Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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2020-02 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=668 Verbleib unbekannt (Vorlage: Abschrift um 1768 in D-B) last file update: Wed May 11 14:48:05 2022
LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG PARIS, 9. UND 13. JUNI 1766
_________________________37 ______________________________________\hfill Paris 9.t Juin 1766. _____Monsieur! _____Hat nicht etwa beÿ ihnen im Hause ie=mand die Ischiatica oder einen Revmatis=mum? _____Über 2. bis 2 12. Jahr habe ich nicht den mindesten Anstoss gehabt; Und eben da ich den 7.t diss ihr Schreiben vom 29.t Maij erhalte, so überfällt mich auch zugleich ein Revmatismus am obern Schenckl des rechten Fusses, daß für Schmer=zen die wunderlichsten Gesichter schneide. _____Ich hoffe nicht, daß es lange anhalten, oder etwa gar schlimmer werden wird, in=dem wir künftige Woche wieder nach Ver=sailles gehen sollen; wo wir erst vor 12. Tagen, auf 4. Täge waren. Ich fange diesen Brief den 9.t Juin zu schreiben an als an dem Tage, an welchem wir vor 3. Jahren aus Salzburg abgereiset sind. Wenn ich ihnen enden werde, wird der Schlus des Briefes lehren. _____Bishieher habe ich schreiben können, und nicht weiter, ich wurde verhindert, und bis heute den 13.t da ich dieses schreibe; hat=te ich 4. schlafloose und schmerzhafte Näch=te, und keine bessere Täge; wie es halt schon der gebrauch ist. Ein krancker Mann, ein armer Mann! – – Dero werth: vom 29.t habe den 6.t Junij mittags richtig erhalten. Ich zweifle nicht, daß gegenwärtiges den 22.t in ihren Händen seÿn wird, an welchem Tage, allem an=sehen nach, wir in Versailles seÿn werden. Wenn sie nun den 23.t darauf schrei=ben, so erhalte den Brief den 1.t Julij, schreiben sie den 26. Junij, so werde solchen ohnfehlbar den 4.t Julij haben, welches noch Zeit genug ist; indem wir vor dem 6.t oder 7.t Julij von hier nicht abreisen können: um diese Zeit hingegen absolute fort, oder unser Wohnung abermahl für 15. Täge anfangen, und folglich, wieder für 15. Täge mit 3. Louis d'or und 3. livres bezahlen müssen, welches aber nicht geschieht, ausser es müste uns was ausserordent=liches dazu zwingen; so nicht hoffe. Mir ist sehr angenehm zu vernehmen, daß sie sich alle in bestem Wohlstand befin=den. Gott wird uns hoffentlich das Ver=gnügen geben, einander gesund zu seh=en. Mein allerliebster Herr Hagen=auer ich weis nicht wie ich die Sache an=stellen werde; dencken sie doch der Sache ein wenig nach. Ich habe auch einen be=dienten mit mir. Es ist aber kein S=Magen oder etwa ein schlechter kerl, son=dern den ich anders nicht von mir zu las=sen gedencke, ausgenohmen es will ihn ein Cavellier zum Camerdiener nehmen. Ich werde ihm ausser dem Hause ein Wohnzimmer besorgen müssen: und das thut mir darum leid, weil ich nicht möchte, daß er etwa von ungefähr in üb= le Gesellschaft gerathen sollte. Er ist zwar kein Kind: doch wissen sie auch, daß die Versuchung, und die Gelegenheit selbst Engel in Teufel verwandelt; Sie lieben schöne und Brave Leute. Er wird ihnen beÿm ersten Anblicke schon gefahlen. Wo wir von hier aus hingehen, schreibe ich ihnen nicht. Mir kommt vor es wird artiger herauskommen, wenn es ihnen die ersten Buchstaben des kommenden Briefes selbst lehren. Unterdessen hatten wir die Gnade S:e Durchleucht den Erbprinzen von BraunsweigBraunschweig beÿ uns zu sehen. Er ist ein sehr angenehmer, schöner, freund= licher Herr; und beÿ seinem Eintritte fragte er mich: ob ich der Author des Buches über die Violin wäre &c. Er wird bald weg reisen, und en passant die Ve=stungen Mez &c: Strasburg &c: besehen, und dann über Geneve nach Turin und durch Italien gehen. _____Man sagt immer der Regierende _______________________________________Herzog Herzog von Zweÿbrücken soll auch zu uns kommen, ob es wahr wird eine wenige Zeit lehren. _____Sie schreiben mir weiter nichts mehr vom neuen Thor? – und vielleicht von einer neuen Vorstatt; und gar nichts von dem Beschlacht oder eigentlich den neuen steinernen Wasserwehren? der=jenige, der in dem Zimmer und Ge=genwart S:r Excellenz des Herrn Gra=fen von Spaur dies letztere ihm von mir vorgetragene Proiect als unmög=lich verworffen, sieht nun, daß nicht die