftvektors die
Richtung der Wechselwirkung an, während der Betrag $|\vec{F }|$ die Stärke der
Wechselwirkung beschreibt. Ferner ist für Kräfte die vektorielle Addition
anzuwenden. Bei mehreren auf einen Körper wirkenden Kräften ergibt sich die
Gesamtkraft:
$$\vec F_\mathrm{ges} = \vec F_1+\vec F_2+\cdots$$
Dies bedeutet auch, dass sich die einzelnen auf einen Körper wirkenden Kräfte
überlagern, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen. Wie schon bei der
[Überlagerung von Bewegungen](#überlagerung-von-bewegungen-–-mehrdimensionale-bewegung)
spricht man auch hier von *Superposition* der Kräfte. Umgekehrt lässt sich eine
wirkende Kraft vektoriell in einzelne Komponenten zerlegen (siehe Abbildung).
Mit diesen Definitionen von Impuls und Kraft können nun die anfänglichen,
qualitativen Beobachtungen auch quantitativ ausgedrückt werden. Die
entsprechenden Aussagen gehen auf Sir Isaac Newton (1643 – 1727) zurück.
### Die Newtonschen Axiome
Als Axiom bezeichnet man in der Physik einen Grundsatz, der sich nicht aus
anderen Gesetzmäßigkeiten ableiten lässt, dessen Gültigkeit jedoch durch
experimentelle Beobachtungen bestätigt ist.
Das **erste Newtonsche Axiom** behandelt die Trägheit eines Körpers:
> Ohne äußere Krafteinwirkung ist der Impuls einer Punktmasse zeitlich konstant.
Alternativ kann dieses sogenannte *Trägheitsprinzip* auch anhand der
Geschwindigkeit (anstelle des Impulses) formuliert werden:
> Ein Massepunkt verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmig geradlinigen
> Bewegung, solange keine Kraft auf ihn einwirkt.
Das erste Newtonsche Axiom behandelt also den Fall, dass effektiv keine
Kraftwirkung auf einen Massepunkt vorliegt. Das bedeutet nicht, dass gar keine
Kräfte auf ihn wirken dürfen. Gemäß dem Superpositionsprinzip können sich
mehrere auf einen Körper wirkende Kräfte gegenseitig kompensieren, sodass die
Gesamtkraft null ist. Auch in diesem Fall ändert der Körper seinen Impuls nicht.
In umgekehrter Lesart sagt das Trägheitsprinzip bereits aus, dass für eine
Änderung des Bewegungszustands eines Massepunkts stets eine Kraft einwirken
muss. Das **zweite Newtonsche Axiom** (auch *Aktionsprinzip* genannt) drückt den
Zusammenhang zwischen Kraft und Impuls quantitativ aus:
> Eine auf eine Punktmasse einwirkende Kraft bewirkt eine Änderung des Impulses
> dieser Punktmasse. Es gilt der Zusammenhang:
>
> $$\vec{F} = \frac{\mathrm d\vec{p}}{\mathrm d t} \qquad \textrm {bzw. } \int\limits_{t_1}^{t_2} \vec{F} \mathrm dt = \Delta \vec{p}$$
Das Integral $\int \vec{F} \mathrm dt$ wird auch als *Kraftstoß* bezeichnet und
ist identisch mit der Änderung des Impulses. Eine Impulsänderung kann auf
zweierlei Weise geschehen: durch Änderung der Geschwindigkeit oder durch
Änderung der Masse:
$$\frac{\mathrm d \vec{p}}{\mathrm dt}= \dot{\vec{p}}= m \cdot \dot{\vec{v}} + \dot{m} \cdot \vec{v}$$
Diese Formulierung gilt also auch für Systeme mit veränderlicher Masse, wie sie
beispielsweise in der Relativitätstheorie zu betrachten sind. In vielen Fällen
bleibt die Masse eines Körpers jedoch konstant ($\dot{m}=0$), und es kann
geschrieben werden:
$$\frac{\mathrm d \vec{p}}{\mathrm dt}=\vec{F} = m \dot{\vec{v}} = m \vec{a}$$
Dieser Ausdruck („Kraft ist Masse mal Beschleunigung“) ist die bekanntere – aber
nicht allgemeingültige – Formulierung des zweiten Newtonschen Axioms und wird
als Newtonsches Grundgesetz der Mechanik bezeichnet. Aus dieser Formel wird auch
ersichtlich, welche Rolle die Masse für die Bewegung der Körper spielt: Bei
gleicher Kraft wird ein Körper mit größerer Masse weniger stark beschleunigt
werden. D.h., er widersetzt sich stärker der Änderung seines Bewegungszustands.
Damit ist die Masse das quantitative Maß der Trägheit.
Des Weiteren gilt das als *Reaktionsprinzip* bezeichnete **dritte Newtonsche Axiom**:
> Stehen zwei Punktmassen nur miteinander, nicht aber mit anderen Punktmassen in
> Wechselwirkung, so ist die Kraft $\vec{F_1}$ auf die eine Punktmasse
> entgegengesetzt gleich der Kraft $\vec{F_2}$ auf die zweite Punktmasse:
> $\vec{F_1} = -\vec{F_2}$ („Actio = Reactio“)
Mit Hilfe der Newtonschen Axiome lassen sich nun beliebige Bewegungsprobleme
lösen. Ausgehend von den auf einen Massepunkt wirkenden Kräften wird dabei
dessen Orts-Zeit-Gesetz berechnet. Das prinzipielle Vorgehen folgt diesen
Schritten (hier unter der Annahme, dass die Masse des Körpers konstant bleibt):
1. Ermittlung aller auf einen Massepunkt wirkenden Kräfte $\vec F_i$
2. Bestimmung der Gesamtkraft durch Vektoraddition aller Teilkräfte
$\vec{F}_\mathrm{ges}= \sum_i \vec{F}_i$
3. Berechnung der Beschleunigung anhand des Newtonschen Grundgesetzes:
$$\vec{a}= \frac{\vec{F}_\mathrm{ges}}{m}$$
4. Zeitliche Integration liefert das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz
$\vec{v}(t)$ (siehe oben: [beschleunigte Bewegungen](#beschleunigte-geradlinige-bewegung)).
5. Nochmalige zeitliche Integration ergibt das Orts-Zeit-Gesetz $\vec{r}(t)$.
### Systeme aus mehreren Punktmassen und ihr Impuls
Bisher wurden einzelne Punktmassen betrachtet, auf die in irgendeiner Weise eine
Kraft einwirkt. Die Herkunft dieser Kraft wurde noch nicht berücksichtigt. Wir
haben jedoch bereits zu Beginn dieses Kapitels festgestellt, dass eine Kraft
immer aus der Wechselwirkung mit anderen Körpern bzw. Massepunkten resultiert.
Bezieht man diese mit in die Betrachtung ein, so erhält man ein System aus
mehreren Punktmassen, die jeweils einen Impuls $\vec{p_i}$ besitzen:
$$\vec{p_1}=m_1 \cdot \vec{v_1} \qquad \vec{p_2} = m_2 \cdot \vec{v_2} \qquad \textrm{usw.}$$
Der Gesamtimpuls dieses Systems ergibt sich als vektorielle Summe aller
Einzelimpulse:
$$\vec{p}_\mathrm{ges}=\sum_i \vec{p_i}$$
Wir betrachten im Folgenden sogenannte abgeschlossene Systeme. Dafür müssen
folgende Bedingungen erfüllt sein:
- Es wirken keine Kräfte von außen ein. Die Massepunkte des Systems stehen nur
miteinander in Wechselwirkung.
- Es können keine Massepunkte das System verlassen oder hinzukommen.
Prinzipiell können beliebig viele Punktmassen zu einem solchen System gehören.
Wir betrachten hier zunächst ein einfaches System aus zwei Massepunkten in einer
eindimensionalen Bewegung. Experimentell lässt sich dies realisieren durch zwei
Wagen, die sich reibungsfrei auf einer Schiene bewegen können. Anfangs befinden
sich beide Wagen in Ruhe. Für Einzel- und Gesamtimpuls gilt:
$$p_1 = p_2 =0 \qquad p_\mathrm{ges}=0$$
Zwischen beiden Wagen befinde sich eine gespannte Feder, die plötzlich
freigegeben wird und die Wagen auseinanderdrückt. Das bedeutet, dass die Wagen
über die Feder miteinander wechselwirken. Das Experiment zeigt, dass die Wagen
dabei – abhängig von ihrer Masse – unterschiedlich stark in entgegengesetzte
Richtungen beschleunigt werden. Entsprechend unterscheiden sich ihre
Endgeschwindigkeiten nach vollständiger Entspannung der Feder. Es gilt jedoch:
$$m_1 v'_1 = -m_2 v'_2 \, .$$
Das bedeutet
$$p'_1 =-p'_2 \qquad \textrm{und } \qquad p'_\mathrm{ges}= p'_1 +p'_2 =0 \, .$$
Dabei geben gestrichene Größen den Zustand nach der Wechselwirkung an. Der
Gesamtimpuls ändert sich bei dieser Wechselwirkung also nicht.
Unter Betrachtung der Newtonschen Axiome lässt sich dieses experimentelle
Ergebnis auch theoretisch begründen. Wir formulieren diese Begründung allgemein
in vektorieller Schreibweise, d.h. ohne die Beschränkung auf eine
eindimensionale Bewegung. Wenn zwei Massepunkte nur miteinander wechselwirken
(die Feder im obigen Experiment „vermittelt“ lediglich diese Wechselwirkung),
müssen zu jedem Zeitpunkt $t^*$ die auf die beiden Massepunkte wirkenden Kräfte
entgegengesetzt gleich groß sein (drittes Newtonsches Axiom):
$$\vec{F_1}(t^*) = - \vec{F_2}(t^*)$$
Demzufolge müssen auch die Kraftstöße auf beide Massepunkte über beliebige
Zeiträume stets entgegengesetzt gleich groß sein:
$$\int\limits_{t_1}^{t_2} \vec{F_1} \mathrm dt = - \int\limits_{t_1}^{t_2} \vec{F_2} \mathrm dt$$
Gemäß dem zweiten Newtonschen Axiom gilt für die Änderung der Impulse im
Zeitraum $t_1 \to t_2$ :
$$\Delta\vec{p_1}=\int\limits_{t_1}^{t_2} \vec{F_1} \mathrm dt \qquad \textrm{sowie} \qquad \Delta \vec{p_2} =\int\limits_{t_1}^{t_2} \vec{F_2} \mathrm dt$$
und somit:
$$\Delta \vec{p_1} = - \Delta \vec{p_2}$$
Zum Zeitpunkt $t_1$ (im obigen Experiment war dies vor der Freigabe der Feder)
gilt für den Gesamtimpuls:
$$\vec{p}_\mathrm {ges}(t_1) = \vec{p_1}(t_1) + \vec{p_2}(t_1)$$
Zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt $t_2$ (nicht nur nach vollständiger
Entspannung der Feder) gilt:
$$\begin{aligned}
\vec{p}_\mathrm{ges}(t_2) & = \vec{p_2}(t_2) + \vec{p_2}(t_2) \\
& = \vec{p_1}(t_1) + \Delta\vec{p_1}+ \vec{p_2}(t_1) + \Delta\vec{p_2} \\
& = \vec{p_1}(t_1) + \vec{p_2}(t_1) \\
& =\vec{p}_\mathrm{ges}(t_1)\end{aligned}$$
Der Gesamtimpuls ist zu diesem Zeitpunkt also gleich dem Anfangs-Gesamtimpuls.
Da dies für beliebige Zeitpunkte gilt, schlussfolgern wir, dass sich der
Gesamtimpuls im Verlauf der Wechselwirkung nicht ändert.
Diese Feststellung kann für Systeme mit mehr als zwei Massepunkten
verallgemeinert werden. Solange keine äußeren Kräfte einwirken, treten
Wechselwirkungen im System immer paarweise entgegengesetzt auf. Folglich
existiert zu jeder Impulsänderung eines Massepunktes die entgegengesetzte
Änderung eines anderen Massepunktes. Dies führt zum sogenannten
**Impulserhaltungssatz**:
> In einem abgeschlossenen System ist der Gesamtimpuls eine Erhaltungsgröße,
> d.h. er bleibt zeitlich konstant.
Anhand dieses Erhaltungssatzes lassen sich viele Bewegungsprobleme
vergleichsweise einfach bearbeiten. Wir werden dies in einem
[späteren Kapitel](#anwendungen-der-erhaltungssätze) im Zusammenspiel mit einem
weiteren Erhaltungssatz praktizieren.
### Kräfte
Während wir in den vorangegangenen Abschnitten stets eine Kraftwirkung
vorausgesetzt haben, ohne die Ursache dieser Kraft zu betrachten, sollen im
Folgenden einige grundlegende Kräfte, die uns aus unserer Anschauung bereits
bekannt sind, in Formeln gefasst werden.
#### Die Gewichtskraft
Bereits in der Kinematik hatten wir festgestellt, dass ein fallender Körper –
unabhängig von seiner Masse $m$ – die Beschleunigung $\vec{g}$ erfährt. Gemäß
dem zweiten Newtonschen Axiom ist hierfür eine beschleunigende Kraft
$$\vec{F}_\mathrm G = m \vec{g}$$
erforderlich. Diese wird als Gewichtskraft bezeichnet und wirkt
selbstverständlich nicht nur auf fallende Körper, sondern jederzeit auf jeden
Körper. Damit ein Körper nicht fällt, muss eine gleich große Gegenkraft
aufgebracht werden. Da die Fallbeschleunigung in der Nähe der Erdoberfläche
räumlich (annähernd) konstant ist, gilt dies auch für die Gewichtskraft.
Vorsicht ist geboten bei der physikalisch korrekten Benennung von Masse und
Gewicht. Die Gewichtskraft (oder Gewicht) ist eine Kraft, die neben der Masse
auch von der jeweiligen Fallbeschleunigung abhängt. So wäre beispielsweise auf
dem Mond, dessen Fallbeschleunigung nur etwa 16 % des Wertes auf der
Erdoberfläche beträgt, die Masse eben dieselbe wie auf der Erde. Hingegen würde
sich das Gewicht auf ca. 16 % reduzieren.
#### Die Komponenten der Gewichtskraft - Hangabtriebskraft und Normalkraft
Auf der Erdoberfläche wirkt die Gewichtskraft stets senkrecht nach unten. Bei
einer geneigten Unterlage kann die Gewichtskraft gemäß dem Superpositionsprinzip
in zwei Teilkräfte zerlegt werden, die parallel beziehungsweise senkrecht zur
Unterlage orientiert sind (siehe Abbildung). Die Parallelkomponente heißt
Hangabtriebskraft $\vec{F}_\mathrm H$, die senkrechte Komponente heißt Normalkraft
$\vec{F}_\mathrm N$. Ist die Unterlage um den Winkel $\alpha$ gegen die Horizontale
geneigt, so gilt für die Beträge dieser beiden Kräfte:
$$\begin{aligned}F_\mathrm H & = F_\mathrm G \cdot \sin{\alpha} = m g \sin{\alpha} \\
F_\mathrm N & = F_\mathrm G \cdot \cos{\alpha} = m g \cos{\alpha}\end{aligned}$$
#### Die Gravitationskraft
Gravitation ist die Anziehung zwischen Körpern (Massepunkten) aufgrund ihrer
Masse. Befindet sich eine Masse $M$ im Koordinatenursprung, so erfährt eine
zweite Masse $m$ an einem (beliebigen) Ort $\vec{r}$ die Kraft
$$\vec{F}_\mathrm {Grav} = -\Gamma\frac{mM}{r^2}\cdot \vec{e}_r \, ,$$
wobei $r=|\vec{r}|$ den Betrag des Ortsvektors bezeichnet. Die
Gravitationskonstante $\Gamma$ hat den Wert (siehe
[CODATA2018](https://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?bg))
$$\Gamma = 6{,}674\cdot 10^{-11}~\frac{\mathrm m^3}{\mathrm {kg\cdot s^2}} \, .$$
Der Ausdruck $\vec{e}_r$ bezeichnet einen Einheitsvektor (d.h. seine Länge ist
1) in Richtung $\vec{r}$ und gibt damit die Richtung dieser Kraft an: Sie wirkt
stets entlang des Ortsvektors zum Koordinatenursprung hin, an dem sich die Masse
$M$ befindet. Damit ist die Gravitation eine Zentralkraft.
Auf der Erdoberfläche spüren wir die Gravitation als Gewichtskraft. Es gilt also:
$$\begin{aligned}
F_\mathrm G & = F_\mathrm {Grav}(r=r_\mathrm {Erde}) \\
mg & = \Gamma\frac{mM_\mathrm{Erde}}{r^2_\mathrm{Erde}} \, .\end{aligned}$$
Damit folgt für die Fallbeschleunigung
$$g = \Gamma\frac{M_\mathrm{Erde}}{r^2_\mathrm{Erde}} \, .$$
#### Die Federkraft
Die Dehnung oder Stauchung einer (linearen) Feder um eine Auslenkung $\vec{x}$
erfordert eine Kraft, die proportional zu dieser Auslenkung ist:
$$\vec{F} = k\vec{x}$$
Dieser Zusammenhang wird auch als lineares Kraftgesetz oder
Hookesches Gesetz einer Feder
bezeichnet. Selbstverständlich wird dabei davon ausgegangen, dass die Kraft
entlang der Federachse angreift. Der Proportionalitätsfaktor $k$ heißt
Federkonstante und wird in der Einheit $[k]=1~\frac{\mathrm N}{\mathrm m}$
angegeben. Er gibt die „Härte“ der Feder an. „Weiche“ Federn besitzen eine
kleine Federkonstante, das heißt für eine Verformung um eine gewisse Strecke ist
entsprechend wenig Kraft aufzubringen.
Die Feder ihrerseits setzt dieser Verformung eine Kraft entgegen, die – gemäß
dem dritten Newtonschen Axiom – der äußeren Kraft entgegengesetzt, aber gleich
groß ist:
$$\vec{F}_\mathrm F = -k\vec{x} \, .$$
Diese Kraft wird als Federkraft bezeichnet.
#### Reibungskräfte
Reale Bewegungsvorgänge unterliegen stets Einflüssen, die die Bewegung hemmen,
das heißt ihre Geschwindigkeit verringern. Solche Einflüsse werden als Reibung
bezeichnet. Der Reibung können verschiedene Mechanismen zu Grunde liegen;
dementsprechend existieren unterschiedliche Formeln, die die einzelnen
Reibungsprozesse beschreiben. Bei der Berechnung von Reibungskräften ist also
stets zu prüfen, welche Art Reibung vorliegt.
Wir beschränken uns hier auf eine der grundlegenden Reibungsformen: die
Festkörperreibung (auch trockene Reibung oder Coulomb-Reibung). Diese wirkt,
wenn zwei feste Körper miteinander in Kontakt stehen und sich gegeneinander
bewegen. Dies schließt also insbesondere den Fall ein, dass sich ein Körper auf
einer festen Unterlage fortbewegt. Die dabei wirkende Reibungskraft $\vec{F}_\mathrm R$
ist (annähernd) unabhängig von der Geschwindigkeit:
$$F_\mathrm R = \mu F_\mathrm N$$
$F_\mathrm N$ ist dabei die oben eingeführte Normalkraft, also die Kraft, mit der der
Körper auf seine Unterlage wirkt. Der Proportionalitätsfaktor $\mu$ wird als
Reibungskoeffizient bezeichnet und hängt von der Materialkombination von Körper
und Unterlage ab. In der Regel ist $\mu<1$.
Bewegt sich der Körper auf seiner Unterlage, so spricht man von Gleitreibung,
und der Koeffizient wird genauer als Gleitreibungskoeffizient
$\mu_\mathrm{Gleit}$ bezeichnet. Befindet sich der Körper auf seiner Unterlage
in Ruhe, so wirkt eine größere Reibungskraft, die als Haftreibung bezeichnet
wird. Der entsprechende Koeffizient heißt dann Haftreibungskoeffizient
$\mu_\mathrm{Haft}$. Es gilt:
$$\mu_\mathrm{Haft} \gt \mu_\mathrm{Gleit}$$
Um einen Körper auf seiner Unterlage in Bewegung zu setzen, ist also eine
größere Kraft erforderlich als für die anschließende Erhaltung dieser Bewegung.
Bisher wurden nur die Beträge der Reibungskräfte beschrieben. Ihre Richtung ist
stets so, dass sie die Bewegung hemmen. D.h., die Gleitreibung ist der
momentanen Geschwindigkeit entgegengerichtet. Die Haftreibung ist der
beschleunigenden Kraft entgegengesetzt.
#### Die goldene Regel der Mechanik
Es existieren verschiedene Vorrichtungen, die eine auf sie einwirkende Kraft
sowohl in ihrer Richtung als auch in ihrem Betrag verändern können. Solche
kraftumformende Einrichtungen haben große Bedeutung in der Technik. Zu ihren
wichtigsten Vertretern gehören unter anderem Hebel und Flaschenzug.
Wird ein Körper mit der Gewichtskraft $F_\mathrm G$ an einem Flaschenzug mit insgesamt
4 Rollen aufgehängt, so ist an der Gegenseite des Flaschenzuges nur noch ein
Viertel dieser Gewichtskraft erforderlich, um den Körper zu halten. Um den
Körper hingegen um eine gewisse Höhe $h$ anzuheben, muss an der Gegenseite nun
(mit der reduzierten Kraft) das Seil um das Vierfache dieser Höhe gezogen
werden. Analoge Zusammenhänge gelten auch für alle weiteren kraftumformenden
Einrichtungen. Dies führt zur sogenannten „goldenen Regel der Mechanik“:
> Was man an Kraft spart, muss man an Weg zusetzen.
Anders ausgedrückt: das Produkt aus Kraft und Weg bleibt an einer
kraftumformenden Einrichtung stets dasselbe. Größen, die unter bestimmten
Umständen konstant bleiben, sind stets von großer Bedeutung für die Beschreibung
von Naturvorgängen. Daher führen wir das Produkt aus Kraft und Weg als
eigenständige Größe – die Arbeit $W$ – ein.
### Die Arbeit
Wird ein Körper unter dem Einfluss einer Kraft $\vec{F}$ um das Wegelement
$\mathrm d\vec{s}$ verschoben, so wird an ihm die **Arbeit**
$$\mathrm dW = \vec{F}\cdot \mathrm d\vec{s}$$
verrichtet. Aus dieser Definition der Arbeit ergibt sich auch deren Einheit:
$$[W] = 1~\mathrm{Nm} = 1~\mathrm J \qquad \textrm{(Joule).}$$
Die obige Definition der Arbeit enthält ein Skalarprodukt aus der angreifenden
Kraft und dem (gerichteten) Wegelement, um das der Körper verschoben wird.
Physikalisch bedeutet dies, dass nur Kräfte bzw. Kraftkomponenten, die in
Wegrichtung angreifen, auch Arbeit verrichten. Kräfte oder Kraftkomponenten, die
senkrecht zum Weg angreifen, verrichten keine Arbeit. Kräfte, die schräg zum Weg
angreifen, müssen entsprechend dem Superpositionsprinzip in ihre Komponenten in
Wegrichtung beziehungsweise senkrecht dazu zerlegt werden. Nur die erstere
verrichtet dabei Arbeit. Wir werden im Laufe dieses Kurses noch Kräfte kennen
lernen, die stets senkrecht zum momentanen Wegelement angreifen und daher
niemals Arbeit verrichten.
Die differentielle Schreibweise in der obigen Formel berücksichtigt den
allgemeinen Fall, dass sich die Kraft entlang des Weges ändert (dies ist
beispielsweise beim Spannen einer Feder der Fall, siehe unten). Die gesamte zu
verrichtende Arbeit ergibt sich durch Integration entlang des Verschiebewegs:
$$W = \int\limits_{\vec{r}_1}^{\vec{r}_2}\vec{F}\cdot \mathrm d \vec{s} \, .$$
Sofern die Kraft über den gesamten Verschiebeweg konstant ist und stets in
Wegrichtung wirkt, vereinfacht sich dieser Ausdruck zu
$$W = F\cdot s \, ,$$
wobei $s$ für die Länge des gesamten Verschiebewegs steht.
Um die Bedeutung dieser physikalischen Größe besser zu verstehen, wollen wir
anhand der uns bekannten Kräfte einige Arten der Arbeit betrachten.
#### Die Beschleunigungsarbeit
Ein Körper der Masse $m$ soll aus dem Stand auf eine Geschwindigkeit $v$
beschleunigt werden. Dies geschehe mit einer konstanten Beschleunigung $a$ auf
einem Weg der Länge $s$. Da die Wahl von $a$ und $s$ willkürlich ist, sollen
diese beiden Größen in der endgültigen Formel eliminiert werden. Wir gehen
ferner davon aus, dass die zur Beschleunigung erforderliche Kraft $\vec{F}$
konstant ist und stets parallel zur Bewegungsrichtung angreift. Wir können daher
die vereinfachte Formel für die Arbeit ansetzen:
$$W = F\cdot s \, .$$
In diese setzen wir für die Kraft das Newtonsche Grundgesetz ein:
$$W = m a\cdot s \, .$$
Für die Beschleunigung erhalten wir aus dem Weg-Zeit-Gesetz der gleichmäßig
beschleunigten Bewegung:
$$s = \frac{a}{2}t^2 \quad \Rightarrow \quad a = \frac{2s}{t^2} \, .$$
Für die in dieser Formel auftretende Zeit formen wir das
Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz um:
$$v= at \quad \Rightarrow \quad t= \frac{v}{a} \, .$$
Dies setzen wir in die Formel für die Beschleunigung ein und erhalten:
$$a= \frac{2s}{t^2} = \frac{2sa^2}{v^2} \quad \Rightarrow \quad \frac{2sa}{v^2} = 1 \quad \Rightarrow \quad a = \frac{v^2}{2s} \, .$$
Wird dieser Ausdruck in die Formel für die Arbeit eingesetzt, so folgt:
$$W = ma \cdot s = m \frac{v^2}{2s} \cdot s = \frac{1}{2} mv^2 \, .$$
Damit haben wir die zum Erreichen einer Geschwindigkeit $v$ (aus dem Stand)
erforderliche Arbeit:
$$W_\mathrm{Beschl}= \frac{m}{2}v^2 \, .$$
#### Die Hubarbeit
Ein Körper der Masse $m$ soll um eine Höhe $\Delta h$ angehoben werden. Die
Kraft, die hierfür aufzubringen ist, entspricht der Gewichtskraft dieses
Körpers[^1]:
$$F=mg=\mathrm{const} \, .$$
Dieser Ansatz gilt auch dann noch, wenn der Körper aus der Ruhe heraus angehoben
und dabei zunächst beschleunigt wird. Dabei wirkt anfangs eine größere
Kraft, im Gegenzug wirkt bei Erreichen der Endhöhe eine geringere Kraft, wenn
der Körper abgebremst wird. Diese Beiträge von zusätzlicher und verringerter Kraft kompensieren sich gegenseitig.
