Dr. Arthur Schnitzler27. 4. 906Wien, XVIII. Spoettelgasse 7.lieber, Sie haben natürlich ganz recht. Unmöglich konnten Siesich
Brahm gegenüber als ungebetener Rathgeber
aufspielen, und als ich mein Telegra an Sie absandte,
hatt ich begreiflicherweise nicht an irgend einen adhoc-Besuch od dergl bei Brahm gedacht,sondern an etwas beiläufigeres, ohne mir über das »wie« weitere Gedanken zu machen.
(Damit dss Brahm auf Ihr Urtheil nichts geben
könnte,sind Siesehr im Irrtum.) – Nun hab ich die Sache indess auf andre, directe
Weise zu ordnen gesucht. (Dies vollkoen unter
uns.) Nach Ihrem Brief, in dem Sie mir Ihr Gespräch mit R. erzählten u einen Brief JacobsohnsIm Brief Jacobsohns vom 20. 4. 1906.
heißt es: »Verhindern Sie, wenns irgend geht, dß Reicher in Wien
Ihren Julian Fichtner
spielt. Es war eine Schmach, was sich gestern im Lessing-Theater abspielte. Der
Mann kann kein Wort von der Rolle. Die Souffleuse schrie sich heiser.
«
(CUL, B 46). ., der auch
telephonisch eine Art Bereitwilligkeit R.s
erfahren haben wollte, telegr ich an Brahm, ob
er mir überlassen wolle Rittner zur Übernahme zu bewegen. Er konnte nichts dagegen haben, warnte mich für alle
Fälle, wuschseine Hände in Unschuld etc. Ich telegr. nun
an Rittner, der mir in einemsehr liebenswürdigen Telegra
neinsagte. Ich hatte es natürlich nicht anders erwartet – die Gegengründe lagen für
Rittner zu nah, als dass er nicht von ihnen
hätte Gebrauch machensollen. Aber ich
wollte mir keine Vorwürfe zu machen haben – und da mir Rittnerstrengste Discretion zugesagt hat, hoffe ich dass nicht am End noch eine für
die Wiener Aufführg (auf die ichschließlich doch
nicht verzichten möchte) gefährliche Coulissenklatscherei heraus kot. Sonderbar ist, dass vor 2 Jahren, nach Rittners Versagen (aus Unlust) an der Rolle
alle, auch Brahm und ich dachten, Reicher wäre der richtige Darsteller für die
Rolle. Nach der erschütternden Charakteristik, die Sie vonseiner Auffassung geben,
ka ich mir nun wohl vorstellen, was mir bevorsteht. Übrigens gibt es meiner Empfindg
nach nur einen Darsteller für den Julian: Wischnevski. Sie haben ihn ja als Onkel Wanja gesehen. Und Stanislawski als Sala wär auch nicht übel. Wir haben diese beiden, auch Ljuschin (Professor in Wanja), Leonidow, Frau Tschechowbei Rotenstern’s kennengelernt.
; auch im Theater hinter den Coulissen ein paar mal gesprochen.
. Es hat michsehr gefreut, dass ihnen
viel daran zu liegenschien, ein Stück von mir für ihr Theater zu bekoen. Jedenfalls gibt es keins, an dem ich lieber
aufgeführt werden möchte. Sieht mansolche um alles dramatische unbeküerte Gestalten- und
Lebensstücke wie den Onkel Wanja,so ist einem, als braucht mansich nur hinzusetzen, um ein viertel Dutzend im
Jahr zuschreiben. Und doch Allerdings fiele man auch
durch. –
Tennisspielen wirschon ziemlich regelmäßig – d. h. meistens ich, Dr Kaufmann, Frl Erl, Olgaseltener. Zuweilen geh ich im Pötzleinsdorferwaldespaziren. Es istschon beinahsoerlich, um mindestens vierzehn
Tage weiter vor, als voriges Jahr. Neulich war Fred bei uns.
, dersich im Lauf der Jahre höchst vorteilhaft verändert hat. (Dieser Tage wird er (wahrscheinlich von meinem Bruder) an Gallensteinen
operirt.) –
Über Ihre Soerpläne möcht ich recht bald näheres
wissen. Meine Karte, Frau v Lützow betreffend, haben Sie wohl erhalten? Neulich war hier das Gerücht verbreitet,
dass Sie auf ein paar Tage nach Wien kämen. Wiesteht die Processangelegenheit.
? Ichstelle mir Ludassy verdat wenig dazu gelaunt vor. –
Neulich, mit dem reparirten Rad.
(alles mögliche, 55 Kronen!) erster
Versuch, in Neuwaldegg brach die Axe. Trotzdem
bleibt die Sehnsucht nach den gemeinschaftlichen Partien bestehen. Haben Siesich
nicht die Sache wegen Daenemark.
überlegt? –
Ich arbeite (am Roman)
ziemlich regelmäßig aber ohne die nöthige Intensität. Mir thut esso leid, dass ich
Sie in der B. Z. beinah niemals finde. Was
machen Siesonst? Ich nehme an, dass Sie mit administrativen und organisatorischen
Arbeiten überhäuftsind. –
Seien Sie herzlich gegrüßt, ebenso Otti u
die Kinder, von uns allen.
Ihr
A.