Arthur Schnitzler: Briefwechsel mit Autorinnen und Autoren1898-06-26Paul Goldmann an Arthur Schnitzler, 26. 6. [1898]Goldmann, PaulMüller, Martin AntonUntner, LauraÖsterreichischer Wissenschaftsfonds FWFGeorg-Coch-Platz 21010 WienAWienschnitzler-briefeTranskription und KommentierungMüller, Martin AntonUntner, LauraAustrian Centre for Digital Humanities Vienna2023
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https://hdl.handle.net/21.11115/0000-0012-CF20-F
Machine-Readable Transcriptions of the Correspondences of Arthur Schnitzler
DMarbach am NeckarDeutsches LiteraturarchivA:Schnitzler, HS.NZ85.1.3168das Jahr »98« vermerktGermanGoldmann, Paul26. 6. [1898]ShanghaiSchnitzler, Arthur[27. 6. 1898
– 1. 7. 1898?]WienGoldmann, PaulHofmannsthal an Schnitzler, 21. 6. 1898Schnitzler an Beer-Hofmann, 28. 6. 1898Goldmann an Schnitzler, 13. 6. 1898Goldmann an Schnitzler, 21. 7. [1898]AngelegtDurchsichtIndex checkDurchsicht
Shanghai, 26. Juni.Mein lieber Freund,
Ich danke Dir für Deinen lieben Brief (vom 17. Mai)
und alle die Nachrichten, die er enthält. Richards VerheirathungRichard Beer-Hofmann und Paula Lissy hatten am geheiratet. Schnitzler war Trauzeuge. hat mich nicht wenig überrascht. Ich
denke auch, er wirdsein Glück dann dabei finden, und das ist ja der einzige Gesichtspunkt, unter dem wir die
Sache zu beurtheilen haben.
Aus Deinen letzten Briefen, liebster Freund,sehe ich nicht ohne Sorge, wie unruhig und verdüstert Deine Gemüths-StüStimmung ist und wie Du, weil es Dir im Ohre klingt: »zu
Hause in tiefer Verstimmung; stets mit dem Gedanken an mein Ohr
beschäftigt« , all’ das Herrliche mißachtest, wassonst Dein
Leben bietet. Es ist unerhört, wenn ein Mensch, wie Du, in der Blüthe des Daseins,
auf der Höhe des Lebens, das Wort »verzweifelt« ausspricht. Ich kann mir vorstellen,
wie lästig die Symptomesein mögen, die Duschilderst. Bedenklichsindsie in keiner Weise., das weiß ich aus einer besseren Quelle, als von Dir (ni nimm’ mir das
nicht übel!). Ich finde, Du bist zu nachgiebig gegen Deine Hypochondrie. Krankheit!
Aber um des Himmels Willen, wer ist nicht krank? Die körperlichen Übelsind eine
Lebens-Erscheinung, wie alle anderen, und dasie nicht zu vermeidensind, handelt essich nur darum, ihnen nicht zu erlauben, daßsie gar zu viel Macht zu über uns gewinnen. Ich versichere Dich, daß man mit
alledem fertig werden kann. Du müßtest Deine
Lebensweise ändern, müßtest nicht zu viel alleinsein, und vor allen Dingen, das kann
ich Dir nicht oft genugsagen, müßtest Du aus Deinem Wiener Trübsals-Winkel hinaus in die helle und große Welt. Ich hoffe, die
Sommer-Reise.
wird Dir gut thun; und der Sommer-Reise müßte eine Winter-Reise folgen; und
dann, hoffe ich, werde ich Dich wieder einmalsehen und Dich recht tüchtig auslachen, daß Duso d dumm
bist, Dein Leben Dir zu vergrämen, während Du doch, den Thatsachen nach, der Froheste
und Ruhigste von uns Allensein könntest und müßtest
Am A15. MaiSchnitzlers 36. Geburtstag habe auch
ich in Freundschaft Deiner gedacht. Aber war es wirklichsoschön vor einem JahreDen 35. Geburtstag hatten sie gemeinsam in Paris verbracht.? Ich glaube, Du hattest an jenemKopfschmerzenDas Tagebuch vermerkt sowohl die Kopfschmerzen als auch, dass es ein perfekter
Geburtstag war
().
und warst verstimmt. Das hast Duschon wieder vergessen, undso wirst Du wahrscheinlich auch in einem Jahre wieder vergessen
haben, was Dich jetzt quält.