Wir gehen weiterhin davon aus, dass der Körper senkrecht gehoben wird, also
$\vec{F} \, || \, \mathrm d\vec{s}$. Damit ergibt sich für die Hubarbeit:
$$W = F \cdot s = F \cdot \Delta h = mg\Delta h \, .$$
#### Die Federspannarbeit
Eine Feder mit der Federkonstante $k$ soll um eine Auslenkung $x_\mathrm{max}$
gedehnt werden. Hierfür muss die Kraft $\vec{F}= k\vec{x}$ aufgewendet werden.
Diese Kraft hängt selbst von der momentanen Auslenkung ab und ändert sich
im Verlauf der Dehnung. In diesem Fall muss also tatsächlich das Integral zur
Berechnung der Arbeit ausgewertet werden. Wir gehen jedoch auch hier davon aus,
dass die Kraft stets in Wegrichtung (d.h. entlang der Federachse) angreift,
sodass $\vec F\cdot \mathrm d\vec x = F\mathrm dx$ gesetzt werden kann. Dann
gilt:
$$W = \int \limits_0^{x_\mathrm{max}} F \mathrm dx=
\int \limits_0^{x_\mathrm{max}} kx\mathrm dx= \frac{1}{2}kx^2_\mathrm{max} \, .$$
#### Reibungsarbeit
Wie wir oben festgestellt haben, wirken bei der Bewegung eines Körpers stets
Reibungskräfte, die diese Bewegung hemmen, d.h. die Geschwindigkeit verringern.
Damit sich ein Körper auch unter dem Einfluss von Reibung mit unveränderter
Geschwindigkeit bewegt, muss ständig eine Kraft auf diesen Körper wirken, die
den Effekt der Reibung kompensiert. Zur Aufrechterhaltung der Bewegung muss also
Arbeit gegen die Reibung verrichtet werden.
Damit ein Körper mit unveränderter Geschwindigkeit eine gewisse Wegstrecke $s$
gleitet, muss die Gleitreibung kompensiert werden. Dabei wird die Arbeit
$$W = Fs = \mu_\mathrm G F_\mathrm N s$$
verrichtet.
### Die Leistung
Wir haben nun verschiedene Arten der Arbeit kennen gelernt. In vielen
Situationen ist es darüber hinaus von Interesse, in welcher Zeit eine bestimmte
Arbeit verrichtet wird. So ist beispielsweise bei Sportwagen die Zeitdauer für
die Beschleunigungsarbeit von $0~\frac{\mathrm{km}}{\mathrm h}$ auf
$100~\frac{\mathrm{km}}{\mathrm h}$ ein wichtiges Merkmal. Wir führen daher eine
weitere Größe ein, die die Zeitdauer erfasst, in der eine bestimmte Arbeit
verrichtet wird. Dazu teilen wir die verrichtete Arbeit durch die dafür
benötigte Zeit und erhalten so die **Leistung** $P$ :
$$P= \frac{W}{\Delta t} \qquad \textrm{Einheit: } [P]=1~\frac{\mathrm J}{\mathrm s}= 1~\mathrm W \quad \textrm{(Watt).}$$
Genau genommen, handelt es sich hierbei um eine mittlere Leistung über den
(makroskopischen) Zeitraum $\Delta t$. Durch den Übergang zu infinitesimal
kleinen Zeitintervallen erhält man die momentane Leistung:
$$P=\frac{\mathrm dW}{\mathrm dt} \, .$$
Die Leistung ist als physikalische Größe nicht auf die Mechanik beschränkt und
wird uns auch in späteren Kapiteln wieder begegnen (unter anderem als
elektrische Leistung). Speziell für die Mechanik lässt sich eine weitere,
äquivalente Formel für die Leistung angeben, die aus der obigen Definition der
momentanen Leistung folgt:
$$P= \frac{\mathrm dW}{\mathrm dt}= \frac{\vec{F}\cdot \mathrm d \vec{s}}{\mathrm dt}= \vec{F}\cdot \frac{\mathrm d\vec{s}}{\mathrm dt}= \vec{F} \cdot \vec{v} \, .$$
Mechanische Leistung ist also das Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit. Setzt
man in diese Formel die Momentangeschwindigkeit ein, so erhält man die momentane
Leistung. Entsprechend ergibt sich bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit die
mittlere Leistung. Beide Formeln für die Leistung sind (in der Mechanik)
gleichwertig. Für die Berechnung einer konkreten Fragestellung wird schlicht die
zweckmäßigere Formel ausgewählt.
### Die Energie
Wenn an einem Körper Arbeit verrichtet wird, so ändert sich in irgendeiner Weise
ein Zustand dieses Körpers. Dies kann der Bewegungszustand (im Falle der
Beschleunigungsarbeit), seine Lage im Schwerefeld der Erde (Hubarbeit), oder die
Spannung einer Feder sein. Die verrichtete Arbeit bleibt auf diese Weise im Körper
gespeichert und kann von diesem genutzt werden, um seinerseits Arbeit zu
verrichten. Diese „gespeicherte Arbeit“ wird als **Energie** bezeichnet. Sie ist
die Fähigkeit eines Körpers, Arbeit zu verrichten. Abhängig vom „Zustand“, in
dem die Energie im Körper gespeichert ist, unterscheidet man verschiedene Arten
der Energie.
#### Energieformen der Mechanik
**Kinetische Energie** (oder Bewegungsenergie) ist die Energie, die ein Körper
aufgrund seiner Geschwindigkeit besitzt. Sie ist gleich der
Beschleunigungsarbeit, die erforderlich ist, um den Körper auf seine
Geschwindigkeit zu beschleunigen:
$$E_\mathrm{kin}=\frac{1}{2}mv^2 \, .$$
Als **potentielle Energie** bezeichnet man Energie, die ein Körper auf Grund
seiner Lage besitzt. Im Schwerefeld der Erde wird durch Hubarbeit die
potentielle Energie verändert:
$$\Delta E_\mathrm{pot}= mg \Delta h \, .$$
Der Nullpunkt der potentiellen Energie kann dabei willkürlich festgelegt werden
(muss dann aber beibehalten werden!). Interessant sind lediglich Änderungen
beziehungsweise Differenzen der potentiellen Energie. Meist wird verkürzt
geschrieben:
$$E_\mathrm{pot} = mgh \, .$$
Auch beim Spannen einer Feder muss Arbeit verrichtet werden, die dann als
Energie in der Feder gespeichert ist. Diese Federenergie wird ebenfalls zur
potentiellen Energie gezählt und ist gleich der zum Spannen erforderlichen
Arbeit:
$$E_\mathrm{Feder}= \frac{1}{2} k x^2 \, ,$$
wobei $x$ die Dehnung oder Stauchung der Feder aus dem entspannten Zustand
angibt.
#### Energieumwandlung
Ein Körper, der sich in einer gewissen Höhe $h$ befindet, besitzt dort die
entsprechende potentielle Energie $E_\mathrm{pot}=mgh$. Im freien Fall aus
dieser Höhe verliert der Körper beständig potentielle Energie, da seine Höhe
abnimmt. Gleichzeitig nimmt – aufgrund der beschleunigten Bewegung – seine
kinetische Energie zu. Energetisch betrachtet wird also beim freien Fall die
anfängliche potentielle Energie des Körpers für die Beschleunigungsarbeit
aufgewendet und somit in kinetische Energie umgewandelt. Dabei gilt (als
experimentelles Ergebnis):
$$\Delta E_\mathrm {pot} = -\Delta E_\mathrm {kin} \, .$$
Die mechanische Gesamtenergie des Körpers (Summe aus kinetischer und
potentieller Energie) ändert sich dabei nicht:
$$E_\mathrm{ges} = E_\mathrm{pot} + E_\mathrm{kin} = \mathrm{const} \, .$$
Dies gilt selbst dann noch, wenn der Körper nicht senkrecht fällt, sondern sich
auf anderen (schrägen oder gekrümmten) Bahnen abwärts bewegt. Wenn alle diese
Bahnen denselben Höhenunterschied bewältigen, so ist auch die Geschwindigkeit
des Körpers am Ende identisch. Die Umwandlung von kinetischer und potentieller
Energie geschieht unabhängig vom Weg und hängt lediglich von Anfangs- und
Endpunkt ab.
#### Energie und Reibung
Was geschieht nun aber mit der Arbeit, die gegen die Reibungskraft verrichtet
wurde? Bewegt sich ein Körper unter dem Einfluss der Reibung, ohne dass eine
äußere Kraft die Reibung kompensiert, so muss der Körper selbst aus seinem
Vorrat an kinetischer Energie diese Reibungsarbeit aufbringen. Dabei nimmt
seine kinetische Energie ab, d.h. der Körper wird kontinuierlich langsamer und
kommt schließlich zum Stillstand, wenn seine gesamte anfängliche
Bewegungsenergie für die Reibungsarbeit aufgewendet wurde. In diesem Fall ändert
sich – anders als im oben diskutierten Beispiel – die mechanische Gesamtenergie.
Damit sich ein Körper trotz Reibung mit konstanter Geschwindigkeit bewegt, muss
von außen Arbeit zur Kompensation der Reibung an ihm verrichtet werden. Diese
Arbeit ändert nicht den Bewegungszustand des Körpers, erhöht also auch nicht
dessen Energie.
#### Der Energiesatz der Mechanik
Die vorangegangene Betrachtung zeigt, dass mechanische Energie „verloren“ gehen
kann. Tatsächlich existieren neben kinetischer und potentieller Energie weitere
(nicht-mechanische) Energieformen wie elektrische Energie oder thermische
Energie (Wärme). Auch die Reibung bewirkt eine Energieumwandlung: von
kinetischer Energie in thermische Energie. Solche Prozesse, die mechanische
Energie in andere Energieformen umwandeln, heißen *dissipative Prozesse* bzw.
*dissipative Kräfte*. Dabei ist die Energieumwandlung nicht wegunabhängig. Den
Gegensatz dazu bilden *konservative Kräfte* bzw. *konservative Prozesse*. Sie
wandeln die mechanischen Energieformen nur ineinander um. Dabei ist (wie im
Beispiel oben) die Umwandlung unabhängig vom Weg. Führt man diese Erkenntnisse –
in verallgemeinerter Form – zusammen, so erhält man den Energiesatz der Mechanik:
> Die verschiedenen Formen mechanischer Energie lassen sich ineinander und in
> andere Energieformen umwandeln. Wirken in einem System ausschließlich
> konservative Kräfte, so ist die gesamte mechanische Energie eine
> Erhaltungsgröße. Es gilt:
>
> $$E_\mathrm{ges}=E_\mathrm{pot} + E_\mathrm{kin} = \mathrm{const} \, .$$
### Anwendungen der Erhaltungssätze
Wir kennen nun zwei elementare Erhaltungssätze der Mechanik: Impulssatz und
Energiesatz. Ihre Anwendung bietet einen Ansatz zur Lösung zahlreicher
mechanischer Probleme. Wir wollen dies an einigen Beispielen betrachten.
#### Beispiel 1: Pendel und Hemmungspendel
Ein Fadenpendel der Masse $m$ wird in eine Höhe $h_1$ ausgelenkt (die Ruhelage
des Pendels sei in der Höhe $h=0$). Von dort losgelassen bewegt sich das Pendel
beschleunigt nach unten und erreicht bei Durchqueren der Ruhelage seine maximale
Geschwindigkeit. Wenn die Reibung vernachlässigt werden kann, gilt der
Energiesatz der Mechanik, und für die Maximalgeschwindigkeit folgt:
$$mgh_1 = \frac{1}{2}mv^2_\mathrm{max} \quad \Rightarrow \quad v_\mathrm{max} = \sqrt{2gh_1} \, .$$
Auf der Gegenseite steigt der Pendelkörper nach oben. Dabei wird kinetische
Energie in potentielle umgewandelt. Seine Maximalhöhe $h_2$ auf dieser Seite
erreicht er, wenn diese Energieumwandlung vollständig ist. Also:
$$mgh_2 = \frac{1}{2}mv^2_\mathrm{max} = mgh_1 \quad \Rightarrow \quad h_2 = h_1 \, .$$
Der Pendelkörper erreicht also auf beiden Seiten dieselbe Höhe.
Wird nun durch einen Anschlag die Fadenlänge des Pendels auf der zweiten Seite
verkürzt (Hemmungspendel), so ändert sich zwar die Schwingungsdauer, nicht aber
die erreichte Höhe des Pendelkörpers. Für die energetische Betrachtung gilt
weiterhin die Gleichheit:
$$mgh_2 = \frac{1}{2}mv^2_\mathrm{max} = mgh_1 \quad \Rightarrow \quad h_2 = h_1 \, .$$
#### Beispiel 2: Zentrale Stöße
Als Stoß bezeichnet man in der Physik eine (beliebige) Wechselwirkung zweier
Körper, bei der Impuls übertragen wird. Da diese Wechselwirkung der beiden
Stoßpartner ein abgeschlossenes System darstellt, kann der Impulssatz stets
angewendet werden. Hingegen ist der Energiesatz nicht in jedem Fall anwendbar,
da Stöße auch dissipative Vorgänge enthalten können, beispielsweise durch
Entstehung von Wärme oder dauerhafte Verformung der Stoßpartner. Man
unterscheidet daher zwischen elastischen Stößen, bei denen nur konservative
Kräfte wirken und der Energiesatz der Mechanik anwendbar ist, und inelastischen
Stößen, bei denen der Energiesatz der Mechanik nicht gilt. Ein Spezialfall der
letzteren ist die gemeinsame Weiterbewegung beider Stoßpartner, die auch als
(vollkommen) plastischer Stoß bezeichnet wird.
Wir betrachten hier als einen konkreten Fall den elastischen Stoß zwischen zwei
Körpern gleicher Masse ($m_1=m_2=m$), wobei Körper 2 vor dem Stoß in Ruhe sei
($v_2=0$). Gesucht sind die Geschwindigkeiten der beiden Körper nach dem Stoß,
die wir – zur besseren Unterscheidung – mit $v'_1$ und $v'_2$ bezeichnen.
Da es sich um einen elastischen Stoß handelt, können wir den Energiesatz
anwenden. Die kinetische Energie vor dem Stoß (zu der nur Körper 1 beiträgt)
muss gleich der kinetischen Gesamtenergie nach dem Stoß sein:
$$\frac{1}{2}mv^2_1 + \frac{1}{2}mv^2_2 = \frac{1}{2}mv^2_1 = \frac{1}{2}mv'^2_1 + \frac{1}{2}mv'^2_2 \, .$$
Daraus folgt für die Geschwindigkeiten:
$$v_1^2=v'^2_1+v'^2_2 \, .$$
Weiterhin gilt der Impulssatz:
$$mv_1+mv_2=mv_1=mv'_1+mv'_2 \, .$$
Umstellen dieser Gleichung nach $v'_1$ ergibt:
$$v'_1=v_1-v'_2 \, .$$
Dies wird in die obige Formel für die Geschwindigkeiten eingesetzt:
$$v_1^2=(v_1-v'_2 )^2+v'^2_2=v_1^2-2v_1 v'_2+2v'^2_2 \, .$$
Umstellen dieser Gleichung ergibt:
$$0=v'_2 (v_1-v'_2 ) \, .$$
Dies ist erfüllt, wenn gilt:
$$v'_2=v_1 \, .$$
Setzt man dies nun in die Formel für $v'_1$ ein, so folgt:
$$v'_1=v_1-v'_2=v_1-v_1=0 \, .$$
Die beiden Körper tauschen also ihre Geschwindigkeiten: Körper 1 kommt zur Ruhe,
Körper 2 bewegt sich mit $v_1$ weiter.
#### Zusammenfassung
Wir kennen nun zwei grundsätzliche Herangehensweise zur Berechnung mechanischer
Fragestellungen:
- Auswertung der auf einen Körper wirkenden Kräfte und Anwendung des 2.
Newtonschen Axioms
- Betrachtung von Impuls- und Energiesatz
Der Lösungsweg über das 2. Newtonsche Axiom erfordert die Kenntnis aller auf
einen Körper (oder in einem System mehrerer Körper) wirkenden Kräfte in ihrer
räumlichen und zeitlichen Abhängigkeit. Zudem ist er rechnerisch aufwändiger, da
er die Integration der Bewegungsgesetze erfordert (Beschleunigung,
Geschwindigkeit, Weg). Im Gegenzug liefert diese Herangehensweise die
vollständigen Informationen über den Bewegungsablauf in Form des
Geschwindigkeits-Zeit-Gesetzes und Orts-Zeit-Gesetzes.
Der Ansatz über die Erhaltungssätze ist einerseits konzeptionell einfacher, da
keine detaillierte Kenntnis der wirkenden Kräfte erforderlich ist. Zudem ist
diese Herangehensweise auch rechnerisch einfacher, da keine Integration
erforderlich ist. Allerdings liefert dieser Lösungsweg auch nicht den
vollständigen Bewegungsablauf, sondern nur eine Aussage über einzelne Zustände,
insbesondere Ausgangs- und Endzustand einer Wechselwirkung. Ferner sind die
Erhaltungssätze nur unter bestimmten Voraussetzungen anwendbar: Der Impulssatz
gilt nur in abgeschlossenen Systemen, der Energiesatz nur bei konservativen
Prozessen.
Welcher dieser Lösungswege im konkreten Fall zu wählen ist, hängt von der
jeweiligen Problemstellung ab. Sind beide Ansätze anwendbar, wird
zweckmäßigerweise der einfachere gewählt.
## Mechanik — Rotation (Dreh- und Kreisbewegung)
In den bisherigen Abschnitten zur Mechanik wurden geradlinige Bewegungen
betrachtet, die unter dem Begriff der Translation zusammengefasst werden.
Bewegungen auf gekrümmten Bahnen wurden dabei als
Superposition von geradlinigen Bewegungen aufgefasst. Darüber hinaus ist es
sinnvoll für bestimmte Bewegungsarten eigene Größen und Gesetzmäßigkeiten zu
formulieren. In den folgenden Abschnitten werden dies zunächst
Rotationsbewegungen sein.
Die Rotation ist eine Sonderform der zweidimensionalen Bewegung, zu der sowohl
die Bewegung eines Massepunktes auf einer Kreisbahn mit festem Radius
(Kreisbewegung) als auch die Eigenrotation eines ausgedehnten Körpers um seine
„Körperachse“ (Drehbewegung) gezählt wird. Letztere lässt sich
nicht im Modell der Punktmasse beschreiben. Hierfür wird das Modell des starren
Körpers eingeführt. Dieser stellt eine unveränderliche (insbesondere
unverformbare) Masseverteilung dar.
Wann ist es aber überhaupt sinnvoll, neue Größen für eine bestimmte Bewegung zu
definieren? Es gibt hierfür zwei Argumente: Zum einen, wenn sich die
mathematische Beschreibung durch die neuen Größen vereinfacht. Zum anderen, wenn
durch die neuen Größen eine anschaulichere Beschreibung möglich ist, da
charakteristische Eigenschaften besser zum Ausdruck kommen.
Das Vorgehen bei der Betrachtung der Rotation folgt dem gleichen Schema wie bei
der Translation: Zunächst werden in einer kinematischen Betrachtung Größen zur
Beschreibung dieser Bewegungsform definiert. Anschließend werden in der Dynamik
der Rotation Bewegungszustände und ihre Änderungen betrachtet.
### Kinematik der Rotation
Bewegt sich ein Massepunkt auf einer Kreisbahn, so ändert sich permanent die
Richtung seiner Geschwindigkeit, da diese tangential zur Kreisbahn orientiert
ist. Damit ist die Kreisbewegung stets eine beschleunigte Bewegung, selbst wenn
der Betrag der Geschwindigkeit konstant ist. Damit der Geschwindigkeitsvektor
stets tangential zur Kreisbahn verläuft, muss diese permanente Beschleunigung
radial zum Zentrum der Kreisbahn gerichtet sein. Daher wird sie als
Zentripetalbeschleunigung $\vec{a}_\mathrm z$ bezeichnet (siehe nachfolgende
Abbildung).
#### Drehwinkel und Winkelgeschwindigkeit
Zur Beschreibung einer Kreisbewegung definieren wir ein kartesisches
Koordinatensystem, wobei die Kreisbahn in der $(x,y)$-Ebene liegt (siehe
Abbildung). Der Ursprung dieses Koordinatensystems entspricht der Drehachse,
d.h. dem Zentrum der Kreisbahn. Die Drehachse selbst ist somit identisch mit der
$z$-Achse des Koordinatensystems.
Neben diesen kartesischen Koordinatenachsen werden für die Kreisbewegung weitere
wichtige Einheitsvektoren definiert (siehe folgende Abbildung): Die Richtung der
Drehachse wird durch den axialen Einheitsvektor $\vec e_\mathrm{ax}$
repräsentiert. Weiterhin wird für jeden Punkt auf der Kreisbahn der radiale
($\vec e_\mathrm{rad}$) und der tangentiale Einheitsvektor
($\vec e_\mathrm{tang}$) definiert. Während der axiale Einheitsvektor konstant
ist, ändern radialer und tangentialer Einheitsvektor eines Massepunktes bei der
Kreisbewegung permanent ihre Richtung.
Da der Ursprung des (kartesischen) Koordinatensystems im Zentrum der Kreisbahn
liegt, ist folglich der Betrag des Ortsvektors $|\vec{r}|$ des betrachteten
Massepunkts identisch mit dem (unveränderlichen) Radius der Kreisbahn $r$. Zur
Ortsbestimmung $\vec{r}(t)$ des Massepunktes genügt dann eine skalare Angabe des
aktuellen Drehwinkels $\phi(t)$ (bezogen auf die $x$-Achse, gemessen entgegen
dem Uhrzeigersinn – siehe obere Abbildung). Zwischen den kartesischen
Koordinaten und dem Drehwinkel bestehen die Zusammenhänge:
$$\vec{r}(t) = \begin{pmatrix}
x(t) \\ y(t) \end{pmatrix} = \begin{pmatrix}
r \cdot \cos \phi(t) \\ r \cdot \sin \phi(t) \end{pmatrix} \, .$$
Der in einer gewissen Zeitdauer zurückgelegte Weg $s$ entspricht einem
Kreisbogen. Mit den Gesetzen der Geometrie gilt:
$$\begin{aligned}
& s = r (\phi_\mathrm{Ende} - \phi_\mathrm{Anfang}) \\
\textrm{bzw.} \quad & s= r \cdot \Delta \phi \\
\textrm{bzw.} \quad & \mathrm ds = r \cdot \textrm{d} \phi \, .
\end{aligned}$$
Analog zur Geschwindigkeit der Translation (= geradlinige Bewegung) lässt sich
auch für den Drehwinkel eine Änderungsrate angeben. Sie wird als
Winkelgeschwindigkeit $\omega$ bezeichnet und ist definiert als:
$$\omega = \frac{\textrm d \phi}{\textrm d t} \qquad \textrm{Einheit: } [\omega] = \mathrm s^{-1} \quad \textrm{(Winkelangabe im Bogenmaß).}$$
Selbstverständlich ist auch die Rotation durch eine Bewegungsrichtung
gekennzeichnet. Die Winkelgeschwindigkeit soll diese Richtung widerspiegeln – es
muss sich also um eine vektorielle Größe $\vec{\omega}$ handeln. Dazu wird neben
dem oben definierten Betrag auch eine Richtung festgelegt. Die
Winkelgeschwindigkeit wird dabei als axialer Vektor definiert, d.h. ihre
Richtung verläuft entlang der Drehachse. Damit steht der
Winkelgeschwindigkeitsvektor senkrecht auf der Ebene der Kreisbahn. Für ihre
Richtung gilt die Rechte-Hand-Regel: Zeigt der ausgestreckte Daumen der rechten
Hand in Richtung des $\vec{\omega}$-Vektors, so zeigen die gekrümmten Finger
dieser Hand die Drehrichtung des Massepunkts an (siehe Abbildung).
Mit den oben eingeführten Einheitsvektoren lässt sich die Winkelgeschwindigkeit
folgendermaßen angeben:
$$\vec\omega = \frac{\mathrm d \phi}{\mathrm d t}\cdot\vec e_\mathrm{ax} \, .$$
Weiterhin kann natürlich auch für die Kreisbewegung eine (translatorische)
Geschwindigkeit $\vec{v}$ als zeitliche Änderung des Ortsvektors $\vec{r}$
angegeben werden. Zur besseren Unterscheidung wird sie als Bahngeschwindigkeit
bezeichnet. Für sie gilt in Komponentenschreibweise bei konstantem Bahnradius
$r$:
$$\begin{aligned}
\vec{v} & = \frac{\mathrm{d}}{\mathrm dt}\vec{r} = \frac{\mathrm d}{\mathrm dt} \left[ r \cdot \begin{pmatrix} \cos \phi \\ \sin \phi \end{pmatrix} \right] \\
& = r \cdot \frac{\mathrm{d}}{\mathrm dt} \begin{pmatrix} \cos \phi \\ \sin \phi \end{pmatrix} = r \cdot \begin{pmatrix} -\sin \phi \cdot \dot{\phi} \\ \cos \phi \cdot \dot{\phi} \end{pmatrix} \\
& = r \cdot \dot{\phi} \cdot \begin{pmatrix}-\sin \phi (t) \\ \cos \phi (t)\end{pmatrix} \, .
\end{aligned}$$
Der letzte Klammerausdruck ist identisch mit dem Einheitsvektor
$\vec e_\mathrm{tang}$. Ferner gilt $\dot{\phi}= \omega$. Damit erhält man:
$$\vec{v}=\dot{\vec{r}} = r\omega \cdot \vec{e}_\mathrm{tang} \, .$$
Der gleiche Ausdruck ergibt sich bei Bildung des Kreuzprodukts
$\vec{\omega} \times \vec{r}$. Es gilt also (bei konstantem Bahnradius):
$$\vec{v}= \dot{\vec{r}} =\vec{\omega} \times \vec{r} \, .$$
Für den Betrag der Bahngeschwindigkeit folgt: $v=\omega r$. Ihre Richtung
verläuft stets tangential zur Kreisbahn.
