Frankfurter Zeitung(Gazette de Francfort).Fondateur M.L. Sonnemann.Journal politique,
financier,commercial et littéraire.Paraissant trois fois par jour.Bureau à Paris24. Rue Feydeau.Berlin, 7. September.Mein lieber Freund,Morgen, Dienstag, fahre ich heimSchnitzler war bereits am von Berlin über München nach Wien gereist, wo er am
ankam. (»heim« ist gut!), und Dein lieber Brief ist das letzte Angenehme,
das mir hier widerfährt.
Ich freue mich, daß Du glücklich wieder in Wien
bist und dort Alles beim Rechten gefunden hast.
Burckhardts Begeisterung. für
Dein Stück ist ein weiteres
gutes omen. Daß das Werk den Theaterleutenso gefällt, ist dasstärkste Zeugniß
für die Theater-Wirkung, die man davon erwarten
kann. Warum B.sämmtliche
noch überlebenden Personen des Stückes von d umbringen will, ist mir nicht recht begreiflich. Diese Abänderungs-VorschlägeIn der Vorlage steht: »Vorschlage
«.sindsehr komisch. Da wüßte ich viel bessere: Annasoll den Kassierer Kohn heirathen und Vogelsoll in dem Theater-Directorseinen verloren geglaubten Vater wiederfinden
Die Äußerung des allerhöchsten Herrn über »Liebelei«. ist
köstlich. Ich hoffe, Seine Majestät versteht vom Regieren mehr, wie von der Kunst, sonst müßte man mit großer Besorgniß in die Zukunft
Österreichs blicken. Mitterwurzer istso der rechte Sau-Komödiant. .
Schreib’ ihn ihm einmal eine Rolle, in der er Erfolg
hat, und er wird Dich als das erste Genie der Welt ausschreien.
Von Richard weiß ich Dir wenig zusagen. Er mußschon in Baden. sein.
Während der letzten Tageseines Hierseins war er nervös und ergingsich in
unangenehmen Betrachtungen über die »guten Menschen«. Paula hat er fortgeschickt;sie wollte natürlich
zum Schluß durchaus noch dableiben, weilsie bei HagenbeckHamburger Tierparksoschöne Affen und Raubthiere gesehen hatte.
Was mich anlangt,sosind mir die Tage in Berlin
recht angenehm verflossen. Der liebste unter den Menschen, die ich hier kennen
gelernt, ist mir Dr. Bie. Er ist ehrlich und gut. Wir verstehen uns und haben uns wohl auch gern. Kerr mag ich weniger. Ich wittere in ihm den
froid ambitieuxfranzösisch: kühler Ehrgeizling.
Mit Brahm, Rittner und Richard verbrachte ich einen Abend. Rittner gefiel auch mir ausnehmend. Brahm forderte mich auf, ihm noch einmal Rendezvous für einen Abend zu geben. Ich
hab’ es aber nicht gethan; ich glaub’ nicht, daß ihm irgend etwas an mir liegt. Fischer hatsofort in mir einen ausnutzbaren Mann gesehen, hat michsich von mir einige Stunden über Paris erzählen lassen, hat mich auch zum Abendessen
geladen. Das Die Herausgabe der Humoristen hat er
natürlich abgelehnt. Hingegen wirdseine Frau wohl einen oder den anderen von diesen Leuten jetzt
übersetzen, angeregt durch die Lectüre meiner FeuilletonsGoldmann hat in seiner Feuilletonreihe Neue französische Humoristen in der Frankfurter Zeitung verschiedene
Literaturschaffende vorgestellt, jeweils mit einer kurzen Einleitung und einer
kleinen Übersetzung. Während die ersten Beiträge nachgewiesen werden können, muss
offen bleiben, wie viele Beiträge in Folge erschienen sind. Alphonse Allais, 3. 9. 1893; Georges Courteline,
31. 12. 1893 und 1. 1. 1894; L. Xanrof, 25. 3. 1894, Pierre Veber, 11. 5. 1894
und 13. 5. 1894; Narcisse Lebeau, 5. 10. 1894; Tristan Bernard. – Georges Auriol. – Bill
Sharp. – Maurice O’Reilly, 14. 4. 1894 und
17. 4. 1894. Zu Übersetzungen von diesen Autoren durch Hedwig
Fischer konnte nichts gefunden werden.! Das mindert nicht den
Freundschaftsdienst, den Du mir hast leisten wollen, und ich danke Dir von ganzem
Herzen dafür. Die Zeichnung von Forainnicht ermitteltkonnte ich ihm nicht zeigen. Ich habesie dem Richard für Dich mitgegeben; derselbe hat auch Deinen Altenberg. Sag’ ihm, bitte, daß ich ihm den Gregoroviusnicht ermitteltsofort nach
meiner Ankunft in Parisschicken werde. Ich habe die den Brief mitseiner Badener Adresse verloren, und auchseine
Wiener Adresse finde ich erst in Paris.
