Frankfurter Zeitung(Gazette de Francfort).Fondateur M.L. Sonnemann.Journal politique,
financier,commercial et littéraire.Paraissant trois fois par jour.Bureau à Paris24. Rue Feydeau.Le FigaroMardi 10 Novembrefranzösisch: Le FigaroDienstag, 10. NovemberMon cherfranzösisch: mein lieber,Huret,
Pour compléter vos renseignementsJules Huret leitete die
Theaterrubrik des Figaro. Das Telegramm des Berliner
Korrespondenten wurde abgedruckt: Le Figaro, Jg. 42, Nr. 312, 7. 11. 1896, S. 4. sur
Arthur Schnitzler, laissez-moi vous dire que je viens de terminer la traduction en français
de cette LiebeleiIm gedruckten Text steht: »Liebelci.
« dont vous rappelez le grand succès, l’hiver dernier, à Vienne.französisch: Um Ihre Auskünfte über Arthur Schnitzler zu vervollständigen, möchte ich
kundtun, dass ich gerade die französische Übersetzung von Liebelei abgeschlossen habe, an deren großen Erfolg in Wien im letzten Winter Sie sich
erinnern.Déjà deux de nos
directeurs de théâtre.
m’ont promis de lire cette traduction. Ai-je
besoin d’ajouter qu’ils se proposent même de faire cette lecture »avec le
plus vif intérêt«.französisch: Zwei unserer
Theaterdirektoren haben mir bereits versprochen, die Übersetzung zu lesen. Muss ich noch
hinzufügen, dass sie diese Lektüre »mit dem lebhaftesten Interesse«
unternehmen?Votre bien dévoué,französisch: Ihr sehr
ergebenerJean Thorel.Paris, 13. November.Mein lieber Freund,Obensiehst Du einen Ausschnitt aus dem »Figaro«Jean Thorel: [Mon cher Huret]. In: Le Figaro, Jg. 42, Nr. 315, 10. 11. 1896, S. 4.. Die Übersetzung von Thorel ist – unter uns gesagt – leider rechtschlecht, nochschlechter, als ich geglaubt.
Er hatsich gar keine Mühe gegeben, die das natürliche und lebendige Deutsch des Dialoges in natürliches und lebendiges Französisch
umzusetzen. Ich tröste mich damit, daß es ein Anderer nochschlechter gemacht hätte.
Auch rechne ich auf die dem Stücke innewohnende Poesie, diesich beim
besten Willen nicht umbringen läßt
Mit Deinem lieben Briefe habe ich michsehr gefreut. Ich begreife Deine Stimmung, und
da Du Dir gewiß über die Gründe klar bist, wird auch dieses zweite Stück für Deine Entwickelung nützlichsein.
Das Stück ist Dir unsympathisch.
, weil es nicht Deiner Natur und Deiner Schaffensart entspricht. Es ist nicht
aus dem Leben herausgewachsen,sondern aus einer Idee, zu der hinterdrein die Figuren
gesucht wurden. Besonders sieht man das an dem Helden. Den hast Du nie
gesehen. Du hast ihn Dir künstlich zusammenzimmern müssen, damit er zu Deiner Idee
paßt. Darum bist Duso unsicher beiseiner Gestaltung gewesen, darum ist er Dirsoschwer gefallen, darum ist er auch heut nicht recht gelungen. Und der Hauptfehler
war: Es war ein Tendenzstück, und Du hast Dir das nicht eingestehen wollen und hast
es nicht als Tendenzstückschreiben wollen. Es war ein Tendenzstück, dasso aussehensollte, alssei es natürlich und erlebt. Das ist
unmöglich. Die procédésfranzösisch: das Prozedere
Deiner Kunst, die Natürliches und Erlebtes ausdrücken will und kann, waren hier im
Zwiespalt mit den Anforderungen des Sujets. Gerade die
Unparteilichkeit halte ich für einen Fehler des Stückes. Es mußte parteilichsein. Es mußte ein Stück werden gegen das Duell.
