Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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2020-02 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=663 Verbleib unbekannt (Vorlage: Abschrift um 1768 in D-B) last file update: Wed May 11 14:48:05 2022
LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG DEN HAAG, 12. DEZEMBER 1765
___________________35 ________________________________\hfill à la Haye le 12. Decemb: ___________________________________________________________\hfill 1765. _____Monsieur. _____Damit ich ihnen gleich Anfangs alle Sorge benehme, so sage ich ihnen, daß wir, Gott Lob, alle am Leben sind. – Ja ich kann fast sagen, daß wir alle gesund sind: dann unser lieber Wolfgangerl hat nun durch die Hilfe Gottes, auch seinen förchterlichen Strauß ausgestanden, und ist auf dem Wege der Besserung. _____Kaum war meine Tochter 8. Täge aus dem Bette und hatte gelernet allein über den Stuben-Boden zu gehen; so über=fiel den Wolfgangerl den 15. Novb: eine Unbässlichkeit, die ihn in Zeit von 4. Wo=chen in so elende Umstände setzte, daß er nicht nur absolute unkantbar ist, son=dern nichts als seine zarte Haut und kleine Gebeine mehr an sich hat, und nun seit 5. Tägen aus dem Bette täglich in einen sessl gebracht wird; Gestern aber und heute führten wir ihn ein paar mahl über das Zimmer, damit er nach und nach wieder die Füsse zu bewegen, und auch allein freÿ=stehen lernen möge. Sie möchten wissen was ihm gefehlet hat? Das weiß Gott! ich bin müde ihnen Krankheiten zu beschreiben. Es fieng mit Hitzen an. Kein schwarzes Pul=ver hatten wir mehr, wir gaben ihm demnach nach Gewohnheit, 3. mahl hindereinander etwas Margrafen Pulver: allein es that keine Wir=kung. Es schien eine Art eines hitzigen Fiebers zu seÿn; und es war es auch. den 17.t ordinierte ihm der Medicus 
Infus: flor: Samb xv. Rob: Sambuci und Ribisior: aa j. Stib. diaph: õ ablut. ʒj. Spir. nitr: dulci ʒß. Infusio flores Sambuci uncias quindecim. Roob Sambuci und Ribisior: ana partes unciam unam. Stibium diaphoreticum non ablutum drachmam unam. Spiritus nitrico-aethereus dulcis drachmam semis Aufguss von Holunderblüten 15 Unzen. Mus von Holunder und Johannisbeeren je 1 Unze. Schweißtreibender Spießglanz nicht gewaschen 1 Drachme. Süßer Salpeteraetherweingeist 1/2 Drachme.
Dieß mag nun den Hh: Medicis nicht genug gewesen seÿn. Montags den 18.t veränderte Herr Professor Schwenke es in folgendes.
. Aqu: scrophul: 🝳. Syr: Viol: ʒvi. Caphuræ gr: ij. aqu: hord: vv. Recipe Aqua scrophulariae drachmam semis. Syrupus Violæ drachmas sex. Capuræ grana duo. aqua hordei uncias decem. Nimm Braunwurzwasser 1/2 Unze. Veilchensirup 6 Drachmen. Campher 2 Gran. Gerstenwasser 10 Unzen.
da=von muste man ihm alle 3. Stund einen Löfel voll geben. Und ie mehr ihm dieß trans=spiration machte, ie mehr sollte er trin=ken, nämlich wasser mit Brod und schwa=chen Thée. den 23.t wurde ihm ein Clysma gegeben, und den Hh: Medicis war sehr bange. Den 30.t war er sehr gefähr=lich; Den 1. Decembris aber, war er bes=ser und dann lag er 8. Täge ohne ein Wort zu sprechen. Nun hieß es freÿlich, daß das Fieber alles weg wäre. Allein nun möchte man gleichwohl zu sehen, ob es möglich wäre die verlohrnen Kräften zu erhollen. dazu sollte ein Mixtur dienen. Nämlich:
. Extract: Cort: peruv: ʒjß. aqu: meliss: iij aqu: Naphæ ij. Syr: viol: ʒvi. Recipe. Extractus Corticis Peruviani drachmam unam semis. aqua melissae uncias tribus. aqua naphæ uncias duas. Syrupus Violæ drachmas sex. Nimm. Chinarindenextrakt 1 1/2 Drachmen. Melissenwasser 3 Unzen. Orangenblütenwasser 2 Unzen. Veilchensirup 6 Drachmen.
