Wien, den 21. JuliLieber Arthur, in dieser Welt geht garnichts vor, und es ist ganz
gleichgiltig, ob man jetzt in Iglau lebt oder
auf dem NordcapWomöglich reagiert Salten schon
auf eine Karte vom Nordkap, das
Schnitzler am besucht hatte. ist. Auf dem Nordcap ist’s besser, das ist das Ganze. Von
grossen Ereignissen hab ich Ihnen nur zu melden, dass Frau Seiler-Willborn
plötzlich gestorbenDie Schauspielerin
Ilma Seiler-Willborn war am 16. 7. 1896 in Wien
verstorben. ist, ferner dass man in Ischl nächstens Ihre »Liebelei« aufführendurch das Saisontheather
Ischl wird. Doch dürfte Sie weder der eine noch der andere Unglücksfall zu sehr
erschüttern. Diesen Sonntag bin ich in Ischl gewesen, vielmehr in Aussee, denn ich fuhr gleich in der Früh mit Frl. M.dahin. Es schüttete in
Strömen und wir blieben den ganzen Tag bei Frau Mitterwurzer. Ich gehe nun doch nicht ins Ampezzothal. Meine Adresse vom 1–7. Aug. ist jetzt Ischl. Von da an München bis zum 12. und von da ab Salzburg bis zum 20. August. Wir fahren wie
Sie daraus sehen von Salzburg per Rad nach München, von da über Schliersee, Tegernsee
nach Innsbruck und von dort nach Salzburg. Das ist Alles. Indessen bin ich ununterbrochen zu
Hause, lese und arbeite. Zeitlin hat keinen
Preisder Akademie der bildenden
Künste in Wien bekoen, Popper, der mit einer geradezu herrlichen Gruppe »Adam und Eva« um den Rompreis concurrirte,
wurde mit dem Specialschulpreis abgefunden. Ich schrieb einen Leitartikelf. s. [ = Felix Salten]: Die
Schülerausstellung der Akademie. In: Wiener Allgemeine Zeitung, Nr. 5517, 21. 7. 1896, S. 4. über die Zustände an der Akademie, musste aber zahm sein, da man in kein
Wespennest stechen will. Doch denke ich mich in der Frankft. Ztg weitläufiger über die Sache
auszulaßennicht
nachgewiesen. Dass Edmond de Goncourt totEdmond
de Goncourt starb am 16. 7. 1896 in Draveil. ist, werden Sie
vielleicht schon erfahren haben. Er starb in dem Schloße von Daudet.
Die Wiener Schornalisten, welche die letzte
Flegelei[Max Nordau]: † Edmond de Goncourt. In: Neue Freie Presse, Nr. 11.457, 17. 7. 1896, Morgenblatt, S. 5.Nordau’s als Quelle über Goncourt benützten, schrieben in guten NotizelachDurch Anhang einer jiddischen Endsilbe spielt Salten darauf an, dass Nordau Jude war und überhaupt die Wiener Presselandschaft in Verruf stand, hauptsächlich aus Juden
zusammengesetzt zu sein. Da Salten selbst
jüdischer Abstammung war, dürfte er damit weniger einen unmittelbaren antisemitischen Reflex ausdrücken,
als ein negatives Bild bestimmter journalistischer Praktiken
zeichnen., er sei der populärste und plattesteSchriftsteller Frankreichs gewesen. Herr Ohnet würde sich freuen. Nach seinem Testament wird eine »freie Akademie« gegründet, deren Präsident
Daudet ist, und deren einzelne Mitglieder
eine Rente von 6000 Frcs aus dem Vermögen Goncourts erhalten. Diese Lust der Franzosen nach Vereinigungen und ihr Verlangen, dass die
Berühmtheit durch Zeremonien bestätigt werde, hat etwas, wenn auch nicht viel von
unserem »hohen Orden«, der freilich schöner ist. Schon deshalb weil er nicht
exisitirt. Schreiben Sie bald und grüßen Richard. Die Zeitungen schicke ich Ihnen nun schon nach KopenhagenSchnitzler hielt sich vom bis zum sowie am
in
Kopenhagen auf. Dazwischen war er in Skodsborg..
Herzlichst Ihr
Salten