Frankfurter Zeitung(Gazette de Francfort).Fondateur M.L. Sonnemann.Journal politique,
financier,commercial et littéraire.Paraissant trois fois par jour.Paris, 26. September.Bureau à Paris24. Rue Feydeau.Mein lieber Freund, Ich bestätige Dir den Empfang der 500 Francs, die ich
gleich an Thorel weitergeben will. Anbei ein Brief von ihm.
Ich füge ferner einen Brief von Nansenbei bei, den ich dieser Tage erhielt, nachdem ichseiner Frau französische chansonsfranzösisch: Lieder geschickt.
Ihrsolltet dem Manne einen
GrußschreibenIn Folge schrieb Schnitzler am 28. 9. 1896 an
Peter Nansen. Siehe Peter Nansen – Arthur Schnitzler. Ein Briefwechsel zweier
Geistesverwandter. Herausgegeben, kommentiert und mit einem Nachwort
versehen von Karin Bang. Roskilde: Zentrum für
österreichisch-nordische Kulturstudien2003, S. 5–6 (Småskrifter fra CØNK / Kleine Schriften
von ZÖNK 9).
, denke ich.
Es thut mir von Herzen leid, daß Dich die Wiener
Nervositäten wieder haben. Gibts denn gar kein
Mittel dagegen? Geh’ doch auf ein paar Wochen nach dem Süden!
Was hörst Du aus Berlin über Dein StückGoldmann wollte wissen, wie die
Vorbereitungen zur Uraufführung von Freiwild
vorangingen. Vgl. Der Briefwechsel Arthur Schnitzler – Otto
Brahm. Vollständige Ausgabe. Herausgegeben, eingeleitet und
erläutert von Oskar Seidlin. Tübingen: Niemeyer1975, S. 14–28. ? Daß es Dir zuwider ist, verstehtsich vonselbst. Das ist die natürliche Reaction gegen die ungeheure Arbeit, die Du
darauf verwandt hast.
Dieser Tage war ein Arthur Holitscher bei mir. Was ist das? Er hat zunächst gegensich, daß er von Bahr empfohlen wird. Auchsonstsieht er mehr nach einem Lausbuben aus, als nach
irgend etwas Anderem.
Der Schiller-GoethescheBriefwechsel macht michsehr nervös. Diese Leute, diesich über nichts als über
Bücher undsonstiges Literarischesschreiben! Dieses unerträglich Gönnerhafte von
Seiten Goethes, der den vornehmen Herrn
gegenüber dem Professorspielt (»Mein Werthester«, »werther Mann«) und gegenüber dem
Mann in kleinen Verhältnissen mitseinen Reisen renommirt, s mitseinem Reitpferde (»Ein Ritt von Weimar nach Jena wird mir gut thun«) etc. Und dieses nicht minder
unerträgliche Sich-Geehrt-Fühlen von Seiten Schillers! Eigentlich drücktsich nur
Goethe frei aus in dieser Correspondenz, bei Schiller merkt man immer die Gedrücktheit. An ihmsieht man, was für ein
kleinbürgerlicher a armer Kerl doch ein deutscher
Dichter ist! Nein, ein Briefwechsel ist nur erfreulich zwischen zwei Gleichstehenden.
Ich finde den unseren viel interessanter, als das, was ich bisher von dem zwischen
Goethe und Schiller kenne.
Was mit Dreyfus weiter wird, fragst Du? Gar nichts. Der Mann bleibt, wo er ist, und wird unschuldig gemordet, wenn
nicht ein Wunder geschieht. Die Enthüllungen der Presse, welche den unerhörten Blödsinn bewiesen, auf dem die Anklage
aufgebaut ist, werden hier als niederschmetternde Schuldbeweise betrachtet. Meine
ArtikelG. [ = Paul Goldmann]: Die Enthüllungen über
die Affaire Dreyfus. In: Frankfurter
Zeitung, Jg. 41, Nr. 258, 16. 9. 1896, Erstes Morgenblatt,
S. 1. Seither war nur eine ungezeichnete Notiz mit einem Brief der Gattin Lucie Dreyfus erschienen (Frankfurter Zeitung, Jg. 41, Nr. 261,
19. 9. 1896, Abendblatt, S. 2). Eventuell spielte Goldmann auf frühere Artikel an, die er seit
dem ersten Urteil gegen Alfred Dreyfus im
Dezember 1894 publiziert hatte. haben nur
den einen Erfolg gehabt, daßsie mir geschadet haben. Nicht nur daß ich in der Presse öffentlich
beschimpft worden bin – auch meine französischen Freunde haben mich mit Vorwürfen überschüttet: »Was geht Sie
diese Geschichte an? Niemand wird mehr mit Ihnen verkehren können« etc. Wenn mich ein guter Bekannter in einer
Redactionsstubenicht
identifiziert vertheidigen will,so wird ihm geantwortet: »Fragen Sie ihn
nur, welchen Grad er in der deutschen Reserve einnimmt« etc. Mangels weiteren
Materials habe ich natürlich die Campagne einstellen müssen. Sobald es aber wieder
losgeht – und es wird wieder losgehen – fange auch ich wieder an. Es kann mirsehrschlecht dabei gehen – aber das ist ja mir
gleichgiltig. Das ist ja gerade das Schöne in unserem Metier, daß man die Unschuldigen vertheidigen und die Schwachenschützen kann. Don Quixote ist ein herrliches Vorbild für einen Jou
Journalisten.
