Frankfurter Zeitung(Gazette de Francfort).Fondateur M.L. Sonnemann.Journal politique,
financier,commercial et littéraire.Paraissant trois fois par jour.Bureau à Paris:Paris, 11. Januar.24. Rue Feydeau.Mein lieber Freund,Heut geht das Opernglas an Dich ab. Ich habe Dich
lange warten lassen müssen. Erstens hatte ich viel zu thun, zweitens war es keine
leichte Geschichte. Ich bin bei allen möglichen Optikern herumgelaufen. Die große
Schwierigkeit war der Ausschluß von Perlmutter. Alles, was hier hübsch und Pariserisch aussieht, wird in Perlmutter aller
Arten und Farben gemacht. Dann hat man noch ganzschwarze Operngläser, endlich SchildpattMaterial aus Schuppen von Meeresschildkröten, das auch als Musterbezeichnung
gebräuchlich ist.. Ich habe mich zu letzterem entschlossen, damit wenigstens
etwas Farbe daran ist. Weitere Schwierigkeit: Die wirklich guten Gläser findensich
nur bei den großen Instrumenten. Je kleiner die Gläser, umso weniger gutsieht man.
Je kleiner die Gläser, umso zierlicher freilich und umso reicher ornamentirt ist die
Form des Ganzen. Michstrict an Deine Weisungen haltend, habe ich das den Gläsern nach beste Opernglas genommen, das ich in de der betreffenden Preislage finden konnte. Es enthält
zwölf Gläser undstammt von einem in Paris bestbekannten Optiker. Um eine gewisse Mansieht gut dadurch, freilich mußte ich deshalb ein etwas größeres Format wählen. Es
ist zur Herstellung Aluminium verwendet, was jetzt hiersehr in der Mode ist. Ich kann das zwar absolut nicht leiden, aber das Opernglas hat
dadurch den Vortheil größter Leichtigkeit. Auchsonst gefällt mir meine Wahl äußerlich gar nicht; abe
aber Du hast mir zu enge Grenzen gesteckt, und mein Geschmack konntesich darin nicht
frei bewegen. Jedenfalls habe ich mit dem Optiker den Umtausch ausgemacht. Gefällts Dir also nicht,soschickst Du mirs zurück und
gibst mir nähere Weisungen. Kostensollte es 60 Frcs, ich
habe aber einige Tage manövrirt undschließlich 50 Frcs herausgehandelt. Freilich dürftesich der Ehrenmann wohl noch 5 Frcs für Verpackung, Porto
etc. herausschwindeln. Soll ich Dir den Restschicken
odersoll ich noch etwas dafür hier kaufen?
Über die verschwundenen Goldstücke hat die hiesige Post auf meine Beschwerde eine Untersuchung eingeleitet, wie beifolgendes
Papier bestätigt, das Dir vielleicht als Ausweis
gegenüber der österreichischen Post dienen
kann.
Auchsende ich Dir einen Brief von Thorel, der ein StückDeux sœurs, pièce en 3 actes wurde am 23. 4. 1896 im Pariser Odéon uraufgeführt. im
»Odéon« aufgeführt bekommensoll. Man zieht ihn furchtbar damit herum, und das macht
ihm den Kopf verrückt. Lassen wir ihm noch etwas Zeitmit der Übersetzung von Liebelei.
Den guten Mannaus Lyon.
bescheide aufschiebend. Viel Vertrauen flößt er mir nicht ein. Die
Zeitschriften, die er vor nennt,sind unbedeutend,
die Refer Beziehungen, die er angibt, noch mehr. Für
das »Œuvre« oder das »Théâtre Libre« brauchen wir ihn nicht. Mit denenstehe ich allein in Verbindung. Auchspielt
man dortso erbärmlich, daß ich Dich nicht gern dort aufgeführtsehen möchte. Endlichsoll Dein Stück in Paris übersetzt werden. Was aus der Provinz, aus Lyon kommt, darüber rümpfensie in Paris bereits die Nase. Nach einem großen Erfolge in Berlin – den ich voraussehe – werdensich Dir ganz andere Leute anbieten; vorher darfst Du wohl
kein Engagement eingehen.
Vielen Dank noch für Deine Einladung zum
Zusammentreffen in FrankfurtSchnitzler hielt sich zwischen und in Frankfurt am Main auf.! Das wäreschön
gewesen. Aber die Idee war phantastisch. Im Januar von
hier fort! Ich glaube, ich wäre entlassen worden. Und kein Geld zur Reise! Nur
Schulden! Nie im Leben bin ich dem Bankerottso nahe gewesen. Aber es war lieb, daß
Du an mich gedacht hast. Wann werden wir uns
wiedersehenSie sahen sich am 5. 8. 1896
in Kopenhagen wieder.? Gott weiß! Ich
glaube, ich gehe nicht mehr aus Paris heraus. Hier bin ich vergraben, die Welt draußen aber thut mir wehe weh. Neugierig bin ich auf das Ergebniß der ersten Aufführung in DeutschlandLiebelei-Premiere am im Deutschen Theater Berlin und – auf meinen Onkel. Ich habe ihm dieser Tage geschrieben, weil ich furch fürchte, daß er Dir wehthut aus Haß gegen SpeidSpeidelLudwig Speidel hatte sich zuvor sehr
positiv zu Liebelei geäußert. Siehe
[Ludwig Speidel]: Theater- und Kunstnachrichten.
