Lieber Freund, ich habe bei meiner Ankunft nur die Hälfte des so bestimmt erwarteten BetragesOffenbar hatte Salten Geld von Schnitzler geliehen und konnte es nicht rechtzeitig zurückzahlen. erhalten und auf meine telegrafische Urgenz ist bis jetzt noch nichts eingelangt, so dass ich wegen der Rückreise selbst in arger Verlegenheit bin. Seien Sie mir deshalb nicht böse, wenn in der Sache eine Verzögerung von einigen Tagen eintritt, ich empfinde das ohnedies peinlich genug und leide darunter, dass auch unsere 2te Bicycle TourSchon zwischen und hatten Salten und Schnitzler eine Radtour von Salzburg nach München unternommen. mit einem solchen Nachspiel endet. Sollte ich aber heute oder morgen noch das Erhoffte bekommen, dann sende ich es Ihnen sofort, wo nicht, gleich nach meiner Rückkehr nach Wien. Das ist ganz sicher.

L. kam hier an voll Erbitterung und ich lebe schwere Tage. Irgend ein Mensch, – wer, das bringe ich noch nicht heraus, – hat ihr in Gmunden oder Ischl erzählt, dass ich das erste mal in Ischl war, ferner, dass ich voriges Jahr, als sie hieherkam, auch in Ischl gewesenIn seinen Erinnerungen schreibt Salten: »Ich beredete meinen damaligen Freund Karl Kraus, dass er Lotte an der Bahn erwarte und ihr sagen solle, ich sei über eine Schafbergpartie nach Unterach und von dort auf dem Wege nach Wien. Womöglich solle er sie zur sofortigen Abreise nach Wien überreden. Kraus war gerne dazu bereit und ich wollte mich von Lottens Abreise persönlich überzeugen. Damals gab es in Ischl noch Sänften. Also liess ich mich in einer Sänfte auf den Perron tragen, liess dort die Sänfte an die Wand stellen und beobachtete durch einen Vorhangsspalt, wie Lotte von Kraus überredet den Zug bestieg um wieder nach Wien zu fahren. Als der Zug abgegangen war verliess ich die Sänfte und erschien vor dem entgeistert dastehenden Kraus.« (Wienbibliothek im Rathaus, Nachlass Salten, ZPH 1681/1 1.1.1.9.1, [S. 47].), hat ihr sonst allerhand Geschichten von Frau Fr. ferner von Frl. S.Emma Fr. und Adele Sandrock, die beide mit Salten in einer intimen Beziehung standen erzählt, – kurz, Sie können sich denken wie das arme Mädel zugerichtet war. So hatte ich hier zu thun, und habe es noch, um alles wieder ins Gleichgewicht zu bringen.

Außerdem hat man ihr erzählt, wir seien in Salzburg mit einer »jungen chicken Blondine«Lou Andreas-Salomé, . »umhergelaufen«. Dass sie mir viel Tratsch über Sie, Beer-Hofmann und mich mitgebracht, gehört wol mit dazu. Von Kraus ist im Familien-Journal eine Geschichte erschienen, »Esplanade-DichterCrêpedechine [ = Karl Kraus]: Ischler Brief. (Wiener Dichter auf der Esplanade). In: Wiener Familien-Journal, Nr. 230, 23. 8. 1895, S. 914–915. Während die satirischen Bemerkungen über Beer-Hofmann (»ein junger Dichter, der die besten Erfolge auf dem Gebiete der Mode aufzuweisen hat«) und Hofmannsthal (»ein Wiener Dichter, der den Schulschluß abwarten muß, um nach Ischl gehen zu können«) gut zuordenbar scheinen, lässt sich im Text keine unzweifelhafte Spitze gegen Schnitzler ausmachen.«, das sind Beer Hofmann und Sie, und sollen »Eure Affectationen und Posen« darin mit vielem Witz »gegeißelt« worden sein. Ich habs nicht gesehen.

Bitte, sagen Sie an Hr. DrGoldmann, er möge Ihnen die Adresse von BingGemeint dürfte der in Paris lebende Kunsthändler Siegfried Bing sein, der sich auf japanische und asiatische Kunst spezialisiert hatte. Vincent van Gogh frequentierte seine Sammlung. Goldmann hielt sich zu diesem Zeitpunkt mit Schnitzler in München auf. oder Bingen, das ist der Japaner, mittheilen, und schreiben Sie mir nach Wien, wohin ich ohnedies bald einen Brief von Ihnen erwarte.

Mit vielen Empfehlungen an DrG. herzlichst