PETER LICHTENTHAL UND CONSTANZE NISSEN AN CARL BERTUCH IN WEIMAR
WIEN, 23. DEZEMBER 1809
_____________________________________________________________________________________\hfill Wien, d 23. Dec. 1809.
Unterzeichneter entledigt sich mit vielem Vergnügen des Auftrages der Frau v. Nissen |: ehedem
Wittwe Mozart :|, den BriefBrief nicht erhalten.
welchen Sie ihrem Sohne lezthin schrieben, an seiner Statt zu
beantworten, nachdem dieser junge Künstler gegenwärtig von hier abwesend, und bei einer Herr=schaft in Gallizien als Klavier= u. Konzertmeister angestellt ist. Ich unterziehe mich auch
diesem kleinen Geschäfte um so schneller, da ich als alter Hausfreund unsers nunmehr wür=digen Ehepaars Nissen, Sie bei Ihrem hiesigen Aufenthalte vor einigen JahrenCarl Bertuch hatte den Winter 1805/06 in Wien verbracht.
Darüber berichtet er in seiner Schrift Bemerkungen auf einer Reise aus Thüringen
nach Wien im Winter 1805 bis 1806, Erstes Heft, Weimar 1808.
persönlich die
Ehre hatte kennen zu lernen, und herzlich würde es mich freuen, wenn ich Ihren Wunsch nur
einigermaßen befriedigte.
_____Haÿdns Merkwürdigkeiten und sein leztes Ende stehen gerade im umgekehrten
Verhältnisse; die Geschichte seines lezten Daseÿns beschränkt sich in sehr wenigem, und alles was
ich Ihnen hierüber sagen kann ist folgendes: Das in aller Wiener Herzen ewig denkwürdige
Bombardement ihrer prächtigen Hauptstadt, welches verwichenen 11. Maÿ statt hatte, war jene
Parze welche den Lebensfaden des ehrwürdigen Orpheus abschnitt, und welches auf seinen ohnehin
äußerst schwachen und irritablen Körper den verderblichsten Einfluß äußerte. Die gewaltigen
Schüsse welche sowohl auf die Stadt, als von dieser auf die Vorstädte geschahen, er=schütterten den Greisen, obschon sein Haus sehr entlegen und schußfreÿ war, so heftig,
daß seinen Leuten um ihn mehrmahlen recht bange wurde; doch besaß er zuweilen
soviel Kraft u. Geist, daß er sogar selbst seine Leute tröstete. Allein heftig
zerrüttet war nun einmahl seine Maschine durch diesen Kriegesschrecken, und
allmählig ging sie ihrem Ende näher; er entschlumerte sanft an jenem Tage
(: 31 May :), welcher dem französischen Kriegsheere den großen Feldherrn, den Marschall
Lannes entriß. – Haÿdn wurde ganz im stillen, ohne allen Prunk auf dem
zu seiner Pfarre gehörigen Kirchhofe neben der verstorbenen berühmten tragischen
Schauspielerin Roosé (gebohrnen Koch) beerdigt, und wird im kurzen, wie mir gestern H:
Hummel, Esterhazÿscher Konzertmeister, sagte, von hier in die Gruft nach
EisenstadtHaydns Leichnam (ohne Schädel) wurde erst 1820 nach Eisenstadt
überführt und in der Krypta der Pfarrkirche Eisenstadt-Oberberg (Bergkirche) bestattet.
transportirt werden.
_____Zu dem Mozartischen Requiem, welches man für ihn hier in der Kirche
zu den SchottenDie Totenmesse zu Ehren Joseph Haydns in der Basilika „Unsere Liebe Frau zu den Schotten“
fand am 15. Juni 1809 statt. Joseph Eybler leitete das Requiem KV 626 von Wolfgang Amadé Mozart.
Bei dem Requiem in der Pfarrkirche Gumpendorf am 2. Juni 1809
war das Requiem c-Moll MH 155 seines jüngeren Bruders Michael Haydn (1737–1806) erklungen.
gab, erhielt ich ebensfalls ein Entree Billet, und fand daselbst
nebst einer Ungeheuern Menge der hiesigen Bewohner auch eine sehr große Anzahl
der ersten französischen Autoritäten; die Kirche war so voll, daß man kaum stehen
konnte. Einige wollten bemerken, noch nie dieses große Kunstwerk so gut als
gerade damals exequirt gehört zu haben, auch ich stime ihnen bei; nur ist
zu wünschen, daß unser beliebte Musikdirektor, H. Clement, welcher immer das Ganze
dirigirt, ein u. dasselbe Ensamble beim Orchester, wie er dieses beim Singper=sonale thut, beobachten möchte. Solche delicaten Musiken verlieren ungemein, wenn
sich nur ein einziges, nicht imer daran gewöhntes, Subject dabei befindet.