[Burgtheater]. In: Neue Freie
Presse, Nr. 11.181, 10. 10. 1895,
S. 7 und L. Sp. [ = Ludwig Speidel]: Burgtheater. (»Liebelei«, Schauspiel in drei Aufzügen von
Arthur Schnitzler. – »Rechte der Seele«, Schauspiel in einem Act von
Giuseppe Giacosa, deutsch von Otto Eisenschitz). In: Neue Freie Presse, Nr. 11.184, 13. 10. 1895, Morgenblatt, S. 1–3.. Im Grunde aber ist er doch ein hochanständiger und
kunstliebender Mann – und darauf hoffe ich.
Ich habe Dir fürso viele liebe Briefe zu danken. Dein letzter war melancholisch.
Dein Talentsoll nur Deine Jugend gewesensein. Oh Du Kind! Wenn irgend ein Talent zu
reifen bestimmt ist,so ist es Deines. Es ist kein Schwindel und kein Dunst darin. Es
beruht auf klarer und ern ernster Anschauung des Lebens. Das Das
kann nicht altern. Im Gegentheil. Dasich Einem das Leben immer größer und
vielgestaltiger aufthut, je älter man wird – was wird Dein Talent erst daraus ziehen,
wenn nachdem es aus dem Bischen Jugend und Liebeschonso viel gezogen hat! Oder wirst Du vielleicht morgen plötzlich aufhören, ein Poet zusein? Glaubst Du, das verliertsich mit den Jahren? Oh Du Kind!
Von meinem Leben will ich Dir nichtsprechen. Ichschäme mich. Es ist zusehr
dieselbe Geschichte. Das Leben, unermündlich mir ne
neue Glücks-Möglichkeiten in die Hand zuspielen, und ich unermüdlich,sie mirstets auf dieselbe Weise zu
verderben: durch Schwäche, durch mangelnde Mannhaftigkeit etc. Wenn man 31 Jahre geworden ist,so ändert mansein Leben nicht mehr.
Und wenn es einmal in eine falsche Richtung eingelenkt ist,so geht es unaufhaltsam
in dieser Richtung weiter. Verfahren! Unglücklichsein, das kann man ertragen. Aber wenn manstets durch eigene Schuld
unglücklich ist, – das erträgt man kaum.
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund! Schreib’ mir bald! Wiestehts mit dem neuen Stücke? Rückt die zweite NiederschriftSchnitzler, der mit Freiwild äußerst unzufrieden war, hatte das Stück am
neu begonnen. vorwärts?
Viele Grüße an Richard!
In Treue
Dein
Paul Goldmann.
No 1293 G⋅A⋅C.Décembre 91 – Coq. 55.Ministère du Commerce, de l’Industrie et des
Colonies.Direction Générale des Postes et des
Télégraphes.Exploitation Postale.Bureau des Réclamations.2e Sectione.–6–No sp. 344.Avis d’enquête.République Française.Paris, le23 décembre 1895.Monsieur,J’ai reçu la réclamation que vous m’avez adressée le21 décembre courant, à l’occasion d’une lettre
recommandée qui vous a été expédiée de Vienne
(Autriche), le 19 décembre, sous le No 745, par M.
Schnitzler, dans laquelle vous déclarez n’avoir
plus trouvé trois pièces de 20 f. qui y auraient été
insérées.französisch: Ich habe Ihre Beschwerde
erhalten, die Sie am 21. Dezember an mich gerichtet
haben, betreffs eines eingeschriebenen Briefes, der Ihnen am 19. Dezember von Herrn Schnitzler aus Wien (Österreich) zugesandt wurde und in dem Sie
angeben, drei Münzen zu 20 f. nicht mehr gefunden zu haben, die darin enthalten
gewesen sein sollen.
Des ordres ont été immédiatement donnés pour que les faits
que vous m’avez signalés soient l’objet d’une d’une enquête dont je vous
ferai connaître le résultat dès qu’elle sera terminée.französisch: Anweisungen wurden
unmittelbar getroffen, dass die Tatsachen, auf die Sie mich hingewiesen haben, die
Grundlage einer Untersuchung bilden, deren Ergebnis ich Ihnen nach Abschluss
mitteilen werde.
Agréez, Monsieur, l’assurance de ma considération distinguéefranzösisch: Gestatten Sie mir, mein
Herr, die Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung
Pour le Directeur Général des Postes et des Télégraphes:
Par L’Administrateure,
BlanquiMonsieur Paul Goldmann
12 rue de MilanCher Monsieur Goldmann,Très touché de votre aimable attention du jour de l’an. Je
vous envoie aussi tous mes meilheurs souhaits.französisch: Sehr berührt von Ihrer
freundlichen Aufmerksamkeit zum Neujahrstag.
Pourriez-vous me dire l’adresse de Schnitzler? Elle était
bien sur sa lettre, mais illisible. J’ai été très pris ce mois-ci par une affaire
que je voudrais entreprendre, et je n’ai pas
encore eu le temps de lire »Liebelei«, mais
je pense bien pouvoir le lire ces jours-ci.französisch: Können Sie mir die Adresse
von Schnitzler mitteilen? Sie stand wohl auf
seinem Brief, aber unleserlich. Ich war diesen Monat von einer Sache mit Beschlag
belegt, die ich unternehmen möchte, und hatte noch keine Zeit, »Liebelei« zu lesen, aber ich bin zuversichtlich, in den
kommenden Tagen dazu zu kommen.
Votre très dévouéfranzösisch: Ihr sehr ergebener
Jean Thorel