Wie ists mit Ebermann gegangen? Ich höre, man hat ihn als zweiten Grillparzerwohl wegen der mit Werken Grillparzers vergleichbaren Antikisierung in
der Athenerin begrüßt. Und was ist das für ein Schwindel mit dem in Berlin aufgeführten
Stücke von BahrBahrs Einakter Juana war am 22. 9. 1896
am Neuen Theater in Berlin uraufgeführt worden. Goldmanns Vorwurf des »Schwindel
« bezieht sich darauf,
dass Bahr nur als Übersetzer am
Theaterzettel stand, als Autorname aber Alejandro Lanza vermerkt war. Bereits die ersten
Besprechungen des Stückes
konnten berichten, dass es sich dabei um ein Pseudonym Bahrs handelte.?
Grüß’ Dich Gott!
Schreib’ bald!
Dein treuer
Paul Goldmann.Empfiehl’ mich der geheimnißvollen
Dame.
!
12 rue de Milan
jeudifranzösisch: Donnerstag. Der Brief
könnte demnach vom Vortag, dem 25. 9. 1896,
stammen..Cher monsieur Goldmann,Je suis en plein travail – j’ai déjà presque fini le premier
acte – j’aurais voulu
vous le montrer, mais mes dates de voyage et de passage à Paris ont été un peu brouillées, et je depars tout à l’heure
pour Auxerre où je resterai une huitaine de
jours.französisch: Ich bin mitten in der
Arbeit – ich habe den ersten Akt schon fast fertig – ich hätte ihn Ihnen gerne gezeigt, aber meine
Reise- und Aufenthaltsdaten in Paris sind ein
wenig durcheinander geraten, und ich fahre umgehend nach Auxerre, wo ich etwa acht Tage bleiben werde.
Sitôt rentré, je vous verrai, et je terminerai.französisch: Sobald ich zurück bin,
werde ich Sie sehen, und es beenden.
A mesure que je la pénètre davantage, je me rends de plus en
plus compte combien c’est exquis, cette petite pièce; et, avec cela, d’une habileté consommée. Et nous
aurons fait là un joli cadeau aux Parisiens.französisch: Umso weiter ich vordringe,
desto mehr merke ich, wie besonders dieses kleine Stück ist; und wie geschickt es gemacht
ist. Und wir werden den Parisern ein schönes
Geschenk machen.
Bien à vousfranzösisch: Der Ihre
Jean Thorel
Kopenhagen20 Sept. 96Lieber Herr Goldmann!Wenn ich nicht eher geschrieben habe, ist der Grund meine Manieristische Furcht für
die deutsche Sprache. Oft habe ich an Ihnen gedacht, an
Ihnen und Ihren Freunden. Ja, lieber Herr, Freundschaft und Sympathie kann man sich
nicht verklaren. Vom ersten Tag’, ich Sie sah, habe ich Sie lieb, und ich hoffe, wie
Sie, dass unsre Freundschaft in aller Zukunft dauern wird – auch wenn ich ein schlechter Briefschreiber bin.
Ich vergesse aber ganz meinen Dank z und den meiner Frau zu
bringen für die Zusendung der franzoesischen Chansons. Meine Frau freut sich sehr sie zu
singen – ich sie zu hören.
Ich bin jetzt Subscribent der Frankf. Zeitungg und habe neulich da eine ausgezeichnete Dreyfus-Feuilleton von Ihnen gelesen. Das ist das beste, was ich
von dieser merkwürdigen Sache gelesen.
(Ich schreibe so undeutlich um meine Sprachfehler zu
verbergen)
– – Ich wurde gestern in meinem Schreiben unterbrochen und setze jetzt fort, d. 21.hujuslateinisch: von diesem [Monat].
Meine Frau hat
in diesen Tagen im königlichen
Theater ihre Entrée gehabt mit grossem Erfolg. In einer kleinen Ibsen-Rolle. Frl. Bernick in »Stützen der Gesellschaft«.
Dieses Jahr werde ich deutscher
Journalist. Der vortreffliche Herr Fischer hat
mich engagiert vier Briefe vom Norden in »Neue deutsche
Rundschau« zu schreiben. Den ersten BriefPeter Nansen: Brief aus dem Norden. In: Neue Deutsche Rundschau, Jg. 7 (1896),
Oktober, S. 1028–1033. Der nächste Brief erschien im März-Heft1897. habe ich schon fertig. Der kommt im
October-Hefte.
Sie schreiben natürlich oft an Herrn Schnitzler und Beer-Hofmann. Sagen – bitte – den zwei liebenswertesten Menschen, dass sie mir nicht böse sein
dürfen, weil sie nichts von mir noch gehört haben. Sie wissen ja alle Drei den legitimen Grund
meiner Stummheit.
Ach – könnten Sie nur alle Drei recht oft ein Abendvisiten machen und mit uns plaudern und lachen und bisweilen – weil es
auch gut ist – ein bischen sentimental sein.
Lieber Freund – ich sende Ihnen alle meine besten Grüsse und meine Frau fügt ihre Grüsse zu den meinigen.
Vergessen Sie uns nicht zund schreiben Sie bald wieder.
Ihr ergebener
Peter Nansen