Dein BuchSchnitzlers erste Sammlung von Prosatexten,
Die Frau des Weisen. Novelletten, war
am 3. 5. 1898 erschienen. habe ich gelesen. Essind herrliche Seiten
darin. Der »Ehrentag« ist mir das Liebste
daraus. Aber wenn manschon einmal im Stande ist, diese erschütternde Figur des
ratéfranzösisch: Versager; gemeint war die
Figur des August von Witte zu zeichnen, warum das Alles nur gleichsam als Episode hineinzwängen in eine
Liebesgeschichte zwischen
einem Theater-Mensch und ei einem düsteren Poseurfranzösisch: Angeber von August? Warum hat nicht die Rohheit des Directors den »Ehrentag« angestiftet,statt der Eifersucht eines Liebhabers? Ich glaube,
das würde die Geschichte noch
mehr vertieft und vermenschlicht haben. Ich meine auch, Dusolltest Dich jetzt eine
Zeit lang zwingen, keine Liebesgeschichten mehr zuschreiben. Tief ergeifend ist auch der »Abschied«. Nur die letzten zwanzig Zeilenstimmen
mir nicht recht zum Ganzen, ich weiß nicht warum? Die »Frau des Weisen« mag ich nicht, die letzte Geschichte auch nichtsehr,
trotz der meisterhaften Darstellung (sie ist doch eine dumme Gans, daßsie dem Manne AllessagtDie Toten schweigen endet damit, dass die
Frau zu einem Zeitpunkt, an dem ihre außereheliche Affäre nicht mehr entdeckt
werden kann, beschließt, ihrem Ehemann die Wahrheit zu sagen.!). Der Erfolg
Deines Buches freut mich von
Herzen. Er ist redlich verdient, denn ich glaube
nicht, daßseit Langem in Deutschland eine Sammlungso guter Novellen
erschienen ist. Du bist ein beneidenswerther Mensch, daß Du zusolchen Leistungen
fähig bist. Aber nein, ich vergaß, Du hast Ohrenklingen, Du bist der Unglücklichste
der Unglücklichen!
Mach’ Dich darauf gefaßt, daß meine theure Tante in der Frankfurter
Ztg. auf Dein BuchschimpftEine Rezension in der Frankfurter Zeitung ist nicht belegt..
Welches ist das StückDas Vermächtnis wurde am am Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt., das im Herbst das »Deutsche Theater« herausbringensoll? Sehr traurig oder ein wenig lustig?
Viel Handlung? Viel Personen? Viel Psychologie? Bitte,schreib’ mir ein Wort darüber.
Ich weiß gar nichts davon.
Ichsehe viel Seltsames, aber die Schönheit fehlt in diesem Lande. Ichsehne mich unendlich nach ein
paar Wochen Italien, nach Palästen und alten
Bildern! Die Reise ziehtsichsehr in die Länge.
Ich arbeiteschwer, leide unsäglich unter meiner Impotenz, dieser neuen Welt gegenüber, habe Wochen lang Kopfschmerzen, bin nervöser
als je und fühle mich, mehr noch als früher aus dem
Geleise geworfen. Heut fahre ich den Yang-tse hinauf (100 Grad Fahrenheit im Schatten). Meine
Adresse bleibt Shanghai, deutsches Postamt. Bitte,sag’ dem Richard, daß ich ihm nach Wollzeile 15 einen Brief und ein Paket gesandt
habe.
Bit Grüße mir Deine Freundin recht herzlich undseiselbst tausend Mal gegrüßt von Deinem treuenPaul Goldmnn