Erde, wo man das Beschlächt machen sollte, sondern sein Wiederspruch und Einsicht grundlos war. Ich vernehme, das Plätze zur Erbauung der Häuser ausser dem Neuen Thore vergeben werden; allein ich hoffe auch, daß man ein Dessin entwerffen wird, nach welchem die neuen Häuser müs=sen verfertiget werden, um eine schö= ne Gleichheit, wenigst in der Höche des Hauses und der Stockwercke zu erhal=ten. Der Augenschein kann auch zeigen, ob man nicht, da oder dort ein Alleé vom Bäumen anlegen soll=te. Ich wollte nun gleich den Ofen=lochberg hinweg wünschen, um die schöne Ebne zu gewinnen. Nach der mir gemachten Beschreibung muß der Eingang von der Statt aus, in das neue Thor, nicht gross seÿn, weil die ganze Mauer an der Schwemme, daran die Pferde ge=mahlt sind, stehen geblieben. Ich hab mir eine ganz andere Vorstellung davon ge=macht: ich habe nämlich mir eingebildet, man habe die ganze Mauer weg ge= nommen; das Thor so einzurichten ge=sucht, daß man beÿm Eintritte in die Statt schnur gerad die Schwemme im Gesicht hat, und so dan rechts und lincks um die Schwemme herum sich wen=den mag. So schien es mir mehr freÿ, offen und zum ausweichen bequemmer, ansehnlicher und prächtiger. Viel= leicht ist es aber so besser; ich sage nur, wie meine Vorstellung, die ich mir zum voraus machte, war. _____Ich bedaure den Todt des ehrlichen verdienstvollen Herrn Doctoris Agliardi. hat nicht kürzlich den herrn Edlkna=ben Hofmeister der Schlag getroffen? Der Fagotist Roth muß ein alter Mann geworden seÿn. _____Des Camerd: Allmayrs Staats=Perucken, die er pro festis Pallij hatte, soll man in einem Antiquario auf=zubehalten, nicht vergessen. _____Der Rossenegger ist zu bedauren. der arme Man hat doch auch seine lebsTage manches hundert gulden ver=dient, und ins Land gebracht; und war überhaupts ein geschickter Mann. _____Und die Madame Muralt ist also auch gestorben? haben denn die Me=dicinen keinen Effect mehr gethan? Die lieben Kinder werden wenig Blessur an diesem Umstande gehabt haben. Was macht dan der Herr Sohn; hat er nicht etwa unterdessen einige Länder pausiert? Nun wird er wohl bald haÿrathen: es wird aber auch ein Zwei=fel seÿn, ob er in Salzburg eine fin=den wird, die nach seiner gealousie ist. Noch eins! die Madame Brexin ist auch todt; und die alte Madame Jolÿ hat also vielle Verdriesslichkeiten über=leben müssen. Ich habe zu meiner Verwunderung den D:r Brex hier in Pa=ris gefunden, aber auch zu meiner Freu=de, da er mir die Ursach seines Auf=enthalts sagte. wieder einmahl ein guter Gedanke ins werck gebracht |: dach=te ich mir :| worüber ich mir auch man=che Jahr her zimmlich das Maul zer=rissen. Aber ich muß ihnen zugleich aufrichtig gestehen, daß ich in ein hel=____________________________________________les les Lachen ausgebrochen, da er mir seinen Gehalt sagte: nämlich von der Landschaft 300 f: und vom Magistrat, wenn nicht irre, 150 f:, folgl: 450 f: Liebster Herr Hagenauer, wenn ich die Gedult hätte ihnen eine Beschreibung über die nothwendigsten Ausgaaben, die dieser Mann absolute machen muß, herzusetzen, so würden sie sehen, daß er zum allerwenigsten monatlich 50. bis 60 f: ausgeben muß. Und nun fangen erst recht seine Ausgaaben an, da es auf die Handgriffe losgehet. So oft er beÿ einer Geburt gegenwär=tig ist, à l'Hôtel de Dieu, muß er das Kind zur Taufe halten, und folg=lich eine schon taxierte Ausgaabe ma=chen. Genug, ich möchte nicht anfangen zu erzehlen! die Landschaft, und der Magistrat haben niemals in Paris ge=lebt. Der gute Dr: Brex muß täglich um 7. Uhr Morgens aus und etwa bis in Frohnburgerhof, von da bis 10. Uhr nach Milln, und dan wieder bis Mittag zu den Caietanern lau=fen. So gross sind seine Um=wege. das Geld braucht er für die Suppe nicht für einen Fiacre oder Wagen. Er wird sich dann erhit=zen, sich die Consumption an hals lauffen, und dann hat man einige hundert Gulden zu ersparen, alles auf einmal verlohren. Glauben sie mir, ich rede die Wahrheit. Und wenn ich Erzbischof wäre, so mü= ste er mir aus dem gr: Van=Eycki=schen Hause weg. Das ist kein Platz für ihn! Meine Frau und Kinder empfehlen sich und erwarten baldige Antwort. Leben sie alle wohl, ich bin der alte. Wie heist dann der neue Violoncellist? der Violonspieler ist, höre ich, wieder ab=gezogen.