Zum drinken.
℞: Sem: 4. frig: mai: aa. ʒij. Sem. papav. alb: 🝳. fiat decoctum hord: S. A: Emulsio. Colla=turaexx. adde Syr. viol: j. aqu: naphæ 🝳. Recipe: Semina frigida major quattour. ana partes drachmas duas. Semina papaveris albi unciam semis. fiat decoctum hordei S. A. Emulsio. Collaturæ uncias viginti. adde Syryupus Violæ unciam unam. aqua naphæ unciam semis. Nimm: die 4 kühlenden großen Samen, jeweils 3 Drachmen. Weiße Mohnsamen 1/2 Unze. Mache mit einer Gerstenabkochung eine Emulsion. Zu der Kollatur von 20 Unzen füge Veilchensirup 1 Unze [und] Orangenblütenwasser 1/2 Unze.
Nach der Hand gaben wir ihm gesultztes Hirschhorn p Mit einem Wort, nachdem er fast 8. Tag geschlaffen, und nichts ge= sprochen; so kammen endlich die Geister wie=der etwas zu Kräften: alsdan sprach er tag und Nacht, ohne das man wuste, was es ware. Nun aber |: Gott Lob :| gehet es gut. Unter seiner Kranckheit muste man immer für die Zunge sorg tragen, die die meiste Zeit wie Holz so trocken und unrein ware und oft muste gesäubert werden; Die Lippen verloren 3. mahl ihre Haut die Hart und schwarz wurde. Unsere Nachtwachten giengen wieder auf den nämlichen Fuß fort, wie beÿ der Krank=heit meiner Tochter. Es ist also eine grosse Gnade Gottes, daß wir, und son=derlich meine Frau, dieses alles haben ausstehen können. Nun, gedult! was Gott sendet, daß muß man an nehmen. Jetzt kann ich nichts anderes thun, als die Zeit erwarten, bis es dem Allerhöchsten beliebet meiem Wolfgang so viel Kräften zu ge=ben, daß wir eine so wichtige Reise, und zu einer solchen Jahrszeit unternehmen kön=______________________________________________________nen. nen. Auf die Unkösten ist gar nicht zu gedencken, holl der Guck Guck das Geld, wenn man nur den Balg davon trägt. Übrigens darf ich ihnen unsere fernere Um=stände nicht beschreiben, in denen wir uns seit 3. Monaten befanden, und wenn wir nicht eine ganz ausserordentliche Gnade Gottes gehabt hätten; so würden meine Kinder diese schweren Kranckheiten, und wir diese schwäre Zufälle nicht haben über=stehen können. _____Nun bitte sie folgende heilige Messen alsobald lesen zu lassen. nämlich: 3. beÿ dem heiligen Kindl zu Loreto. 1. zu Maria Plain. und 1. zu Passau auf dem Maria Hilf-Berg. 2. beÿ der heiligen Anna beÿ den P.P. Franciscanern in der Pfarrkirche. 1. zu Ehren der heiligen Walburgis, und 1. zu Ehren des heiligen Vincentij Ferrerij. Das sind also 9. heilige Messen. _____Meine Tochter ist nun so wohl, daß man ihr nichts mehr von ihrer Kranckheit an=siehet. Ich hofe zu Gott, daß unser lie=ber Wolfgang sich auch in wenig Wochen erhollen wird; dann die Jugend kann sich bald wieder aufhelfen. Dem Herrn Adlgasser und herrn Spitzeder bin auf ihre Briefe Antwort schuldig; ich werde nächster Täge bezahlen: meine dermahli=gen Umstände werden mich entschuldigen; bitte unser aller compliment. Die Krank=heit meiner Kinder hat nicht nur uns, son=deren alle unsere Freunde hier in Betrüb=niß gesetzet, sonderlich die Krankheit un=sers Wolfgang; dann meine Tochter kennet man hier noch nicht, weil sie den Tag nach unserer Ankunft schon erkran=ket ist. Wer aber meine Freunde hier sind, kann ich nicht melden, weil man es für grosssprechereÿ halten möchte. _____Dem Herrn Weiser danke für seine Höflichkeit und empfehle mich: die Kupfer= stiche sind ihm allzeit zu Diensten. Die Poesie ist sehr gut ausgefahlen. Sie haben sehr wohl gethan einen neuen Kasten anzufrimmen. Was die messingene Beschläge anbelanget, so müssen solche von einem