Alt.aussee21tenlieber Arthur!Ihre erstaunten Augen beim Eröffnen dieses Briefes.
zusehen interessiert mich weniger als zu erfahren,
wie Ihr vier Menschen
besonders Richard und Paula, von der man nicht
recht weiß,
obsie außer der Seekrankheit noch etwas merkwürdiges
in Dänemark erlebt hat
(und ob das Mädchen mit dem Loch im Strumpfschon
»die Episode« genat werden darf
weiß man ja auch nicht) Euch befindet.
Von Paul hab ich immer die Empfindung, er
erinnertsich auchso gut an die Heroinenzeit beim
»Leopold« in Ischl vor 2 Jahren
wie wir alle, aber gar nicht mehr ordentlich an mich
und ich hab ihn wirklich
nur einmal gesehen und ka da- her unmöglichso warm empfinden wie jener Dichter.
Ich verlange mirsehr zu wissen, ob das was wir einmal
in der Nacht nach der Soirée
besprochen, auf Wahrheit beruht – mir willscheinen –
nein – 3mal Nein!!
ich hoffe ja!: dass Sie einmal für ein paar Wochen von
allen inneren Gewöhnungen losgekoen,
ist für Sie wahrscheinlichsehr gut, aber für das, was Sie früher beschäftigt, recht traurig.
Umso besser! – Dass Sie in dem zweiten Act dem Mädel mehr Leben gegeben haben, wirdsicher
eine große Wirkung haben, denn wir haben jaschon oft
besprochen, daß die Christine
davon nicht genug habe
und das Stück braucht Rührung,sonst wird es trocken und
revoltierend. Meine
Neugierde, es zu lesen, kennt keine Grenzen, denn wenn
man Leute nicht oftsieht, muss man in ihren Zeilen lesen
und das istschwer, denn leider drücken immer nur
einzelne kleine Sachen das Wirkliche aus,
während große Thaten und große Züge, die darauf
angelegtsind, charakteristisch zu wirken, eine ganze Welt von Mißverständnissen
hervorrufen.
Werden wir heuer endlich theaterspielen? sind wir zu jung oder zu alt dazu? Oder zu ernst, oder
»zu alt, um nur zuspielen«? Jedenfalls müsste die
weibliche Hauptrolle diesmal nicht von Ihnen geschriebensein,
(warum?). Meine Novelle werden Sie niesehen. Nie heißt nie. Weilsiesoschlecht ist.
Er zeigt nicht einmal die guten Sachen herzu. Doch müsste man ihn manchmal lesen, we die Person undeutlich wird.
Freilich haben meine Sachen wieder das Häßliche, dass
alles allzudeutlich gesagt ist. Ob der Richard
wieder etwasschreibt, ist, wie ich reumüthig bekenne,
für uns Altausseer ganz interessant,
ich versuche mir manchmal vorzustellen wie es wäre, wenn Sie hier wären
und ob wir alle Drei dabei nicht viel netter herauskämen, was ich ganz bestimmt glaube;seien
Sie
nicht bös, aber ich binsicher wir würden uns schrecklich nervös machen und beinahestreiten, denn
zwei nochso gute, gleichgeartete, männliche Naturen
haben nicht die Größe nett neben einander einherzugehen
wenn zwischen ihnen etwas Halbwahres beunruhigend
herumwimmelt. Deswegen
werden Sie doch herkommen,schon allein um Jdiese jugendliche Behauptung von »Halbwahr« zu widerlegen,
wozu Sie ja durch Ihre oft besprochene Überschätzung
der weiblichen »Individualitäten«so geeignetsind.
Glücklich der, welcher imstande ist, Gestalten zuschaffen, an die er glaubt, drum lassen Siesich nicht hetzen,
sondern glauben Sie ruhig weiter, auf das Wirkliche
kommt’s nicht an, denn vielleicht existiert es gar nicht.
Ich glaube, wir brauchen Sie darüber nicht
aufzuklären, Sie haben einsostarkes Wahrheitsgefühl,
dass Sie auch den dreifachen Sinn dieses Briefes
erkannt haben werden, worüber Sie nächstens in Wien mir (nur hier) Auskunft geben können.
Herzlich Ihr
Hugo.