Dr. Arthur Schnitzler27. 11. 1914. Wien XVIII. Sternwartestrasse 71Lieber Herr Doktor.Beifolgend die Berichtigung
oder Erklärung oder wie Sie
es nennen wollen. Ich wünschte gern zu wissen, 1., ob Sie im Ganzen damit
einverstanden sind, 2. ob Sie eine Veröffentlichung von Seite 4 anEs
handelt sich um die Nachschrift, die mit »Nach Niederschrift dieser
Zeilen
…« beginnt, siehe unten. Wie hier antizipiert, wurde dieser Teil
nicht in die Veröffentlichung im Journal de
Genève bzw. in der Neuen Zürcher
Zeitung aufgenommen: Une protestation d’Arthur Schnitzler. In:
Journal de Genève, Jg. 85, 21. 12. 1914, 3. Ausgabe, S. [1]. Ein Brief Artur Schnitzlers. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 135, Nr. 1700,
22. 12. 1914, 2. Mittagsblatt, S. 2). für
notwendig und opportun hielten. Haben Sie nichts einzuwenden, so senden Sie
freundlichst unserer Verabredung gemäss das Ganze mit meinen verehrungsvollen Grüssen
an RollandDie Sendung verzögerte sich noch um
einen Korrekturlauf auf den 5. 12. 1914, .. Was in dieser
Angelegenheit anderswo und eventuell hier geschehen könnte oder sollte, möchte ich
doch gerne persönlich oder wenigstens telefonisch mit Ihnen besprechen. Vielleicht
schreiben Sie mir ein Wort, wann man Sie in den nächsten Tagen anrufen darf. Wie
telefoniert man denn an den Regierungsrat WinternitzDieser war Regierungsrat im
literarischen Bureau des Ministeriums des
Äußeren – und der Schwiegervater von Friderike von Winternitz. Diese ließ just in diesem Jahr ihre Ehe mit Felix Adolf von Wintenitz
annulieren, um ihre Beziehung mit Zweig zu
legalisieren. Die Kontaktaufnahme auf diesem Weg hat dementsprechend eine pinkante
Note.; ich habe mich bisher noch nicht an ihn gewandt.
Zu Ihrer militärischen Verwendung kann man Ihnen gratulieren, glaube ich. Sie
werden Interessanteres und wahrscheinlich sogar Authentischeres erfahren als die
Leute an der Front. Der Baron Winterstein hat
uns neulich.
allerlei Anregendes erzählt; wir hätten Sie gern dabei gehabt.
Herzlichst grüssend
Ihr
Arthur SchnitzlerBeiliegend zwei ExemplareNur ein Exemplar ist überliefert und
wird im Folgenden wiedergegeben..
Wie ich durch Freunde in Russland
auf einem Umweg erfahre, sind in Petersburger
Blättern angebliche Aeusserungen von mir über Tolstoi, Maeterlinck, Anatole France, Shakespeare von so
phantastischer Unsinnigkeit veröffentlicht worden, dass sie mir zu normalen Zeiten
von niemanden, der mich kennt, zugetraut würden, die aber in unserer vom Uebermass
des Hasses und vom Wahnsinn der Lüge verwirrten Welt immerhin auch sonst
urteilsfähigen Menschen nicht unglaubhaft erscheinen könnten.
Solche Verhetzungsversuche, wie sie weit hinter den Fronten der ehrlich kämpfenden
Armeen im wohlgedeckten Gelände unverantwortlicher Publizistik von den Marodeuren des
Patriotismus gefahrlos unternommen werden, scheinen ja eine besondere, und vielleicht
die widerwärtigste, Eigentümlichkeit dieses Krieges zu bedeuten; auch der
lächerlichste dieser Versuche, wenn er gelingt, könnte
späteren Verständigungen zwischen Einzelnen Schwierigkeiten bereiten; daher schiene
es mir ein Fehler, gerade diesen (ebenetwa um seiner besonderen Albernheit willen) auf sich beruhen zu lassen.
Der Wortlaut der mir zugeschriebenen Aeusserungen ist mir
noch nicht bekannt; ihr Sinn, und die Tatsache der Veröffentlichung aber steht
unbezweifelbar fest. Da es unter den gegenwärtigen Verhältnissen lange dauern kann,
ehe ich in den Besitz des Originalartikels gelange, muss ich mich auf die Erklärung beschränken, dass
Aeusserungen der Art, wie sie in jener Publikation offenbar mitgeteilt sind, von
meiner Seite selbstverständlich niemals gefallen sind; – und – im Vertrauen auf eine
auch während des Weltkrieges weiterdauernde Giltigkeit internationaler
journalistischer Anstandsgesetze – erwarte ich von der
Loyalität derjenigen Zeitungen, die jenem erdichteten Bericht Raum gegönnt haben – auch von solchen, die (um in
der Sprache der Politik zu reden) im Feindesland erscheinen – dass sie sich auch zur
Aufnahme meiner Richtigstellung verpflichtet finden werden.
Nach Niederschrift dieser Zeilen finde ich in der New-Yorkerstaats-Zeitung einen Privatbrief. Dieser Abschnitt wurde nicht
veröffentlicht. Schnitzler hatte bereits
eine Richtigstellung dazu publiziert, . abgedruckt, den ich vor mehreren Wochen an einen in New-York lebenden Freund gerichtet habe oder vielmehr
gerichtet haben soll. Denn in dem von der New-Yorker-Staats-Zeitung veröffentlichten Brief ist (offenbar in bester redaktioneller Absicht zur
Erhöhung einer populären Wirkung auf das deutsch-amerikanische Publikum) kaum mehr ein Satz gleichlautend mit dem
entsprechenden Satz des Originals; manche Sätze sind völlig ausgefallen, andere
hinzuerfunden, so dass zwischen den beiden Briefen, meinem eigenen und dem in der New-Yorker-Staatszeitung abgedruckten, an manchen
Stellen, auch dem Sinne nach, nur mehr eine ganz enfernte Aehnlichkeit besteht.
Diesen, an sich gewiss ziemlich gleichgültigen Fall, möchte ich immerhin zum Anlasse
nehmen, um ganz im Allgemeinen und nach allen Seiten hin
vor raschgläubiger Hinnahme auch solcher Veröffentlichungen zu warnen, die
durch irgend ein bestechendes äusseres Zeichen der Echtheit (als welche wohl die mit
Anrede, Gruss und Unterschrift versehene Form eines Privatbriefes gelten kann) den
Charakter absoluter Worttreue vorzutäuschen suchen. Es ist in solcher Zeit nicht
leicht zu entscheiden, wo man vertrauen und wo man misstrauen soll; nicht nur
Urteilsfähigkeit, sondern auch Verantwortungsgefühl scheinen manchmal auch dort
geschwunden, wo wir sie noch vor kurzem als etwas Unverlierbares betrachtet hätten; –
also seien wir in Glauben und Zweifel, Ihr Freunde und Ihr Feinde, gleich vorsichtig
gegenüber Feind und Freund.!
Arthur SchnitzlerIm November 1914.