#### Beschleunigung bei der Kreisbewegung
Verläuft eine Rotation mit konstanter Winkelgeschwindigkeit, so spricht man von
einer gleichförmigen Kreisbewegung. Wie oben bereits diskutiert, ändert sich
auch in diesem Fall die Bahngeschwindigkeit. Es liegt also eine (Bahn-)
Beschleunigung vor.
Im allgemeinen Fall kann sich auch die Winkelgeschwindigkeit der Rotation
ändern. In diesem Fall definiert man die Winkelbeschleunigung $\vec{\alpha}$
als zeitliche Änderung der Winkelgeschwindigkeit:
$$\vec{\alpha} = \frac{\mathrm d \vec{\omega}}{\mathrm dt} \qquad \textrm{Einheit: } [\vec{\alpha}] = \mathrm s^{-2}$$
Aus dieser Definition folgt, dass auch die Winkelbeschleunigung ein axialer
Vektor ist:
$$\vec\alpha=\alpha\cdot\vec e_\mathrm{ax} \, .$$
Analog zur Translation lassen sich mit den Größen $\alpha, \omega$ und $\phi$
die Bewegungsgesetze der Rotation aufstellen. So gilt für die gleichmäßig
beschleunigte Kreisbewegung:
$$\begin{aligned}
\alpha & = \textrm{const.} \\
\omega(t) & = \alpha t + \omega_0 \\
\phi (t) & = \frac{\alpha}{2} t^2 + \omega_0 t +\phi_0\end{aligned}$$
Für die Bahnbeschleunigung als zeitliche Änderung der Bahngeschwindigkeit ergibt
sich:
$$\vec{a} = \dot{\vec{v}} = \frac{\mathrm d}{\mathrm d t } (\vec{\omega} \times \vec{r}) = \dot{\vec{\omega}} \times \vec{r} + \vec{\omega} \times \dot{\vec{r}}$$
Die Bahnbeschleunigung enthält also zwei Komponenten. Für den ersten Ausdruck
erhalten wir mit $\dot{\vec{\omega}}= \vec{\alpha}$:
$$\dot{\vec{\omega}} \times \vec{r} = \vec{\alpha} \times \vec{r}
=\alpha r\cdot\left(\vec e_\mathrm{ax}\times\vec e_\mathrm{rad}\right)
= \alpha r \cdot \vec{e}_\mathrm{tang} \equiv \vec{a}_\mathrm t \, .$$
Dies ist die Tangentialkomponente der Bahnbeschleunigung, die eine Änderung des
Betrages der Bahngeschwindigkeit verursacht. Sie tritt nur bei Vorliegen einer
Winkelbeschleunigung auf.
Für die zweite Komponente der Bahnbeschleunigung erhalten wir:
$$\vec{\omega} \times \dot{\vec{r}} = \vec{\omega} \times (\vec{\omega} \times \vec{r}) \, .$$
Für ein solches doppeltes Kreuzprodukt bietet die Mathematik die allgemeine
Formel:
$$\vec{a} \times (\vec{b} \times \vec{c}) = \vec{b} (\vec{a} \cdot \vec{c}) - \vec{c}(\vec{a} \cdot \vec{b}) \, .$$
Angewendet auf obigen Ausdruck folgt:
$$\vec{\omega} \times (\vec{\omega} \times \vec{r}) = \vec{\omega} (\vec{\omega} \cdot \vec{r}) - \vec{r}(\vec{\omega} \cdot \vec{\omega}) \, .$$
Mit $\vec{\omega} \perp \vec{r}$ wird das Skalarprodukt
$\vec{\omega} \cdot \vec{r}= 0$ und es gilt:
$$\vec{\omega} \times\dot{\vec{r}} = -\omega^2 \vec{r} \equiv \vec{a}_\mathrm r \, .$$
Dies ist die Radialkomponente der Bahnbeschleunigung. Sie ist stets zum
Koordinatenursprung gerichtet und somit identisch mit der eingangs bereits
qualitativ hergeleiteten Zentripetalbeschleunigung $\vec{a}_\mathrm z$. Diese
Komponente bewirkt eine permanente Richtungs-, jedoch keine Betragsänderung der
Bahngeschwindigkeit. Für ihren Betrag gilt (mit $v=\omega r$):
$$a_\mathrm r = \omega^2 r = \frac{v^2}{r} \, .$$
Gemäß dem zweiten Newtonschen Axiom existiert zu jeder translatorischen
Beschleunigung eine Kraft. Folglich muss auch zu den beiden Komponenten der
Bahnbeschleunigung die zugehörige tangentiale und radiale Kraftkomponente
vorliegen. Die tangentiale Kraftkomponente ändert den Betrag der
Bahngeschwindigkeit und damit die kinetische Energie des Massepunkts. Sie
verrichtet also Beschleunigungsarbeit, wie auch aus der Definition der Arbeit
$\mathrm dW=\vec{F} \cdot \vec{\mathrm d s}$ mit
$\vec{F} \, || \, \vec{\mathrm ds}$ beziehungsweise
$\vec{F} \, || \, \vec{v}$ folgt.
Die radiale Komponente der Kraft bewirkt lediglich eine Richtungsänderung der
Bahngeschwindigkeit. Analog zur Zentripetalbeschleunigung heißt diese Kraft
Zentripetalkraft $\vec{F}_\mathrm z$. Sie ändert nicht die kinetische Energie
des Massepunktes, kann also keine Arbeit verrichten. Tatsächlich ergibt sich mit
$\vec{F}_\mathrm z \perp \vec{\mathrm d s}$ für diese Kraft
$\mathrm dW=\vec{F}_\mathrm z \cdot \vec{\mathrm ds}=0$.
### Dynamik der Rotation
Nachdem bisher Rotationsbewegungen nur beschrieben wurden, soll jetzt auch die
Ursache dieser Bewegungen – d.h. genauer der Änderung eines
Rotationsbewegungszustands – untersucht werden. Zu Beginn steht auch hier die
Feststellung, dass ein rotierender Massepunkt oder Körper seinen
Rotationszustand nur durch eine Wechselwirkung mit der Umgebung ändert. Zunächst
muss also eine Größe gefunden werden, die die Stärke dieser Wechselwirkung
ausdrückt. In der Translation wurde hierfür die Kraft eingeführt als Maß der
Wechselwirkung zwischen Körpern. Für die Rotation hingegen reicht die Kraft zur
Beschreibung der Wechselwirkungen nicht aus. Stattdessen ergeben sich folgende
experimentelle Erkenntnisse:
- Nur tangential angreifende Kräfte ändern den Rotationszustand. Radial
wirkende Kräfte haben keinen Einfluss darauf.
- Damit eine Kraft eine Rotationsänderung hervorruft, muss sie in einem
endlichen Abstand von der Drehachse angreifen. Kräfte, die an der Drehachse
angreifen, haben keinen Einfluss auf den Rotationszustand.
- Die Stärke der Wechselwirkung wächst mit dem Betrag der (tangential
angreifenden) Kraft sowie mit zunehmendem Abstand von der Drehachse, in dem
diese Kraft angreift.
Diese Feststellungen führen zur Definition des **Drehmoments** $\vec{M}$:
$$\vec{M} =\vec{r} \times \vec{F} \quad M= rF \cdot \sin \angle(\vec{r},\vec{F}) \quad \textrm{Einheit: } [\vec{M}] = 1~\mathrm{Nm} \, .$$
Diese Definition enthält alle geforderten Eigenschaften der Wechselwirkung: Das
Kreuzprodukt zwischen Radiusvektor und Kraft berücksichtigt nur tangentiale
Kraftkomponenten, und der Betrag des Drehmoments widerspiegelt die gefundenen
Abhängigkeiten von $r$ und $F$. Die Richtung des Drehmoments ist durch das
Kreuzprodukt eindeutig festgelegt und zeigt entlang der Drehachse; es handelt
sich also auch hier um einen axialen Vektor:
$$\vec M = rF \cdot \sin \angle(\vec{r},\vec{F}) \cdot\vec e_\mathrm{ax} \, .$$
Als Ausdruck des quantitativen Zusammenhangs zwischen Drehmoment und
Rotationszustandsänderung wird eine Formel analog dem zweiten Newtonschen Axiom
der Translation gesucht. Zur Bestimmung dieser Formel setzen wir das Newtonsche
Grundgesetz in der Form $\vec{F}=m\vec{a}$ in die Definition des Drehmoments ein:
$$\begin{aligned}
\vec{M} & =\vec{r} \times \vec{F} = m \cdot \vec{r} \times \vec{a} \\
& = m \cdot \vec{r} \times (\vec{a}_\mathrm t + \vec{a}_\mathrm r) \\
& = m\vec{r} \times \vec{a}_\mathrm t + m\vec{r} \times \vec{a}_\mathrm r \, .
\end{aligned}$$
Der letzte Summand ist dabei null, da $\vec{r} \, || \, \vec{a}_\mathrm r$. Mit
der Definition der Tangentialbeschleunigung (siehe oben) gilt weiterhin:
$$\vec{M} = m\vec{r} \times \vec{a}_\mathrm t = m\vec{r} \times (\vec{\alpha} \times \vec{r})
= m\vec{\alpha} r^2 - m \vec{r}(\vec{r} \cdot \vec{\alpha}) \, .$$
Da $\vec{r} \perp \vec{\alpha}$ , gilt $\vec{r} \cdot \vec{\alpha} = 0$ und es
folgt:
$$\vec{M} = mr^2\vec{\alpha} \, .$$
Diese Formel folgt dem gleichen Schema wie das Newtonsche Grundgesetz
$\vec{F}=m \cdot \vec{a}$ („Wechselwirkung = Trägheit $\cdot$ Beschleunigung“),
wenn der Ausdruck $mr^2$ als Maß für die Trägheit bei der Rotation aufgefasst
werden kann. Tatsächlich bestätigen Experimente die Schlussfolgerung, dass für
die Trägheit bezüglich der Rotation neben der Masse einer Punktmasse auch deren
(quadratischer) Abstand von der Drehachse entscheidend ist. Basierend auf diesem
experimentellen Ergebnis sowie auf der obigen theoretischen Herleitung
definieren wir daher das **Trägheitsmoment** $J$:
$$J = mr^2 \qquad \textrm{Einheit: } [J] = 1~\mathrm{kg\cdot m^2} \, .$$
Diese Formel gilt zunächst nur für eine Punktmasse. Ein ausgedehnter (starrer)
Körper kann als ein Ensemble vieler infinitesimaler Punktmassen gedacht werden.
Integration der Trägheitsmomente aller dieser Einzel-Punktmassen über das
gesamte Körpervolumen liefert dann das Trägheitsmoment des Körpers. Für
grundlegende Körperformen (Kugel, Zylinder usw.) sind die resultierenden Formeln
in Nachschlagewerken zu finden.
Damit kann das zweite Newtonsche Axiom der Rotation wie folgt geschrieben werden:
$$\vec{M} = J\vec{\alpha} \, .$$
Es ist anzumerken, dass diese Formel nur bei konstantem Trägheitsmoment gilt,
d.h. sowohl Masse als auch Bahnradius der Rotation müssen konstant sein.
### Der Drehimpuls
Für die Translation wurde der Impuls definiert nach dem Schema „Trägheit $\cdot$
Geschwindigkeit“. Wir können nach gleichem Schema eine analoge Größe für die
Rotation definieren, indem wir das Trägheitsmoment $J$ als Maß für die Trägheit
sowie die Winkelgeschwindigkeit verwenden. So erhalten wir den **Drehimpuls** $L$:
$$\vec{L}= J\vec{\omega} \quad \textrm{Einheit: } [\vec{L}] = 1~\frac{\mathrm{kg\cdot m^2}}{\mathrm s}$$
Tatsächlich zeigt das Experiment, dass der Drehimpuls für die Rotation die
gleiche Bedeutung hat wie der Impuls für die Translation. So ist der Drehimpuls
der quantitative Ausdruck eines Rotationsbewegungszustands. Damit kann das
zweite Newtonsche Axiom in allgemeinerer Form ausgedrückt werden, die auch
Änderungen des Trägheitsmoments zulässt:
$$\vec{M}=\dot{\vec{L}} \qquad \textrm{bzw.} \qquad \int_{t_1}^{t_2} \vec{M} \mathrm dt = \Delta \vec{L} \, .$$
Qualitativ ausgedrückt bedeutet diese Formel, dass durch das Einwirken eines
Drehmoments der Drehimpuls eines Körpers oder Massepunkts verändert wird.
Des Weiteren gilt auch für den Drehimpuls ein Erhaltungssatz innerhalb
abgeschlossener Systeme. Zur bisherigen Definition eines abgeschlossenen Systems
kommt nun jedoch die Forderung nach dem Fehlen äußerer Drehmomente hinzu. D.h.
ein abgeschlossenes System liegt vor, wenn
- keine Teilchen das System verlassen oder betreten können,
- keine äußeren Kräfte einwirken und
- keine äußeren Drehmomente einwirken.
Damit lautet der **Drehimpulserhaltungssatz**:
> In einem abgeschlossenen System ist der (Gesamt-) Drehimpuls eine
> Erhaltungsgröße.
Der Drehimpuls kann in Bezug auf den translatorischen Impuls $\vec{p}$ auch in
folgender Form definiert werden:
$$\vec{L}= \vec{r} \times \vec{p} \, .$$
Beide Definitionen sind identisch, wie folgende Rechnung zeigt:
$$\begin{aligned}
\vec{r} \times \vec{p} & = m\vec{r} \times \vec{v} \\
& = m\vec{r} \times (\vec{\omega} \times \vec{r})
= m[\vec{\omega}(\vec{r} \cdot \vec{r})- \vec{r}(\vec{r}\cdot \vec{\omega})] \\
& = m\vec{\omega}(\vec{r}\cdot \vec{r}) = mr^2\vec{\omega} \\
& = J\vec{\omega}
\end{aligned}$$
### Energie der Rotation
Bei der Behandlung der Translation hatten wir festgestellt, dass in der Bewegung
eines Körpers Energie gespeichert ist (= kinetische Energie). Es stellt sich die
Frage, ob gleiches auch für die Rotationsbewegung gilt. Um dies zu untersuchen
betrachten wir folgendes Experiment: Ein Jo-Jo wird als Ganzes aus einer
gewissen Höhe $h_0$ fallen gelassen. Es führt dabei einen freien Fall mit der
Fallbeschleunigung $g$ aus. Energetisch betrachtet wird dabei potentielle
Energie in kinetische umgewandelt. Für die Fallstrecke gilt der Zusammenhang:
$$E^\mathrm{oben}_\mathrm{pot} = E^\mathrm{unten}_\mathrm{kin} \qquad \textrm{bzw.} \qquad mgh_0 = \frac{m}{2} v^2_\mathrm{unten} \, .$$
Nun wird das Jo-Jo am Fadenende gehalten. Bei der Bewegung nach unten führt es
keinen freien Fall aus, sondern rotiert so, dass der Faden abgewickelt wird.
Dabei bewegt es sich signifikant langsamer nach unten als im freien Fall. Die
kinetische Energie der Translation am Ende der Fallstrecke ist also kleiner als
im obigen Fall. Der „fehlende“ Energiebetrag ist in der Rotationsbewegung
gespeichert. Der allgemeine Zusammenhang
$$E^\mathrm{oben}_\mathrm{pot} = E^\mathrm{unten}_\mathrm{kin}$$
gilt dabei weiterhin. Die kinetische Energie setzt sich nun jedoch aus zwei
Anteilen zusammen: der Translations- und der Rotationsenergie:
$$E_\mathrm{kin} = E_\mathrm{trans} + E_\mathrm{rot} \, .$$
In Analogie zur Translation und in Einklang mit experimentellen Ergebnissen
definieren wir die Rotationsenergie:
$$E_\mathrm{rot} = \frac{1}{2} J \omega^2 \, .$$
Bei der Betrachtung der kinetischen Energie sind die jeweils vorliegenden
Bewegungsformen (Translation / Rotation) zu unterscheiden. Bei einer reinen
Translation eines Körpers besitzt dieser selbstverständlich nur
Translationsenergie. Rotiert ein Körper um seine eigene Achse ohne sich als
Ganzes fortzubewegen, so liegt eine reine Rotation vor und die gesamte
kinetische Energie dieses Körpers ist als Rotationsenergie gespeichert. Eine
Rollbewegung ist eine Überlagerung von Translation (Fortbewegung des Körpers als
Ganzes) und Rotation (Drehung um die Körperachse). In diesem Fall teilt sich die
kinetische Energie auf Translations- und Rotationsenergie auf. Das Verhältnis,
in dem Translations- und Rotationsenergie zueinander stehen, wird bestimmt durch
den Rollradius sowie die Massenverteilung bezüglich der Drehachse – eine große
Masse in weiter Entfernung von der Drehachse erzeugt ein höheres Trägheitsmoment
und demzufolge einen höheren Anteil Rotationsenergie.
### Zusammenfassung
Die folgende Übersicht stellt analoge Größen von Translation und Rotation
einander gegenüber und nennt die Zusammenhänge zwischen diesen Größen.
#### Position eines Massepunkts
- Translation: Ortsvektor $\vec r$ oder Weg $s$
- Rotation: Winkel $\phi$
- Zusammenhang: $\mathrm ds = r\cdot \mathrm d\phi$
oder: $\Delta s = r\cdot \Delta\phi$
#### Geschwindigkeit
- Translation: $\vec v = \frac{\mathrm d\vec r}{\mathrm d t}$
- Rotation: $|\vec{\omega}| = \frac{\mathrm d \phi}{\mathrm dt}$
- Zusammenhang: $\vec{v} = \vec{\omega} \times \vec{r}$
beziehungsweise: $v = \omega r$
#### Beschleunigung
- Translation: $\vec{a}= \frac{\mathrm d \vec{v}}{\mathrm dt} = \frac{\mathrm d^2 \vec{r}}{\mathrm dt^2}$
- Rotation: $\vec{\alpha} = \frac{\mathrm d \vec{\omega}}{\mathrm dt}$
- Zusammenhang: $\vec{a}_\mathrm t = \vec{\alpha} \times \vec{r}$
und $\vec{a}_\mathrm z = - \omega^2 \vec{r}$
#### Wechselwirkung
- Translation: Kraft $\vec{F}$
- Rotation: Drehmoment $\vec{M}$
- Zusammenhang: $\vec{M}= \vec{r} \times \vec{F}$
beziehungsweise: $M = rF$, wenn $\vec{r} \perp \vec{F}$
#### Trägheit
- Translation: Masse $m$.
- Rotation: Trägheitsmoment $J$.
- Zusammenhang: $J = mr^2$ (Punktmasse)
#### 2. Newtonsches Axiom
- Translation: $\int_{t_1}^{t_2} \vec{F}\mathrm dt = \Delta \vec{p}$
beziehungsweise: $\vec{F}=m\vec{a} \, \, (m=\textrm{const.})$
- Rotation: $\int_{t_1}^{t_2} \vec{M}\mathrm dt = \Delta L$
beziehungsweise: $\vec{M}=J\vec{\alpha} \,\,(J=\textrm{const.})$
#### Kinetische Energie
- Translation: $E_\mathrm{trans}= \frac{1}{2}mv^2$
- Rotation: $E_\mathrm{rot} = \frac{1}{2} J \omega^2$
- Zusammenhang: $E_\mathrm{kin,gesamt} =E_\mathrm{trans} + E_\mathrm{rot}$
#### Impuls/ Drehimpuls
- Translation: Impuls $\vec{p}= m\vec v$
- Rotation: $\vec{L}=J \vec{\omega}$
beziehungsweise: $L = J\omega$
- Zusammenhang: $\vec{L}= \vec{r} \times \vec{p}$
beziehungsweise: $L = rp$, wenn $\vec{r} \perp \vec{p}$
## Mechanik — Mechanische Schwingungen
Mechanische Schwingungen sind ein Spezialfall der Bewegung, bei dem sich ein
definierter Bewegungsablauf permanent wiederholt. Aufgrund ihres häufigen und
vielfältigen Auftretens besitzt diese Bewegungsform eine hohe praktische
Bedeutung. Daher werden auch hierfür eigene Größen und Gesetze definiert, die
die Charakteristik der Schwingung – den sich wiederholenden Bewegungsablauf –
widerspiegeln.
### Kinematik der Schwingung
Schwingungen treten nicht nur in der Mechanik, sondern in allen Teilbereichen
der Physik auf. Entsprechend allgemein fällt die Definition einer Schwingung
aus:
> Eine Schwingung ist eine zeitlich periodische Änderung einer beliebigen
> physikalischen Größe.
Bei mechanischen Schwingungen ist es die periodische Änderung einer mechanischen
Größe – in der Regel eine Auslenkung $x$. Es können sich jedoch auch beliebige
andere Größen zeitlich periodisch ändern, z.B. Geschwindigkeit, Kraft, Energie,…
Wir betrachten zunächst allgemein eine beliebige physikalische Größe $A(t)$, die
einer periodischen Änderung unterliegt, d.h. die eine Schwingung ausführt. In
der folgenden Abbildung sind zwei mögliche Verläufe dieser periodischen
Änderung durch Sinus- und Kosinusfunktion dargestellt. Tatsächlich kann der
funktionale Verlauf $A(t)$ aber beliebig periodisch sein. Weitere technisch
bedeutsame Schwingungen sind beispielsweise Rechteck, Dreieck und Sägezahn. Im
Rahmen dieses Kurses beschäftigen wir uns jedoch nur mit sogenannten
harmonischen Schwingungen. Diese werden durch eine einzelne Sinus- oder
Kosinusfunktion beschrieben.
Zur Beschreibung der Schwingung definieren wir neue Größen (siehe obige
Abbildung):
- $A_0$ … Amplitude – Maximale Auslenkung; Die Werte von $A(t)$ liegen stets
im Intervall $[-A_0;A_0 ]$.
- $T$ … Periodendauer – Zeit zum Durchlaufen einer vollständigen Periode
$[T]=1~\mathrm s$
- $f= \frac{1}{T}$ … Frequenz – Zahl der Schwingungen pro Zeiteinheit
$[f] = 1~\mathrm s^{-1}= 1~\mathrm{Hz}\,$
- $\omega=2\pi \cdot f=\frac{2\pi}{T}$ … Kreisfrequenz
### Die freie, ungedämpfte Schwingung (am Beispiel des Federschwingers)
Eine Schwingung wird als *frei* bezeichnet, wenn sie (nach der anfänglichen
Auslenkung) nicht durch eine äußere Kraft angetrieben wird. Die Bezeichnung
*ungedämpft* heißt, dass keine Reibungskräfte existieren sollen, was in realen
Experimenten selbstverständlich nur näherungsweise der Fall sein kann.
Für die mathematische Beschreibung betrachten wir folgendes Federpendel (siehe
Abbildung):
- Masse $m$ an einer
- Feder mit Federkonstante $k$,
- lineare Auslenkung in $x$-Richtung,
- Ruhelage bei $x=0$.
Aus der Dynamik wissen wir, dass die Feder ihrer Auslenkung die Federkraft
entgegensetzt, d.h., es wirkt die Kraft
$$F_\mathrm F = -kx \, .$$
Die Richtung dieser Kraft weist stets zur Ruhelage der Feder. Eine solche
*rücktreibende* Kraft ist Voraussetzung für eine mechanische Schwingung. Zur
Bestimmung des Bewegungsablaufs setzen wir das zweite Newtonsche Axiom (in der
vereinfachten Form) an:
$$F= ma = m \ddot{x} \, .$$
Mit der Federkraft gilt demnach für das Federpendel:
$$-kx = m \ddot{x}$$
beziehungsweise nach Umstellen:
$$\ddot{x}= -\frac{k}{m}x \, .$$
Mathematisch betrachtet handelt es sich hierbei um eine lineare, homogene
Differentialgleichung 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Verbal
ausgedrückt besagt diese Formel, dass eine Funktion $x(t)$ gesucht ist, die bei
zweimaliger Ableitung wieder sich selbst (mit negativem Vorzeichen und einem
Vorfaktor) ergibt. Aus der Mathematik wissen wir, dass Sinus- &
Kosinusfunktionen diese Forderung erfüllen. Daher wollen wir untersuchen, ob
eine solche Funktion tatsächlich diese Differentialgleichung erfüllt. Wir wählen
den allgemeinen Ansatz:
$$x(t)= A \cdot \sin(\omega_0 t +\sigma) \, .$$
Um diesen Ansatz zu überprüfen, müssen wir die Funktion $x(t)$ zweimal ableiten
und in die Bewegungsgleichung einsetzen. Es gilt:
$$\dot{x}(t)= A \cdot \omega_0 \cdot \cos(\omega_0 t + \sigma)$$
und
$$\ddot{x}(t) = -A \cdot \omega_0^2 \cdot \sin(\omega_0 t + \sigma) \, .$$
Eingesetzt in die obige Differentialgleichung ergibt sich:
$$\begin{aligned}
\ddot{x} &= -\frac{k}{m} x \\
-A \cdot \omega_0^2 \cdot \sin(\omega_0 t + \sigma) &= - \frac{k}{m} \cdot A \cdot \sin(\omega_0 t + \sigma) \, .\end{aligned}$$
Dies ist erfüllt, wenn gilt
$$\omega_0 = \sqrt{\frac{k}{m}} \, .$$
Damit ist unser Ansatz bestätigt und zugleich eine Formel für die Kreisfrequenz
gefunden. Für die Periodendauer eines Federpendels ergibt sich
$$T = \frac{2\pi}{\omega_0} = 2\pi \sqrt{\frac{m}{k}} \, .$$
Die beiden Größen $A$ und $\sigma$ sind bisher noch offengeblieben. Sie ergeben
sich aus den Anfangsbedingungen. $A$ ist leicht als die Amplitude der Schwingung
zu identifizieren: $A=x_0$. Die Größe $\sigma$ bestimmt, mit welchem
Schwingungszustand die Schwingung zum Zeitpunkt $t=0$ startet (Ruhelage,
Maximalauslenkung oder ein beliebiger Zwischenzustand). Beginnt beispielsweise
die Schwingung bei maximaler Auslenkung, so gilt $\sigma= \frac{\pi}{2}$ , und
das Orts-Zeit-Gesetz des Federschwingers lautet:
$$x(t) = x_0 \cdot \sin(\omega_0 t + \frac{\pi}{2}) = x_0 \cdot \cos(\omega_0 t) \, .$$
#### Anmerkung zur Energie eines Federschwingers
Das Federpendel besitzt – je nach aktuellem Schwingungszustand –
unterschiedliche Beträge der kinetischen und potentiellen Energie:
$$E_\mathrm{pot} = \frac{1}{2} k x^2$$
sowie
$$E_\mathrm{kin} = \frac{1}{2}m v^2 = \frac{1}{2} m \dot{x}^2 \, .$$
Setzen wir für $x$ und $\dot{x}$ unser Orts-Zeit-Gesetz beziehungsweise dessen
erste Ableitung ein (siehe oben), so erhalten wir:
$$E_\mathrm{pot} = \frac{1}{2} k x_0^2 \cos^2(\omega_0 t)$$
und
$$E_\mathrm{kin} = \frac{1}{2} m x_0^2 \frac{k}{m} \sin^2(\omega_0 t) \, .$$
Sowohl potentielle als auch kinetische Energie schwingen, d.h., sie ändern sich
zeitlich periodisch. Für die Gesamtenergie ergibt sich:
$$\begin{aligned}
E_\mathrm{ges} & = E_\mathrm{pot} + E_\mathrm{kin}\\
& = \frac{1}{2} k x_0^2 \left[\sin^2(\omega_0 t) + \cos^2(\omega_0 t)\right] \\
& = \frac{1}{2}k x_0^2 = \mathrm{const} \, .
