Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG MÜNCHEN, 10. NOVEMBER 1766
_______________________39____\hfill München den 10 Nov: 1766. _____Monsieur! _____So viel es mir erinnerlich ist, war mein letztes aus Lyon; welches wir nach einem 4. Wochentlichen Aufenthalt verlies=sen und nach geneve giengen. Da fan=den wir noch den innerlichen Bürger Krieg in voller Flamme, welches uns doch nicht hinderte 3. Wochen alda auszuhalten, und nach Betrachtung einiger Merckwürdig=keiten, und nach gemachter Bekanntschaft mit Personen die wegen ihrer Geschicklich=keit und besonderen Talenten berühmt sind, haben wir nach Bern unsere Rei=se fortgesetzet. Sie werden vielleicht wissen, daß gleich ausser Geneve der Be=rühmte Mr: Voltaire sein Schloss hat, wo er wohnet, welches Fernaÿ heist. wenn man nach Bern will muß man auch Lusane durchreisen; und obwohl wir da nur über den Mittag uns aufzuhalten gedachten, so kammen doch beÿm abstei=gen von unserm wagen die Bedienten von dem Prinzen Louis v Wirtemberg, der Madame D'Aulbone, der Madame d'Hermenche des Mr de Severÿ &c. zu uns, und ich konnte nicht anders als mich durch diese ansehnlichen Personen bereden lassen mich 5. Tage in Lusane aufzuhal=ten. Was der durchleuchtige Prinz Louis für ein Herr ist, muß ich mir auf eine mündliche Erzehlung zurückbehalten. Es wird genug seÿn ihnen zu sagen, daß Würtenberg sich glücklich preisen könnte, wenn sie diesen würdigen Herrn zu ihrem Regenten haben könnte. Er war noch beÿ uns, da wir im Wagen stiegen, und ich muste ihm noch, da wir schon im Wagen sassen, beÿm händedrücken versprechen oft zu schreiben, und von unserm Umständen Nachricht zu geben. – – Hier verschweige noch das meiste. – – ich weis wie verschieden die Urtheile nach der Verschieden=heit der manchmal sehr schwachen Einsicht der Menschen sind. Von Lusance giengen wir nach Bern, und dan nach Zürch. Am ersten Orte blieben wir nur 8. am zweÿten 14. Täge. Im beÿden Orten hat=ten wir Gelegenheit mit Gelehrten uns bekannt zu machen: am letztem Orte machten die zween gelehrten Hh: Gessner unsern Aufenthalt sehr angenehm, und unserem Abschied sehr betrübt. Wir haben die Merckmahle ihrer Freundschaft mit uns genommen. Von da gieng es über Winterthur nach Schaffhausen; auch hier war unser 4. Tägiger Aufenthalt sehr angenehm; und wir fanden beÿ der Ankunft in Donauöschingen den Herrn Meisner der uns zum Wagen hinein=bewillkommte, und uns und unserer Ba=gage aus dem Wagen holf! Er blieb noch 4. Tage neben uns in Do=nauöschingen. Ich war der erste der ihm von der Unbässlichkeit seiner Frau Nachricht bracht. Ich war so sehr erstaunt wegen seiner Unwissenheit, als er wegen meiner Erzehlung. Doch erhielt er nach einem paar Tage einen Brief von seiner Frau. Ich gab ihm Recomendation an meine Freunde nach der Schweitz, und ich hofe, daß es ihm gut gehen solle; sonderheitlich in Bern. S:e Durchleucht der Fürst empfiengen uns ausserordentlich gnädig; wir hatten nicht nöthig uns zu melden. Man erwartete uns schon mit Begierde, herr Meisner ist zeuge davon, und Herr Rath und Music Director Martelli kam gleich uns zu complimentiren, und ein= zuladen. Kurz, wir waren 12. Täge da. 9. Täge war Music von 5. Uhr Abendens bis 9. Uhr; wir machten allzeit etwas besonders. Wäre die Jahrszeit nicht so weit vorgerücket, so würden wir noch nicht loos gekommen seÿn. Der Fürst gab mir 24. louis d'or, und iedem meiner Kinder einem ________________________________diemantenen diemantenen Ring; die Zächer flossen ihm aus den Augen, da wir uns beur=laubten, und kurz wir weinten alle beÿm Abschiede; er bath mich ihm oft zu schreiben, und so höchst vergnügt unser Aufenthalt war, so sehr traurig war unser Abschied. dann sind wir über hals und Kopf fort über Mösskürchen nach Ulm, günzburg, und Dillingen, wo wir nur 2. Täg blie=ben, vom Fürsten 2. Ring abhollten, und nach einem Tag aufenthalt