Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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CARL THOMAS MOZART AN ALOIS TAUX IN SALZBURG MAILAND, 27. SEPTEMBER 1856
____________________________________________\hfill Mailand 2710 56 Mein innigst Geliebter Freund! Schon seit Vorgestern, (Donnerstag, 3 Uhr Nachmittag) befinde ich mich wohlbehalten, in meiner Heimath; – früher also als ich es berechnet hatte. Die Reise war jedoch mit großen Unbequemlichkeiten verbunden, deren eine Hauptsächliche darinn bestand, daß man uns in Salzburg einen der elendesten aller möglichst elenden Beiwägen zugetheilt hatte, welcher mich oftmals in eine so ergrimmte Wuth versetzte, daß ich ihn gerne zu einem Auto da fé verdammt haben würde. – Da war keine Möglichkeit sich gegen das Ein=dringen, durch alle Öffnungen und Ritzen un=seres Rumpelkastens, der heftig wüthenden Sturmwinde zu schützen; – erstarrt vor Kälte langten wir am folgenden Morgen vor TagesAnbruch in Innsbruck an, allwo gleichfalls der heftige Sturmwind uns nachgefolgt war, und wir in ungeheuer große, einer Reitschule ähnliche, im obersten Stockwerke gegen die Nordseite gelegene Zimmer ein=quartirt wurden, in welchen eine so furcht=bare Kälte herrschte, daß selbst der Sohn der Frau Wagner – ein blos 28 jähriger junger und starker Mann – (noch dazu Militairist –) nicht lange Zeit darinn auszuhalten vermochte. Dieser Nerven erschütternde Wind ver=folgte uns bis über den Brenner, allwo wir sodann von Regengüssen empfangen wurden die mit gleicher standhafter lästigen Treue uns über die Alpen begleiteten. – Wir setzten die Reise ununterbrochen auch durch die 4 Nächte fort, und in den zwey letzten Tagen ward uns nicht einmal die Zeit zu einem Mittag oder Abendmahl gestattet, sondern mußten uns mit einem erbärmliche Zikorienkaffe begnügen, weil in Folge der schlechten Wege, und des Phlegma's der Postilione wir uns gar sehr auf der Reise verspätet hatten. – Alle diese wohl langweiligen, nicht aber exage=rirten détails führe ich hier an, nicht etwa um Deine, und deiner lieben Gemahlin Gefühlvolles Herz zum Mitleid zu stimmen, sondern als ächte, wahre Prahlerey mit meinen Jugendlichen Kräften; denn Trotz allen den besagten Ungemächlichkeiten befinde ich mich vollkommen wohl. – Nun bitte ich Dich, mein Bester, Deiner so Achtung und Liebenswürdigen Gattin die Versicherungen meiner Achtungs=vollsten Zugethanheit vorzutragen, so wie auch Deinen Kleinen – (mit einigen Bevorziehung des lieben Mozart Sohns) einige Liebkosungen, ganz Absichtlich an meiner Statt, den gewöhnlich Deinigen beizufügen; – ferner bitte ich Dich noch, der Interpret meiner innigst Gefühlten Dankbarkeit bey Allen den Vielen werthen Personen zu seyn die sich mir freundschaftlich gesinnt bewiesen, ganz vorzüglich aber bey dem gütigen Herrn Baldi welcher mich mit Auf=merksamkeiten aller Art überhäuft hat, die ihm erwiedern zu können es mein heißer Wunsch ist, – und bey dem Geistreichen, so äußerst lie=benswürdigen und mir wohlwollenden Herrn Mielichhofer. – Auch dem schätzbaren Herrn v. Hilleprandt und deßen Familie bitte ich Dich meine verbindlichsten Empfehlungen vor=zutragen, mit der innbrünstigen Bitte das so schwächlich organisirte Mozarteum auch fernerhin mit deren mächtigem Schutze zu begünstigen. _____Das gar so schlechte Wetter bestimmte uns die Reise von Trient allsogleich nach Verona, und nicht nach Riva wie wir beabsichtet hatten, zu lenken, daher mir nicht das Vergnügen zu Theil wurde die Bekanntschaft des Bru=ders des h Baldi zu machen, und demselben den mir von Letzterm übergebenen, hier zur Rückstellung beiliegenden Brief einzu=händigen. – Nun lebe wohl, mein Theuerer Freund! – Du ersiehst sicherlich aus Styl und Gekritzel die große Eile in welcher ich schreibe – Habe daher Nachsicht, und verberge diesen Brief vor den Augen Aller – selbst vor den Augen Derer für Die Du kein Geheimniß haben darfst – Ich habe vergessen Dich aufmerksam zu machen, daß unter den 21 von mir dem Mozar=teum zugeschickten Conzerte, sich Bruchstücke zwar vo[n frem]der Hand geschriebener doch von m[ei]nem Vater, eigends für seine Frau, und während den Unterrichtsstunde von ihm komponirten Gesangsübungen befinden; – und wofern sodann Du etwa vergessen haben solltest, (wie es leicht möglich seyn könnte, und auch mir arrivirt ist) den Dir von mir übergebenen, nach Pest bestimmten Brief, in die PostBüchse zu werfen, so hat es an der Verspätung keinen Nachteil, nur bitte ich Dich im Fall daß er in Verlust gerathen wäre, mir es anzuzeigen. Und nun eine herzliche Umarmung von _________________\hfill Deinem Bruder ______________________________________\hfill Carl Mozart Sr Wohlgeb. [H]errn Alois Taux Kapellmeister bey der DomKirche und Mozarteum in Salzburg. Salisburgo. INNSBRUCK 29/9 SALZBURG 30/9