\end{aligned}$$
Die Gesamtenergie des Pendels bleibt also stets konstant. Sie wird nur zwischen
kinetischer und potentieller Energie hin und her transformiert.
### Die freie gedämpfte Schwingung (am Beispiel des Federschwingers)
Um in der mathematischen Beschreibung einer Schwingung auch die Reibung zu
berücksichtigen, muss diese als weitere Kraftkomponente aufgenommen werden. Als
Gesamtkraft wird dann für das Federpendel angesetzt:
$$F_\mathrm{gesamt} = F_\mathrm F + F_\mathrm{Reib} \, .$$
Ausgangspunkt zur Ermittlung der Bewegungsgesetze ist nach wie vor das zweite
Newtonsche Axiom, in das nun beide Kraftkomponenten eingesetzt werden müssen:
$$F_\mathrm{gesamt} = F_\mathrm F + F_\mathrm{Reib} = m \ddot{x} \, .$$
Der Reibung können unterschiedliche Mechanismen zu Grunde liegen (z.B.
Festkörper-, Flüssigkeits- oder Gasreibung). Entsprechend existieren
verschiedene Formeln für die Reibungskraft. Die weitere mathematische Herleitung
(auf die wir hier verzichten) wird dadurch rechnerisch aufwändiger, folgt aber
dem gleichen Schema wie zuvor. Im Ergebnis zeigt diese Herleitung ebenso wie das
Experiment, dass auch gedämpfte Pendel eine Schwingung ausführen können. Dabei
nimmt jedoch die Amplitude im zeitlichen Verlauf ab. Die mathematische
Herleitung für diesen Fall liefert das Orts-Zeit-Gesetz
$$x(t)=x_0 e^{-\delta t} \cdot \sin(\omega t + \sigma) \, .$$
Die Größe $\delta$ charakterisiert die Stärke der Dämpfung. Der Ausdruck
$x_0 e^{-\delta t}$ widerspiegelt die zeitliche Abnahme der Amplitude. Eine
genaue Betrachtung zeigt zudem, dass die Kreisfrequenz nun abgenommen hat. D.h.,
die Schwingung verläuft (geringfügig) langsamer als im ungedämpften Fall:
$\omega < \omega_0$.
Tatsächlich tritt dieses Verhalten jedoch nur auf, wenn die Dämpfung hinreichend
klein ist. Bei zu großer Dämpfung kann das Pendel nicht mehr schwingen. Von
einer Schwingung wird gesprochen, wenn das Pendel mindestens einmal seine
Ruhelage durchquert.
Die theoretische Herleitung liefert – ebenso wie die experimentellen Befunde –
eine Unterscheidung in drei verschiedene Bewegungsabläufe, die in Abhängigkeit
von der Stärke der Dämpfung auftreten können:
- Schwingfall: Bei hinreichend kleiner Dämpfung schwingt das System: Die
Ruhelage wird mindestens einmal durchquert, bevor das Pendel zur Ruhe kommt.
Die Stärke der Dämpfung bestimmt, wieviel Zeit bis zum Stillstand vergeht.
- Kriechfall: Bei sehr großer Dämpfung schwingt das Pendel nicht: Die Ruhelage
wird nicht durchquert. Das Pendel kehrt lediglich langsam in die Ruhelage
zurück.
- Aperiodischer Grenzfall: Dieser tritt bei genau einem Wert der Dämpfung auf.
Dabei schwingt das Pendel nicht, sondern kehrt schnellstmöglich in die
Ruhelage zurück, ohne diese zu durchqueren. Kleinere Dämpfungen führen in
den Schwingfall, größere in den Kriechfall.
Der aperiodische Grenzfall besitzt große Bedeutung für Systeme, bei denen eine
Schwingung durch geeignete Dämpfung vermieden werden soll, zum Beispiel der
Stoßdämpfer am Auto oder die Dämpfung einer Schwingtür.
### Erzwungene Schwingungen
Bisher wurden Schwingungen betrachtet, die – abgesehen von der erstmaligen
Auslenkung – ohne äußere Krafteinwirkung abliefen. Nun soll der Fall betrachtet
werden, dass von außen eine Kraft auf das Pendel einwirkt und es „antreibt“.
Diese Kraft soll periodisch wirken mit beliebiger Frequenz (nicht zwangsläufig
die Eigenfrequenz des Pendels). Auf die mathematische Behandlung verzichten wir
hier. Wir stützen unsere Feststellungen auf experimentelle Ergebnisse.
Ist die Erregerfrequenz sehr verschieden von der Eigenfrequenz des Pendels
(deutlich größer oder deutlich kleiner), so werden nur sehr kleine Amplituden
erreicht. Das Pendel schwingt dabei mit der Erregerfrequenz, nicht mit seiner
Eigenfrequenz.
Liegt die Erregerfrequenz jedoch sehr nah an der Eigenfrequenz des
schwingungsfähigen Systems, so werden sehr große Amplituden erreicht. Dieser
Fall wird als Resonanz bezeichnet. Dabei wird in jeder Periode Energie vom
Erreger auf das Pendel übertragen, sodass dessen Amplitude stetig anwächst. Ist
das schwingungsfähige System ausreichend stark gedämpft, so stellt sich früher
oder später ein Gleichgewicht ein, bei dem durch die Reibung genau so viel
Energie abgeführt wird, wie durch die Erregung eingebracht wird. Die Amplitude
wächst dann nicht weiter an, sondern bleibt begrenzt.
Bei geringer Dämpfung kann im Resonanzfall aber die Amplitude und die
Bewegungsgeschwindigkeit des Pendels so stark anwachsen, dass es schließlich zu
einer Beschädigung oder Zerstörung des schwingungsfähigen Systems kommen kann.
Ein eindrucksvolles Beispiel für diese „Resonanzkatastrophe“ ist der Einsturz
der Tacoma Narrows Bridge.
## Wärmelehre
Die Wärmelehre beschäftigt sich mit den Zuständen und Zustandsänderungen
thermodynamischer Systeme.
Jeder Körper (egal ob fest, flüssig oder gasförmig) sowie jede Kombination von
Körpern – eingeschlossen in einem Behälter mit definiertem Volumen – stellt ein
thermodynamisches System dar. Der Zustand eines solchen Systems wird durch eine
Reihe sogenannter Zustandsgrößen beschrieben. Diese bilden auch den ersten
thematischen Schwerpunkt dieses Kapitels.
Ein zweiter Schwerpunkt befasst sich mit der Betrachtung der Energie
thermodynamischer Systeme. Neben den bekannten Energieformen der Mechanik wird
in diesem Zusammenhang die innere Energie eines Systems eingeführt. Schließlich
wird auch für thermodynamische Systeme das Prinzip der Energieerhaltung
formuliert.
### Zustandsgrößen und Zustandsgleichung
Der Zustand eines thermodynamischen Systems wird durch sogenannte Zustandsgrößen
beschrieben. Dazu gehören insbesondere:
- Volumen $V$: Dieses wird durch den umschließenden Behälter festgelegt.
- Teilchenzahl $N$: Die Anzahl $N$ der im thermodynamischen System enthaltenen
(mikroskopischen) Teilchen. Anstelle der Teilchenzahl kann auch die Masse
$m$ des Systems angegeben werden. Des Weiteren ist eine Angabe der
Stoffmenge $n$ möglich. Es gilt der Zusammenhang
$$N = n \cdot N_\mathrm A \qquad \textrm{Einheit: } [n] = 1~\mathrm{mol}\, .$$
Dabei ist $N_\mathrm A = 6{,}022\cdot 10^{23}~\mathrm{mol^{-1}}$
die Teilchenanzahl in einem Mol (Avogadro-Konstante).
- Temperatur $\vartheta$ bzw. absolute Temperatur $T$: Die absolute Temperatur
wird in der Einheit Kelvin angegeben: $[T]=1~\mathrm K$. Für die Temperatur
$\vartheta$ existieren weitere Einheiten wie die Celsius-Skala. Die
Umrechnung lautet:
$$\frac{T}{\mathrm K} = \frac{\vartheta}{\mathrm{°C}} + 273{,}15 \, .$$
In den Formeln der Wärmelehre wird stets die absolute Temperatur angewendet!
- Druck $p$: Die Teilchen, aus denen das thermodynamische System besteht,
stoßen in ihrer Bewegung gegen die Wände des Behälters und üben damit eine
Kraft $F$ auf diese aus. Der Druck in einem thermodynamischen System ist
definiert als
$$p= \frac{F}{A} \qquad \textrm{Einheit: } [p] = 1~\frac{\mathrm N}{\mathrm m^2} = 1~\mathrm{Pa} \quad \textrm{(Pascal),}$$
wobei $A$ die Fläche der Gefäßwand ist, auf die die Kraft $F$ wirkt.
Diese Größen sind nicht unabhängig voneinander. Tatsächlich bestehen zwischen
ihnen funktionale Zusammenhänge. Eine mathematische Gleichung, die einen
Zusammenhang zwischen Druck, Temperatur, Teilchenzahl und Volumen herstellt,
wird als **Zustandsgleichung** eines thermodynamischen Systems bezeichnet.
Zur Beschreibung realer Systeme werden auch in der Wärmelehre Modelle
angewendet, anhand derer Herleitungen und Berechnungen durchgeführt werden
können. Das einfachste Modell eines thermodynamischen Systems ist das
**ideale Gas**. Dabei gelten die folgenden vereinfachenden Annahmen:
1. Die Gasteilchen werden als Punktmassen aufgefasst, deren Volumen
vernachlässigbar klein ist. Dadurch steht ihnen in ihrer Bewegung das
gesamte Behältervolumen zur Verfügung.
2. Die Teilchen treten miteinander und mit den Wänden nur in elastischen Stößen
in Wechselwirkung. Eine gegenseitige Anziehung oder Abstoßung findet jedoch
nicht statt.
In der Realität erfüllen Gase, die sich deutlich oberhalb ihrer
Kondensationstemperatur und bei nicht zu hohem Druck befinden, diese Annahmen
sehr gut. So kann beispielsweise Luft unter Normalbedingungen als ideales Gas
aufgefasst werden.
Für ein ideales Gas gilt die Zustandsgleichung:
$$pV = nRT \, .$$
Dabei ist $R=8{,}314~\frac{\mathrm J}{\mathrm{mol\cdot K}}$ die allgemeine
Gaskonstante. Alle möglichen Zustände (charakterisiert durch die Größen $p$,
$V$, $n$ und $T$), die ein ideales Gas annehmen kann, erfüllen diese
Zustandsgleichung. Andere Zustände sind für ein ideales Gas nicht möglich.
Mit der Zustandsgleichung können Zustandsänderungen eines thermodynamischen
Systems (sogenannte thermodynamische Prozesse) berechnet werden. Um das
prinzipielle Vorgehen einer solchen Berechnung zu verdeutlichen, betrachten wir
beispielhaft folgenden Prozess: Ein ideales Gas wird, ausgehend von dem Druck
$p_0$ und der Temperatur $T_0$ in ein festes Volumen $V$ eingeschlossen und auf
die Temperatur $T_1>T_0$ erwärmt. Als Folge dieser Erwärmung wird sich der Druck
des Gases ändern.
Zunächst wird unterschieden, welche Größen bei dem zu untersuchenden Vorgang
konstant bleiben und welche sich verändern. Für das obige Beispiel gilt:
- konstante Größen: Stoffmenge $n$, Volumen $V$
- veränderliche Größen: Temperatur $T$, Druck $p$
Nun wird die Zustandsgleichung für Anfangs- und Endzustand aufgestellt:
$$\begin{aligned}
p_0 V &= nRT_0 \\
p_1 V &= nRT_1 \, .\end{aligned}$$
Diese Gleichungen werden jeweils so umgestellt, dass die veränderlichen Größen
$p$ und $T$ auf der einen Seite stehen, während die konstanten Größen $n$, $V$
und $R$ auf der anderen Seite erscheinen:
$$\frac{p_0}{T_0} = \frac{nR}{V} = \frac{p_1}{T_1} \, .$$
Damit ergibt sich:
$$p_1 = p_0 \cdot \frac{T_1}{T_0} > p_0 \, .$$
Der Druck steigt also in Folge der Erwärmung an. Verallgemeinert
ergibt sich für konstante Stoffmenge und konstantes Volumen:
$$\frac{p}{T} = \mathrm{const.} \qquad \textrm{bzw.} \quad p \propto T \, .$$
Andere Zustandsänderungen können ganz analog behandelt werden. Nach der jeweils
konstanten Zustandsgröße benennt man die Zustandsänderungen:
- isotherm: $T = \mathrm{const}$
- isobar: $p= \mathrm{const}$
- isochor: $V = \mathrm{const}$ (siehe obiges Beispiel)
Neben der Berechnung einer Zustandsänderung lassen sich thermodynamische
Prozesse grafisch darstellen, indem jeweils zwei Zustandsgrößen in einem
Diagramm gegeneinander aufgetragen werden. Besonders häufig werden hierfür
$p$-$V$-Diagramme genutzt (siehe folgende Abbildung). Dabei ergeben isotherme
Prozesse eine Hyperbel ($p\propto V^{-1})$, isobare Prozesse erscheinen als
horizontale Gerade ($p=\mathrm{const}$) und isochore Prozesse als vertikale
Gerade ($V=\mathrm{const}$).
### Temperatur, innere Energie und Wärme
Die Teilchen (Atome, Moleküle), aus denen ein thermodynamisches System besteht,
sind in ständiger (ungeordneter) Bewegung, selbst dann, wenn das System
insgesamt in Ruhe ist. Aufgrund des ungeordneten Charakters dieser Bewegung und
der großen Teilchenanzahl realer Systeme ist die Vektorsumme aller
Einzel-Geschwindigkeiten null, weswegen das Gesamtsystem keine Bewegung
aufweist. Trotzdem ist in dieser ungeordneten Bewegung kinetische Energie
gespeichert. Diese wird als **thermische Energie** $E_\mathrm{therm}$ oder
**innere Energie** $U$ des thermodynamischen Systems bezeichnet. Auch sie ist
eine Zustandsgröße des Systems.
Die innere Energie eines thermodynamischen Systems ist mit der Temperatur
verknüpft. Exakter ausgedrückt: Die Temperatur ist ein Maß für die mittlere
kinetische Energie eines Teilchens im Körper:
$$\overline{E_\mathrm{kin}} = \frac{1}{2} m \overline{v^2} \propto T \, .$$
Die thermische Energie eines Systems ist die Summe aller Einzelenergien der
Teilchen, aus denen das System besteht. Folglich gilt:
$$E_\mathrm{therm} \propto N \cdot T \, .$$
Befinden sich zwei thermodynamische Systeme miteinander in Kontakt, so wissen
wir aus Erfahrung, dass sich ihre Temperaturen einander angleichen. Das wärmere
System kühlt ab, während das kältere erwärmt wird. Man spricht vom
thermodynamischen Gleichgewicht zweier Systeme, wenn sie dieselbe Temperatur
besitzen. Allgemein können wir formulieren:
> Zwei miteinander in Kontakt stehende thermodynamische Systeme streben ein
> thermodynamisches Gleichgewicht an. Befinden sich die Systeme A und B im
> thermodynamischen Gleichgewicht und die Systeme B und C im thermodynamischen
> Gleichgewicht, so sind auch die Systeme A und C im thermodynamischen
> Gleichgewicht.
Diese Aussage wird als **Nullter Hauptsatz der Wärmelehre** bezeichnet.
Beim Temperaturausgleich gibt das wärmere System thermische Energie ab und kühlt
dabei ab. Das kältere System nimmt diese Energie auf, wodurch es sich erwärmt,
bis die Temperaturen beider Systeme übereinstimmen. Thermische Energie kann also
zwischen thermodynamischen Systemen übertragen werden. Diese übertragene
thermische Energie wird als **Wärme** $Q$ bezeichnet. Ihre Einheit ist das
Joule: $[Q]=1~\mathrm J$.
Durch die Zu- oder Abfuhr von Wärme wird also die innere Energie und damit die
Temperatur eines thermodynamischen Systems verändert. Wie groß diese
Temperaturänderung bei einem vorgegebenen Wärmeaustausch ausfällt, hängt vom
Körper bzw. dessen Material ab. In jedem Fall ist die Temperaturänderung
proportional zur aufgenommenen oder abgegebenen Wärme:
$$Q \propto \Delta T \, .$$
Diese Proportionalität gilt, solange keine Änderung des Aggregatzustands
(fest – flüssig – gasförmig) erfolgt. Der Proportionalitätsfaktor in diesem
Zusammenhang wird als **Wärmekapazität** $C$ bezeichnet und gibt an, welche
Wärme einem Körper zugeführt werden muss, um dessen Temperatur um $1~\mathrm K$
zu erhöhen:
$$Q = C \cdot \Delta T \qquad
\textrm{Einheit: } [C] = 1~\frac{\mathrm J}{\mathrm K} \, .$$
Die Wärmekapazität eines Körpers hängt ab von dessen Masse und dem Material, aus
dem er besteht. Für jedes Material lässt sich eine
**spezifische Wärmekapapzität** $c$ bestimmen, die angibt, welche Wärme
erforderlich ist, um $1~\mathrm{kg}$ dieses Materials um $1~\mathrm K$ zu
erwärmen. Besteht ein Körper der Masse $m$ nur aus einem Material der
Wärmekapazität $c$, so gilt:
$$Q = mc \Delta T \qquad
\textrm{Einheit: } [c]= 1~\frac{\mathrm J}{\mathrm{kg\cdot K}} \, .$$
Die spezifische Wärmekapazität von Wasser beträgt
$c_\mathrm W=4{,}19~\frac{\mathrm{kJ}}{\mathrm{kg\cdot K}}$. Dies ist mehr als
zehnmal so viel wie für die meisten festen Körper. Daher eignet sich Wasser gut
zur Wärmespeicherung oder Wärmeübertragung.
Mit diesen Formeln können nun auch Wärmeaustauschprozesse berechnet werden, wie
sie beispielsweise beim Mischen zweier Flüssigkeiten stattfinden. Der
Wärmeaustausch findet so lange statt, bis beide Körper dieselbe Temperatur $T_\mathrm M$
aufweisen (Dies hatten wir oben bereits als Nullten Hauptsatz der Thermodynamik
formuliert). Dabei gibt der wärmere Körper 1 die Wärme
$$Q = m_1 c_1 (T_1 - T_M) = m_1 c_1 |\Delta T_1|$$
an Körper 2 ab, dessen Temperatur gemäß
$$Q = m_2 c_2 (T_M - T_2) = m_2 c_2 |\Delta T_2|$$
auf die Mischungstemperatur $T_M$ ansteigt. Setzt man beide Formeln gleich (da
die Wärme $Q$ in beiden Fällen den gleichen Wert hat), so erhält man nach
Umstellen für die Mischungstemperatur:
$$T_\mathrm M = \frac{m_1 c_1 T_1 +m_2 c_2 T_2}{m_1 c_1 + m_2 c_2} \, .$$
### Der erste Hauptsatz der Wärmelehre
Bisher wurde nur betrachtet, dass die Innere Energie eines Systems durch Zu-
oder Abfuhr von Wärme verändert wurde. Aus der Mechanik wissen wir jedoch, dass
auch durch die Verrichtung von Arbeit die Energie eines Körpers erhöht werden
kann. Dies gilt auch für die Innere Energie eines thermodynamischen Systems.
Dies führt zum **Ersten Hauptsatz der Wärmelehre**:
> Die Änderung der Inneren Energie eines thermodynamischen Systems ist gleich
> der Summe der Arbeit, die am oder vom System verrichtet wird, und der zu- oder
> abgeführten Wärme:
>
> $$\Delta U = W +Q$$
Der erste Hauptsatz der Thermodynamik ist eine Formulierung des
Energieerhaltungssatzes für thermodynamische Systeme. Er kann auf alle
thermodynamischen Prozesse angewendet werden.
Hinweis zum Gebrauch der Vorzeichen: Wird Arbeit *an* einem thermodynamischen
System verrichtet (z.B. indem ein Gas komprimiert wird), so erhöht dies die
Innere Energie, und diese Arbeit wird positiv gerechnet ($W>0$), ebenso wie
zugeführte Wärme. Abgegebene Wärme und Arbeit, die *vom* System verrichtet wird
(z.B. indem sich ein Gas ausdehnt) erhalten negative Vorzeichen, da sie die
Innere Energie verringern.
Betrachten wir nun beispielhaft ein ideales Gas, das anfangs ein Volumen $V_1$
einnimmt und dessen Volumen verkleinert werden soll. Im $p$-$V$-Diagramm (siehe
Abschnitt [Zustandsgrößen und Zustandsgleichung](#zustandsgrößen-und-zustandsgleichung))
bewegen wir uns folglich von rechts nach links und sehen, dass der Druck dabei
zunimmt. Dazu muss Arbeit gegen den Druck des Gases verrichtet werden:
$$\mathrm{d}W = F \cdot \mathrm{d}s = p \cdot A \cdot \mathrm{d}s = p \cdot \mathrm{d}V$$
beziehungsweise
$$W = \int p \mathrm{d}V \, .$$
Da diese Arbeit *am* System verrichtet wird, erhöht sie die Innere Energie und
damit die Temperatur des Systems. Soll der Vorgang isotherm ablaufen, so muss
gleichzeitig die Wärme $-Q=W$ abgeführt werden (daher das negative Vorzeichen).
Erfolgt kein Wärmeaustausch mit der Umgebung (man spricht dann auch von einem
adiabatischen Prozess), so erhöht sich die Temperatur des Gases. Dieser Effekt
wird unter anderem in Dieselmotoren zur Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemischs
ausgenutzt.
### Aggregatzustände und Umwandlungswärme
Bisher wurde stets der Fall betrachtet, dass Wärme, die einem System zugeführt
wird, vollständig in thermische Energie übergeht, das heißt, sie führt zu einer
Temperaturerhöhung. Wie oben bereits erwähnt, gilt dies jedoch nur, solange sich
der Aggregatzustand des Systems nicht ändert. Eine kontinuierliche
Temperaturerhöhung führt jedoch früher oder später zum Erreichen der Schmelz-
oder Siedetemperatur eines festen bzw. flüssigen Körpers.
Beim Schmelzen oder Sieden werden die Bindungen zwischen den einzelnen Teilchen
im System aufgespalten. Dafür ist Energie erforderlich, die aus der zugeführten
Wärme stammt. Während dieser Umwandlungsprozesse führt die Wärmezufuhr folglich
nicht zu einer Temperaturänderung. Man spricht daher auch von latenter
(verborgener) Wärme, da sie keine Temperaturänderung hervorruft. Die zugeführte
Wärmeenergie ist dennoch im System gespeichert (in Form von Bindungsenergie) und
wird bei Abkühlung während der Kondensation oder des Gefrierens wieder abgegeben.
Beispielhaft sollen hier die Phasenübergänge von Wasser betrachtet werden,
ausgehend von Eis bei einer Temperatur $\vartheta \lt 0~\mathrm{°C}$. Die
Wärmezufuhr erwärmt das Eis zunächst bis auf $\vartheta = 0~\mathrm{°C}$, wobei
die Temperaturänderung der zugeführten Wärme proportional ist:
$\Delta T \propto Q$. Bei einer Temperatur von $0~\mathrm{°C}$
schmilzt das Eis, und die Temperatur steigt (vorerst) trotz fortwährender
Wärmezufuhr nicht an. Erst wenn alles Eis geschmolzen ist, steigt die Temperatur
wieder proportional zur Wärmezufuhr an, solange bis die Siedetemperatur von
$\vartheta = 100~\mathrm{°C}$ erreicht ist. Während des Siedens wiederum bleibt
die Temperatur konstant und steigt erst dann weiter an, wenn alles Wasser in
Dampf umgewandelt wurde.
Dieser Vorgang ist in seinem zeitlichen Verlauf schematisch in der folgenden
Abbildung dargestellt (unter der Annahme, dass eine konstante Wärmezufuhr
erfolgt, also $Q \propto \Delta t$). Man beachte, dass die Anstiege der Geraden
in den drei Bereichen unterschiedlich sind, da Eis, Wasser und Dampf
unterschiedliche spezifische Wärmekapazitäten aufweisen.
Die zur Phasenumwandlung erforderliche Energie ist materialabhängig und als
spezifische Umwandlungswärme $q_\mathrm u$ (beziehungsweise genauer als
spezifische Schmelzwärme $q_\mathrm s$ und spezifische Verdampfungswärme
$q_\mathrm v$) tabelliert. Ihre Einheit ist
$$[q_\mathrm u]=1~\frac{\mathrm J}{\mathrm{kg}} \, .$$
Die spezifischen Umwandlungswärmen sind um Größenordnungen größer als die zur
Erwärmung um $1~\mathrm K$ erforderlichen spezifischen Wärmen.
## Elektrizitätslehre
Die Behandlung der Elektrizitätslehre beginnt mit der Feststellung einer
Wechselwirkung, die mit den bisherigen Erkenntnissen dieses Kurses nicht erklärt
werden kann. Darauf aufbauend wird der Begriff der elektrischen Ladung
eingeführt, die den Ursprung dieser Wechselwirkung darstellt. Die
Elektrizitätslehre kann dann als Lehre von den Eigenschaften und
Wechselwirkungen elektrischer Ladungen definiert werden. Bereits in der
Antike wurde diese Wechselwirkung beispielsweise bei Bernstein beobachtet. Daher
stammt auch die Bezeichnung Elektrizität: das griechische Wort für Bernstein
lautet ‚*elektron*‘ (ἤλεκτρον).