in Augs=burg nach München kammen. Herr Provino wird ihnen ein klein Paquetl oder Verschlägl für mich einsenden. Ha! Ha! werden sie sagen. Nun sind sie doch einmahl zu München. ja das ist schon gut! ich hab versprochen, daß ich eher nicht kommen werde bis ich nicht beÿ dem Neuen Thor einfahren kann; nun aber höre, daß man beÿ dem Siegmund= thore noch niemand hineinfahren lässt: daß daß wäre mir nicht lieb. ich erwarte ihre Antwort, wir wohnen beÿm Störzer und sehe vor, daß wir nicht so gleich von hier abkommen. Vorgestern Abends sind wir angelangt; Gestern, Sontags, haben wir S:r Churfürstlichen Durchleucht beÿ der Tafel besucht; wir wurden gnä=digst empfangen. Der Wolfgangl muste gleich neben dem Churfürsten ein Stück auf der Tafel componiren, da=von ihm S:e Durchleucht den Anfang oder idea von ein paar Tacte vorsang, er muste es auch beÿ Höchstdenselben nach der Tafel im Cabinet Spielen. Wie erstaunt iederman war dieses zu sehen und zu hören, ist leicht zu erachten. Beÿ der Nacht aber verspierte ich, daß er nicht gar wohl war. Er hatte auch eine unruhige Nacht. Ich muste ihn also heute beÿm bethe, und vielleicht noch einige Täge zu Hauße halten. Es wird aber, wie hofe, nach allem ansehen bald vorüber seÿn. Es ist kein Wun=der beÿ diesem Wetter, und da wir nun wieder uns an die Ofen Hitze ge=wöhnen müssen; daß ein so zarter Cörper etwas leiden muß: nur das es uns etwa länger aufhält. Unsere Empfehlung an die Frau Gemahlin, an dero ganze Familie, an unsre gute Freunde, und ich bin der alte. [... (Beginn der Abschrift des Briefes vom 22. November 1766)] [... (Schluss der Abschrift des Briefes vom 22. November 1766)] _____Etwas für Sie allein! ______________________________in dem brief von 10 Nber _____________________________________1766 eingeschloss Wir bitt Sie, oder vielmehr dero fr: Gemahlin für eine gute Dienstmagd zu sorgen. über das ist nun auch die zeit, wo man das Holz in den Ofen schieben muß. beÿdes ist unentbehrlich, oder ein Malum necessarium. Ich bitte Sie demnach dafür zu sorgen: und vielleicht hab Sie es schon gethan? – – was dem Platz für einem Bedient betrift; so finde ich nothwendiger auf ein Platz für uns zu denk. und ich habe den Entschluß gefasst, den kurzen Weeg unserer Reise |: zwar nicht ohne Beschwernisse :| ohne bedient fortzusetzen, da ich unser Bedient vor weniger zeit looß geword. Unsere eigene Nothwendige Einrichtung der Wohnung liegt mir am Herz; welches Sie zum theile selbst einseh und beÿ unserer |: gott gebe :| glücklich ankunft mit augen seh werd. Gott |: der für mich bösen Mensch allzugütige Gott :| hat mein Kindern solche Talente ge=geben, die, ohne an die Schuldigkeit eines Vatters zu gedenk, mich reitzen würde, alles der gut Erziehung derselb aufzuopfern. jeder augenblick, den ich verliehre, ist auf ewig verlohr. und wen ich jemahls gewust habe, wie kostbar die Zeit für die Jugend ist, so weis ich es itzt. Sie wissen daß meine Kinder zur arbeit gewohnt sind: sollt sie aus Entschuldigung daß eines das andre verhindert sich an Müssige Stund gewöhn, so würde mein ganzes gebäude über den Haufen fall; die gewohnheit ist eine eÿserne Pfad Pfoad. und sie wissen auch selbst wie viel meine kinder, sonderlich der Wolfgangerl zu lern hat. – – – allein, wer weis was man mit uns beÿ unserer Zuruckkunft in Salzburg vor hat? Vielleicht begegnet man uns so, daß wir ganz gerne unsern Wander= bingl über dem Rücken nehm und davon zieh. Wenigst bring ich dem Vatterland |: wen gott will :| die Kinder wieder: will man sie nicht; So habe ich keine Schuld: doch wird man sie nicht umsonst hab. – genug, ich verlasse mich durchaus auf dero vernünftige Einsicht und wahre Freundschafft: das mündliche unterred wird uns mehr vergnüg verschaff. Leben sie wohl. Nb: Wenn die fr: gemahlin eine gute Magd findet so komt es des lohnes weg auf einige guld nicht an. sie hat vollkomen gewalt.