Mad. Campi, und Dlle. Marconi, die bekannten Sängerinnen dieses göttlichen Meister=stücks, u. H. Pfeifer, Bassist verherrlichten diese Andacht durch Schönheit und
Precision ihres Gesangs; auch H. Gottdank, Tenorist trug das seinige bei.
_____Hier ist nun alles was ich Ihnen über diesen Punkt mit Gewiß=heit zu sagen vermochte. Unbekannte Komposizionen hinterließ Haydn, außer
gegen 40 Canons, die man auch bei seiner Lebenszeit in seinem Zimer unter
Rahm u. Glas sehen konnte, gar keine. Obgenannter Compositeur Humel,
welcher mir dieses ausdrücklich sagte, hat vor einiger Zeit eine kleine
Lebensbeschreibung HaydnsEine Biographie Joseph Haydns von Johann Nepomuk Hummel ist nicht bekannt.
für den General Andreossy, welcher bekanntlich
während den hiesigen Aufenthalt der Franzosen Gouverneur General war,
geschrieben; sie wurde sogleich ins Französische übersezt, und wird ver=muthlich in Frankreich ans tagslicht komen.
_____Ich schließe mit dem Wunsche Ihnen in andern Gelgenheiten
dienen zu können, und es wird sie sehr gerne ergreifen
__________________________________________\hfill Ihr schätzender Freund u Diener
____________________________________________\hfill Dr. Lichtenthal
Adresse /
_______Peter Lichtenthal, Doktor der
Arzneikunde, in der Nunziatur auf dem Hof
__________________________Wien
Mein lieber Bertuch,
ich sehe aus Ihrem BriefeBrief nicht erhalten.
, daß Sie nicht gewußt haben, daß mein Sohn Wolfgang Amadee der zweyte, der denselben erhalten soll,
schon seit dem 22. Oct. v. J. nicht mehr bey mir ist, sondern ein Engagement in Podkamién über Strzeliska
und Lemberg bey dem Grafen v. Baworowski hat. Allein Ihr Schreiben gieng deswegen doch nicht irre, indem es mich noch hier traf. Beyliegendes
zeigt Ihnen, daß ich mich sogleich in Betref Ihres Wunsches an einen Freund gewandt habe, der mehr wissen konnte als ich,
da auch ich und meiner lieber Mann, der sich Ihnen beßtens empfehlen läßt, zu selbiger Zeit nicht hier waren Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen hielten sich mehrere Wochen
in Preßburg auf, wo sie am 26. Juni 1809 im Dom St. Martin heirateten.
. Einen
Umstand hat dieser Freund vergessen, daß nämlich Haydn eine Tafel nach Gewohnheit auf sein Haus hatte
anmachen lassen, mit der Inschrift: H., membre de l’InstitutJoseph Haydn war seit 1801 auswärtiges Mitglied des Instituts de France in Paris.
, wodurch sein Haus respectirt wurde. Ich lege Ihnen mit
Vergnügen einen Brief von
MozartBei dem Geschenk handelt es sich sehr wahrscheinlich um den Brief
von Wolfgang Amadé Mozart an seine Ehefau Constanze vom 28. September 1790 (BD 1135). bey, und wünsche, daß es Ihnen angenehm sey. hätte ich länger wählen wollen,
so hätte ich Sie müssen warten lassen, da mein Mann solche Papiere, unter den seinigen hat. Und nun leben
Sie wohl, sprechen Sie wieder zu wenn ich Ihnen nur nüzlich und zu Diensten seyn kann, empfehlen Sie mich unbe-kannter Weise der Freundschaft Ihrer Gattinn und uns beyde, so bald Sie Gelegenheit haben, dem lieben guten L. R.Legations Rat.
Griesinger.________________________________________________________________________\hfill Ihre Freundinn und Dienerinn
_____________________________________________________________________________________\hfill Constanze Nissen gewesene Mozart