Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Salzburg Austria
The Packard Humanities Institute
Los Altos California, USA
Morgenstern Anja text encoding, text editing Kelnreiter Franz technical supervisor, data modelling Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg Wissenschaftliche Abteilung. Digitale Mozart-Edition Ulrich Leisinger Digitale Mozart-Edition https://dme.mozarteum.at
2020-02 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=680 Verbleib unbekannt (S. 1-14, Vorlage: Abschrift um 1768 in D-B); A-Sm (S. 15-16) last file update: Wed May 11 14:48:06 2022
LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG OLLMÜTZ, 10. NOVEMBER 1767
______47___\hfill Ollmütz d 10.t Novb: ___________________________________\hfill 1767. _______Te Deum Laudamus! ____Der Wolfgangerl hat die Blattern _________glücklich überstanden! ____Und wo? – – – in Ollmitz! ____Und wo? – – – In der Residenz _______S:r Excellenz Herrn Grafen _______Podstatskÿ. _____Sie werden aus meinen vorgehen=den Schreiben schon bemercket haben, daß in Wienn alles verwirrt unter einander gegangen. Nun muß ich ihnen einige besondere Sachen erzehlen, die uns alleine angehen, und daraus sie sehen werden, wie die göttliche Vor=sehung alles so zusammen verbindet, daß wir, wenn wir uns derselben mit gänz=lichem Vertrauen überlassen, unser Schick=saal nicht verfehlen können. Wie betrübt es am Wienerischen Hofe zu gegangen eben zu der Zeit, wo es für uns am besten hätte ausfallen können, wissen sie ohnedem. _____Uns betraf zu der nämlichen Zeit ein anderer Zufall, der uns in nicht geringe Ängsten setzte. Der grössere Sohn des Goldarbeiters beÿ dem wir wohn=ten bekam die Blattern gleich beÿ un=serer Ankunft, und wir erfuhren es nicht eher, als bis er fast fertig wa=re, und die 2. kleine Kinder solche auch bekammen. Ich suchte verge=bens in der Geschwindigkeit für uns al=le eine andere Wohnung zu erfra=gen. Ich war gezwungen meine Frau und Tochter alda zu lassen, und ich flohe mit dem Wolfgang: zu meinen gu=ten Freunde, wo wir blieben. der Bediente blieb beÿ meiner Frau: Wir waren so weit von einander entfernt als vom Spittal zu den Cajetanern. Man sprach in ganz Wienn von nichts als von den Blattern. Wenn 10. Kin=der auf den Todten Zetel stunden, so wa=ren deren 9. die an den Blattern ge=storben waren. wie es mir zu Muth ware, lässt sich leicht einbilden; ganze Nächte giengen schlaflos dahin, und beÿ tage hatte sie keine Ruhe. Ich war entschlossen gleich nach dem Todt der Prinzessin Braut nach Mähren zu gehen, bis die erste Traurigkeit in Wienn in etwas vorbeÿ wäre; Allein man ließ uns nicht weg, indem S:e Majestätt der Kaÿser so oft von uns sprach, daß man nie sicher war, wenn es ihm einfiel uns kommen zu lassen: so bald aber die Erzherzogin Elisabeth sich übel befand, ließ ich mich von nichts mehr aufhalten, dann ich konnte den Augenblick kaum erwarten, meinen Wolfgang: aus dem mit den Blattern gänzlich angesteckten Wienn in eine andere Luft zu führen. Wir dachten den 23. octob: in der Fruhe abzureisen: allein da es der schöne Gebrauch in Wienn ist, daß man die Postpferde gemeiniglich um einen hal=ben Tag später bekommt; so kammen wir erst Nachmittags weg. am Sams=tage waren wir in Brünn. Ich mach=te mit dem Wolfgang: beÿ S:r Ex=cellenz Grafen von Schrattenbach und Gräfin von Herberstein meine Auf=wartung. Es wurde von einem Concert gesprochen, um die Kinder zu hören; und wircklich alles abgeredt. Allein ich hatte einen gewissen inner=lichen Trieb, den ich mir nicht aus dem Kopfe bringen