Administration: VII.
Seidengasse 7 (Jos. Eberle Co.)An der Schönen Blauen DonauChef-Redacteur: Dr. F.
Mamroth. – Redaction: IX.,
Berggasse 31.PörtschachWien, den11. August 1890.Lieber Arthur!Du hast Recht gehabt: ich bin von dieser FrauMit Olga Waissnix verband Schnitzler in den Jahren nach 1886 eine
für ihn bedeutsame Liebesbeziehung. Sie war die Wirtin des Thalhofes in Reichenau. Ihr Ehemann Carl
Waissnix wird zugleich als gutmütig und eifersüchtig beschrieben.
Schnitzler und Goldmann hatten sich am zuletzt gesehen, sodass
der zweitägige Besuch im Thalhof auf dem
Weg nach Pörtschach stattfand und
zeitlich weitgehend genau eingegrenzt werden kann. mit einer
Empfindung warmer und aufrichtiger Sympathie weggegangen. Viele Fehler wohl,
aber die typischen Fehler derschönen Frau:
eitel, poseurefranzösisch:
wichtigtuerisch, coquett; aber wenn man
auf den Grund kommt, findet man einen Schatz von Ehrlichkeit und Natürlichkeit.
Ich bin der Frau mit
allen möglichen Vorurtheilen entgegengekommen;
aber als wir am letzten Tag allein im Waldesaßen und die gewissen tieferen
Sachen besprachen, da kam einso heißer Glückshunger, einso
rechtes Streben nach dem Besseren zutage, daß ich dabei etwas empfand, das ich
nicht anders, als Rührung nennen kann. Ich bin der Frau Olga ein wahrer Freund geworden; und in dieser Eigenschaft muß ich Dir Eines
sagen: Du darfst diese Frau unter keinen Umständen betrügenDie Beziehung zwischen Olga Waissnix
und Schnitzler war weitgehend
platonisch, doch wie dieser Brief, oder auch die im Tagebuch festgehaltenen Küsse beweisen, waren sie
sich zu diesem Zeitpunkt der Beziehung unsicher, ob das so bleiben
sollte.. Sie ist auf Alles vorbereitet: daß das Liebesglück, dassiesucht, kurz dauern, daß es mit Qualen verbunden sein und mit Enttäuschungen
enden kann. Aber in einer Beziehung glaubtsie an Dich – meine Vermuthung; Confidencen hat’s nicht gegeben – daß Dusie
nur dann zur Deinigen machen wirst, wenn dusie liebst. Ich habe mit Erstaunen
gesehn, daß diese Frau
wirklich und ehrlich kämpft und daß es ihrsie einen großen Entschluß kostet, überso undsoviel Pflichten hinweg
dahin zu gehen, wosie ihr Glück vermuthet. Aber eben darum hatsie doppelt das
Recht, nicht getäuscht zu werden. Wennsie wieder zu Dir kommt – undsie wird
wieder kommen, ich glaube das ist das Facit unserer Gespräche, ich habe mich
bemüht ihr Muth zum Glück zu machen –sosage ihr, wie es mit Dirsteht. Willsie dann immer noch,so brauchst Du keine Scrupeln mehr zu haben. Aber diese Frau aus bloßer Sinnenlust zu
genießen, mit einer Lüge auf der Zunge, wäre ein Verrath an Allem, was gut und
edel ist auf der Welt
Dies, ut animam meam salvaremlateinisch: um meine Seele zu
retten. Im Übrigen haben wir, wie gesagt, viel von Dir gesprochen,
direct und indirect, und ich habe es als meine Aufgabe betrachtet, die Frau in der Liebe zu Dir
zu bestärken, umso mehr, als ich diese Liebe auch – trotz Allem und Allen – als
ein großes Glück für Dich erkannt habe. Ich habe natürlich die größte Vorsicht
angewendet, und ich glaube nicht, daß Frau Olga eine Ahnung hat, daß ich Mitwisser bin.