Für dieses Stück mußtest Du
Deine bisherige Productions-Art beiseite lassen und Du
mußtest es mit Haß und Leidenschaftschreiben, g ganz
ohne Rücksicht darauf, ob es unwahrscheinlich und ungerecht wurde. Ich meine, Dusollst fürs Erste von allen Stoffen dieser Art, von
allen »großen Zeitfragen« etc. lassen. Ich möchte Dir jetzt
gerade einen Wanderzug in die Vergangenheit und in die reine Poesie empfehlen. Das historische Wiener
Stück! Jetzt mußt Du esschreiben, und ich bin überzeugt, es wird Dir
köstlich gelingen. Nimm’ Dir zwei oder drei Jahre Zeit und ruhe Dich ein wenig auf
den zweistarken Erfolgen aus, durch welche Du mit einem Male in die allererste Reihe unter den deutschen
Bühnen-Dichtern gerückt bist. Ich möchte Dir einenschönen Stoff vorschlagen: Mozart, ein Wiener Volksstück mit Mozart’scher Musik. Ich hatte neulich Gelegenheit, Otto JahnsMozart-Biographie einzusehen. Natürlich hatte ich keine Zeit, die beiden
dicken Bände ganz zu lesen.
Aber aus dem, was ich gelesen, habe ich den Eindruck gewonnen, daß es ganz einfach
eine der besten Biographien ist, die es gibt. Lies’ das Werk. Du wirst Mozartlieb gewinnen, er wird Dir nahe treten als Wiener,als und als Künstler. Es ist ein erschütterndes
Ringen in diesem Leben, das nach dem Dramatiker ruft. Es lassensichschöne Dingesagen über Kunst und Dummheit und Infamie der Kritik und des Publicums – Dinge, die
wir oft erlebt haben. Und am Schluß ein großartiges, ergreifendes Sterben, in welches
das Übernatürliche hineingreift durch dieso unendlichseltsame Geschichte mit dem
Requiem. Alles, was Du vom Tode weißt, kannst Du dasagen, und das Publicum dürfte an müßte im Unklaren darüber bleiben, ob der geheimnißvolle Mann, der das Requiem bestelltDas Requiem d-Moll (KV 626) wurde von Franz von Walsegg über Mittelsmänner beauftragt. Dass Mozart während der Komposition einer
Seelenmesse starb, wurde als Hinweis genommen, bei dem zu dieser Zeit noch
verborgenen Auftraggeber hätte es sich um ein übernatürliches Wesen
gehandelt., nicht wirklich aus dem Übernatürlichen herkommt. Und d um das Alles herum das alte liebe Wien undsogar, bitte, der Kaiser Josef (dersich allerdings in der Sachesehr dumm benommen hat).
Dieser Tagesende ich Dir auch ein das erste
französische Buch, das ichseit Langem mit Genuß gelesen habe (dieser Satz ist grammatikalischsehr falsch). Esstammt natürlich aus dem Jahre 1820 und ist ganz einfach der größte psychologische Roman, den es gibt:
»Adolphe« von Benjamin ConstantEine zeitnahe Rezeption durch Schnitzler ist nicht belegt. Er beendete die
Lektüre von Adolphe am ..
Freilich ein Buch ohne Wärme,
aber wie aus Erz gegossen, – nicht ein Wort zu viel, nicht eines zu wenig – die
unerbittlichste Analyse einesschwachen Characters, die je ausgeführt worden. Und wenn man bedenkt, daß m wir hinterherPaul Bourget bewundert haben, nachdem es einen »Adolphe« gegeben hat!
Grüß’ Dich Gott, mein lieber Freund!
Schreib’ mir bald!
In Treue
Dein
Paul Goldmann.Wenn Du den LeoLeo FanjungsiehstDas nächste belegte
Zusammentreffen von Schnitzler und Leo Van-Jung fand am
statt.,so grüß’ ihn, bitte.