Dessauerstrasse 19Berlin, 25. Februar.Mein lieber Freund,Ich komme leider erst heut dazu, Deinen lieben Brief
zu beantworten, der mir große Freude bereitet hat, weil er mir wieder einmal
eingehenderen Bericht über Dein Ergehen gab. Ich habe eine ganze Woche lang an einem
Feuilleton über den »Herrn von Abadessa«Paul Goldmann: Berliner Theater. »Der Herr von Abadessa« von Felix Dörmann
im Königlichen Schauspielhause. In: Neue Freie Presse, Nr. 13.472, 25. 2. 1902, Morgenblatt, S. 1–4. (bezüglich dessen
ich Deine AnsichtSchnitzler fand es schlecht, . vollständig theile) geschrieben und zu nichts Anderem Zeit gefunden. Jetzt
fürchte ich, daß die Riesenarbeit vergeblich gewesen ist, weil ichsehrscharf über
Dörmann abgeurtheilt habe und weil man mir kaum erlauben wird, über einen früheren Mitarbeiter der N. Fr. Pr.scharf zu urtheilen.
Es freut michsehr, zu hören, daß es Olga besser geht.
. Nächstensschreibe ich ihr wirklich. Ich zweifle nicht, daß diese Aussicht
die Besserung im Befinden der verehrten Freundin beschleunigen wird. Wie unendlich gern ich im März mit Euch in die BergeMit einigen Unterbrechungen hielten sich
Schnitzler, die schwangere Olga Gussmann und womöglich auch deren
Schwester Elisabeth Gussmann zwischen und in der
neuen Unterkunft in der
Hinterbrühl auf. . gehen möchte,
brauche ich nicht erst zusagen. Ich habe die ganze Reise bereits in der Phantasie
gemacht und dabeisehrschöne Stunden mit Euch verlebt. In der Wirklichkeit werde ichsie nicht machen
können. Ich könnte höchstens zu Ostern ein paar Tage fort. Und der Weg von hier nach
Salzburg oder gar nach Südtirol
ist für die drei oder vier Tage Urlaub, die ich mir nehmen könnte, allzu weit. Etwas
Anderes wäre iches, wenn Ihr nach Deutschland kommen könntet (Sächsische Schweiz, oder Wiesbaden). Da könnte ich um Ostern herum ein paar Tage mit Euchsein. Aber daran ist ja wohl kaum zu denken. Ich
wenigstens würdesicher nicht nach Wiesbaden kommen, wenn ich nach Südtirol gehen
könnte.
In der Affaire Matassich.
hast Du vollkommen Recht. Es war bei mir nurso eine Regung, als ich die RedeDaszinskys las. Namentlichschien es mir, essei für Dich eineschöne Gelegenheit, Dich bei den Herrn für die Entziehung der ChargeBezug auf die Lieutenant
Gustl-Affäre, . zu revanchiren. Du weißt, ich bin rachsüchtig. Jetzt bin ichsehr zufrieden,
daß Du von der gefährlichen Geschichte die Hände wegläßt.
Die »Lebendigen Stunden« werdensich hoffentlich
in der nächsten Saison über die deutschen Bühnen bewegen. Vielleicht ist dieschon
vorgerückte Saison daranschuld, daß es einstweilen nicht recht vorwärts geht. In der
Berliner Gesellschaft höre ich überall mit
Entzücken davonsprechen. KochsKritiknicht nachgewiesensende ich Dir
anbei zurück. Es freut mich, daßsieso günstig ausgefallen ist. Sonstscheint mir dieser Kritiker ein recht unbedeutender Kopf zusein.
Ich danke Dir für Deine freundlichen Worte über mein Opern-FeuilletonPaul Goldmann: Berliner Theater. (»Heilmar« von Wilhelm Kienzl im
königlichen Opernhause). In: Neue
Freie Presse, Nr. 13.458, 11. 2. 1902,
Morgenblatt, S. 1–4. und halte Deine Ausstellung bezüglich der
allzu großen Länge einzelner Absätze für nur zu berechtigt. Ich fühle esselber, daß
es meinschwersterschriftstellerischer Fehler ist, nicht kurzsein zu können. Aber
beim Schreiben werde ich von einem beinahe krankhaften Drang befallen, Alles bis auf
den Grund auszuschöpfen. Daher kommen die Längen,
über die ich dann erschreckt bin, wenn ich die Arbeit gedrucktsehe. Wie lernt man,
kurz zusein? Kannst Du mir nicht ein Mittelsagen?
Mein Onkelschreibt mir mit
höchstem Enthusiasmus von einem im Wiener Verlag
erschienenen Buch »Christiania-Bohême«Hans Jæger: Christiania-Bohême. Wien: Wiener Verlag1902 (zuerst 1885, Fra Kristiania-Bohêmen). von
Hans Jaeger.
Hörst Du etwas von dem neuen Blatt, der »Zeit«.
?
Im Sommer hast Du mir ein Buchnicht ermittelt gestohlen; das
über den Talmud. Ich brauche es undschreibe heut an RichardGoldmann schrieb Beer-Hofmannn noch am selben Tag, vgl. Houghton Library,
Harvard (Signatur 825.978). Dem Brief ist zu
entnehmen, dass Goldmann das Buch von Beer-Hofmann im Sommer 1901
geschenkt bekommen hatte, nicht aber der Titel., er möge mir doch Titel und
Verlag angeben, damit ich es mir kommen lassen kann. Da ich aber diese Anfrage an Richard für ein völlig aussichtsloses Unternehmen halte, bitte ich Dich (wenn Du das
Buch nichtselber
brauchst), mir es gelegentlich zuschicken. Ist Richard wieder ganz gesund.
?
Ichsende Dir anbei zwei FeuilletonsDie Beilage ist nicht erhalten. Es handelte
sich um folgendes zweiteiliges Feuilleton von Heinrich
Meyer-Benfey: Moderne Religion. In: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, Jg. 46, Nr. 50,
19. 2. 1902, Erstes Morgenblatt, S. 1–3, und
Nr. 51, 20. 2. 1902, Erstes Morgenblatt,
S. 1–3.der der Frankfurter Ztg. über »Moderne Religion«, die mich
zum Nachdenken sehr angeregt haben.
Schreib’ mir bald, grüße die Mädels undseiselbst vielmals und von Herzen
gegrüßt!
Dein
Paul Goldm