Unterach a. Attersee, Berghof16. VIII. 11Felix SaltenLieber,ich danke Ihnen herzlich für Ihren ausführlichen BriefDer Brief ist nicht
erhalten. Schnitzler dürfte darin von seinem Gespräch
mit Moriz Benedikt berichtet haben, das am
am Semmering stattgefunden hat. Er dürfte auch
begründet haben, warum er Salten nicht thematisierte. In seinen Erinnerungen ging Salten zweimal
darauf ein, dass ihn Schnitzler an dieser
Stelle nicht unterstützt habe und lässt es dadurch zu einem zentralen Moment ihrer
Beziehung werden: Schnitzler »lehnte viele Jahre später auch ab, als ich ihn in
einer Daseinskrisis bat, so beiläufig zu erkunden, was für eine Meinung der Herausgeber der Neuen Freien Presse von mir hege, und sagte,
das könne er aus Freundschaft für Auernheimer nicht tun. Diese Freundschaft für Auernheimer war ganz neu und ganz einseitig
«. Wienbibliothek im Rathaus, Nachlass Salten, ZPH 1681/1
1.1.1.9.1, S. [6], vgl. S. [52].. Sie erinnern sich ja gewiß, dass Sie selbst mir in St.
GilgenSchnitzler war zwischen und in St. Gilgen; das Gespräch mit Salten hatte am
stattgefunden. sagten, Sie kämen jetzt auf dem Semmering mit Herrn Benedikt zusammmen, und ob es mir da recht sei, wenn Sie bei einer sich
ergebenden Gelegenheit meiner Erwähnung tun würden. Ich wäre ja nicht auf diesen
Einfall gerathen, denn einmal dachte ist nicht daran, dass Sie jetzt mit Herrn Benedikt zusammentreffen, dann auch wußte ich
ja, dass Sie sich durch freundschaftliche Rücksichtnahme auf Herrn DrAuernheimer in dieser Sache behindert fühlen. Eine Erwähnung meiner
Person und meines Austritts aus der »ZeitSalten
war gekündigt worden, . Danach platzierte
Salten als freier Mitarbeiter Texte bei verschiedenen Zeitungen, auch der Zeit,
und wurde mit Mai 1912 fester Mitarbeiter beim Fremden-Blatt.
« Herrn
Benedikt gegenüber, hätte für mich wol auch
nur informativen Erfolg haben sollen. Denn wie Sie wißen, waren wir übereingekommen,
dass Sie nichts Intervenirendes sagen. Wenn Sie nun den Eindruck erhielten, dass
selbst ein noch so beiläufiges Erwähnen meines Namens bei Herrn Benedikt die Vermutung des Absichtlichen und Intervenirenden
wecken würde, dann war es natürlich sehr gut, derartiges ganz zu vermeiden, und ich
danke Ihnen vielmals dafür. Was Ihren Rat betrifft, glaube ich nicht, dass ich ihn
befolgen werde. Erstens weiß ich ja noch selber nicht, ob ich jemals wieder eine fixe
Stellung annehmen werde.
Dann aber würde diese Stellung wol für mich nicht acceptabel sein, wenn ich noch so
offen und geradezu mich darum bewerbe, eben weil ich mich bewerbe! Zuletzt aber gibt es für mich
noch einen höheren Grund, mich niemals Herrn Benedikt oder sonst
Jemandem anzubieten. Ich habe das in meinen kleinsten und schwersten Anfängen nicht
getan. Jetzt schreibe ich seit achtzehn Jahren; meine Leistung ist zu offenkundig und
– wenn das Wort erlaubt ist, – mein Anspruch auf eine Stelle in einem Blatt Österreichs zu gerecht, als dass ich selbst auf
diese Leistung hinweisen oder diesen Anspruch geltend machen möchte.
In einem einzigen Betracht bedaure ich es lebhaft, dass Sie nicht dazu gelangen, mit
Herrn Benedikt zu sprechen. Und aus diesem
Grund allein tut es mir leid, dass es nicht möglich ist, eine im Metier so viel
beredte Angelegenheit, wie mein Austritt aus der »Zeit« es ist, vor Herrn Benedikt zu
erwähnen. Es ist mir nämlich dieser Tage zugetragen worden, Herr Benedikt sei – wahrscheinlich von einer mir schlecht
gesinnten Seite – zu der Ansicht gebracht, ich lebe in völlig desolaten
Geldverhältnissen, stecke bis über die Ohren in Schulden, und führe ein prassendes
Verschwenderleben. Wenn er nun aufgeklärt hätte werden können, dass ich wol Schulden
hatte (Familie usw.) jetzt aber keine mehr habe, dass ich wol
anständig, aber nicht verschwenderisch lebe, hoch versichert bin, und auch sonst
keine materiellen Krisen habe, wäre mir das schon in einem ganz allgemeinen und
prinzipiellen Sinn sehr erwünscht gewesen, und es
wäre nur eine einfache Richtigstellung, welche keine anderen, konkurrirenden
Interessen verletzt. Nun wird es doch wol am besten sein, wenn ich in dieser ganzen
Sache ruhig zuwarte. Ich weiß ja heute selbst noch nicht, wofür ich mich
entscheiden werde, und es liegen noch mehrere Monate vor mir, in denen ich alle
Umstände prüfen, verschiedene größere Arbeiten fördern und alles zusaen überlegen muß. Es kann ja auch sein, dass Herr Benedikt und ich nicht zusammenkoen, weil er auf eine Deklaration von mir und ich auf
eine von ihm warte. Es kann ja auch (so leicht) sein, dass wir, wenn wir schon einmal zusammenkommen, nicht mit einander einig werden.
Und es kann auch sein, dass er mich überhaupt nicht mag und eine Verbindung mit mir
garnicht in Erwägung zieht. Auch damit rechne ich.
Bei uns geht alles ziemlich
wol. Arbeit, Gäste, Geburtstage, Ausflüge. Das wechselt so ab und ist bisher vom
schönsten Wetter besonnt. Ich habe eine Kur begonnen und bin seither die Schmerzen
los; habe die »Zeit« ersucht, mich noch hier zu laßen, damit ich diese
Kur beendigen kann, und ihr dafür angeboten, von hier aus zu schreiben. Kann sein,
dass sie mich trotzdem zwingt, nach Wien zu gehen. Fischer ist schon in
Gastein. Wir grüßen Sie alle in
Herzlichkeit.
Ihr Salten