Berlin, 4. Oktober.Dessauerstrasse 19Mein lieber Freund,Ich danke Dir von Herzen für Deine lieben Briefe, insbesondere für den wunderschönen
von neulich, den d ich ausführlich beantworten werde,sobald ich Zeit finde.
Die zweite Auflage meines Buches erscheint erst in einigen WochenDie zweite
Auflage von Ein Sommer in China
erschien am 22. 11. 1900.. Der Idiot von
Verlegervermutlich Wilhelm Ernst Oswalt vom Frankfurter Verlag Rütten Loening kann mit der Drucklegung nicht fertig werden. Selbstverständlich geht ein Exemplar an die angegebene
Adresse.
Gestern hatten wir hier »Rosenmontag« von Hartlebenim Deutschen Theater. W»Unser Otto Erich.«zur stehenden Wendung
gewordene Phrase, die womöglich auf eine Rezension von Bahr zurückgeht. Vgl. Hermann Bahr: Die
Erziehung zur Ehe. (»Die Lore«, Plauderei in einem Act von Otto Erich
Hartleben; »Die Erziehung zur Ehe«, Satire in drei Acten von Otto Erich
Hartleben. Zum ersten Mal aufgeführt im Deutschen Volkstheater am 11.
September 1897). In: Die Zeit,
Jg. 12, Nr. 155, 18. 9. 1897, S. 188–189. Guter
erster Akt. Sobald das eigentlicheDrama anfängt, eine von Ak Akt zu Akt trostloser werdende Unfähigkeit und Leere. So ein Bursch ohne Wärme Wärme und Poesie, dersich als Dichter aufspielt, weil es in der
deutschen Literatur zufällig ansolchen mangelte!
Bahrscheint auch ein liebes Stück geschrieben zu haben. Wir haben hier folgende Berichteerhalten:
BerVossische Zeitung:
Im Deutschen Volkstheater hatte heute ein neues Stück »Die Wienerinnen« von
Hermann Bahr einen durchschlagenden Erfolg.Auszug aus [O. V.]: Theater und Musik. In: Vossische Zeitung, Nr. 464, 4. 10. 1900, Morgen-Ausgabe, S. [16].
Berliner Tageblatt:
Aus Wien meldet uns ein Privat-Telegramm: Hermann Bahrss Lustspiel »Wienerinnen« hatte einen kompleten Mißerfolg.Auszug aus [O. V.]: Theaterchronik. In: Berliner Tageblatt, Jg. 29, Nr. 504, 4. 10. 1900, Morgen-Ausgabe,
S. 3.
Diese zwei Kritikernicht ermitteltscheinen das neue
Werk von verschiedenen
Gesichtspunkten aus zu betrachten. Im »Börsencourier« aberschmückt Siegfried Löwysich folgendermaßen aus:
Das »süße Wiener Mädel«
ist durch Arthur Schnitzler’s farbensatte Schilderung mit ihrer ergreifenden
Wendung in’s Tragische inseiner ganzen Echtheit in »Liebelei« zum
ersten Male auf die Bühne gebrachtSiehe zum Begriff »süßes Mädel« auch .
worden, das Mädel aus dem Volke, die kleine, liebe Grisetteunverheiratete junge Frau niederen Standes, die etwa
als Modistin, Fabrikarbeiterin, Näherin oder Wäscherin ihren Unterhalt
selbst finanziert (bekannt aus der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts),
die jaschließlich nicht blos in Wien zu
finden ist, der aber die Wiener Art, der Wiener Humorso ganz besonders gut zu Gesichtsteht. Ein gründlicher Kenner der Wiener
Verhältnisse, ein geistreicher Spottvogel, Hermann Bahr, hat nun inseinemsoeben aufgeführten Lustspiel »Wienerinnen« einen anderen Typus der mit dem Wasser der blauen Donau getauften – manchmal auch nicht getauften
weiblichen Jugend von heute gezeichnet.S. L. [ = Siegfried Loewy]: Vor den Coulissen. In: Berliner Börsen-Courier, Jg. 33, Nr. 464, 4. 10. 1900, Morgen-Ausgabe, 1. Beilage,
S. [1–2].
Bitte, liebster Freund, wenn Du eine Minute Zeit hast,schreib’ mir in drei Worten
die Wahrheit!
Was hast Du zu den herrlichen Nietzsche-Briefen in der N. Fr. Pr.Bezug auf die Feuilletonreihe Der erste Nietzsche von Malwida von Meysenbug, die zwischen 18. 9. 1900 (Nr. 12956) und 28. 9. 1900 (Nr. 12966) in der Neuen
Freien Presse erschienen war gesagt?
Viele treue Grüße!
Dein
Paul GoldmannBrandes war hier und ist zu
einem weiblichen Rendezvousjedenfalls nicht Maria Stona, die enttäuscht war, dass Georg Brandes nicht auch zu ihr
reiste (vgl. Martin Pelc: Maria Stona und ihr Salon in
Strzebowitz. Kultur am Rande der Monarchie, der Republik und des
Kanons. Opava: Europäischer
Strukturfonds/Schlesische Universität2014, S. 126.), wie erselbst
mittheilt, nach Dresden gefahren.