konnte, und der mir ________________________________________auf auf einmal kam gleich nach Olmütz fortzureisen, und das Concert in Brünn beÿ der Zuruckkunft zu machen, so daß ich den nämlichen Sontag Abends S:r Excellenz, noch darüber meine Vor=stellungen machte, welche es auch um so mehr für gut fanden, weil bis da=hin die noch auf dem Lande sich be=findende Noblesse alle in der Statt seÿn würde. Wir packten demnach wieder geschwind zusammen und Montags den 26. fuhren wir nach Ollmitz, wo wir etwas später anlangten, weil in Wischau über dem Mittagsessen an unserm Wa=gen etwas zu machen ware, wo uns der Schmitt 3. Stunde mit seiner Arbeit auf=hielt. Wir hatten den Verdruß, daß wir beÿ dem Schwarzen Adler, wo wir hinfuhren, ein schlechtes feuchtes Zimmer beziechen mussten, weil die wenig an=deren bessern besetzt waren. Wir waren also gezwungen ein wenig einfeuern zu lassen; und siehe ein anderer Ver=druß der Ofen rauchte, daß wir fast blind wurden. Um zehen Uhr klagte der Wolfgang: seine Augen; allein, ich bemerckte, daß er einen warmen Kopf, heisse und sehr rothe wangen, hin=gegen Hände, wie Eiß, so kalt hatte. die Puls war auch nicht richtig; wir gaben ihm also etwas Schwarz Pulver und legten ihn schlafen. die Nacht hindurch war er zimmlich unruhig, und die trockenen Hitzen hielten am Morgen immer noch an. Man gab uns 2. bessere Zimmer; wir wickelten den Wolf=gang: in Beltze ein und wanderten also mit ihm in die anderen Zimmer. Die Hitze nahm zu; wir gaben ihm etwas Margrafen Pulver und Schwarz Pulver. Gegen dem Abend fieng er an zu phan=tasiren; und so war die ganze Nacht und der Morgen den 28.t Nach der Kirche gieng ich zu S:r Excellenz Grafen von Podstatskÿ der mich mit grosser Gnade empfieng; und als ich ihn sagte, daß mein kleiner kranck geworden, und ich vorsehe, daß er etwa Blattern be=kommen möchte, so sagte er mir, daß er uns zu sich nehmen wollte, indem er die Blattern gar nicht scheuete. Er ließ gleich den Hausmeister ruffen, befahl ihm 2. Zimmer in Ordnung zu bringen, schickte gleich zu seinem Me=dico, daß selber uns im Schwarzen Adler besuchen sollte. _____Nun kam es nur darauf an, ob es noch thunlich ware, das Kind weiter zu bringen. Der Medicus sagte ia! weil noch kein Ausschlag zugegen wäre, und man noch nicht einmal gewiß wä=re, daß es die Blattern würden. Nachmittag um 4 Uhr wurde der Wolf=gäng: in Lederne Lainlachen und Beltze eingepackt, und in den Wagen getragen, und so fuhr ich mit ihm in die Domdechanteÿ. Den 29.t sache man einige kleine rothe Flecken, allein wir zweifeln alle noch an den Blattern, weil er nicht mehr viel Kranck ware; und er nahm nichts als alle 6. Stund ein Pulver. nämlich:
🝋 march: oeph: V. 🝋 🜭 y diaph: ñ Lot arc: 2pl: aa gr: VI. Sacc: cit: gr: X. pulvis marchionis [... ?] Antimonium diaphoretium non lotum ana partes grana sex. Saccarum citri [?] grana decem. Markrafenpulver. Schweißtreibender Spießglanz [... ?] je 6 Gran. Zucker mit Zitrone versetzt [?] 10 Gran.
und dan darauf alzeit Thée von Scabiosen. Den 30. und 31. an seinem Nahmens=tage kammen die Blattern völlig her=aus, und diese Täge und folgende nahm er folgendes:
🝋 oeph: V. epilep: march:  🝋 🜭 y diaph: ñ lot arc: 2pl: aa: gr: VI. Myrrh: elect: gr: I. Sacc: cit: gr: 17. pulvis [... ?] epilepticus marchionis. Antimonium diaphoreticum non lotum ana partes grana sex. Myrrhae electuariae granum unum. Saccarum citri [?] grana decem et septem. Markrafenpulver. Schweißtreibender Spießglanz je 6 Gran. Myrrhenlatwerge 1 Gran. Zucker mit Zitrone versetzt [?] 17 Gran.