Gürtler accordirt werden: Denn dergleichen Sachen sind eben nichts ausserordentliches in London und alle Ar=beit abscheulich theuer. Nur bitte keine Knöpfe, sonderen Handhaben an die Schuebladen machen zu lassen: und überhaupts bitte zu sorgen, daß alles schön flach, nieder und glattweg gear=beitet seÿe, ohne daß es etwa von getriebener Arbeit oder sonst mit vielen Einschnitten und Fugen gemacht, sondern flach und nieder gearbeitet folglich leicht zu butzen seÿe, denn in diesem allein be=stehet eigentlich der englische Geschmack im Arbeiten, daß es gut, flach, und nieder, und keinesweegs hoch und viel ver=kraust seÿe. ich bin so heicklich nicht, sie därfen nicht bange seÿn; machen sie es nur nach ihrem Geschmacke, dann ich weis, wir sind in diesen Stücken von einer Mei= nung, und gusto. _____Der Kasten wird am besten stehen, an dem nämlichen Platz, wo der ihrige stehet, nämlich wo das Bild des heiligen Johannes Ne=pomuceni ist. Welches als dann, samt dem kleinen kastel just gegen über zwischen die Ca=binet Thür und Stubenthür kann gebracht werden. Was nun dort ist, wird alsdann schon einen anderen Platz bekommen. Ich habe ihnen über dergleichen Puncten seiner Zeit noch vieles zu schreiben. Zum Exempel: wo wird dann meine Tochter schlaffen? Wo wird der Wolfgang sein Quartier aufschlagen? Wo werd ich für ihn einen besonderen Platz zum studieren und seiner Arbeit, deren er vielerleÿ haben wird, finden? und wo beibbleib ich? meine Kinder und ich soll iedes seinen Platz haben, um keines dem anderen hinderlich zu seÿn. Können sie denn nicht noch ein paar Zimmer anbauen lassen? aber ohne Zaubereÿ! – – Wie befindet sich denn unser Fliegel? – – sind viele Saÿten abgesprungen? – – Wenn nicht vielle _______________________________________________Saÿten Saÿten weggesprungen sind, so hat es nichts zu bedeuten: sollten aber viele Saÿten weg seÿn, so müste man den Herrn Ege=dacher bitten, daß er solchen beziechen möchte; allein ich wollte den Herrn Spitzeder oder Herrn Adlgasser gebetten haben dabeÿ zu seÿn, und sorg zu tragen, daß die Seÿten in der nämlichen Dicke aufgezogen werden, als sie waren, indem der Fliegl sonst im Klange schwächer wird; NB: das ist aber nur im Falle vielle Saÿten abgesprungen wären, daß es dem Flügel schaden möchte. Ich bin frohe, daß meine Küste aus London angekom= men ist. Es werden wohl noch vor unse=rer Ankunft etwas aus Holland, und ein paar Coffre aus Paris vor unser in Salz=burg anlangen: und wir werden doch mit der Hilfe Gottes noch unsern Wa=gen mit 2. Coffre und einem grossen Mantl Sack beladen mit bringen. das Magazin und die Sitztrüchel sind ohnehin allzeit voll. Ich glaube es gerne, daß sie uns bald zu sehen wünschen: wir wünschen es auch; und entzwischen sprechen wir davon. Unsere liebe Frau Ha=genauerin |: der wir uns alle gehorsam: empfehlen :| muß wohl samt den ihrigen maches Vater unser für uns gebettet haben. Wir empfehlen uns noch fer=ner in ihre Andacht, und in Hofnung einander mit Gottes Hilfe, wieder gesund zu sehen, bin ich samt meiner 3. Mo=nat lang im Zimmer gefangenen Frau, meinen vom Todten erstandenen 2. Kin=dern der alte _____Ich wurde ihnen eher geschrieben haben: allein ich unterließ sowohl nach Paris, London, und Salzburg zu schreiben, bis ich sahe, wie es um den Wolfgang stunde. _____Bitte den Umschlag und die Aufschrift zu machen, ich unterließ es, indeme der Brief sonst gar zu dick geworden wäre. _____Ist die Mademoisselle Fesemayrin angekommen? – – Ich hoffe sie macht sich Ehre.