Im ersten Abschnitt der Elektrizitätslehre werden die Eigenschaften dieser
Wechselwirkung und der damit verbundenen Kraft betrachtet. Insbesondere werden
dabei auch Arbeit und Energie für diese Kraft hergeleitet. Die Ladungen
selbst werden dabei weitgehend als ruhend angesehen. Daher wird dieser
Teilbereich der Elektrizitätslehre als Elektrostatik bezeichnet.
Der zweite Teilbereich der Elektrizitätslehre in diesem Physikkurs beschäftigt
sich mit Ladungen in kontinuierlicher Bewegung, wie sie in elektrischen
Stromkreisen auftritt. Dort werden die Grundprinzipien zur Beschreibung des
elektrischen Stromflusses in einfachen und verzweigten Stromkreisen behandelt.
Ausgehend von der bereits in der Elektrostatik eingeführten elektrischen Energie
wird hier auch auf die elektrische Leistung eingegangen.
### Elektrische Ladungen – Elektrostatik
Zunächst soll die in der Einführung bereits erwähnte Wechselwirkung qualitativ
beschrieben werden. Beobachten lässt sie sich beispielsweise, wenn geeignete
Materialien aneinander gerieben werden (z.B. Bernstein an einem Katzenfell).
Offensichtlich sprechen Körper sehr unterschiedlich auf diese Wechselwirkung an.
Wir führen daher den Begriff der Ladung ein, der – zunächst als qualitative
Eigenschaft – angibt, wie stark ein Körper auf diese Wechselwirkung reagiert.
Aus experimentellen Beobachtungen schlussfolgern wir die Eigenschaften der
elektrischen Ladung beziehungsweise der zugehörigen Wechselwirkung:
- Es gibt zwei Arten von Ladungen; diese werden als positiv ($+$) und negativ
($-$) bezeichnet.
- Zwischen gleichartigen Ladungen ($++$ oder $--$) herrscht eine abstoßende
Wechselwirkung, während sich verschiedenartige Ladungen ($+-$) gegenseitig
anziehen.
- Ungleichnamige Ladungen kompensieren sich gegenseitig. Ein Körper ist
„ungeladen“, wenn er die gleiche Anzahl positiver und negativer Ladungen
trägt. Er ist dabei nicht frei von Ladungen.
- Ladungen lassen sich trennen (z.B. durch Reibung geeigneter Materialien
aneinander). Dabei entsteht ein Ungleichgewicht zwischen positiven und
negativen Ladungen, und die betreffenden Körper sind „geladen“. Elektrische
Ladungen können jedoch nicht erzeugt werden. Das Aufladen eines Körpers
geschieht stets durch Ladungstrennung!
- Ladungen sind (nahezu) beliebig teilbar.
Ladungen sind immer an Materie gebunden. Mikroskopische Teilchen, die stets
dieselbe Ladung tragen, werden als Ladungsträger bezeichnet. Hierzu zählen
insbesondere Elektronen und Protonen; aber auch Ionen können als mikroskopische
Ladungsträger betrachtet werden. Im Rahmen der Elektrostatik werden diese
Ladungstäger zunächst als ruhend betrachtet.
Bei Verwendung des Begriffs ‚Ladung‘ wird oftmals nicht scharf zwischen den
Ladungsträgern und der (qualitativen und später auch quantitativen) Eigenschaft
eines Körpers unterschieden. Wenn beispielsweise von der
Übertragung von Ladungen gesprochen wird, bedeutet dies stets, dass
Ladungsträger übertragen werden.
#### Coulombkraft und elektrisches Feld
Die oben qualitativ beschriebene Wechselwirkung trägt den Namen elektrostatische
oder Coulomb-Wechselwirkung.
Wie in der Mechanik wird die Stärke dieser
Wechselwirkung durch eine Kraft – die Coulombkraft – beschrieben. Um diese Kraft
quantitativ ausdrücken zu können, wird nunmehr auch die Ladung nicht
mehr nur als qualitative Eigenschaft, sondern als physikalische Größe
eingeführt. Die **elektrische Ladung** erhält das Formelzeichen $Q$.
$$\textrm{Einheit: } [Q]= 1~\mathrm{As} = 1~\mathrm C \quad \textrm{(Coulomb)}$$
Aus dem Millikan-Experiment (auf
dessen Behandlung hier verzichtet wird) folgt, dass die Ladung eine gequantelte
Größe ist. D.h., es existiert eine kleinste, unteilbare Ladung, die sogenannte
Elementarladung $e$. Jede in der Natur vorkommende Ladung ist ein ganzzahliges
Vielfaches der Elementarladung. Sie beträgt
$$e = 1{,}602\cdot 10^{-19}~\mathrm C \, .$$
Beispielweise trägt ein Elektron genau diese Elementarladung:
$Q_\mathrm{El}=-e$. Elektronen sind in vielen Fällen für den Transport von
Ladungen verantwortlich – z.B. für den Stromfluss in Metallen, aber auch für die
Ladungstrennung durch Reibung (Triboelektrizität).
Mit der elektrischen Ladung kann nun eine Formel für die Coulombkraft angegeben
werden: Befinden sich
zwei Ladungen $Q_1$ und $Q_2$ im Abstand $r$ voneinander, so beträgt diese
Kraft:
$$F_\mathrm C = \frac{1}{4\pi \varepsilon_0} \cdot \frac{Q_1 Q_2}{r^2} \, .$$
Die im Vorfaktor auftretende Konstante $\varepsilon_0$ heißt elektrische
Feldkonstante. Andere Bezeichnungen sind Influenzkonstante oder Permittivität
des Vakuums. Ihr Wert beträgt
(Quelle: [CODATA2018](https://physics.nist.gov/cgi-bin/cuu/Value?ep0)):
$$\varepsilon_0 = 8{,}854\cdot 10^{-12}~\frac{\mathrm{A \, s}}{\mathrm{V \, m}} \, .$$
Die obige Formel gibt nur den Betrag der Kraft an, nicht ihre Richtung. Wie oben
bereits qualitativ diskutiert, wirkt diese Kraft immer entlang der
Verbindungslinie beider Ladungen – entweder anziehend ($+-$) oder abstoßend
($++$ oder $--$). Die Richtung der Coulombkraft wird also ausgedrückt durch den
Verbindungsvektor $\vec r$ zwischen beiden Ladungen, beziehungsweise durch
dessen Richtung $\vec e_r$:
$$\vec F_\mathrm C = \frac{1}{4\pi \varepsilon_0} \cdot \frac{Q_1 Q_2}{r^2} \cdot \vec e_r \, .$$
Ausgehend vom Coulombgesetz lässt sich folgende Überlegung anstellen: Befindet
sich irgendwo im Raum eine Ladung $Q$, wird eine zweite Probeladung $q$ an jeder
Stelle des Raumes eine Kraft spüren, die von ihrer Position relativ zu $Q$
abhängt. Man sagt, im Raum herrsche ein **elektrisches Feld** $\vec{E}$, das
durch die Ladung $Q$ erzeugt wird und das die Kraftwirkung vermittelt. Es gilt
ganz allgemein:
$$\vec{F}= q\vec{E} \, .$$
Vergleicht man diese Formel mit der Coulombkraft, so ergibt sich für das
elektrische Feld, das durch die Ladung $Q$ erzeugt wird:
$$\vec{E} = \frac{1}{4 \pi \varepsilon_0} \cdot \frac{Q}{r^2} \cdot \vec{e_r} \, .$$
Da die Kraft eine vektorielle Größe ist, gilt gleiches auch für das elektrische
Feld. Seine Richtung zeigt entlang des Verbindungsvektors $\vec{e_r}$ zwischen
$Q$ und $q$.
Das elektrische Feld kann in Feldlinienbildern dargestellt werden. Mit
Feldlinien zeigt man an, in welche Richtung eine positive Probeladung eine Kraft
erfahren würde. Der Feldlinienverlauf einer Ladungsanordnung kann auch
experimentell sichtbar gemacht werden, da sich ungeladene Partikel im
elektrischen Feld in Form der Feldlinien ausrichten. Zu Demonstrationszwecken
werden hierfür in der Regel Grieskörner verwendet, die in Rhizinusöl schwimmen.
Für die Darstellung von elektrischen Feldlinienbildern gelten folgende
Konventionen, die die experimentellen Beobachtungen widerspiegeln:
- Feldlinien beginnen beziehungsweise enden an elektrischen Ladungen.
- Die Richtung der Feldlinien weist von positiven Ladungen weg und zu negativen
Ladungen hin (Kraftwirkung auf positive Probeladung).
- Die Dichte der Feldlinien gibt Auskunft über die Stärke des Feldes und damit
auch über den Kraftbetrag. Dichtere Feldlinien widerspiegeln eine höhere
Feldstärke.
Für Punktladungen ergeben sich damit die nachfolgend gezeigten Feldlinienbilder:
#### Homogenes elektrisches Feld — Plattenkondensator
In den bisher gezeigten Feldlinienbildern ist die Feldstärke ortsabhängig: die
Feldlinien verlaufen je nach Position in unterschiedliche Richtungen und mit
unterschiedlicher Dichte. Solche Felder werden als *inhomogen* bezeichnet. Den
Gegensatz dazu bildet ein *homogenes* Feld, wie es in der nachfolgenden
Abbildung gezeigt ist. Dort stehen sich zwei ebene, homogen geladene
Metallplatten parallel gegenüber. Im Zentrum zwischen diesen Platten verlaufen
die Feldlinien parallel im gleichen Abstand zueinander. Die Feldstärke ist in
diesem Bereich nicht mehr ortsabhängig: $\vec E(\vec r)=\overrightarrow{\mathrm{const}}$.
Die im obigen Bild gezeigte Anordnung aus zwei parallelen geladenen Platten wird
als Plattenkondensator bezeichnet. Wie in der Darstellung erkennbar ist, treten
an den Rändern der Platten Inhomogenitäten des elektrischen Felds auf. Ein
idealer Plattenkondensator müsste zur Vermeidung dieser Inhomogenitäten
theoretisch unendlich ausgedehnt sein. Praktisch sollte der Plattenabstand um
mindestens eine Größenordnung kleiner sein als der Plattendurchmesser, um im
Inneren ein ausgedehntes homogenes Feld zu erhalten.
#### Die elektrische Spannung
Anhand des Plattenkondensators lässt sich die **elektrische Spannung $U$** als
eine weitere zentrale Größe der Elektrizitätslehre einführen: Werden die beiden
Platten wie oben gezeigt unterschiedlich aufgeladen, so liegt zwischen Ihnen
eine Spannung an, die durch
$$U = Ed$$
gegeben ist, wobei $d$ den Abstand der Kondensatorplatten und $E$ den Betrag
der (homogenen) elektrischen Feldstärke bezeichnet. Die Einheit der Spannung ist
das Volt:
$$[U] = 1~\mathrm V = 1~\frac{\mathrm{kg\cdot m^2}}{\mathrm{A\cdot s^3}} \, .$$
Dieser Zusammenhang gilt nicht nur für die beiden Kondensatorplatten, sondern
allgemein innerhalb eines homogenen Felds zwischen zwei Punkten, die im Abstand
$d$ entlang der Feldlinien voneinander entfernt liegen.
Stellt man die obige Gleichung um, so erhält man die Feldstärke in einem
Plattenkondensator bei vorgegebener Spannung:
$$E = \frac{U}{d} \, .$$
Für beliebige
(inhomogene) elektrische Felder lässt sich kein einfacher Zusammenhang zwischen
Feldstärke und Spannung angeben. Doch auch dort gilt, dass das elektrische Feld
immer mit einer Spannung verknüpft ist. Innerhalb eines elektrischen Felds lässt
sich stets eine Spannung zwischen zwei beliebigen Punkten angeben
beziehungsweise messen.
#### Kapazität eines Kondensators
Das elektrische Feld des Plattenkondensators wird durch die auf den Platten befindlichen
Ladungen verursacht. Gleiches gilt für die Spannung zwischen den
Kondensatorplatten, die ja unmittelbar mit dem elektrischen Feld verknüpft ist.
Sowohl experimentelle Untersuchungen als auch theoretische Berechnungen zeigen,
dass diese Spannung proportional zur Ladung auf den Kondensatorplatten ist:
$$Q = C \cdot U$$
Der in dieser Formel auftretende Proportionalitätsfaktor $C$ wird als
**Kapazität** bezeichnet. Ihre Einheit ist
$$[C] = 1~\frac{\mathrm{A \, s}}{\mathrm V} = 1~\mathrm F \quad \textrm{(Farad)} \, .$$
Die Kapazität widerspiegelt das „Speichervermögen“ des Kondensators, das in
zweierlei Weise aufgefasst werden kann:
1. Auf den Kondensator wird eine definierte Ladungsmenge $Q$ aufgebracht: Die
dabei auftretende Spannung zwischen den Kondensatorplatten wird durch die
Kapazität bestimmt. Kondensatoren größerer Kapazität erreichen bei gleicher
Ladung kleinere Spannungen.
2. Der Kondensator wird auf eine vorgegebene Spannung $U$ aufgeladen: Die
Kapazität des Kondensators bestimmt, welche Ladungsmenge dabei auf den
Kondensatorplatten gespeichert wird. Kondensatoren größerer Kapazität
speichern bei gleicher Spannung eine größere Ladungsmenge.
Die Kapazität eines Plattenkondensators wird durch dessen Geometrie bestimmt:
$$C = \frac{\varepsilon_0 \varepsilon_\mathrm r A}{d} \, .$$
Der zusätzliche Faktor $\varepsilon_\mathrm r$ ist die relative Permittivität
(Dielektrizitätszahl) des Füllmaterials zwischen den Kondensatorplatten.
Selbstversändlich sollte dieses Füllmaterial keinen Ladungstransport
ermöglichen, da sonst der Kondensator unmittelbar wieder entladen würde. Solche
Materialien werden als Isolatoren oder Dielektrika bezeichnet. Für Vakuum oder
Luft ist $\varepsilon_\mathrm r=1$. Dielektrika mit großem
$\varepsilon_\mathrm r$ steigern die Kapazität des Kondensators.
Plattenkondensatoren besitzen äußerst geringe Kapazitäten (Größenordnung: einige
$~\mathrm{pF}$). Sie dienen hauptsächlich der Erzeugung homogener Felder für
Experimente. Für den elektrotechnischen Einsatz existieren andere Bauformen mit
höherer Kapazität. Alle Arten von Kondensatoren beruhen auf dem Prinzip, dass
auf zwei voneinander isolierten Elektroden Ladungen gespeichert werden. Ebenso
gilt für alle Bauformen die Proporptionalität $Q=CU$. Lediglich der Zusammenhang
zwischen Kapazität und Geometrie des Kondensators hängt von der Bauform ab.
#### Energie des elektrischen Felds – Coulombenergie
Bewegt sich ein Ladungsträger oder ein (makroskopischer) geladener Körper durch
ein elektrisches Feld, so geschieht dies unter permanenter Einwirkung der
Coulombkraft.
Aus der Mechanik wissen wir, dass bei der Bewegung eines Körpers unter dem
Einfluss einer Kraft Arbeit verrichtet wird. Dieser Grundsatz gilt
selbstverständlich auch im Zusammenhang mit der Coulombkraft. Ausgangspunkt zur
Berechnung der Arbeit, die bei Bewegung in einem elektrischen Feld verrichtet
wird, ist die Kraft auf eine Probeladung $q$:
$$\vec F = q \vec E \, .$$
Wird die Ladung $q$ entgegen dieser Kraft bewegt, so muss die Arbeit
$$\mathrm d W = \vec F \vec{\mathrm{d}s} = -q \vec E \vec{\mathrm{d}s}$$
verrichtet werden. Das negative Vorzeichen bedeutet dabei, dass die Bewegung
entgegen der Kraft erfolgt.
Für die weitere Beschreibung führen wir das **elektrische Potential** $\phi$ als
neue Größe ein, indem wir die verrichtetete Arbeit durch die Probeladung teilen.
Auf diese Weise erhalten wir eine Größe, die vom konkreten Betrag der
Probeladung unabhängig ist:
$$\mathrm{d}\phi = \frac{1}{q}\mathrm dW \, .$$
Das an dieser Stelle abstrakt eingeführte Potential $\phi$ stellt eine
*messbare* Größe dar und beschreibt – wie auch die Feldstärke $\vec E$ – den
felderfüllten Raum. Die tiefgründigeren Beziehungen zwischen Feldstärke und
Potential werden im Rahmen dieses Skriptums nicht detailliert betrachtet. Aus
der obigen Einführung des Potentials lässt sich jedoch ein einfacher
Zusammenhang zwischen Feldstärke und Potential ableiten:
$$\mathrm{d}\phi = \frac{1}{q}\mathrm dW = -\vec E \vec{\mathrm{d}s} \, .$$
Die Probeladung soll nun vom Anfangsort $\vec r_1$ zum Ort $\vec r_2$ bewegt
werden. Um die gesamte Arbeit zu berechnen, müssen wir entlang des
Verschiebeweges von $\vec r_1$ nach $\vec r_2$ integrieren:
$$W = \int\limits_{\vec r_1}^{\vec r_2} \mathrm{d}W = -q \int\limits_{\vec r_1}^{\vec r_2} \vec E \vec{\mathrm ds}
= q \int\limits_{\vec r_1}^{\vec r_2} \mathrm d \phi \, .$$
Aus Experimenten sowie aus einer formal-theoretischen Beschreibung des
Coulombfeldes kann geschlussfolgert werden, dass der Wert dieses Integrals und
somit die verrichtete Arbeit unabhängig ist vom konkret gewählten Weg. Sie hängt
nur von Ausgangs- und Endpunkt ab – analog zur Energieumwandlung im Schwerefeld
der Erde, für die ebenfalls eine solche Wegunabhängigkeit festgestellt wurde.
Für die Arbeit im elektrischen Feld gilt dann:
$$W = q \int\limits_{\vec r_1}^{\vec r_2} \mathrm d\phi = q \big(\phi(\vec r_2)- \phi(\vec r_1)\big) = qU \, .$$
Hier findet sich der Ursprung der oben bereits eingeführten elektrischen
Spannung: Sie entspricht der Differenz des elektrischen Potentials zwischen
zwei Punkten.
Die an einer Ladung $q$ verrichtete elektrische Arbeit bleibt als Coulombenergie
in dieser Ladung gespeichert. Damit ist die Coulombkraft (im Sinne der
Elektrizitätslehre) eine konservative Kraft. Folglich trägt jede Ladung $q$ in
einem elektrischen Feld die Energie
$$E_\mathrm {C}=qU \, .$$
#### Bewegte Ladungen
Freibewegliche Ladungsträger (oder auch makroskopische geladene Körper) erfahren
durch die Coulombkraft eine Beschleunigung. Unter Benutzung des zweiten
Newtonschen Axioms gilt:
$$qE = F = ma \, .$$
Für die Beschleunigung folgt daraus:
$$a = \frac{qE}{m} \, ,$$
wobei $m$ die Masse des geladenen Körpers angibt.
Speziell für ein homogenes Feld lässt sich die Feldstärke durch die Spannung $U$
zwischen zwei Punkten im Abstand $d$ ersetzen:
$$a = \frac{qU}{md} \, .$$
Sind alle diese Größen (insbesondere die Spannung) zeitlich konstant, so gilt
$a = \mathrm{const}$ und es liegt eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung vor,
die mit den entsprechenden [Formeln aus der Kinematik](#beschleunigte-geradlinige-bewegung)
beschrieben werden kann.
Bei der Beschleunigung einer Ladung im elektrischen Feld wird Coulombenergie in
kinetische Energie umgewandelt. Auch hierbei gilt das Prinzip der
Energieerhaltung:
$$E_\mathrm{C}+E_\mathrm{kin} = \mathrm{const} \, .$$
Dieser Ansatz kann genutzt werden, um die Geschwindigkeit eines geladenen
Körpers oder Teilchens nach Durchfliegen einer Spannung $U$ zu berechnen.
Befindet sich das Teilchen anfangs in Ruhe, so gilt:
$$\begin{aligned}
E_\mathrm{C}^\mathrm{Anfang} & = E_\mathrm{kin}^\mathrm{Ende}\\
qU & = \frac{m}{2}v^2\\
v & = \sqrt{\frac{2qU}{m}} \, .
\end{aligned}$$
#### Elektrischer Strom & Stromstärke
Eine gerichtete Bewegung
elektrischer Ladungen wird als **elektrischer Strom** bezeichnet. Dieser
Stromfluss ist charakterisiert durch die Ladungsmenge $\mathrm d Q$, die in
einer definierten Zeit $\mathrm d t$ durch einen Querschnitt fließt. Das führt
zur Definition der **Stromstärke** $I$:
$$I = \frac{\mathrm dQ}{\mathrm dt} \quad \textrm{bzw.} \quad I = \frac{Q}{t} \,\textrm{(bei konstantem Strom)} \, .$$
Ihre Einheit ist das Ampere:
$$[I] = 1~\mathrm A \quad\textrm{(Ampere – SI-Grundeinheit).}$$
Grundsätzlich können alle Arten von Ladungsträgern zu einem Stromfluss
beitragen. In Metallen rufen Elektronen mit der Ladung $-e$ den Stromtransport
hervor. In Flüssigkeiten oder Gasen können auch positiv oder negativ geladene
Ionen für den Stromtransport verantwortlich sein.
Der elektrische Strom als solcher ist nicht wahrnehmbar. Er äußert sich jedoch
in verschiedenen Wirkungen, anhand derer ein Stromfluss erkannt und die
Stromstärke gemessen werden kann:
- Thermische Wirkung: Erwärmung des Materials, durch das der Strom fließt.
- Magnetische Wirkung: Erzeugung eines Magnetfeldes.
Darüber hinaus können in manchen Fällen mit einem Stromfluss weitere Effekte
verbunden sein:
- Hervorrufen chemischer Reaktionen (z.B. Elektrolyse)
- Erzeugung von Licht (z.B. Leuchtstoffröhre, LED)
- Wärmetransport (z.B. Peltierelement)
Voraussetzung für einen Stromfluss innerhalb eines Materials ist – neben dem
Vorliegen eines elektrischen Feldes – die Existenz beweglicher Ladungsträger.
Tatsächlich existieren in allen Materialien elektrische Ladungsträger
(Elektronen, Ionen). In vielen Fällen sind diese jedoch so fest gebunden, dass
sie sich nicht als einzelne Ladungen bewegen können. In solchen Materialien kann
daher kein elektrischer Strom fließen. Sie heißen (elektrische) Isolatoren.
Im Gegensatz dazu können sich die Ladungsträger in elektrischen Leitern mehr
oder minder frei bewegen. In solchen Materialien können elektrische Ströme
fließen.
### Stromkreise
Um den Stromfluss durch einen Leiter kontinuierlich aufrecht zu erhalten, müssen
permanent Ladungen zu- und abgeführt werden. Dies geschieht, indem die Enden des
Leiters an eine Strom- beziehungsweise Spannungsquelle angeschlossen werden. So
entsteht ein (geschlossener) Stromkreis. Der Aufbau von Stromkreisen wird in
Schaltbildern dargestellt (siehe Abbildung).
#### Elektrischer Widerstand
Jedes elektrisch leitfähige Material „behindert“ die Bewegung der Ladungsträger
(unter anderem durch Stöße mit ungeladenen oder unbeweglichen Teilchen). Als
Folge hiervon stellt sich bei einer vorgegebenen Spannung in einem elektrischen
Leiter eine bestimmte Stromstärke ein. Der Quotient aus Spannung und Stromstärke
wird als elektrischer Widerstand $R$ bezeichnet und charakterisiert den Leiter:
$$R = \frac{U}{I} \quad \textrm{Einheit: }[R] = 1~\frac{\mathrm V}{\mathrm A} = 1~\Omega \quad\textrm{(Ohm).}$$
Der elektrische Widerstand eines Leiters ist nicht in jedem Fall konstant. Es
existieren zahlreiche Bauelemente, deren Widerstand von den aktuellen
Betriebsbedingungen (Stromstärke, Spannung) abhängt. Die Angabe eines einzelnen
Widerstandswerts reicht in diesem Fall nicht zur Charakterisierung des
Bauelements aus. Stattdessen können Kennlinien angegeben werden, die den
Zusammenhang $I(U)$ zwischen Spannung und Stromstärke eines Bauelements grafisch
darstellen. Beispiele für typische Kennlinien verschiedener Bauelemente zeigt
die folgende Abbildung.
Im einfachsten Fall ist die Kennlinie eines elektrischen Bauelements eine
Gerade. Der Widerstand dieses Bauelements ist folglich konstant und unabhängig
von den Betriebsbedingungen. Solche Bauelemente werden als
ohmsche Bauelemente bezeichnet, da
sie dem ohmschen Gesetz gehorchen:
$$R = \frac{U}{I}= \mathrm{const.}$$
Beispielsweise besitzen Metalle einen konstanten elektrischen Widerstand –
zumindest, solange sie nicht durch den Stromfluss zu stark erhitzt werden. Führt
hingegen die thermische Wirkung des Stroms zu einer Erwärmung des Metalls, so
steigt in Folge dieser Temperaturerhöhung auch der Widerstand des metallischen
Leiters an. Wenn dieser Effekt vermieden wird, zeigen Metalle ohmsches Verhalten.
Damit lässt sich ein ohmscher Widerstand in Form eines homogenen Drahts
realisieren. Bei gegebener Länge $l$ und Querschnittsfläche $A$ hat dieser einen
elektrischen Widerstand von
$$R = \rho \frac{l}{A}\, .$$
Der hier auftretende spezifische elektrische Widerstand $\rho$ ist eine
Materialkonstante, die die Leitungseigenschaften charakterisiert. Ihre Einheit
ist:
$$[\rho]=1~\frac{\mathrm{\Omega \, mm^2}}{\mathrm m} \, .$$
Gute elektrische Leiter besitzen niedrige spezifische Widerstände. Z.B.:
- Kupfer: $\rho = 0{,}017~\frac{\mathrm{\Omega \, mm^2}}{\mathrm m}$ (guter Leiter)
- Blei: $\rho = 0{,}2~\frac{\mathrm{\Omega \, mm^2}}{\mathrm m}$ (schlechter Leiter)
- Glas: $\rho > 1\cdot 10^{16}~\frac{\mathrm{\Omega \, mm^2}}{\mathrm m}$ (Isolator)
Anmerkung zur Bezeichnung: Die Adjektive „elektrisch“ (für die physikalische
Größe) und „ohmsch“ (für das Bauelement) werden häufig weggelassen und beides
nur als Widerstand bezeichnet. Aus dem Zusammenhang ergibt sich dann, ob von der
physikalischen Größe oder vom Bauelement die Rede ist.
