Arthur Schnitzler: Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren1895-10-07Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 7. 10. [1895]Goldmann, PaulMüller, Martin AntonUntner, LauraÖsterreichischer Wissenschaftsfonds FWFGeorg-Coch-Platz 21010 WienAWienschnitzler-briefeTranskription und KommentierungMüller, Martin AntonUntner, LauraAustrian Centre for Digital Humanities Vienna2023
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https://hdl.handle.net/21.11115/0000-0012-CEBF-E
Machine-Readable Transcriptions of the Correspondences of Arthur Schnitzler
DMarbach am NeckarDeutsches LiteraturarchivA:Schnitzler, HS.NZ85.1.3165handschriftlicher Brief, 1 Blatt, 1 Seite, deutsche Kurrent; im
Deutschen Literaturarchiv Marbach unter der Signatur
HS.NZ85.1.3166/9 eingeordnet und damit den Korrespondenzstücken des
Jahres 1896 zugeordnet. Bleistiftvermerk
von Schnitzler: »Inst. Rudy«vier Unterstreichungen und das Jahr »95« vermerktGermanGoldmann, Paul7. 10. [1895]ParisSchnitzler, Arthur[8. 10. 1895
– 12. 10. 1895?]WienGoldmann, PaulGoldmann an Schnitzler, 6. 10. [1895]Schnitzler an Beer-Hofmann, 10. 10. 1895Goldmann an Schnitzler, 6. 10. [1895]Goldmann an Schnitzler, [10.? 10. 1895]AngelegtDurchsichtIndex checkErgänzung BeilageDurchsichtDurchsicht
Frankfurter Zeitung(Gazette de Francfort). Fondateur M. L.
Sonnemann.Journal politique, financier,Paris, 7. Oktober.commercial et littéraire.Paraissant trois fois par jour.Bureau à Paris24. Rue Feydeau.Mein lieber Freund,
dieser Brief trifft Dich also am großer EreignisseUraufführung von Liebelei am im Burgtheater, oder hoffentlichschon am Ereignißtageselbst. Du kannst Dir denken, mit wie wachsendem Interesse
ich Deine letzten lieben Briefe gelesen. Gern hätte ichsie rasch beantwortet; aber
bei mir ist wieder der Trübsinn eingekehrt; und ich wollte nicht, daß mir allzuviel
davon in die Feder flösse. Ich danke Dir v von Herzen, daß Du mirso treulich berichtet hast. Gern hatte hätte ich all’ diese Zeit mit Dir everlebt; aber durch Deine Briefe habe ich doch wenigstens einen Wellenschlag
davon zuspüren bekommen. Am Ssten Schmerzlichsten ist es mir, daß ich Mittwoch
nicht dasein kann. Erstens, um rascher zu wissen, wie es ausgegangen, und zweitens,
um Dir mit Dir ein wenig die Zeit bis zum zu verplaudern. Freilich
hättest Du meiner wohl kaum bedurft. Mit großer Freudesehe ich aus Deinen Briefen,
wie ruhig Du bist. Und wenn doch am Mittwoch das Herzklopfen kommensollte – in Jener Stunde besonders, wo
der Abend über den Volksgarten niedersinkt, eigens für Dich
niedersinkt –so wirst Duschon eine liebe Hand in Deiner Nähe haben, die bereit ist,
die Deinige zu drücken. Ichselbst bin Deiner Sachesicher. Fa Für mich kann essich nur um die Größe des Erfolges handeln; ein Mißerfolg ist
ausgeschlossen, da aus dem einfachen Grunde, weil
nicht das ganze Wiener Publicum plötzlich
irrsinnig werden kann. Oh, ich glaube, es wirdschönsein. Vielleicht nicht allzustürmisch, aberschön. Und wenn ich denke, daß Du
dahin gekommen,still und ehrlich, Dir sselbst
getreu, und einfach Deines lieben Herzens Sprache redend, –so fühle ich, daß es ein
hoher Ehrentag ist für Dich, für den Poetensosehr
wie für den Menschen, und einstarkes Beispiel für uns Alle. Ich habe das Bedürfniß,
Jeden dieser Briefe mit Wünschen zu füllen. Leider kann ich ja bei der ganzen
Angelegenheit nichts thun, als Dir fortwährend »Glück!« und »Glück!« zurufen. Aber
hier will ich es wenigstens an den Meinigen nicht fehlen lassen. So kommt denn noch ein letzter herzinniger Wunsch, daß es gut werden
möge. Damit umarme ich Dich und lasse Dich Deinen Weg gehen
Den Mittwoch werde ich mit meinen Gedanken in Wiensein und werde versuchen, die Zeit bis zum nächsten
nicht lang zu finden. Denn, nicht wahr, Du telegraphirstSchnitzler schickte tatsächlich ein
Telegramm, Goldmanns Telegramm vom reagiert
darauf. mir ein paar Worte? Und dannschickst Du mir auch wohl die
Referate, ichsende sie Dir umgehend zurück. Sehr
lieb wäre es, wenn auch Richard mir telegraphiren wollte; der könnteschon etwas ausführlicher berichten.
