Frankfurter Zeitung(Gazette de Francfort).Fondateur M.L. Sonnemann.Journal politique,
financier,commercial et littéraire.Paraissant trois fois par jour.Paris, 22. Juni.Bureau à Paris24. Rue Feydeau.Mein lieber Freund,Es istsehr lieb und freundschaftlich von Dir, daß Duso auf dem Zusammentreffen mit
mir bestehst. Auch mir kannst Du glauben, daß ich Dich nicht mit leichtem Herzen
»aufgeben« würde und daß ichsehr betrübtsein würde, wenn ich Dich in diesem Jahre
nichtsehen könnte. Aber es wirdsich dochschwer machen lassen.
Da ist zunächst der materielle Grund. Ich habe weniger Geld als je, und wenn ich auch mich im Princip nicht f fürchten würde, mir etwas von Dir auszuleihen,so
heißt doch »ausleihen«soviel, als: Geld nehmen, um
es wiederzugeben. Nach meinen jetzigenIn der Vorlage steht:
»jeztigen
«. finanziellen Zuständensehe ich aber absolut
kein Mittel, D das Ausgeliehene in absehbarer Zeit
zurückzugeben. Dazu kommt noch Allerlei ansonstigen Gründen: Ich binsehr müde und
nervös, und die weite Eisenbahn-Reise erschreckt mich. Ich kann ferner weder Seeluft noch Seed Seebad vertragen,sondern brauche zu meiner Erholung Gebirgsluft. Außerdem
habe ich über die Preise in Scodsborg von einem Dänen, der
jedes Jahr hingeht, ganz andere Auskünfte erhalten, als Ihr: er meint, essei das
theuerste dänische Seebad. Endlich ist
mir interessirt mich der skandinavische Norden
wenig, Dänemark ganz besonders wenig, und durch das Dänen-Gesindel, das ich um AlbAlbert Langen habe kriechensehen, habe ichsogar einenstarken – vielleicht ungerechten –
Widerwillen gegen Dänenthum
bekommen. Nun glaube ich fernerso: Du wirst nach vier Wochen schwedisch-norwegischer Reise ausgiebig genug von Skandinavien haben, desgleichen Richard, wenn er bereits im Juli hingeht. Da Ihr nunso wieso nach Mittel-Europa zurück müßt, wie wäre es, wenn wir uns im Augustin der Schweiz träfenDazu kam es nicht, .
? Einen großen Umweg macht Ihr nicht. Auch ist es gar nicht übel: vier Wochen
zu reisen undsich dann in der Schweiz, im Engadinzu etwa, auszuruhen. Warumseid Ihr denn garsosehr auf das verfluchte Dänemarkerpicht, erpicht, wo es nicht einmal Kunst gibt,
außer Thorwaldsen, den man doch besser nicht kennt. Und Hamlet, welcher der einzig interessante Däne war, ist auchschon todt. Wenn Ihr nun darauf besteht,so werde ich doch mein Möglichstes thun, um zu kommen. Aber Ihrsolltet auch Einwände
hören.
Daß man von Albert Langen überhaupt Einwänd Eindrücke empfängt, überrascht mich. Das zählt doch gar nicht mit. Das ist ein
dummer Bube, dessten dessen geistige Unfähigkeit
hart an Blödsinn grenzt,. Das ist zugleich frech und infam. Ich bitte Dich: laß’ Dich mit dem Burschen in keiner Weise ein,
gib’ ihm keinen Rath und verhilf’ ihm zu kei keinen
Bekanntschaften. Er wird Dich ausnutzen und
Dich mit Bübereien entlohnen
Ich habe den Richard Mandl nun endlich kennen gelernt. Begeistert bin ich nicht. Ein netter und ganz
gescheiter Mensch, abersehr egoistisch,sehr berechnet,sehr kalt,sehr vonsich
eingenommen,sehrstolz aufseine relations mondainesfranzösisch: weltliche
Beziehungen. Talent? Einiges jedenfalls, viel aber wahrscheinlich nicht. Er hat ein LiedEs handelte sich um eine Vertonung von Schnitzlers Gedicht Anfang vom Ende.
Schnitzler dürfte sie erst am zu hören
bekommen haben. von Dir componirt, wie Du weißt. Ich halte das für
mißlungen. Die leichte Trauer des Liedes hat er in dieschwersten Accente übersetzt. Das Lied ist melancholisch, die Musik tragisch,
Verse und Compositionsehensich an und könnensich nicht verstehen.
Bitte, danke Richard fürseine Correspondenz-Karte. Ich hoffe, das
hat ihn nicht zusehr ermüdetSpott über die Schreibfaulheit Beer-Hofmanns. Am Tage, wo er diese
Correnspondenz-Karte verfaßt, hat er gewiß nicht mehr am »Götterliebling« weitergeschrieben, –
hoffentlich aber hat sich ersich am nächsten Tage
wieder diesem Werke
zugewendet, dessen zw zweites Capitel jetzt
sichesicher bereits der Vollendung
entgegenreift.
Grüß’ Dich Gott, liebster Freund!
Dein
P. Goldmn
Le 19 Juin ’96Die Beilage ist diesem Brief
ausschließlich auf Grundlage der Datierung auf den 19. 6. 1896 zugeordnet. Weder in diesem noch in einem anderen Brief
geht Goldmann auf das Schreiben
ein.Mon cher confrère Ci-joint l’articleeventuell die knappe Würdigung von Schnitzlers bisherigem Schaffen anlässlich des Erscheinens
von Mourir, die ohne Angabe eines Verfassers
(Abel Hermant?) erschien: Lettres, Sciences et Arts. In: Journal des débats, Jg. 108, Nr. 168,
16. 6. 1896, S. 3 dont je vous ai parlé. Peut-être M. Schnitzler en aura déjà pris
connaissance, si par exemple vos confrères à Vienne ou à Berlin ont eu l’obligeance
de le lui faire parvenir.französisch:
Anbei der Artikel, den ich Ihnen gegenüber erwähnt habe. Vielleicht ist er Herrn
Schnitzler schon zur Kenntnis gelangt,
wenn beispielsweise Ihre Kollegen in Wien
oder Berlin die Freundlichkeit besaßen, ihn
ihm zukommen zu lassen.
Mille amitiés
Votre dévoué
AHermant.