Der Widerstand anderer (nicht-ohmscher) Bauelemente kann von verschiedenen
Einflussgrößen abhängen. Z.B.:
- Temperatur (Glühlampe, Heiß- & Kaltleiter)
- Spannung (Halbleiterdioden)
- Helligkeit (Photowiderstand)
Diese Abhängigkeiten sind Grundlage verschiedenster Bauelemente und werden auch
messtechnisch genutzt.
#### Kirchhoffsche Regeln
Elektrische Stromkreise können durch Verzweigungen beliebig komplex werden
(siehe nachfolgende Abbildung). Sie bestehen jedoch stets aus einfachen
(unverzweigten) Bausteinen, die als *Maschen* bezeichnet werden und die an
sogenannten *Knoten* miteinander verbunden sind. Zur Berechnung der Spannungen
und Ströme in einem Stromkreis dienen die beiden Kirchhoffschen Regeln, die auch
als Knoten- und Maschenregel bekannt sind.
Die Maschenregel gibt Auskunft über die Spannungen innerhalb einer Masche:
> Die Summe aller Spannungen an Verbrauchern (Widerständen) in einer Masche ist
> gleich der Summe der Urspannungen in dieser Masche:
>
> $$U_0 = U_1 + U_2 + \dots$$
Die Knotenregel gibt Auskunft über die Ströme an einem Knoten:
> Die Summe aller in einen Knoten einfließenden Ströme ist gleich der Summe der
> ausfließenden Ströme:
>
> $$I_\mathrm{ein,1} + I_\mathrm{ein,2} + \dots = I_\mathrm{aus,1} + I_\mathrm{aus,2} + \dots$$
Anhand dieser Formeln lassen sich nun die Gesamtwiderstände elektrischer
Schaltungen bestimmen. Für komplexe Stromkreise werden hierzu für jeden Knoten
beziehungsweise für jede Masche die entsprechenden Formeln aufgeschrieben und
das daraus resultierende Gleichungssystem gelöst.
Insbesondere folgen aus den Kirchhoffschen Regeln die Formeln für Parallel- und
Reihenschaltung von Widerständen. Wir betrachten hierfür zwei ohmsche
Widerstände. Tatsächlich gelten diese Zusammenhänge aber für beliebige
Bauelemente.
Bei der *Reihenschaltung* zweier Widerstände befindet sich zwischen diesen keine
Verzweigung. Aus der Knotenregel folgt, dass durch beide Widerstände derselbe
Strom fließen muss. Die Maschenregel besagt, dass sich die Spannungsabfälle
beider Widerstände $U_1$ und $U_2$ zur Gesamtspannung $U_\mathrm{ges}$ addieren.
Sind keine weiteren Bauelemente an die Spannungsquelle angeschlossen, so ist
diese Gesamtspannung gleich der Betriebsspannung der Spannungsquelle. Für den
Gesamtwiderstand der Reihenschaltung ergibt sich damit:
$$R_\mathrm{ges} = \frac{U_\mathrm{ges}}{I} = \frac{U_1 + U_2 + \dots}{I} = \frac{U_1}{I} + \frac{U_2}{I} + \dots = R_1 + R_2 + \dots$$
Der Gesamtwiderstand einer Reihenschaltung ist die Summe aller
Einzelwiderstände.
Bei einer *Parallelschaltung* zweier Widerstände bilden diese eine Masche. Laut
Maschenregel müssen ihre Spannungsabfälle identisch sein: $U_1=U_2=U$. Der
Spannungsabfall über einem der beiden Widerstände wird dabei als Urspannung
dieser Masche aufgefasst. An den Knoten teilt sich der Gesamtstrom in zwei
Teilströme auf, die über je einen der beiden Widerstände fließen:
$I_\mathrm{ges}=I_1+I_2$. Für den Gesamtwiderstand der Parallelschaltung gilt
demzufolge:
$$\frac{1}{R_\mathrm{ges}} = \frac{I_\mathrm{ges}}{U} = \frac{I_1 + I_2 + \dots}{U} = \frac{I_1}{U} + \frac{I_2}{U} + \dots =\frac{1}{R_1} + \frac{1}{R_2} + \dots$$
Der Gesamtwiderstand ist dabei kleiner als der kleinste Teilwiderstand.
#### Messung von Strom und Spannung
Um den Stromfluss durch ein Bauelement zu bestimmen, muss durch das Amperemeter
(Strommessgerät) derselbe Strom fließen wie durch das betrachtete Baulement.
Gemäß den Kirchhoffschen Regeln müssen Amperemeter und Bauelement hierfür in
Reihe (ohne dazwischenliegenden Knoten) angeschlossen werden. Allerdings besitzt
das Amperemeter selbst auch einen unvermeidbaren elektrischen Widerstand
(sogenannter Innenwiderstand). Die angelegte Spannung teilt sich folglich auf in
einen Anteil am Bauelement und einen Anteil am Messgerät. Um die Funktion des
Stromkreises möglichst wenig zu beeinflussen, benötigen Amperemeter einen
möglichst kleinen Innenwiderstand. Realistisch sind dabei Werte von einigen
$\mathrm{m\Omega}$.
Bei der Spannungsmessung wiederum muss am Messgerät (Voltmeter) dieselbe
Spannung anliegen wie am Bauelement. Folglich muss das Voltmeter parallel zum
betrachteten Baulement angeschlossen werden. Da jedoch auch das Voltmeter einen
endlichen Innenwiderstand besitzt, fließt ein Teil des Stroms über das
Messgerät. Um die Funktion des Stromkreises möglichst wenig zu beeinflussen,
muss der Stromfluss durch das Messgerät möglichst klein gehalten werden.
Voltmeter benötigen also möglichst hohe Innenwiderstände, die in der Praxis im
Bereich mehrerer $\mathrm{M\Omega}$ liegen.
#### Elektrische Leistung
Bereits im [vorangegangenen Kapitel](#energie-des-elektrischen-felds-–-coulombenergie)
wurde festgestellt, dass elektrische Felder Arbeit an beweglichen Ladungsträgern
verrichten, indem sie diese beschleunigen. Der Betrag dieser Arbeit war bestimmt
durch die Größe der Ladung sowie durch die anliegende Potentialdifferenz:
$$W_\mathrm{el} = QU \, .$$
Auch für einen kontinuierlichen Stromfluss muss permanent Arbeit gegen den
elektrischen Widerstand des Leiters beziehungsweise Bauelements verrichtet
werden. Wird keine elektrische Arbeit mehr verrichtet (zum Beispiel durch
Abschalten der Spannung), so kommt auch der Stromfluss zum Erliegen.
In der Mechanik hatten wir die Leistung definiert als den Quotienten aus
verrichteter Arbeit und der dafür benötigten Zeit. Dies lässt sich
selbstverständlich auch auf die elektrische Arbeit anwenden:
$$P_\mathrm{el} = \frac{\mathrm d W_\mathrm{el}}{\mathrm d t} = \dot{Q} U + Q \dot{U} \, .$$
Für den Fall konstanter Spannung ($U=$const) erhalten wir:
$$P_\mathrm{el} = \dot{Q}U = UI \, .$$
Die elektrische Leistung ist das Produkt aus Spannung und Strom. Hohe Ströme
bewirken (bei fester Spannung) eine hohe Leistung. Die dabei verrichtete Arbeit
ergibt sich aus der Leistung und der Dauer der Leistungsabgabe:
$$W = \int P \mathrm dt \, .$$
Diese Arbeit wird durch den Stromfluss an den elektrischen Verbrauchern
verrrichtet. Sie ist es auch, die bei der „Stromrechung“ bezahlt werden muss.
Aus der obigen Gleichung folgt eine weitere Einheit der Arbeit:
$$[W]=1~\mathrm{Ws} \quad \textrm{bzw.} \quad [W]=1~\mathrm{kWh} \, .$$
Dabei gilt
$$1~\mathrm J = 1~\mathrm{Ws} \, .$$
Die gemeinhin als „Stromzähler“ bezeichneten Messgeräte am Hausanschluss werden
korrekterweise als Kilowattstundenzähler bezeichnet, denn sie zeigen die
elektrische Arbeit an, wie das folgende Foto zeigt:
An einem ohmschen Widerstand wird die gesamte durch den Strom verrichtete Arbeit
in Wärme umgewandelt und an die Umgebung abgegeben (thermische Wirkung des
Stroms). Andere Bauelemente setzen einen Teil der Arbeit entsprechend ihres
Bestimmungszwecks um, zum Beispiel in Licht (Glühlampe, LED) oder in Bewegung
(Elektromotor). Ein Teil der eingesetzten elektrischen Arbeit wird dabei jedoch
stets in Wärme umgewandelt und an die Umgebung abgegeben. Der Wirkungsgrad
$\eta$ gibt an, wie groß der Anteil der nutzbaren Arbeit beziehungsweise
Leistung ist:
$$\eta = \frac{\textrm{bestimmungsgemäß nutzbare Arbeit}}{\textrm{Gesamtarbeit}} = \frac{W_\mathrm{nutz}}{W_\mathrm{ges}}
= \frac{P_\mathrm{nutz}}{P_\mathrm{ges}} = \frac{P_\mathrm{nutz}}{UI}$$
Beispielsweise besitzt eine Glühlampe einen Wirkungsgrad von nur $\eta =(3 \dots 5)\%$.
Mit dem ohmschen Gesetz lassen sich weitere Formeln für die elektrische Leistung
angeben:
$$P_\mathrm{el} = UI = RI^2 = \frac{U^2}{R} \, .$$
Bei gleicher Stromstärke wird an Bauelementen mit großem Widerstand eine
entsprechend größere Leistung umgesetzt. Bei gleicher Spannung wird an
Bauelementen mit großem Widerstand eine entsprechend kleinere Leistung umgesetzt.
## Optik
Die Optik befasst sich mit den Eigenschaften und der Ausbreitung des Lichts.
Licht ist ein Quantenphänomen, das sich in seiner Gesamtheit unserer Vorstellung
entzieht. Zur Beschreibung des Lichts nutzen wir Modelle der klassischen Physik,
die die beobachtbaren Eigenschaften des Lichts widergeben und die auch unserer
Anschauung zugänglich sind. Aufbauend auf die grundlegenden Verhaltensweisen des
Lichts haben sich im Laufe der Zeit die folgenden drei Modelle herausgebildet,
die bis heute Anwendung finden:
- Das **Strahlenmodell** beschreibt die geradlinige Ausbreitung des Lichts
(Strahlenoptik oder geometrische Optik).
- Das **Wellenmodell** beschreibt die Welleneigenschaften des Lichts wie
Interferenz und Beugung (Wellenoptik oder Physikalische Optik).
- Mit **Teilchenmodell** dem werden Vorgänge beschrieben, bei denen dem Licht
ein Impuls zuzuordnen ist (Teilchenoptik).
In der klassischen Physik schließen sich Teilchen- und Welleneigenschaften
gegenseitig aus. Das Licht trägt jedoch beide Eigenschaften und zeigt je nach
experimentellem Aufbau eine dieser beiden Verhaltensweisen. Zur Beschreibung
muss dann jeweils das Modell angewendet werden, das den beobachteten
Eigenschaften entspricht. Keines der drei Modelle kann das Licht vollständig
beschreiben. Daher ist auch eine völlige Trennung dieser Modelle nicht möglich.
### Geometrische Optik – Strahlenoptik
Das einfachste Modell zur Beschreibung des Lichts ist das des Lichtstrahls. Es
erlaubt grundlegende Aussagen zur Ausbreitung des Lichts, unterliegt jedoch –
wie jedes physikalische Modell – gewissen Einschränkungen:
- Die Abmessungen und Abstände der experimentellen Aufbauten müssen wesentlich
größer sein als die Wellenlänge des Lichts (d.h. $\gg 0{,}5~\mathrm{\mu m}$),
damit keine Wellenphänomene auftreten.
- Es sind keine quantitativen Aussagen zu Lichtenergien oder Intensitäten
möglich.
- Wechselwirkungen des Lichts mit Materie können nicht beschrieben werden.
Hierfür wird in der Regel die Teilchenoptik benötigt.
#### Ausbreitung des Lichts, Fermatsches Prinzip
Innerhalb eines homogenen Mediums breitet sich Licht geradlinig, allseitig und
gleichförmig aus. Ein Gegenstand wird für uns sichtbar, wenn Licht, das von ihm
ausgeht, in unser Auge gelangt. Von jedem Punkt der Oberfläche des Gegenstandes
geht ein Strahlenbündel aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Licht von dem
betreffenden Gegenstand selbst erzeugt oder von ihm reflektiert wird.
Die Ausbreitung des Lichts erfolgt mit hoher, aber endlicher Geschwindigkeit. Im
Vakuum beträgt die Lichtgeschwindigkeit
$$c_\mathrm{Vakuum} = c_0 = 2{,}99792458\cdot 10^8~\frac{\mathrm m}{\mathrm s}
\approx 3\cdot 10^8~\frac{\mathrm m}{\mathrm s} \, .$$
Es ist eine der Grundaussagen der Relativitätstheorie, dass dies die
größtmögliche Geschwindigkeit in der Natur ist. Innerhalb eines Mediums breitet
sich das Licht mit geringerer Geschwindigkeit aus. Dies wird beschrieben durch
die Brechzahl $n$ des betreffenden Mediums, die das Verhältnis der
Vakuumlichtgeschwindigkeit zur Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium angibt:
$$c_\mathrm{Medium} = c_\mathrm M = \frac{c_0}{n} < c_0 \quad \textrm{bzw. } \quad n= \frac{c_0}{c_\mathrm M} \, .$$
Medien mit hoher Brechzahl heißen **optisch dicht**, solche mit niedriger
Brechzahl heißen **optisch dünn**. Das Vakuum ist demzufolge das optisch dünnste
Medium. Einige Beispiele für Brechzahlen sind in der folgenden Tabelle
zusammengefasst.
| Material | Brechzahl $n$ | Bezeichnung |
|:----------|-----------------------:|:-------------:|
| Vakuum | $1{,}0$ | Optisch dünn |
| Luft | $1{,}000272 \approx 1$ | |
| Wasser | $1{,}33$ | |
| Quarzglas | $1{,}46$ | |
| Plexiglas | $1{,}49$ | |
| Diamant | $2{,}42$ | Optisch dicht |
Im Rahmen der Strahlenoptik lässt sich die Ausbreitung des Lichts anhand des
**Fermatschen Prinzips** erklären:
> Der Lichtweg zwischen zwei Punkten verläuft stets so, dass er ein Extremum
> hinsichtlich der Zeit hat.
>
> $$T_\mathrm{A\rightarrow B}\rightarrow \textrm{Extremum}$$
In der Regel ist dies der Weg mit der kürzesten Laufzeit. Dies ist nicht
notwendigerweise der geometrisch kürzeste Weg. Eine alternative Formulierung des
Fermatschen Prinzips nutzt den optischen Weg $\sigma$:
$$\sigma = n\cdot s \, ,$$
wobei $s$ der geometrische (d.h. der tatsächlich zurückgelegte) Lichtweg ist.
Damit lautet das Fermatsche Prinzip:
> Das Licht folgt zwischen zwei Punkten stets dem kürzesten optischen Weg.
>
> $$\sigma_\mathrm{ges} = \sum \sigma_i = \sum n_i s_i \rightarrow \textrm{Min}$$
Der kürzeste optische Weg besitzt die geringste Laufzeit. Somit sind beide
Formulierungen äquivalent. Mathematisch betrachtet stellt das Fermatsche Prinzip
eine Extremwertaufgabe dar. Aus seiner Anwendung folgen die geradlinige
Ausbreitung innerhalb eines Mediums sowie das **Reflexions- und Brechungsgesetz**:
> Trifft Licht auf eine Grenzfläche zwischen zwei Medien mit den Brechzahlen
> $n_1$ und $n_2$, so wird im Allgemeinen ein Teil des Lichts reflektiert und ein
> Teil transmittiert:
>
>
> Für den reflektierten Strahl gilt (Reflexionsgesetz):
>
> $$\alpha_\mathrm r = \alpha_1$$
>
> Für den transmittierten Strahl gilt (Brechungsgesetz):
>
> $$\frac{\sin{\alpha_1}}{\sin \alpha_2} = \frac{n_2}{n_1} \quad \textrm{bzw.} \quad n_1 \sin \alpha_1 = n_2 \sin \alpha_2$$
Alle Winkelangaben beziehen sich dabei auf das Einfallslot. Dieses steht
senkrecht auf der Grenzfläche im Auftreffpunkt des einfallenden Strahls.
Beim Übergang vom optisch dünneren in das optisch dichtere Medium ($n_1\alpha_2$). Im umgekehrten Fall
erfolgt die Brechung vom Lot weg. Dabei kommt es zur Totalreflexion, wenn der
Einfallswinkel (der dann im optisch dichteren Medium liegt) größer wird als der
Grenzwinkel der Totalreflexion. In diesem Fall verschwindet der transmittierte
Strahl, und die gesamte Intensität des eingestrahlten Lichts wird reflektiert.
Für den Grenzwinkel der Totalreflexion gilt:
$$\alpha_\mathrm{Gr} = \arcsin \frac{n_2}{n_1} \, .$$
#### Brechung an gekrümmten Grenzflächen – Linsen
Bisher wurden stets ebene Grenzflächen betrachtet. Dabei spielt es keine Rolle,
an welcher Stelle ein Lichtstrahl auftrifft. Der Einfallswinkel ist an jeder
Stelle gleich. Folglich werden parallel einfallende Strahlen gleich gebrochen
und verlaufen auch nach der Grenzfläche parallel.
Bei gekrümmten Grenzflächen hingegen ändert sich das Einfallslot entlang der
Grenzfläche. Folglich haben auch parallel einfallende Strahlen unterschiedliche
Einfalls- und Brechungswinkel. Somit verlaufen sie nach der Grenzfläche nicht
mehr parallel. Im allgemeinen Fall einer beliebigen Krümmungsgeometrie muss
dabei tatsächlich jeder Lichtstrahl einzeln in seinem Verlauf betrachtet werden,
wofür geeignete Computerprogramme existieren. Einen Spezialfall mit hoher
praktischer Relevanz stellt die Brechung an sphärischen Grenzflächen dar,
also an Grenzfläche, die Ausschnitt aus einer Kugeloberfläche sind. Optische
Bauelemente, die aus zwei sphärischen Flächen, bzw. einer sphärischen
und einer ebenen Fläche, bestehen, heißen Linsen. Speziell von dünnen Linsen
spricht man, wenn die Dicke der Linse sehr viel kleiner ist als der
Krümmungsradius ihrer Oberflächen. Nur mit solchen Linsen wollen wir uns im
Folgenden beschäftigen.
Beim Durchgang durch eine Linse passiert das Licht zwei Grenzflächen, an denen
es jeweils gebrochen wird. Zur Vereinfachung wird eine dünne Linse in der
geometrischen und rechnerischen Beschreibung zumeist durch ihre Hauptebene
ersetzt und nur eine einmalige Brechung betrachtet. Auch die untenstehenden
Abbildungen folgen diesem Schema.
Strahlenbündel, die parallel zur optischen Achse auf eine Linse treffen, werden
entweder konvergent oder divergent. Im ersten Fall spricht man von einer
Sammellinse, im zweiten von einer Zerstreuungslinse. In beiden Fällen lässt sich
die Brennweite $f$ sowie der Brennpunkt $\mathrm F$ der Linse angeben, wie die
folgenden Abbildungen zeigen. Bei Zerstreuungslinsen befindet sich der
(virtuelle) Brennpunkt auf der Einfallseite des Lichts. Die Brennweite ist dabei
negativ ($f<0$)!
Die Brennweite ist die entscheidende Größe zur Charakterisierung einer Linse.
Ihr Wert wird bestimmt von der Brechzahl des Linsenmaterials sowie
der Linsengeometrie, die durch die Krümmungsradien $r_1$ und $r_2$ der beiden
Grenzflächen angegeben wird. Aus dem Brechungsgesetz folgt die sogenannte
Linsenmacherformel, die angibt, wie diese Größen die Brennweite beeinflussen.
Für eine Linse in Luft gilt:
$$\frac{1}{f} = (n-1) \biggl( \frac{1}{r_1} - \frac{1}{r_2}\biggr)$$
Dabei haben Sammellinsen eine konvexe (nach außen gewölbte) Geometrie, während
Zerstreuungslinsen konkav (nach innen gewölbt) sind. Befindet sich die Linse in
einem anderen Medium als Luft oder Vakuum, so muss auch dessen Brechzahl
berücksichtigt werden. Die obige Formel wird dann entsprechend ergänzt:
$$\frac{1}{f} = \left(\frac{n_\mathrm{Linse}}{n_\mathrm{Umgebung}}-1\right) \biggl( \frac{1}{r_1} - \frac{1}{r_2}\biggr)$$
#### Optische Abbildung
Als optische Abbildung bezeichnet man die Erzeugung eines Bildes von einem
Gegenstand. Dieses Bild soll auf einer Abbildungsfläche – allgemein als Schirm
bezeichnet – sichtbar werden. Je nach konkreter Abbildungsaufgabe kann dieser
Schirm beispielsweise die Leinwand eines Projektors, der Sensorchip einer Kamera
oder auch die Netzhaut des Auges sein.
Damit ein solches Bild entsteht, müssen die von einem Punkt des Objekts
ausgehenden Lichtstrahlen wieder zu einem Bildpunkt auf dem Schirm vereinigt
werden. Bilder, die auf diese Weise entstehen, heißen reelle Bilder. Das
Gegenstück hierzu bilden virtuelle Bilder, auf die später eingegangen werden
wird.
Wie oben bereits festgestellt, besitzen Sammellinsen die Eigenschaft,
einfallende Strahlen in einem Punkt zu vereinigen. Damit erfüllen sie die
Grundvoraussetzung zur Erzeugung eines (reellen) Bildes. Bisher wurde dies
lediglich auf den Brennpunkt eines achsenparallel einfallenden Strahlenbündels
angewendet. Tatsächlich zeigt das Experiment, dass mit Sammellinsen eine
optische Abbildung möglich ist.
Zur Beschreibung der optischen Abbildung an einer Sammellinse werden zunächst
einige Größen wie in der folgenden Abbildung gezeigt definiert:
Mit diesen Größen kann nun die Abbildung berechnet werden. Die
Abbildungsgleichung verknüpft Gegenstands- und Bildweite der Abbildung mit der
Brennweite der Linse:
$$\frac{1}{f} = \frac{1}{b} + \frac{1}{g} \, .$$
Daneben erlaubt die Definition des Abbildungsmaßstabs $V$ eine Aussage über die
Bild- und Gegenstandsgröße:
$$V = \frac{B}{G} = - \frac{b}{g} \, .$$
Mit dieser Definition kann auch unterschieden werden, ob das entstandene Bild
vergrößert oder verkleinert ist, sowie, ob es aufrecht oder invertiert
(kopfstehend/seitenverkehrt) ist. In letzterem Fall ist die Bildgröße negativ,
was durch das negative Vorzeichen in der Definition des Abbildungsmaßstabs
ausgedrückt wird.
Neben der Berechnung der optischen Abbildung kann das entstehende Bild auch
geometrisch konstruiert werden, indem die Verläufe einzelner Lichtstrahlen durch
die Linse nachvollzogen werden. Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits
angemerkt, kann für eine dünne Linse die zweimalige Lichtbrechung an den beiden
Grenzflächen ersetzt werden durch eine
einmalige Brechung an der Hauptebene der Linse. Ferner wählt man zur
Bildkonstruktion zweckmäßig solche Strahlen aus, deren Verlauf besonders einfach
nachzuvollziehen ist. Dies sind Strahlen, die auf der Gegenstandsseite parallel
zur optischen Achse (Parallelstrahl), durch den Brennpunkt (Brennpunktstrahl)
sowie durch den Linsenmittelpunkt (Mittelpunktstrahl) verlaufen. Ob diese
Strahlen tatsächlich zum Bild beitragen, spielt für die Bildkonstruktion keine
Rolle. Dabei gelten die Zusammenhänge:
- Ein Parallelstrahl wird auf der Bildseite zum
Brennpunktstrahl.
- Der Mittelpunktstrahl verläuft ohne Brechung durch
die Linse.
- Der Brennpunktstrahl wird nach der Brechung zum
Parallelstrahl.
Befindet sich der Gegenstand innerhalb der Brennweite der Linse ($g
Befindet bei einer Sammellinse der Gegenstand innerhalb der Brennweite so
entsteht kein reelles Bild, sondern ein virtuelles, vergrößertes und
aufrechtes Bild auf der Gegenstandseite.
In der folgenden Tabelle sind die verschiedenen Abbildungskonstellationen einer
Sammellinse mit den zugehörigen Bildeigenschaften zusammengefasst. Außerdem
existieren in Internet verschiedene Simulationen der Strahlenverläufe an Linsen,
anhand derer die Einflüsse verschiedener Parameter wie Gegenstands- oder
Brennweite untersucht werden können, zum Beispiel auf den Seiten von
[LEIFIphysik](https://www.leifiphysik.de/optik/optische-linsen/versuche/sammellinse-simulation).
| **Gegenstandsweite** | **Bildweite** | **Abbildungsmaßstab** | **Bildeigenschaften** |
|:---------------------|:--------------|:----------------------|:------------------------------------|
| $g> 2f$ | $f2f$ | $|V|>1$ | reell, vergrößert, invertiert |
| $g=f$ | $b=\infty$ | — | virtuell |
| $g1$ | virtuell, vergrößert, seitenrichtig |
### Wellenoptik
Bereits bei der Einführung des Modells Lichtstrahl im vorangegangenen Kapitel
wurde darauf hingewiesen, dass dieses nur unter gewissen Einschränkungen
anwendbar ist. Insbesondere dann, wenn die experimentellen Abmessungen in
derselben Größenordnung liegen wie die Wellenlänge des Lichts, treten
Wellenerscheinungen auf, die im Strahlenmodell nicht erklärt werden können.
Hierfür muss das Wellenmodell des Lichts angewendet werden.
Da bisher nicht auf die Beschreibung von Wellen eingegangen wurde, sollen an
dieser Stelle zunächst einige allgemeine Aussagen zu Wellen getroffen werden.
#### Ausbreitung von Wellen
Eine Welle ist die Ausbreitung eines Schwingungszustands im Raum. Die einfachste
mechanische Vorstellung einer Welle bildet ein (gespanntes) Seil, das an einem
Ende in Schwingung versetzt wird. Diese Schwingungen laufen als Welle über das
gesamte Seil fort. Das Seil selbst bewegt sich dabei nicht fort. Es wandert
lediglich die Auslenkung über das Seil.