Dabei fällt mir ein, daß es am Ende vielleicht doch gut ist, wenn ich nicht dabei
bin. Ich hätte mich ausgenommen, wie die unverheirathete ältere Schwester auf der
Hochzeit der Jüngeren
Dein letzter Brief war besondersschön. So voll guter Stimmung,so zu Herzen gehend!
Deinem Stück thust Du aber
doch wohl Unrecht. Garso dündüm dünn ist es, weiß Gott, nicht. Duselbst weißt, was Du hättest dazu noch dazuthun können, der Zuschauer aber nicht,
und diesem erscheint es voll genug. Eines ist re richtig, daß die Figur des Alten hätte erweitert und vertieft werden können. Man hätte gern mit ihm
nähere Bekanntschaft gemacht. Aber den gibst Du uns vielleicht in einem neuen Stücke.
Und wer könnte auch den Reichthum des Lebens auf der Bühne verlangen, wie Dusagst?
Das Dramatische ist ja gerade eine Auswahl
aus der Fülle. Nur das Wesentliche gehört a auf die
Bühne; und Du weißtselbst am Besten, daß die dramatische Kunst in der Aus Ausscheidung, Beschränkung, Vereinfachung liegt. Für des Lebens Reichthum und
Fülle hat das ist das Theater zu klein
Es istschön, daß es mit den Probenso gut gegangen und daß die Leuteso
liebenswürdig zu Dir waren. Nach Allem Nach den Namen
der Schauspielern und nach dem, was Duschreibst, zuschließen, wird die Aufführung
eine vorzüglichesein. Es ist doch auch gut, wenn ein Director vor einem Stücke Angst
hat. So ist er gezwungen, es zum Erfolg zu führen, und die besten Krästeseines Theaters dafür einzusetzen. BurckhardtsZoHasensüßerei, unter der Dusoviel gelitten, kommt
Dir hier doch am Ende zugute. So läuftstellt doch Alles am Ende wieder auf Alles in den
Dienst des Guten,selbst das anfangs Hindernde. Die
große Tragödin zum Beispiel!
Diese verstehe ich besonders gut in der Sache. Sie hat gesehen, daß die Rolle vorzüglich ist und daßsie Erfolg haben wird. Das ist doch w noch ein höherer Genuß, als der, Inf einem ehemaligen Geliebten Infamien anzuthun. So
wirdsie süssüß und zahm. Das läuft auf das heraus,
was ich immersage: Man gebesich mit der Komödianten-Gemeinheit nicht ab undschaffe ruhig weiter. Das unfehlbar
beste Mittel gegen Bühnen- Theater-Intriguen ist ein
gutes Stück. Jawohl, mein Freund, der Sieg des Guten und Schönen. Es ist gar nichtso
gymnasiastenhaft, daran zu glauben, wie Duschreibst. Ich glaube immer mehr daran.
Die Gemeinheit und alles Schlechte istsehrstark hinieden; aber es gibt doch kaum
etwas, dasstärker ist, als diese zwei Herkulasse: Gut und Schön. Auch ahnst Du gar nicht, wieviel gerade im Falle Arthur Schnitzler liegt, das Einen wieder mit dem Weltlauf
auszusöhnen vermag
Reden wir ein wenig von Geschäften. Anbei findest Du einen Brief, den ich nicht
beantworten wollte, ohne Dich zu fragen. Ich rathe Dir ab, vorläufig das
Übersetzungsrecht der »Liebelei« zu vergeben.