Es kammen also nur die Myrrhen da=zu. und der Scabiosen Thée wurde fort= genommen. So bald die Blattern her=aus kammen, war alle alteration weg, und, Gott Lob! er befand sich im=mer gut. Er war sehr voll, und, da er erstaunlich geschwollen, und eine ______________________________________________dicke dicke Nase hatte, und sich in Spiegel besache, so sagte er: nun sehe ich den Maÿrl gleich, er verstunde den Herrn Musicum Maÿr. Seit gestern fallen die Blattern da und dort ab; und alle Geschwulst ist schon seit 2. Tagen weg. _____Sie sehen nun das mein Leib-spruch wahr ist: in te Domine speravi, non confundar in aeternum. Ich lass ihnen auch und ganz Salz=burg zu betrachten über, wie wun=derbahrlich wir durch unser Schicksaal nach Ollmütz gezogen worden; und wie ausserordentlich es ist, daß seine Excellenz Graf von Podstatskÿ, aus aigenem Triebe, uns mit einem Kinde aufgenommen, welches die Blat=tern bekommen solte. Ich will nichts melden mit was für Gütte, gnade und Überfluß wir in allem bedienet sind; ich will nur fragen, wie viele es etwa noch dergleichen geben möchte, die ei=ne ganze familie mit einem Kinde, daß in solchen Umständen ist, und noch dazu aus aigenem Trieb der Menschenliebe, in einer Wohnung auf=nehmen würde? – – Diese Thatt wird S:r Excellenz den Herrn Gra=fen von Podstatsky in der Lebens=geschichte unseres kleinen, die ich seiner Zeit in den druck geben werde, keine geringe Ehre machen; denn hier fängt sich, auf eine gewisse Art, eine neue Zeitrechnung seines Lebens an. _____Nun bedaure, daß ich später, als ich dachte, in Salzburg eintreffen muß. Jedermann wird leicht begreiffen, daß ich mich so bald nicht beÿ dieser Jahrs=zeit auf die Reise begeben, und auch keine weite Reise auf einmahl un=ternehmen kann. Ich hatte kaum vernohmen, daß herr Meisner nach Frankfort gehen solle; als ich mich gleich entschloß auf den Consecrations-Tag S:r Hochfürstlichen Gnaden unsers gnä=digsten Herrn gewiß in Salzburg zu seÿn: Allein nun hat es kein Ansehen dazu, indem wir so geschwind nicht von hier aufbrechen können, ohne den Wolfgang: in Gefahr zu setzen. Entzwischen bitte 3. heil: Messen zu Loreto beÿ dem heiligen Kindl, und 3. heilige Messen zu Maria Plain lesen zu lassen. Herr Thomas, wel=cher beÿ dem grössten Sturm der Kranck=heit uns täglich fast besucht, wird ih=nen alles umständlich erzehlen. _____Dem Herrn Alterdinger lässt der Wolfgang: samt uns allen glück=wünschen. Es ist nicht mehr zu frühe, daß er zu etwas gekommen ist: al=lein ich hofe nicht, daß S:r hochfürstl: Gnaden einen so brauchbahren Mann, als herr Alterdinger ist, beÿ dem müs= sigen brod eines Cammerdiener las=sen wird. et fruges consummereconsumere nati! _____Das Schreiben mit dem Einschluß des Mr: Grimm aus Paris habe rich=tig empfangen. Sie werden aus dem Schreiben des Mr: Grim ersehen haben, was er mir vom Russischen Hofe und vom Erbprinzen von Braunschweig schrei=bet; auch wie und mit was für ei=ner Gesellschaft herr Schobert in die Ewig=keit gegangen. Die 2. Glückwunsch=ungs Schreiben für h: Wolfgang: sind auch angelanget. Schreiben sie nur immer an Herrn Peisser. Ich bin von ihm schon an andere Per=sohnen in Brün und Ollmütz addres=siret. Leben Sie wohl. ich, und wir alle empfehlen uns ganz Salz=burg, und ich bin der alte. ____________________________________Hier Hier ist ein Antwort an herrn Joseph die der Wolfgang: im bethe geschrieben. _____Eine Sorge liegt mir noch am Herzen, nämlich, daß mein Mädl auch möchte die Blattern bekommen, denn wer weis, ob die etlichen Blat=tern, die sie hatte, die rechten wa=ren?
11 Jul 1763 Aus Olmüz 10. Nov 1767. __________Etwas An sie Alleine Die 6 Synfoni, so h. Estlinger geschrieb müss wohl zusamgerollet und mit der Aufschrift: À Son Altesse S. S.me Le Prinve de Fürstemberg p: à Donaueschingen, dem Postwag übergeb werden. Ein Brief an den Fürst werde von hieraus schreib. Das Concert à 2 Clav: vom Wagenseil muß dem h: Gesner zu den ander gedruckt Sonaten nach Zürch beygelegt werd. übrigens sehen sie wohl wie krum alles gegang, und da wir glaubt, daß alles übel gegang, so hat Gott uns mit der gross Gnade erfüllet und unsern lieb wolfg: die Blattern glückl: übersteh lass. Nun achte ich gar nichts, so nur dieses gut vorebÿ ist. ich habe vor meiner Abreise aus Wien wieder 30 duccat von h: Peisser empf: und werde ehe, von Olmitz abgehe, wohl wied so viel beÿ seinem freund, an den er mich angewiesen nehm müss. basta! wer weis, wem der Vatter den schimel schenkt! – – Was sag sie von der Auf=führung des Graf v Podsdatzky geg uns? – verdiente eine solche that nicht, daß Se: Hochf: Gnaden wo nicht selbst, doch wenigst durch sein h: Bruder in Brün od durch den Grafen v Herberstein, od aller mindestens durch ein Schreib vom H: Beichtvatter od h: HofCanzler sich auf eine gewisse Art, wo nicht bedank doch wenigst sein wohlgefahl bezeig sollte. bring sie etwas auf die bahn! ich bitte sie. DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 A Monsieur Monsieur Lorence Hagenauer à Salzbourg Ollmitz DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881