Wird das Ende des Seils nicht nur einmalig, sondern periodisch und harmonisch
ausgelenkt, so läuft auch diese harmonische Schwingung über das Seil fort und
erzeugt ein räumlich periodisches Muster aus Wellenbergen und -tälern. Die so
entstandene harmonische Welle ist damit ein räumlich und zeitlich periodischer
Vorgang. Die momentane Auslenkung $A(x,t)$ zu einem bestimmten Zeitpunkt an
einem bestimmten Ort ist dabei gegeben durch
$$A(x,t) = A_0 \sin(kx- \omega t + \sigma) \, .$$
Diese Formel widerspiegelt die zeitliche und räumliche Periodizität.
Im eben beschriebenen Beispiel dient das Seil als Ausbreitungsmedium der Welle.
Im Gegensatz dazu benötigen elektromagnetische Wellen (zu denen auch das Licht
gehört) kein Medium. Sie können sich auch im Vakuum ausbreiten.
Zur Beschreibung von Wellen werden die folgenden Größen genutzt, von denen
einige bereits aus dem Zusammenhang der Schwingungen bekannt sind:
- $A_0$ … Amplitude / Maximalauslenkung (siehe [Schwingungen](#kinematik-der-schwingung))
- $\omega=2 \pi f$ … Kreisfrequenz (siehe [Schwingungen](#kinematik-der-schwingung))
- $T$ … Schwingungsdauer (siehe [Schwingungen](#kinematik-der-schwingung))
- $\lambda$ … Wellenlänge (siehe Abbildung), $[\lambda]=\mathrm m$
- $k= \frac{2\pi}{\lambda}$ … Wellenzahl, $[k]=\mathrm m^{-1}$
- $v_\mathrm{ph}$ … Phasengeschwindigkeit (siehe Abbildung)
Die Phasengeschwindigkeit ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle. Für sie
gilt der Zusammenhang:
$$v_\mathrm{ph} = \lambda f = \frac{\omega}{k} \, .$$
Bei Licht ist die Phasengeschwindigkeit gleich der Lichtgeschwindigkeit:
$$v_\mathrm{ph} = c_0 \quad \textrm{bzw.} \quad v_\mathrm{ph} = c_\mathrm M \, .$$
Die Ausbreitung komplexer Wellenformen und insbesondere das Verhalten von Wellen
an Hindernissen werden mittels sogenannter Elementarwellen beschrieben. Als
Elementarwelle bezeichnet man eine von einem Punkt ausgehende und sich in alle
Richtungen gleichförmig ausbreitende Welle. In zwei Dimensionen ist dies eine
Kreiswelle, in drei Dimensionen eine Kugelwelle.
Bei der Überlagerung von (Elementar-) Wellen kann sowohl eine Vergrößerung als
auch Abschwächung der Amplitude auftreten. Dabei gilt das Prinzip der
ungestörten Überlagerung (Superposition):
> Zwei Wellen überlagern sich, ohne sich gegenseitig zu beeinflussen.
Die momentane Auslenkung an einem Ort ergibt sich dabei als Summe der
Einzelauslenkungen an diesem Ort zu diesem Zeitpunkt:
$$A_\mathrm{ges}(x_0,t_0) = A_1(x_0, t_0) + A_2(x_0, t_0)+ \dots$$
Auf diese Weise lassen sich durch Überlagerung von Elementarwellen beliebige
Wellenmuster erzeugen. Dies ist Grundlage des **Huygens-Fresnelschen Prinzips**:
> Jeder von einer Wellenfront getroffene Punkt ist Ausgangspunkt einer neuen
> Elementarwelle. Die neue Wellenfront ergibt sich als Einhüllende dieser
> Elementarwellen.
Nach diesem Prinzip kann die Wellenausbreitung geometrisch (zeichnerisch)
beschrieben werden. So lassen sich auch Brechung und Reflexion an Grenzflächen
mittels Huygens-Fresnelschem Prinzip erklären.
##### Beugung von Wellen
Beugung bezeichnet das Eindringen einer Welle in den geometrischen Schattenraum
hinter einem Hindernis. Diese charakteristische Welleneigenschaft tritt bei
allen Arten von Wellen auf und lässt sich mittels Huygens-Fresnelschem Prinzip
erklären: Die von der Kante des Hindernisses ausgehenden Elementarwellen
erreichen auch den Raum hinter dem Hindernis. Die Strecke, um die die Welle in
den Schattenraum eindringt, hängt ab von der Wellenlänge der jeweiligen Welle.
#### Licht als elektromagnetische Welle
Das Licht weist – in den entsprechenden Experimenten – eindeutiges
Wellenverhalten auf. So lässt sich beispielsweise die oben beschriebene Beugung
auch für das Licht beobachten. Die Beschreibung dieser Erscheinungen muss im
Wellenmodell erfolgen. Dabei zeigt sich das Licht als elektromagnetische Welle.
D.h., elektrische und magnetische Felder bewegen sich oszillierend entlang der
Ausbreitungsrichtung des Lichts fort.
In Natur und Technik kommen zahlreiche elektromagnetische Wellen
unterschiedlicher Wellenlänge vor (siehe Abbildung). Für das menschliche
Auge sichtbar sind die Wellenlängen im Bereich
$\lambda \approx (400 \dots 700)~\mathrm{nm}$.
#### Interferenz des Lichts
Interferenz ist – neben Beugung – die zweite eindeutige Welleneigenschaft des
Lichts. Interferenz bezeichnet die gegenseitige Verstärkung und Abschwächung von
Wellen gleicher Wellenlänge. Sie entsteht aus der Superposition der beteiligten
Wellen.
Zum Nachweis der Interferenz des Lichts betrachten wir den auf
Augustin Jean Fresnel
zurückgehenden Doppelspiegelversuch (siehe nachfolgende Abbildung). Zentraler
Bestandteil dieses Versuchs sind zwei ebene Spiegel, die um einen sehr kleinen
Winkel gegeneinander verkippt sind. Ein Laserstrahl wird so auf diese beiden
Spiegel gerichtet, dass ein Teil des Lichts am ersten, der andere Teil am
zweiten Spiegel reflektiert wird. So entstehen zwei Teilstrahlen, die sich
einmal überkreuzen und anschließend divergieren. Durch eine Sammellinse werden
diese divergierenden Strahlen wieder zusammengeführt, sodass sie sich auf einem
Schirm überlagern. In diesem Überlagerungsbereich beobachtet man ein
periodisches Muster aus hellen und dunklen Linien. Es kommt also abwechselnd zur
Verstärkung und Auslöschung der beiden Teilstrahlen.
Ein Interferenzmaximum (d.h. ein Bereich maximaler Helligkeit auf dem
Beobachtungsschirm) tritt an den Stellen auf, wo sich beide Wellen stets
phasengleich überlagern. D.h., die Maxima beider Teilwellen treffen stets
zeitgleich an dieser Stelle auf (konstruktive Interferenz). An Stellen, an denen
das Maximum der einen Welle zeitgleich mit dem Minimum der anderen Welle
auftrifft (destruktive Interferenz), löschen sich beide Wellen aus, und es
entsteht ein Interferenzminimum. Ursache für die unterschiedlichen
Überlagerungen der beiden Teilwellen ist ihr Gangunterschied $\Delta s$. Dieser
ist die Differenz der optischen Lichtwege der beiden beteiligten Wellen von der
Quelle zum Beobachtungsort. Phasengleiche Wellen haben einen Gangunterschied von
null oder einem ganzzahligen Vielfachen der Wellenlänge. Entgegengesetzte Phasen
(Maximum – Minimum usw.) entsprechen einem Gangunterschied von einer halben
Wellenlänge oder $1{,}5\lambda$, $3{,}5\lambda$, … Damit lauten die Bedingungen
für Interferenzmaxima und -minima:
- Interferenzmaxima treten auf, wenn $\Delta s=n\cdot \lambda \quad (\textrm{mit } n=0,1,2, \dots)$
- Interferenzminima treten auf, wenn $\Delta s=\frac{2n-1}{2}\lambda \quad(\textrm{mit } n=1,2,3,\dots)$
Damit ein stationäres (d.h. zeitlich unveränderliches) Interferenzmuster
beobachtet werden kann, müssen die an einem Punkt ankommenden Wellen stets
denselben Gangunterschied aufweisen. Z.B.:
- Nulltes Maximum: $\Delta s=0$
- Erstes Minimum: $\Delta s= \pm \frac{\lambda}{2}$
- Erstes Maximum: $\Delta s = \pm \lambda$
Diese Gangunterschiede dürfen sich im Zeitverlauf nicht ändern. Dies stellt
besondere Anforderungen an die Lichtquelle und den experimentellen Aufbau, die
hier nicht weiter betrachtet werden sollen (Stichwort: Kohärenz). Laser erfüllen
diese Anforderungen gut, andere Lichtquellen (z.B. Glühlampe) meist schlecht. So
sind viele Interferenzphänomene erst mit Laserlicht beobachtbar.
#### Beugung des Lichts an einem Spalt
In vielen Fällen treten Interferenz und Beugung gemeinsam auf: Lichtwellen
werden an einem Hindernis gebeugt und treten in den geometrischen Schattenraum
ein. Diese gebeugten Wellen wiederum interferieren miteinander. Ein Beispiel
hierfür ist der Durchgang des Lichts durch einen Spalt, dessen Breite mit der
Wellenlänge des Lichts vergleichbar ist (siehe nachfolgende Abbildung). In der
Praxis lassen sich signifikante Beugungserscheinungen beobachten, wenn die
Spaltbreite $d<1~\mathrm{mm}$ beträgt, obgleich dies tatsächlich noch circa
2000 Wellenlängen entspricht. Wird ein Laserstrahl auf einen solchen Spalt
gerichtet, so beobachtet man auf einem dahinterliegenden Schirm eine Abfolge von
Interferenzmaxima und -minima: senkrecht zur Spaltrichtung erscheint eine
„Kette“ heller Lichtpunkte, die alle aus der Beugung und Interferenz des
ursprünglichen Laserstrahls entstehen.
Wir wollen die Lage dieser Maxima und Minima geometrisch anhand des
Gangunterschieds erklären. Dazu betrachten wir zunächst die Wellen, die von den
beiden Rändern des Spalts ausgehen. Für einen vorgegebenen Beugungswinkel
$\alpha$ beträgt deren Gangunterschied
$$\Delta s_1 = d \cdot \sin \alpha \, ,$$
wobei $d$ die Breite des Spalts bezeichnet. Wir teilen nun den Spalt gedanklich
in mehrere Teile auf und betrachten jeweils die paarweise Interferenz von
Strahlen aus diesen Teilen.
Zunächst sei der Beugungswinkel $\alpha$ so gewählt, dass der Gangunterschied
der beiden Randwellen $\Delta s_1 = \lambda$ beträgt. Teilt man den Spalt in
zwei Hälften der Breite $\frac{d}{2}$, so existiert zu jeder Welle aus der
ersten Hälfte genau eine Welle der zweiten Hälfte, die um eine halbe Spaltbreite
versetzt ist. Der Gangunterschied dieser Wellen beträgt
$$\Delta s_{\frac{1}{2}} = \frac{d}{2} \cdot \sin \alpha = \frac{\lambda}{2} \, .$$
Diese Wellen löschen sich gegenseitig aus. Da dies für alle Teilwellen gilt,
kommt es unter diesem Beugungswinkel zur vollständigen Auslöschung, und es
entsteht ein Interferenzminimum.
Wird der Beugungswinkel $\alpha$ so gewählt, dass der Gangunterschied der
Randwellen $\Delta s_1 =2 \lambda$ beträgt, so teilt man den Spalt gedanklich in
vier Teile der Breite $\frac{d}{4}$. So entstehen Wellenpaare mit dem
gegenseitigen Abstand $\frac{d}{4}$ (zwischen erstem und zweitem beziehungsweise
zwischen drittem und viertem Spaltviertel) und dem Gangunterschied
$$\Delta s_{\frac{1}{4}} = \frac{\lambda}{2} \, .$$
Es entsteht also auch unter diesem Winkel ein Interferenzminimum.
Verallgemeinert bedeutet dies: Interferenzminima treten am Spalt immer dann auf,
wenn der Gangunterschied der Randwellen ein ganzzahliges Vielfaches der
Wellenlänge beträgt (Minimabedingung):
$$\begin{aligned}
& d \cdot \sin \alpha_\mathrm{min} = m \lambda \\
\textrm{bzw.} \quad & \alpha_\mathrm{min} = \arcsin \frac{m\lambda}{d}\\
\textrm{mit} \quad & m = 1, 2, 3, \dots
\end{aligned}$$
Nun wird der Beugungswinkel betrachtet, bei dem die beiden Randwellen einen
Gangunterschied von $\Delta s_1 = 1{,}5~\lambda$ aufweisen. Dabei wird der Spalt
gedanklich in drei Teile geteilt. Die Teilwellen des ersten und zweiten
Spaltdrittels lassen sich wiederum zu Paaren zusammenstellen, deren
gegenseitiger Abstand $\frac{d}{3}$ und deren Gangunterschied
$$s_{\frac{1}{3}} = \frac{\lambda}{2}$$
beträgt. Folglich löschen sich die Teilwellen dieser beiden Spaltteile
gegenseitig aus. Für das letzte Spaltdrittel existieren jedoch keine
korrespondierenden Wellen, die zu einer Auslöschung führen würden. Folglich
bleibt die Intensität dieser Teilwellen erhalten und wird auf dem
Beobachtungsschirm als Interferenzmaximum registriert.
Analog erhält man ein Interferenzmaximum für den Beugungswinkel, bei dem der
Gangunterschied der Randwellen $\Delta s_1 = 2{,}5 \lambda$ beträgt: Der Spalt
wird gedanklich in fünf Teile zerlegt. Zwischen erstem und zweitem
beziehungsweise drittem und viertem Teil führen wieder die Wellenpaare mit
Abstand $\frac{d}{5}$ und Gangunterschied
$$\Delta s_{\frac{1}{5}} = \frac{\lambda}{2}$$
zur gegenseitigen Auslöschung. Die Intensität des letzten Spaltfünftels bleibt
dabei erhalten. Daraus folgt als allgemeine Maximabedingung am Spalt:
$$\begin{aligned}
& d \cdot \sin \alpha_\mathrm{max} = \frac{2m +1}{2} \lambda \\
\textrm{bzw.} \quad & \alpha_\mathrm{max} = \arcsin \frac{(2m + 1) \lambda}{2d} \\
\textrm{mit} \quad & m = 1, 2, 3, \dots
\end{aligned}$$
Mit diesen Formeln lässt sich die Lage der Maxima und Minima bei der Beugung am
Spalt berechnen, nicht jedoch die Intensität an den einzelnen Stellen des
Beugungsbilds. Es erscheint aus dieser Überlegung heraus zumindest plausibel,
dass die Maxima mit zunehmender Ordnung immer schwächer werden, da ein immer
kleinerer Teil der Wellen unausgelöscht bleibt.
Die Formeln für Maxima- und Minimawinkel enthalten jeweils den Ausdruck
$\frac{1}{d}$. Mit abnehmender Spaltbreite werden die Winkel also entsprechend
größer, und das Beugungsbild wird „auseinandergezogen“. Umgekehrt rücken für
breitere Spalte die Maxima dichter zusammen und sind schließlich für sehr breite
Spalte nicht mehr getrennt wahrnehmbar. Dies stellt den Übergang zur
geometrischen Optik dar.
Wird die Spaltblende durch ein entsprechend kleines Loch ersetzt, so gelten die
Maxima- und Minimabedingungen in alle Richtungen. Das Beugungsbild besteht dann
aus konzentrischen Ringen.
Mit ähnlichen geometrischen Überlegungen wie oben lassen sich auch die
Interferenzmuster von Mehrfachspalten vorhersagen.
## Moderne Physik
In den bisherigen Kapiteln wurden die Teilgebiete der *klassischen Physik* in
sehr kompakter Form betrachtet: Mechanik, Wärmelehre, Elektrizitätslehre und
Optik. Historisch gesehen entstand dieses Wissen wesentlich vom 17. bis zum Ende
des 19. Jahrhunderts. Dieses beachtliche Alter der klassischen Physik schmälert
jeodch keineswegs die Bedeutung dieser Erkenntnisse für das Verständnis unserer
alltäglichen Naturerfahrungen.
Ab etwa 1900 zeigte sich, dass die Gesetze der klassischen Physik nicht alle
Beobachtungen unserer Umwelt erklären können. In der Folge entwickelten sich
„neue“ Teilgebiete der Physik, die bis heute als *moderne Physik*
zusammengefasst werden, obgleich sie auch schon über 100 Jahre zurückreichen.
Die Gesetze der modernen Physik haben dabei die klassische Physik nicht
abgelöst, sondern erweitern das Spektrum physikalischer Erklärungen. Wie wir aus
den experimentellen Befunden der bisherigen Kapitel ersehen können, besitzen die
Gebiete der klassischen Physik bis heute ihre Gültigkeit. Lediglich bei den
Beobachtungen, bei denen die Gesetze der klassischen Physik versagen, liefern
die Gebiete der modernen Physik weitergehende Erklärungen.
Im Rahmen dieses Skriptums, das auf einen Physikkurs von 15 Vorlesungen
ausgelegt ist, kann und soll keine umfassende Behandlung der modernen Physik
erfolgen. Stattdessen werden zwei Bereiche herausgegriffen und überblicksartig
beschrieben: die Quantenoptik und die Atomphysik.
### Quantenoptik und Welle-Teilchen-Dualismus
Mit dem Wellenmodell des Lichts lassen sich viele Phänomene sowohl qualitativ
als auch quantitativ mit hoher Präzision beschreiben. Scheinbar im Widerspruch
dazu versagt die Wellenoptik bei der Beschreibung mancher
Wechselwirkungsprozesse des Lichts hingegen völlig. Entsprechende Beobachtungen
stellten die Physik in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor große Fragen
und führten schließlich ab 1900 zur Entstehung eines neuen Modells zur
Beschreibung des Lichts, das parallel zum Wellenmodell existiert.
Aus historischer Perspektive sei angemerkt, dass die Idee eines
Teilchencharakters des Lichts bereits in der Antike existierte und auch in der
Neuzeit ihre Vertreter fand – beispielsweise Isaac Newton.
Dennoch kann das im Laufe des 20. Jahrhunderts entwickelte Quantenmodell als
neu bezeichnet werden, insbesondere, da sich hier Wellen- und Teilchencharakter
nicht ausschließen, sondern eine Dualität beider vorliegt.
Für die folgenden Betrachtungen, die sich wesentlich mit Energien von Elektronen
und von Licht beschäftigen, ist es sinnvoll, das Elektronvolt ($\mathrm{eV}$)
als eine weitere Einheit der Energie einzuführen. Ein Elektronvolt ist die
(kinetische) Energie eines Elektrons, das durch eine Spannung von $1~\mathrm V$
beschleunigt wurde:
$$1~\mathrm{eV} = 1{,}602\cdot10^{-19}~\mathrm J \, .$$
#### Quantenhafte Energieabgabe des Lichts
Eines der Experimente, für das die Wellenoptik keine Erklärung bietet, ist der
äußere Photoeffekt oder Hallwachs-Effekt.
Eine mögliche Vorgehensweise, diesen Effekt zu beobachten, ist folgende: Eine
Platte aus Zink wird an ein Elektrometer (Messgerät zur Ladungsmessung)
angeschlossen und negativ aufgeladen. Es herrscht also ein Überschuss an
Elektronen in dieser Platte, der zunächst erhalten bleibt. Wird die Platte nun
mit dem intensiven weißen Licht einer Bogenlampe bestrahlt, so geht die
Aufladung der Platte langsam zurück. Folglich müssen die überschüssigen
Elektronen die Platte verlassen haben.
Um diesen Versuchsteil zu verstehen, muss man zunächst berücksichtigen, dass die
Elektronen im Metall gebunden sind. Um die Platte verlassen zu können, müssen
sie eine Energiebarriere – die sogenannte **Austrittsarbeit** $W_\mathrm A$ –
überwinden. Diese Energiebarriere
ist groß genug, dass die Elektronen sie nicht spontan überwinden können, weshalb
die negative Ladung der Platte zunächst erhalten bleibt. Offensichtlich aber
wird durch die Bestrahlung der Platte mit Licht Energie auf die Elektronen
übertragen, die damit die Austrittsarbeit des Zinks überwinden können und die
Platte verlassen.
In einem zweiten Versuchsteil wird das vorige Vorgehen wiederholt, jedoch wird
nun zwischen Lampe und Zinkplatte eine Glasscheibe positioniert. Obgleich das
sichtbare Licht diese Platte nahezu ungehindert passieren kann, tritt dabei
keine Entladung der Zinkplatte auf. Diese Beobachtung führt zu dem Schluss, dass
nicht das sichtbare Licht für die Entladung der Platte verantwortlich ist,
sondern der unsichtbare, kurzwellige UV-Anteil, der im Licht der Bogenlampe
ebenfalls mit hoher Intensität vertreten ist. Das UV-Licht wird – im Gegensatz
zum sichtbaren Licht – von der Glasplatte vollständig absorbiert. Das sichtbare
Licht kann offenbar nicht ausreichend Energie auf die Elektronen übertragen,
damit diese die Austrittsarbeit überwinden könnten.
Der Energieübertrag auf die Elektronen wird also bestimmt durch die Wellenlänge
beziehungsweise Frequenz des eingestrahlten Lichts: Höhere Frequenzen (kleinere
Wellenlängen) führen offenbar zu größeren Energieüberträgen.
Im Wellenmodell des Lichts
ist dies jedoch nicht zu verstehen. Die Energie einer Welle ist bestimmt durch
deren Amplitude: $E_\mathrm{Welle}\propto A_0^2$. Die Frequenz spielt dabei
keine Rolle. Somit stellt das beschriebene Hallwachs-Experiment einen
Widerspruch zur Wellenoptik dar.
Die Erklärung dieses Effekts lieferte Albert Einstein – und erhielt hierfür
später den Physik-Nobelpreis. Dabei ging er davon aus, dass das Licht nicht
beliebige Energiebeträge abgeben kann, sondern nur definierte
„Energieportionen“, sogenannte Quanten. Diesen Ansatz hatte bereits fünf
Jahre zuvor Max Planck in einem anderen Zusammenhang angewendet. Der
Energiebetrag eines solchen Quants
ist dabei bestimmt durch die Frequenz des Lichts:
$$E_\mathrm{Qu} = hf = h \frac{c}{\lambda}$$
mit dem Planckschen Wirkunsgquantum
$$h = 6{,}626\cdot 10^{-34}~\mathrm{Js} = 4{,}136\cdot10^{-15}~\mathrm{eVs} \, .$$
Dabei wechselwirkt stets genau ein Lichtquant mit genau einem Elektron. Ist die
Energie des Lichtquants kleiner als die Austrittsarbeit der Metallplatte
($hfW_\mathrm A$ kann das
Elektron, das dieses Lichtquant absorbiert hat, die Austrittsarbeit überwinden
und die Metallplatte verlassen. Die „überschüssige“ Energie des Lichtquants geht
dabei in kinetische Energie des freigesetzten Elektrons über. Damit gilt die
Energiebilanz:
$$hf = W_\mathrm A + E_\mathrm{kin} \, .$$
Zur experimentellen Überprüfung dieser Energiebilanz muss die kinetische Energie
der emittierten Elektronen bestimmt werden. Dazu befindet sich die emittierende
Metallschicht zusammen mit einer Gegenelektrode im Vakuum und wird dort mit
monochromatischem Licht (d.h. Licht mit genau einer Wellenlänge) bestrahlt.
Zwischen emittierender Schicht und Gegenelektrode wird durch Anlegen einer
Gegenspannung $U_\mathrm G$ ein elektrisches Feld erzeugt, das die Elektronen
abbremst. Ist die Gegenspannung gefunden, bei der die Elektronen vollständig
abgebremst werden, so gilt:
$$E_\mathrm{kin} = eU_\mathrm G \, .$$
#### Das Photon
Handelt es sich bei den Lichtquanten nun lediglich um „Energieportionen“ einer
kontinuierlich fortlaufenden Welle, oder sind es eigenständige, real
existierende Objekte? Diese Frage war auch historisch zunächst umstritten. Die
Erklärung des Photoeffekts zeigt zunächst nur, dass die Energie*übertragung*
quantisiert erfolgt. Spätere Experimente zeigten schließlich, dass das Licht
selbst (wie jede elektromagnetische Welle) quantisiert ist. Auch unabhängig von
der Wechselwirkung mit Elektronen oder anderer Materie liegt das Licht bei
seiner gesamten Ausbreitung als Quanten vor. Diese Lichtquanten erhalten den
Namen Photonen.
Einen Eindruck von diesem Quantencharakter vermittelt die Detektion einzelner
Photonen. Tatsächlich können Detektoren, die auf dem äußeren Photoeffekt
beruhen, aus einem einzelnen auftreffenden Lichtquant einen messbaren Spannungspuls
erzeugen. Wird ein solcher Detektor mit einer sehr geringen Lichtintensität
bestrahlt, so können die einzelnen Photonen getrennt registriert werden. Das
Auftreffen der Quanten auf dem Detektor geschieht dabei in völlig unregelmäßigen
Zeitabständen.
Diese Beobachtung widerspricht der Vorstellung einer kontinuierlichen Welle, die
lediglich feste Energieportionen überträgt. Nun ist diese Beobachtung allein
noch kein zwingender Beweis; sie liefert aber einen Eindruck vom
Quantencharakter des Lichts. Die Intensität des
Lichts – die in der Wellenoptik mit der Amplitude der Lichtwelle verknüpft ist –
ergibt sich in der Quantenoptik aus der Anzahl der pro Zeiteinheit
eintreffenden Photonen.
Bisweilen werden Photonen auch als Licht*teilchen* bezeichnet. Wenn Photonen den
Charakter eines Teilchens aufweisen, dann sollten sie auch einen Impuls haben.
Denn aus der Mechanik wissen wir, dass jedes bewegte Teilchen einen Impuls
besitzt. Tatsächlich lässt sich auch für das Photon ein Impuls angeben, der mit
seiner Frequenz verknüpft ist:
$$p_\mathrm{Ph} = \frac{E_\mathrm{Ph}}{c} = \frac{hf}{c} = \frac{h}{\lambda} \, .$$
Dieser Photonenimpuls lässt sich in Experimenten (Stichwort:
Compton-Effekt) nachweisen. Die
„Lichtmühle“ (Radiometer), die manchmal als Nachweis des Photonenimpulses
angeführt wird, beruht jedoch auf anderen Effekten.