In diesem Punkte kannst Du also vollauf beruhigtsein. Im Übrigen hatsie mir
außerordentlich viel auch von den Pick’sSchnitzlers Verwandte Gustav Pick und dessen Söhne Rudolf und Alfred. erzählt, offenbar, damit ich es
wiedererzähle, was ich auch hiermit thue. Ichselbst bin größtentheils von einer
neuen mentalen Blödheit gewesen. Und ich werde sie stark enttäuscht haben. Wenn Du
mir einen großen Freundesdienst thun willst – ich bitte Dich rechtsehr darum –soschreib’ mir, wassie Dir über michOlga Waissnix schrieb Schnitzler: »Dr. Goldmann ist schon abgereist, er
schrieb mir aus Pörtschach. Wir
haben in den 2 Tagen viel mit einander geplaudert, vieles auch über Sie.
Ausgefragt hab’ ich ihn nicht, erstens weil es mir zu gemein schien u.
zweitens weil ich ja doch weiß, er sagt mir nichts. Übrigens, ich bin
sage comme une image u. will gar
nichts wissen.
« (Arthur Schnitzler, Olga Waissnix: Liebe, die starb vor der Zeit. Ein Briefwechsel. Mit einem
Vorwort von Hans Weigel. Herausgegeben von Therese Nickl und Heinrich
Schnitzler. Wien, München,
Zürich: Fritz Molden1970, S. 216.) geschrieben hat. Verliebt habe
ich mich nicht;sinnlich läßt mich die Frau kalt.
Thatsächliches von meinem Aufenthalte ist, daß ich bei meiner Ankunft ein Zimmer
reservirt fand (das vom vorigem Jahr); daß er um mich herum gegangen hat ist, als wollte
er mich fressen,
zuletzt aber recht zuthunlich und gesprächig geworden; daß ich Herzl und Frau dort
gesprochen und meine Antipathie gegen Beide recht grämlich verstärkt habe; daß ich
bei meiner Abreise, als ich die Zimmerrechnung verlangte, den Bescheid erhielt:
der gnädigen Frau war es
ein Vergnügen, – was mir unendlich peinlich war;
daßsie mir, in Gegenwart von Fremden beim
Abschiedsagte: »Wenn Sie nach Wien Briefesenden,sosagen Sie viele Grüße von mir«; daß RettingerIn Jugend in Wien wird er von Schnitzler folgendermaßen beschrieben:
»Das war der Buchhalter, Geschäftsführer, Vizedirektor des Thalhofs; ein kleiner, dicker, beweglicher Mann in den
Dreißigern, meist städtisch gekleidet oder mit einem grünen Jagdrock
angetan, aber jederzeit ohne Kragen und Halsbinde. Er hatte eine
spaßige, geschwinde Art zu reden, war das Faktotum, der Vertraute
und mehr oder weniger auch der Spion des Gatten, was ihn nicht hinderte oder
vielleicht erst recht dazu veranlaßte, mit Frau Olga auf freundschaftlichem Fuß zu stehen,
die ihm keineswegs traute, aber eine gewisse Sympathie für ihn
hegte.
« (Arthur Schnitzler: Jugend in Wien. Eine Autobiographie. Mit einem Nachwort
von Friedrich Torberg. Wien, München,
Zürich, New York:
S. Fischer1968, S. 243.) im Herbst nach Wien kommt.
Alle Details mündlich.
Bitte,schreib’ mir genau, wie es Dir geht! Adresse: Pörtschach, Poste restante.
Viele Grüße!
Dein
Paul GoldmannStrombadWien verfügte über mehrere
Badeschiffe, die sowohl am Ufer des Donaukanals wie auch der Donau Anker setzten. Geschwommen wurde nicht direkt im Fluss,
sondern in Becken innerhalb des Schiffes, die vom Fluss gespeist
wurden.?? Bist Du viel mit Hirschfeld zusammen? Grüße an Kapper!