Sonst hat mir Berlin besser gefallen, als ich erwartet. Aber lieb gewinnen könnte ich die Stadt
wohl nicht. Im Großen und Ganzen machtsie den Eindruck, einer rasch und billig hergestellten Großstadt. Aber überall fehlt Cultur und
Schönheit. Immerhin ist Vieles imposant; und die Leutesitzen da und hören Einem zu, ohsogar zu, als ahntensie, daß es noch etwas
jenseits ihres Horizontes gibt – was mich überrascht hat. Freilich dassind doch wohl flüchtige und vielleicht falsche
Eindrücke.
Meine arme Mama ist gestern unter vielen Thränen nach Frankfurt gefahren. Was daraus werdensoll, weiß ich nicht.
Einstweilen muß ich meine MonatsrateDamit dürfte eine
Unterhaltszahlung für Clementine Goldmann
gemeint sein. erhöhen. Ich kanns natürlich nicht, aber ich muß es.
Mir graust vor Paris – das heißt vor der Arbeit, die ich mich dort erwartet, und auch an dieser Arbeit ist nurschrecklich, daßsieso ganz vergeblich ist. Ichsehe es klarer wie je: Alles, was ich dort arbeite, kommt nur meinem Chef zu gute, nicht mir. All’ diese
Riesen-Anstrengung da drüben zählt nicht, und ich müßte eig noch nach dem ermüdenden Arbeitstage Zeit und Kraft finden, um das
Eigentliche zu arbeiten, das erst zählen würde. Unter diesen Umständen muß man müde und muthlos
werden.
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Arthur, und hab’ Dank für Deine Treue und Freundschaft
und für dieschönen Tage von SkodsborgNachdem Goldmann von Schnitzler, Richard Beer-Hofmann
und vermutlich auch Paula Beer-Hofmann am
5. 8. 1896 in Kopenhagen abgeholt worden war (), dürfte er bis um den 20. 8. 1896 mit ihnen in Skodsborg gewesen sein. Am war er jedenfalls, wenn auch
womöglich nur für einen Tag, wieder in Kopenhagen, zu Besuch bei Peter
und Betty Nansen. (nicht wahr,sie warenschön?)
Empfiehl’ mich Deiner Frau Mutter, deinem Bruder, deiner Schwägerin, Deiner Schwester und Deinem Schwager.
Empfiehl’ mich auch der unbekannten DameVgl. den Brief von Schnitzler an Marie
Reinhard, 25. 7. 1896: »– Mit Altenberg hast du ganz recht; freilich ist noch mehr zu sagen. Danke herzlich dass
du ihn an G.[oldmann] geschickt; er hat
ihn schon zum Theil gelesen.
« (Arthur Schnitzler an Marie Reinhard (1896).
Herausgegeben von Therese Nickl. In: Modern Austrian
Literature, Jg. 10 (1977) H. 3/4, S. 42.),
die mir den Altenberg übersandt hat.
In Treue
Dein
Paul GoldmannSchreib’ mir bald nach Paris.
Wann gehst Du nach BerlinSchnitzler war bereits vom bis zum
in
Berlin. Das nächste Mal war er dort
zwischen und .?