Für das Licht lässt sich also sowohl ein eindeutiger Wellencharakter (Beugung,
Interferenz) als auch ein eindeutiger Teilchencharakter (Photonenimpuls)
nachweisen. Das Photon ist dabei weder Welle noch Teilchen im klassischen Sinn,
sondern ein Quantenobjekt, das beide Eigenschaften in sich vereint und – je nach
experimentellem Aufbau – diesen oder jenen Charakter zeigt. Daher lassen sich
auch Wellen- und Teilchenmodell des Lichts nicht vollständig trennen.
Dieser Dualismus von Wellen- und Teilcheneigenschaften zeigt sich unter anderem
auch bei der Beobachtung von Interferenzen. Aus der Wellenoptik wissen wir, dass
das Licht bei Durchgang durch einen Doppelspalt ein Interferenzmuster erzeugt.
Ein solches Experiment lässt sich auch mit einzelnen Photonen durchführen:
Aus einer speziellen Lichtquelle (Einzelphotonenquelle) treffen einzelne
Lichtquanten auf einen Doppelspalt und werden nach dessen Passieren durch einen
(oben schon erwähnten) Einzelphotonendetektor gezählt. Tatsächlich zeigt das
Licht auch dann Interferenzverhalten: Je nach Detektorposition ergeben sich
charakteristische Maxima und Minima in der Zählrate der Photonen. Interferenz
entsteht also nicht aus der Überlagerung mehrerer Photonen, sondern ist eine
Eigenschaft des einzelnen Photons.
Um diesen Welle-Teilchen-Dualismus zu veranschaulichen, werden Photonen mitunter
als „Wellenzüge“ endlicher Länge dargestellt. Doch auch diese Vorstellung gerät
schnell an ihre Grenzen. Der Charakter des Lichts entzieht sich letztendlich
unserer Vorstellung. Anschauliche Modelle des Lichts (kontinuierliche Welle
ähnlich einer Wasserwelle, Partikelstrom ähnlich einem Sandsturm,…) können immer
besitzen immer nur begrenzte Anwendbarkeiten.
#### Wellencharakter der Elektronen
Die Tatsache, dass das Licht – klassisch als Welle beschrieben – unter
bestimmten experimentellen Bedingungen auch Teilchencharakter aufweist, wirft
die Frage auf, ob umgekehrt Objekte, die klassisch als Teilchen beschrieben
werden, auch Wellencharakter besitzen.
Wir betrachten hierfür Elektronen, die im Vakuum durch eine Spannung
$U_\mathrm B=(2 \dots 5)~\mathrm{kV}$ beschleunigt werden. Ihre Geschwindigkeit
folgt aus dem Energieansatz (vgl. Kapitel
[Energie des elektrischen Felds](#energie-des-elektrischen-felds-–-coulombenergie)):
$$v = \sqrt{\frac{2eU_\mathrm B}{m_\mathrm e}} \, .$$ Damit ergibt sich für den Impuls: $$p_\mathrm e = mv = \sqrt{2m_\mathrm e e U_\mathrm B} \, .$$
Diese Elektronen treffen nun im Vakuum auf eine dünne Graphitschicht. Hinter
dieser befindet sich in einigem Abstand eine Leuchtschicht, auf der die
Auftreffpunkte der Elektronen sichtbar werden. Dabei zeigt sich, dass der
Elektronenstrahl bei Durchgang durch die Graphitschicht stark aufgeweitet wird
und zugleich auf dem Leuchtschirm konzentrische Ringe hoher und niedriger
Intensität zeigt. Dies kann nur als Beugungs- und Interferenzphänomen gedeutet
werden und zeigt damit, dass auch Elektronen, die klassisch als Teilchen
aufgefasst wurden, Wellencharakter besitzen. Die Anordnung der Kohlenstoffatome
in der Graphitschicht wirkt dabei als Beugungsgitter für die Elektronen, deren
Wellenlänge mit den Atomabständen im Graphit vergleichbar ist.
Somit kann den Elektronen auch eine Wellenlänge zugeordnet werden, die mit ihrem
Impuls verknüpft ist (Louis De Broglie
, 1923):
$$\lambda_\mathrm e = \frac{h}{p_\mathrm e} \, .$$
Diese Formel zeigt, dass die Elektronenwellenlänge vom Impuls und damit von der
Beschleunigungsspannung abhängt: höhere Beschleunigungsspannungen bewirken einen
höheren Elektronenimpuls und damit eine kürzere Wellenlänge. Tatsächlich führt
im oben beschriebenen Experiment eine Erhöhung der Beschleunigungsspannung zu
einer Verringerung des Abstands der Interferenzmaxima. Dieser Effekt weist die
Verkürzung der Wellenlänge nach.
Natürlich zeigen Elektronen weiterhin auch Teilchencharakter. Sie sind – wie das
Licht – Quantenobjekte, die beide Eigenschaften in sich vereinen. Ebenso zeigen
alle anderen mikroskopischen Teilchen (Protonen, Neutronen, …) den
Welle-Teilchen-Dualismus.
### Atomphysik
Die Atomphysik beschäftigt sich mit dem Aufbau und den Eigenschaften der Atome.
Dies bezieht sich insbesondere auf den Aufbau der Atomhülle. Die innere Struktur
der Atomkerne bleibt im Rahmen der Atomphysik unberücksichtigt und stellt mit
der Kernphysik ein eigenes Teilgebiet der Physik dar.
In den nachfolgenden Abschnitten wird zunächst der grundlegende Aufbau der Atome
aus Kern und Hülle erläutert und anschließend das quantenmechanische Atommodell
in seinen Grundzügen vorgestellt. Darauf aufbauend werden einige grundlegende
(und auch historisch bedeutsame) Experimente der Atomphysik vorgestellt.
#### Atomkern und Atomhülle
Grundlegend sind Atome aus dem Atomkern und der Atomhülle, die den Kern umgibt,
aufgebaut. Diese Erkenntnis geht zurück auf die von
Ernest Rutherford
durchgeführten Streuversuche, bei denen er eine $0{,}5~\mathrm{\mu m}$ dicke
Goldfolie (das entspricht ca. 1000 Atomlagen) mit radioaktiven $\alpha$-Teilchen
bestrahlte. Der wesentliche Teil dieser $\alpha$-Teilchen passierte die
Goldfolie ohne oder mit nur geringer Ablenkung. Nur ein sehr geringer Teil wurde
um große Winkel abgelenkt oder zurückgestreut. Diese Beobachtung führte zu der
Erkenntnis, dass die Atome im Wesentlichen aus leerem Raum bestehen. Nahezu die
gesamte Masse eines Atoms ist in dessen Kern vorhanden, der um mehrere
Größenordnungen kleiner ist als das Atom. Als Richtwerte für den Radius eines
Atoms sowie eines Atomkerns gelten:
$$\begin{aligned}
& r_\mathrm{Atom} \approx 10^{-10}~\mathrm m \\
\textrm{bzw.} \quad & r_\mathrm{Kern} \approx 10^{-15}~\mathrm m \, .
\end{aligned}$$
Zur Veranschaulichung dieser Größen- und Massenverhältnisse sei auf das Atomium
in Brüssel verwiesen (siehe obige Abbildung). Dieses besteht aus 9 Kugeln von
$18~\mathrm m$ Durchmesser, die jeweils ein Eisenatom in 165-milliardenfacher
Vergrößerung darstellen. Die Masse eines Eisenatoms beträgt
$m= 92{,}7\cdot10^{-27}~\mathrm{kg}$. Ein 165-milliardenfach vergrößertes
Eisenatom müsste folglich eine Masse von $m=416\cdot10^6~\mathrm{kg}$ besitzen.
Dies ist etwa das Doppelte der Masse des Kreuzfahrtschiffs „Harmony of the
Seas“. Diese Masse wiederum wäre vollständig im Atomkern enthalten, der bei
gleicher Vergrößerung einen Durchmesser von $\approx 1{,}5~\mathrm{mm}$ besäße.
Der Atomkern trägt positive Ladungen. In der Atomhülle befinden sich negativ
geladene Elektronen (daher auch die Bezeichnung Elektronenhülle). Die Anzahlen
positiver Ladungen (im Kern) und negativer Ladungen (in der Hülle) sind
identisch, sodass das Atom als Ganzes elektrisch neutral ist. Im Rahmen der
Atomphysik wird der Atomkern als Ganzes mit seiner Masse und seiner Ladung
betrachtet. Die Untersuchung der inneren Struktur der Atomkerne ist Aufgabe der
Kernphysik, nicht der Atomphysik. Letztere beschäftigt sich mit den Vorgängen in
der Atomhülle.
Nach den Gesetzen der klassischen Physik dürfte es keine stabilen Atome geben.
Aufgrund der Coulombkraft zwischen
dem Atomkern und den Elektronen müssten Letztere in den Kern „stürzen“. Der
Aufbau der Atome lässt sich daher nur mit den Gesetzen der Quantenphysik
erklären. Atommodelle, die auf der klassischen Physik aufbauen, sind zwar
anschaulich, physikalisch aber nicht haltbar. Aufgrund ihrer Anschaulichkeit
werden diese Modelle dennoch wiedergegeben in dem Wissen, dass letztendlich
andere (quantenmechanische) Gesetzmäßigkeiten gelten.
#### Das Atommodell der Quantenphysik
Die Grundaussagen des quantenphysikalischen Atommodells gehen auf
Niels Bohr
zurück. Dieser betrachtete die Atome anfangs noch unter den Gesetzen der
klassischen Physik und forderte lediglich, dass für Atome einige „Ausnahmen“ von
diesen Gesetzen gelten sollten, die unter der Bezeichnung Bohrsche Postulate
zusammengefasst werden. Dies betrifft insbesondere die Aussage, dass die
Elektronen eben nicht in den Atomkern stürzen. Damit war zwar qualitativ (und
teilweise auch quantitativ) eine recht gute Beschreibung möglich. Eine
Erklärung, wie das Verhalten der Atome und die geforderten „Ausnahmen“ zu
verstehen wären, war jedoch nicht möglich. Erst durch die Entwicklung der
Quantenmechanik war auch eine theoretische Beschreibung der Atome möglich.
Die Grundaussagen des quantenphysikalischen Atommodells lauten:
- In der Atomhülle befinden sich die Elektronen in stabilen Zuständen, d.h.,
sie geben keine Energie ab.
- Diese Zustände werden durch die Hauptquantenzahl $n$ (und weitere
Quantenzahlen) beschrieben.
- Jeder dieser stabilen Zustände ist durch eine diskrete Energie
charakterisiert. Das bedeutet, ein Elektron im Zustand $n$ besitzt exakt
die Energie $E_n$.
- Übergänge zwischen den verschiedenen Zuständen sind möglich.
(„Quantensprünge“)
- Beim Wechsel von einem Zustand mit höherer Energie $E_n$ in einen Zustand
mit niedrigerer Energie $E_m$ wird die Differenzenergie als
elektromagnetische Strahlung in Form eines Photons mit der Energie
$$E_\mathrm{Ph}=hf=\left| E_n-E_m \right|$$
abgegeben.
- Umgekehrt muss ein Elektron für einen Übergang in einen höherenergetischen
Zustand die erforderliche Energiedifferenz aufnehmen.
Bohr identifizierte die stabilen Elektronenzustände mit Kreisbahnen
verschiedener Radien. Diese Annahme führt jedoch zu physikalischen
Widersprüchen. In der Quantenmechanik werden die diskreten Elektronenbahnen
ersetzt durch abstrakte Energieniveaus, die die Energien der stabilen Zustände
widerspiegeln und in Energieniveauschemen dargestellt werden (siehe folgende
Abbildung). Dabei wird als Nullpunkt der Energie der ungebundene Zustand eines
Elektrons angenommen. Dessen Hauptquantenzahl ist $n=\infty$, und es gilt
$E_{\infty}=0$. Die gebundenen Zustände ($n<\infty$) der Elektronen haben somit
negative Energien.
Die Energieniveaus erlauben keine Rückschlüsse auf die Aufenthaltsorte oder die
Bewegung der Elektronen im Atom. Tatsächlich existiert auch keine vorgegebene
Bewegungsbahn, wie sie Bohr angenommen hatte. In der Quantenphysik werden diese
diskreten Bahnen ersetzt durch Orbitale. Diese geben
Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Elektronen an und werden meist dargestellt
als Raumbereiche, in denen sich das Elektron mit 90 %-iger Wahrscheinlichkeit
aufhält.
#### Grundlegende Experimente der Atomphysik
In den nachfolgenden Abschnitten sollen einige grundlegende Experimente
betrachtet werden, die historich betrachtet zur Entwicklung des oben
vorgestellten Atommodells geführt. Die Ergebnisse dieser Experimente lassen sich
erst durch die Anwendung dieses Atommodells qualitativ und quantitativ
verstehen.
##### Das Hallwachs-Experiment
Das Hallwachs-Experiment wurde
bereits im Zusammenhang der [Quantenoptik](#quantenhafte-energieabgabe-des-lichts)
eingehend erläutert. Dabei wurde geschlussfolgert, dass Photonen Energie auf die
im Metall gebundenen Elektronen übertragen, die infolgedessen die
Austrittsarbeit überwinden und die Metallplatte verlassen können. Die Atomphysik
liefert nun auch die Erklärung für die Austrittsarbeit. Dies ist die
Bindungsenergie der am schwächsten gebundenen Elektronen eines Festkörpers.
Anders ausgedrückt: die Austrittsarbeit entspricht der Energie des höchsten
besetzten Energieniveaus. Folglich werden nur schwach gebundene Elektronen durch
den äußeren Photoeffekt emittiert.
##### Optische Emissionsspektroskopie des Wasserstoffatoms
Als Spektroskopie werden verschiedene Messverfahren bezeichnet, bei denen eine
Strahlung analysiert und als Intensitätsverteilung (Spektrum) dargestellt wird.
Bei der optischen Emissionsspektroskopie wird die Intensität des von einer Probe
ausgesendeten Lichts als Funktion der Wellenlänge untersucht.
Atome oder Moleküle eines Gases können beispielsweise in geeigneten
Entladungsröhren durch Anlegen einer Hochspannung zum Leuchten angeregt werden.
Das dabei emittierte Licht weißt eine charakteristische Farbe auf. Bei der
spektroskopischen Untersuchung dieser Emissionen zeigen sich stets diskrete
(d.h. einzelne, scharf begrenzte) Wellenlängen, die abgegeben werden. Diese
Wellenlängen entsprechen den Energiedifferenzen zwischen je zwei Niveaus der
emittierenden Atome oder Moleküle. Zudem sind diese Emissionswellenlängen
charakteristisch für die emittierende Substanz, da in jedem Atom oder Molekül
die Energieviveaus andere Werte der Bindungsenergie besitzen.
Im vorliegenden Fall wird die Emission des atomaren Wasserstoffs analysiert.
Da sich das Wasserstoffatom quantenmechanisch exakt berechnen lässt und somit
eine genaue Vorhersage der Energieniveaus möglich ist, stellt die Untersuchung
der emittierten Strahlung dieses Atoms einen wichtigen quantitativen Test des
Atommodells dar. Für die Energieniveaus des Wasserstoffs folgt aus der
quantenmechanischen Berechnung:
$$E_n = -h \cdot c\cdot R_\infty \cdot \frac{1}{n^2}$$
mit der Rydberg-Konstante:
$$R_\infty = 1{,}097\cdot10^{7}~\mathrm{m^{-1}} \, .$$
Das Produkt $c\cdot R_\infty$ wird dabei auch als
Rydberg-Frequenz $R_\mathrm H$
bezeichnet. Das resultierende Energieniveauschema ist in der folgenden Abbildung
gezeigt. Für die ersten drei Energieniveaus ergibt sich:
$$\begin{aligned}
E_1 & = -13{,}6~\mathrm{eV} \, ,\\
E_2 & = -3{,}4~\mathrm{eV} \, ,\\
E_3 & = -1{,}51~\mathrm{eV} \, .
\end{aligned}$$
Nach den Aussagen des quantenphysikalischen Atommodells müssen die von
Wasserstoffatomen emittierten Photonen den Differenzen dieser Energieniveaus
entsprechen. Nicht alle dieser Photonen werden dabei im sichtbaren Bereich
liegen. Die langwellige Grenze des sichtbaren Spektrums
($\lambda_\mathrm{max}= 700~\mathrm{nm}$) entspricht einer Energie von
$E_\mathrm{Ph}=1{,}77~\mathrm{eV}$. Die kurzwellige Grenze mit
$\lambda_\mathrm{min}= 380~\mathrm{nm}$ entspricht
$E_\mathrm{Ph}=3{,}27~\mathrm{eV}$. Daher entstehen nur bei Übergängen von einem
höheren in das zweite Energieniveau ($E_n\rightarrow E_2$ mit $n>2$) Photonen im
sichtbaren Bereich. Die zugehörigen Emissionswellenlängen werden als
Balmer-Serie bezeichnet. Die folgende Abbildung zeigt eine spektrale Aufnahme
der Balmerserie, wobei die Wellenlänge von links nach rechts zunimmt.
Die größte Wellenlänge in dieser Serie ist dem Übergang mit der kleinsten
Energiedifferenz zuzuordnen, da die Photonenenergie umgekehrt proportional zur
Wellenlänge ist. Dies ist der Übergang $E_3 \rightarrow E_2$ mit der
Energiedifferenz $\Delta E=1{,}89~\mathrm{eV}$. Dies entspricht einer
Wellenlänge von $\lambda = 656~\mathrm{nm}$, was mit der roten Linie im
Wasserstoffspektrum übereinstimmt (siehe obiges Bild). Die kleinstmögliche
Wellenlänge ergäbe sich aus dem Übergang eines zuvor ungebundenen Elektrons in
das zweite Energieniveau ($E_\infty \rightarrow E_2$), was einer
Energiedifferenz von $\Delta E=|E_2 |=3{,}4~\mathrm{eV}$ und einer Wellenlänge
$\lambda =365~\mathrm{nm}$ entspricht. Tatsächlich stellen diese beiden
Wellenlängen die Grenzen der Balmerserie dar. Wie aus obiger Abbildung bereits
ersichtlich ist, liegen die Emissionswellenlängen zur kurzwelligen Seite hin
immer dichter beieinander. Dies folgt aus den abnehmenden Energiedifferenzen
zwischen den höheren Energieniveaus, da $E_n \propto \frac{1}{n^2}$ . Zugleich
nimmt die Intensität der Emissionslinien mit abnehmender Wellenlänge
(zunehmender Photonenenergie) ab. Ursache hierfür ist die abnehmende
Besetzungswahrscheinlichkeit der höheren Energieniveaus, die Ausgangspunkt für
die zugehörigen Elektronenübergänge sind.
Damit bestätigt die Untersuchung der Emissionswellenlängen des Wasserstoffatoms
sowohl qualitativ als auch quantitativ die Aussagen des quantenphysikalischen
Atommodells.
Die Emissionsspektroskopie lässt sich selbstverständlich auch auf andere Stoffe
anwenden. Auch dabei beobachtet man Emissionen mit diskreten und
charakteristischen Wellenlängen. Jedoch erscheinen diese Spektren weitaus
weniger regelmäßig als das des atomaren Wasserstoffs, da die zugrundeliegenden
Energieniveauschemen weitaus komplexer sind. Zudem lassen sich andere Atome als
das des Wasserstoffs sowie Moleküle nicht mehr quantenmechanisch exakt
berechnen. So dient die Spektroskopie in diesem Fall der Identifizierung der
Atome oder Moleküle sowie der experimentellen Bestimmung der Energieniveaus,
nicht jedoch dem quantitativen Test des Atommodells.
##### Resonanzabsorption
Die bisher beschriebene Emission von Strahlung entsteht, indem ein Elektron beim
Wechsel von einem höheren in ein niedrigeres Energieniveau die „überschüssige“
Energie abgibt. Umgekehrt muss ein Elektron Energie aufnehmen, um in ein höheres
Energieniveau zu wechseln. Auch dies kann durch optische Wechselwirkung
geschehen. Am deutlichsten tritt dieser Effekt auf, wenn eine Atomsorte mit
Licht bestrahlt wird, das von ebendieser Atomsorte auch erzeugt wurde. Dann kann
mitunter bereits mit bloßem Auge eine deutliche Schwächung der Lichtintensität
beobachtet werden. Diese Schwächung entsteht durch Absorption des Lichts, indem
Elektronen in ein höheres Energieniveau übergehen. Ebenso wie die Emission
erfolgt auch die Absorption bei diskreten und charakteristischen Wellenlängen,
die mit den Emissionswellenlängen übereinstimmen, da die zu Grunde liegenden
Energieniveaus dieselben sind. Dieser Effekt wird auch als Resonanzabsorption
bezeichnet.
##### Der Franck-Hertz-Versuch
Für die Anregung von Atomen – also den Übergang von Elektronen innerhalb dieses
Atoms in ein höheres Energieniveau – existieren neben den bisher betrachteten
Mechanismen (Gasentladung, Strahlungsabsorption) weitere mögliche Prozesse.
Hierzu zählt die Anregung durch Elektronenstoß, die erstmals von
James Franck und
Gustav Hertz untersucht wurde.
Zur Durchführung dieses Versuchs wird eine evakuierte Glasröhre verwendet, die
mit einer geringen Menge eines Gases gefüllt ist. In den ursprünglichen
Experimenten verwendeten Franck und Hertz Quecksilberdampf; an dieser Stelle soll
die Durchführung mit Neongas beschrieben werden. Eingeschmolzen in diese
Glasröhre sind vier Elektroden (siehe folgende Abbildung): Die Kathode (K) wird
durch die angelegte Heizspannung $U_\mathrm H$ zum Glühen gebracht und emittiert
so Elektronen, die durch die Beschleunigungsspannung $U_\mathrm B$ zur Anode (A)
hin beschleunigt werden. Kurz hinter der Kathode befindet sich mit dem
Steuergitter (SG) eine zusätzliche Elektrode, die den Stromfluss steuert, den
eigentlichen physikalischen Effekt jedoch nicht beeinflusst. Daher wird dieses
Gitter im Folgenden nicht weiter betrachtet. Die Anode ist als Netz ausgeführt,
sodass die Elektronen diese passieren können und danach auf die
Auffängerelektrode (E) treffen. Zwischen Anode und Auffängerelektrode liegt die
Gegenspannung $U_\mathrm G$ an, die die Elektronen abbremst.
Gemessen wird im Franck-Hertz-Versuch der an der Auffängerelektrode ankommende
Elektronenstrom $I_\mathrm E$ als Funktion der Beschleunigungsspannung
$U_\mathrm B$. Eine entsprechende Messkurve ist in der folgenden Abbildung
gezeigt.
Die einzelnen Abschnitte (im Bild durch die Zahlen 1 bis 5 markiert) dieser
$I_\mathrm E (U_\mathrm B )$-Abhängigkeit lassen sich unter Anwendung des
Atommodells und der Gesetze der Elektrizitätslehre erklären:
1. Solange die Beschleunigungsspannung kleiner ist als die Gegenspannung
($U_\mathrm B < U_\mathrm G$), werden die Elektronen vor Erreichen der
Auffängerelektrode vollständig abgebremst. Folglich wird an dieser kein
Strom gemessen. In der Messkurve in obiger Abbildung zeigt sich an dieser
Stelle ein Offset des Messstroms, der durch geeignete Kalibrierung der
Messapparatur behoben werden könnte. Da dieser Offset jedoch für die gesamte
Messung konstant ist, beeinflusst er die weitere Diskussion nicht.
2. Sobald die Beschleunigungsspannung die Gegenspannung übersteigt, erreichen
die Elektronen die Auffängerelektrode und es wird ein Strom gemessen. Mit
zunehmender Beschleunigungsspannung wächst dieser Strom an, da die
kinetische Energie der Elektronen zunimmt.
3. Oberhalb einer gewissen Beschleunigungsspannung nimmt der Auffängerstrom ab.
Dieser Effekt entsteht durch Anregung der Neonatome: Die Atome nehmen
Energie der beschleunigten Elektronen auf, sodass innerhalb der Atome
gebundene Elektronen in ein höheres Energieniveau übergehen können. Aufgrund
der diskreten Energieniveaus kann diese Anregung erst stattfinden, wenn die
kinetische Energie der beschleunigten Elektronen die erforderliche
Energiedifferenz der Niveaus übersteigt. Gleichzeitig ist in der Röhre ein
orange-rotes Leuchten erkennbar (siehe obere Abbildung), das durch die
Rückkehr der angeregten Elektronen in ihren Ausgangszustand entsteht. Diese
Leucht- oder Anregungszone entsteht zunächst unmittelbar vor der Anode, da
erst dort die beschleunigten Elektronen eine ausreichend hohe Energie
erreichen.
4. Bei weiterer Erhöhung der Beschleunigungsspannung wandert die Anregungszone
in Richtung Kathode, da die beschleunigten Elektronen bereits früher die zur
Anregung erfoderliche Energie besitzen. Nach dieser Energieabgabe werden die
Elektronen weiter zur Anode hin beschleunigt, sodass der an der
Auffängerelektrode gemessene Strom wieder ansteigt.
5. Bei ausreichend hoher Beschleunigungsspannung erhalten die Elektronen nach
der ersten Energieabgabe wieder die zur Anregung der Neon-Atome
erforderliche Energie. So entsteht unmittelbar vor der Anode eine zweite
Anregungszone, in der die beschleunigten Elektronen Energie abgeben. In der
Folge nimmt der Auffängerstrom wiederum ab. Bei weiterer Erhöhung von
$U_\mathrm B$ wandern beide Anregungszonen in Richtung Kathode. Durch die
weitere Beschleunigung der Elektronen nach der zweiten Anregungszone steigt
der Auffängerstrom wieder an. Eine dritte Anregungszone entsteht, wenn nach
zweimaliger Anregung der Neon-Atome die Elektronen wiederum auf die
erforderliche Anregungsenergie beschleunigt werden. Dabei zeigt der
Auffängerstrom ein drittes Minimum. Insgesamt sind dann drei Anregungszonen
mit ihrem orange-roten Leuchten in der Röhre erkennbar (wie in der oberen
Abbildung gezeigt).
In einer neongefüllten Franck-Hertz-Röhre treten die Minima des Auffängerstroms
in Abständen von $\Delta U_\mathrm B =19~\mathrm V$ auf. Dies entspricht der
Energiedifferenz der für die Anregung relevanten Energieniveaus
$\Delta E = 19~\mathrm{eV}$. Die Rückkehr in den Ausgangszustand erfolgt
stufenweise über mehrere Energieniveaus, wobei nur einer der beteiligten
Übergänge das charakteristische orange-rote Licht emittiert.