Warten wir erst ab, wie die Dinge gehen. Madame Aubry ist mit der Übersetzung
der »Kleinen
Komödie« fertig. Ertheile ihr die Autorisation in einem deutschen Briefe, den Du mirschicken magst. Aubry hat mir versprochen, einen kleinen Bericht[Georges Aubry]: Théâtres. [Notre correspondant de Vienne]. In: La Liberté, Jg. 30, Nr. 11.289, 12. 10. 1895, S. 3. Siehe dazu auch . über die Aufführung der »Liebelei« in die »Liberté« zu bringen. Schon zu diesem Zweck brauche ich das oben erbetene Telegramm. Dem
Herzlsolltest Du doch ein Feuilleton geben. Glaub’
mir, Du kannst esschreiben, es ist Dir nur unbequem. Du hast doch auchschon kürzere Sachen gemacht, zum
Teufel! Denk’ Dir halt, daß Du es nicht für die »Neue Freie Presse«schreibst. Aber ich halte es
fürsehr wichtig, daß Dein Name auch dort erscheint. Daß »Sterben« bei Perrin erscheint, ist vortrefflich. Es ist ein anständiger Verlag, dersreilich wenig Verbindungen mit
Zeitungen hat. Denn hierschreibt das Gesindel nur über Bücher, wenn der Verleger dem Blatt ein Pauschale
zahlt. Aber laß’ gutsein, ich schaffschaff’ Dirschon eine oder die andere Besprechung
Was Du über »Juliens Tagebuch«schreibst,
überzeugt mich nicht. Inzwischen habe ich auch »MariaPeter Nansen: Maria. Ein Buch der Liebe. Autorisierte Übersetzung aus
dem Dänischen von Mathilde Mann. Berlin: S.
Fischer1895. (Originalausgabe: Maria. En Bog om
Kjærlighed. Roman, 1894.)« gelesen. Das gesällt mir viel besser. Ich weiß nicht, ob es wa ein wahres Buch ist; von diesen Liebes-Dingen verstehe ich wenig; aber es ist
poetisch undstellenweise entzückend poetisch. In
»Juliens Tagebuch« mag ich vor Allem den Mann
nicht, diesen Schwerenöther, dem alle Weiber zufliegen, derseine Systeme mit ihnen
hat, der Je auch in dem heißen Sturm mit Juliestets den Kopf oben behält und der Juliens Liebe in genau abgezählten Tropfen zusich nimmt:
Drei Eßlöffel voll und nicht mehr; das Übrige istseiner wäreseiner Gesundheitschädlich; undso hört er auf,
gerade, wo es nöthig ist. Ist das wirklich wahr? Du kennst diese Seite des Lebens
besser, wie ich, aber ich kanns nicht glauben, daß
das wahr ist. Gerade in diesem Buche fehlt mir des Lebens fülle des Lebens
Fülle. Garso einfach liegen doch die Dinge nicht. Mir wasch riecht das das Buch zusehr nach Schreb Schreibtisch. In »Maria« ist Wärme und Süßigkeit. Ich halte das für das erste
der beiden Bücher,
und ich finde es unnöthig, daß Nansen nach der poetischen Liebesgeschichte uns dieselbe Geschichte noch einmal »wahr«
geschrieben hat. Gibt es überhaupt wahre
Liebesgeschichten? Das ist vielleicht Allessehr du dumm, was ich dasage; aber mir fehlt etwas an dem
Buche, und ich kann nicht
recht ausdrücken, was mir fehlt
Das wäre wohl Alles für heut. Bald, allerbaldigst höre
ich von Dir, nicht wahr?
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund!
Dein treuer Paul Goldmann
Viele Grüße an Richard!
Institut RudyParis, le3 October 1895fondé en1860Langues, Lettres, SciencesArts d’Agrément4, Rue Caumartin, 4(Boulevard des Capucines)Ci-Devant: 7, Rue
RoyaleSehr geehrter Herr Doctor!
Auf Empfehlung des Herrn DrGollmannWilhelm Gollmann war ein Wiener Mediziner, der von Schnitzler die Erlaubnis hatte, Sterben ins Englische zu übersetzen. Er delegierte die Aufgabe an Mary Hargrave. Der Verleger William Heinemann sagte aber ab, weil: »there has been so marked a reaction in this country
of late against the morbid and the horrible in fiction that I feel almost
certain the book in spite of its merits would be a failure here« (Brief von Wilhelm
Gollmann an Schnitzler,
21. 9. 1896, DLA,
85.1.3186). erlaube ich mir Sie um die Adresse des Herrn Schnitzler, Schriftsteller in Wien, zu ersuchen, da ich mich beftreffs UebersetzungEine Übersetzung von Liebelei durch Riese ist nicht bekannt.ins Französischeseines Stückes Liebelei an ihn wenden möchte.
Ihnen im Voraus für Ihre freundliche Mühe bestens dankend zeichne
Hochachtungsvoll M O RieseSprachlehrer für
Deutsch und Englisch in Paris