Berlin, 6. 7. 06.Lieber, wie Schade, dass Sie gerade jetzt durch Berlin kamenSchnitzler reiste über Berlin nach Marienlyst, ., während meiner Abwesenheit. Man hätte vielleicht doch eine Stunde gehabt, um
sich auszusprechen. Schreiben ist in manchen Fällen so schwer. Was ich jetzt, in der
nächsten Zeit, beginneMit 12. 7. 1906 endete
Saltens berufliches Engagement bei der Berliner Morgenpost und der
B. Z. am Mittag. Siehe Marcel Atze: »Unser aller Feldmarschall mit der Feder«. Felix Saltens halbes Jahrhundert
als Journalist. In: Marcel Atze, unter Mitarbeit von Tanja Gausterer
(Herausgeber): Im Schatten von Bambi. Felix Salten entdeckt die Wiener
Moderne. Leben und Werk.
Salzburg/Wien:
Residenz2020, S. 260–289, hier 285.
, liegt noch im Halbdunkel; und was ich Ihnen davon mitteile,
ist – einstweilen – nur für Sie. In Berlin will
ich nicht bleiben; kann es ehrlicherweise garnicht tun und spüre, dass ein Bruch in
mein Leben käme, wollte ich versuchen, mich zu zwingen. »Die
Zeit« will mich wieder habenSalten arbeitete ab Oktober 1906 wieder für Die
Zeit., und ich bin gerne geneigt, abzuschließen. Dabei bietet sich
hier der Plan zu einer WochenschriftEs dürfte vom Morgen die Rede sein, den, unter anderen, Richard Strauß (ohne Salten) ab 1907 herausgab. , die ich mit Max Liebermann und Rich. Strauß zusammen herausgeben, und allein leiten soll.
Ihr Bestand ist für drei Jahre garantirt. Honorarbudget, ohne meine Gage, nur für
Mitarbeiter 1000 Mark pro Nummer. Sie soll das Blatt der »anständigen Leute« werden,
der Besten, ganz einfach. Ein kleiner, exclusiver, ständiger Mitarbeiterkreis. Ich
hätte ausser der Gage noch einen Besitzanteil. Jetzt überleg ich mir’s, ob ich die
Sache nicht von Wien aus machen kann. Technisch
gehts ganz gut. Die Schwierigkeiten, die sich freilich ergeben, würden reichlich
durch manche Vorteile, die
sich dran knüpfen, aufgewogen. Ich könnte z. B. die Berliner u. Wiener Theater zusammen
überschauen und besprechen. Würde bei allen wichtigen Aufführungen (an die Premiere
bin ich ja nicht gebunden) in Berlin sein. Könnte
deutsche und österreichische Kultur- und
Gesellschaftskritik zusammen treiben, was dem Blatte ebenso wie meiner Stellung etwas ganz Besonderes gäbe. Und wenn – binnen Kurzem
– ein Thronwechsel in Österreich alles
Interesse erregt, wär’s für eine solche Wochenschrift eine ganz einzige Conjunctur.
Ganz abgesehen davon, dass ich, als in Wien
lebend, nicht mehr unter der Fuchtel der politischen Polizei in Preussen, die ärger ist als man glaubt, und nicht mehr unter
der Ausweisungsgefahr leben müßte.
Glauben Sie, dass mein Wiedereintritt in die die »Zeit« für mich gut wäre? Dass man mich dort braucht, sehe ich, und dass die
»Zeit« jetzt ihre literarische Stimme
eingebüßt hat, kann ich wol, ohne Ihrem Freund BauerSaltens Nachfolger, . allzu unrecht zu thun, sagen.
Von sonstigen Dingen: dass Herr Friedegg
knapp vor der Verhandlung eine umfassende Ehrenerklärung abgegeben hat. Dass der
Ludassy-Prozess.
vertagt ist. Dass mein Bruder leider weit davon entfernt ist, ein Millionär zu sein, dass er aber freilich,
gottseidank, ein so ahnsehnliches Geld verdient hat, dass ich – hoffentlich – für
alle Zukunft der Sorge um ihn und um meine Familie enthoben bin. Wie viel er besitzt, weiß ich nicht, weiß nur, dass er mit seiner Frau sechs Wochen in England war, ihr um 20.000 Kronen Schmuck gekauft
hat, für meine Mama alles
Erdenkliche tut, und meiner sel. Schwester wie meinem Papa ein kostbares Grabmonument hat errichten laßen, dass er bei alledem
doch weit von einer Million entfernt, und bei alledem von seinem Glück geradezu
melancholisch geworden ist, weil der Papa jahrelang darauf gewartet hat, und – genau zwei Wochen zu früh starbPhilip Salzmann war am 2. 4. 1905 verstorben..
Ich hatte im Mai eine heftige Nierenkolik.
. Zweimal an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Bekam zweimal Morphium,
beidemale mit einer unreinen Spritze oder mit einer mangelhaft gekochten Lösung.
Musste dann fünf Tage lang rasende Schmerzen leiden, und am Ende froh sein, dass
nicht Schlimmeres geschah. Dabei weiß ich trotz zweier Ärzte nicht, ob ich den
Nierenstein habe, oder ob es nur eine akute Sache gewesen ist.
Otti und die Kinder sind wol und frisch in Bansin, dessen sonstige Gesellschaft mir als
der Ausbund alles Grausenhaften geschildert wird. Ich gehe am 15. Juli zu ihnen. Dann wollen wir einmal, vielleicht sogar mit den Kindern, per Schiff
nach Kopenhagen, wo wir uns sehen könntenSie sahen sich nicht in Kopenhagen, aber am in Marienlyst.. An dem Ausflug an die NordseeNordwijk, . werd ich wol nicht teil nehmen. Ich will, wenn’s geht, in Bansin noch arbeiten. Die vierzehn Tage London – Stratford – Cambridge.
waren sehr schön. Die Seefahrt – hin nach Southampton, zurück von Plymouth über Cherbourg – wundervoll.
Die englische Landschaft ist
beinahe überall so schön wie Dornbach.
Schreiben Sie mir bis zum 14. nach Berlin. Von da ab Seebad Bansin, Seestraße 5.
Viele herzliche Grüße Ihnen, Frau Olga und Heini.
Ihr Salten