Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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WOLFGANG AMADÉ MOZART AN MICHAEL PUCHBERG IN WIEN
WIEN, 12. UND 14. JULI 1789
_______________________________________________________________________________________________________________________\hfill Den 12ten Jul. 1789.
_______________Liebster, bester Freund!
____________und Verehrungswürdiger O. B.
_____Gott! ich bin in einer Lage, die ich meinem ärgsten Feinde nicht wünsche; und
wenn Sie bester Freund und Bruder mich verlassen, so bin ich unglücklicher
und unschuldigerweise sammt meiner armen kranken Frau und Kind verlohren. – Schon
letztens als ich bei Ihnen war wollte ich mein Herz ausleeren
– allein ich hatte das Herz nicht! – und hätte es noch nicht – nur zitternd
wage ich es schrifftlich – würde es auch schrifftlich nicht wagen – wenn ich
nicht wüßte, daß Sie mich kennen, meine Umstände wissen und von meiner
Unschuld, meine unglückseelige, höchsttraurige Laage betreffend, gänzlich
überzeugt sind. O Gott! anstatt Danksagungen komme ich mit neuen Bitten! –
anstatt Berichtigung mit neuem Begehren. Wenn Sie mein Herz ganz kennen,
so müssen Sie meinen Schmerz hierüber ganz fühlen; daß ich durch diese
unglückseelige Krankheit in allem Verdienste gehemmt werde, brauche ich
Ihnen wohl nicht zu wiederholen; nur das muß ich Ihnen sagen, daß ich ohngeachtet
meiner elenden Laage, mich doch entschloß bei mir Subscriptions-Academien
zu geben, um doch wenigstens die dermalen so großen und häufigen
Ausgaben bestreiten zu können, denn von Ihrer freundschafftlichen
Zuwartung war ich ganz überzeugt; aber auch dies gelinget mir nicht; – mein
Schicksal ist leider, aber nur in Wien, mir so widrig, daß ich auch nichts verdienen
kann, wenn ich auch will; ich habe 14 Tage eine Liste herumgeschickt,
und da steht der einzige Name Swieten! – Da es ietzt doch scheint, daß es mit
meinem lieben (den 15ten) Weibchen von Tag zu Tage besser geht, so würde
ich doch wieder arbeiten können, wenn nicht dieser Schlag, dieser harte Schlag
dazu käme; – man tröstet uns wenigstens, daß es besser gehe – obwohl sie
mich gestern Abends wieder ganz bestürzt und verzweifelnd machte, so sehr
litte sie wieder und ich – mit ihr (den 14ten) aber heute Nacht hat sie so gut
geschlafen und befindet sich den ganzen Morgen so leicht, daß ich die beste
Hoffnung habe; nun fange ich an wieder zur Arbeit aufgelegt zu seyn – aber
ich sehe mich wieder auf einer andern Seite unglücklich – freylich nur für den
Augenblick! – Liebster, bester Freund und Bruder – Sie kennen meine dermaligen
Umstände, Sie wissen aber auch meine Aussichten; bey diesem, was
wir gesprochen, bleibt es; so oder so, Sie verstehen mich; – unterdessen
schreibe ich 6 leichte Klavier=Sonaten für die Prinzessin Friederika und
6 Quartetten für den König, welches ich alles bey Kozeluch auf meine Unkosten
stechen lasse; nebstbei tragen mir die 2 Dedicationen auch etwas ein;
in ein paar Monathen muß mein Schicksal in der geringsten Sache auch entschieden
sein, folglich können Sie, bester Freund, bey mir nichts riskiren;
nun kömmt es blos auf Sie an, einziger Freund, ob Sie mir noch 500 fl. leihen
wollen oder können? – ich bitte, bis meine Sache entschieden ist, Ihnen alle
Monath 10 fl. zurückzuzahlen; dann (welches längstens in einigen Monathen
vorbey seyn muß) Ihnen die ganze Summe mit beliebigen Interessen zurückzuzahlen,
und mich anbey noch auf Lebenslang für Ihren Schuldner erklären,
welches ich auch leider ewig werde bleiben müssen, indem ich nie im Stande
seyn werde, Ihnen für Ihre Freundschafft und Liebe genug danken zu können;
– Gottlob; es ist geschehen; Sie wissen nun alles, nehmen Sie nur mein
Zutrauen zu Ihnen nicht übel und bedenken Sie, daß ohne Ihre Unterstützung
die Ehre, die Ruhe und vielleicht das Leben Ihres Freundes und Bruders zu
Grunde geht; ewig Ihr verbundenster Diener, wahrer Freund und Bruder
___________________________________________________________________________________________\hfill W. A. Mozart.
_________________Von Haus den 14ten Jul. 1789.
_____Ach Gott! – ich kann mich fast nicht entschließen, diesen Brief abzuschicken! –
und doch muß ich es! – Wäre mir diese Krankheit nicht gekommen, so wäre
ich nicht gezwungen, gegen meinen einzigen Freund so unverschämt zu seyn; –
und doch hoffe ich von Ihnen Verzeihung, da Sie das gute und üble meiner
Lage kennen. Das Ueble\newline besteht nur in diesem Augenblick, das Gute aber ist
gewiß von Dauer, wenn das augenblickliche Uebel gehoben wird. – Adjeu! –
Verzeihen Sie mir um Gotteswillen, verzeihen Sie mir nur! – – und –
Adieu! – – – – – – –