Frankfurt, 23. Dezember.Mein lieber Freund,Ich habe Deine lieben Nachrichten lange vermißt und warsehr froh, wieder ausführlich
von Dir zu hören.
Wenn Du die »Beatrice« druckenDer Schleier der Beatrice wurde 1900 zuerst für die Bühnen gedruckt (bei A. Entsch), mit Jahresbeginn
1901 war es dann bei S. Fischer
verfügbar. läßt, werde ichsie hoffentlich bald zu lesen bekommen. Wiestehen die Aufführungs-Chancen beim
Burgtheater.
? Und wie in BerlinAm Deutschen Theater feierte Der Schleier
der Beatrice – obwohl Otto Brahm
das Stück seit einer
persönlichen Lesung durch den Autor am kannte – erst am Premiere.? Deutsches Theater oder Schauspielhaus? Vielleicht wird es eine meiner ersten Aufgabensein, über
eine Premièrevon Dir zu berichten. Ist der »Reigen«schon gedruckt?Ein
Privatdruck des Reigen für die Verteilung an
Freundinnen und Freunde in der Auflage von 200 Stück wurde – betreut vom Verleger
Samuel Fischer – zwischen November 1899 und 12. 2. 1900 gedruckt.
In den Fragen Wassermann und Schwarzkopf, und .
beharre ich durchaus auf meinem Standpunkte. Wassermann brauchte das betr. Concert nicht zu übergehen, wenn ersonst die Gewohnheit gehabt hätte, über
Concerte zu berichten. Da er das aber fast nie thut,so ist die Herausgreifung dieses
unbedeutenden Concertes aus der ungeheuren Fülle der Wiener Concerteschon ansich eine ungerechte Bevorzugung; und wenn auch das Lob, das er dem Concertgeberspendet, ansich
nicht übertrieben ist,so wird es übertrieben durch den Tadel gegenüber einem anderen
viel bedeutenderen Concertgeber, mit dem W. es verbunden hat. Was Schwarzkopf anlangt,so kenne ichseine bedeutenden Vorzüge. Hirschfeld wäre trotzdem der bessere Berichterstatter, weil er zu allem Anderen auch die Musik umfaßt und weil er etwas lebendiger und farbigerschreibt als Schw. Eine Theilung der Berichterstattung unter die
Beiden ist,
nach den bei der Frankf. Zeit. bestehenden
Einrichtungen, unmöglich. Daß ich die Interessen der Frankf. Zeit. vor Allem zu vertreten habe, weiß ich, auch ohne daß Du es mirsagst, und ich würde fSchw. niemals einget empfohlen haben, wenn ich irg auch nur einen Augenblick hätte annehmen müssen, er würde als Correspondent
den Interessen der Zeitung
nicht entsprechen. Es handeltsich hier um zwei ungefähr gleich würdige Candidaten, und
wenn irgendwo,so i kann hier das Persönliche interveniren. Ich persönlich fühle mich, bei aller
Sympathie und Freundschaftsür Schw., doch mehr zu H. hingezogen. Von Dir weiß ich das Umgekehrte.
Oder vielmehr ich weiß, daß es Dir lieb wäre, wenn Schw. die Stelle bekäme. Darumschrieb ich Dir, ich würde »Dir zuliebe und .
« in dieser Richtung wirken. Nachdem Du dieses »Dir zuliebe« abgelehnt hast,
habe ich, wie ich Dirschonschrieb, mich jeder weiteren Einwirkung auf die Angelegenheit enthalten
Nächste Woche gehe ich nach Berlin. Das heißt,
wenn ich Geld aus Wien bekomme. Die N. Fr. Pr. benimmtsich (im
Vertrauen gesagt) inskandalöser Weise. Ich habe den Leuten geschrieben, daß ich von der Frankf. Zeit. keinen Gehalt mehr beziehe und daßsie mir
infolgedessen meinen Januar-Gehalt vorauszahlen möchten.
Das ist vor zehn Tagen geschehen, und ich habe bis heut nicht einmal eine Antwort bekommen. Sositze ich hier ohne Geld in
den abscheulichsten Schwierigkeiten, die durch die Weihnachtszeit und das Jahresende
nur noch vermehrt werden. Wenn ich dassehe und auf der andern Seite das Bedauern
constatire, mit dem die Redaktion der Frankf. Zeit. und das
Publikum meinen Weggang begleiten, –so reut mich bereits der gefaßte Entschluß. Auch
graut mir vor der neuenschweren Arbeit, – vor dem neuen Blatte und dem neuen Publikum. Ich binso
müde! Und in dieser Muthlosigkeit habe ich nur den einen Wunsch: mich aus all’ diese den endlosen Kämpfen und Sorgen durch eine reiche Heirath zu retten. Aber auch
dazu ist es leiderschon zuspät.
Meine Mutter zieht mit mir.
Sie muß mitziehen, weil ichsonst nicht für ihren Unterhaltsorgen könnte. Undsie
wäreso gern hier geblieben bei ihrem EnkelchenPaul Rosengart, GoldmannsNeffe, Tochter seiner Schwester Vally und deren Mann Josef, geb. am 2. 6. 1896, in derstillen freundlichen Stadt.
Bitte, theile mir die Berliner Adresse von Fräulein G. mit, – wenn Du
wünschest, daß ichsie aufsuche.
Ich hoffe Dich bald in BerlinDas nächste Mal war Schnitzler zwischen und in Berlin. Goldmann traf er
täglich. zusehen.
Heute wünsche ich Dir von Herzen frohe Weihnachten und
ein glückliches neues Jahr.
Meine Mutter und meine
andern Verwandten erwidern Deine Grüße und bitten mich, Dir ihre Feiertagswünsche zu
übermitteln.
Ebenso bitte ich Dich, mich Deiner Frau Mutter, Deiner Frau Schwester, Deinem Bruder und Deinem Schwager zu empfehlen und ihnen ein frohes Fest zu
wünschen.
Von Herzen Dein
Paul Goldmann