Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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LEOPOLD MOZART AN MARIA ANNA MOZART IN SALZBURG
VERONA, 7. JANUAR 1770
_____________________________________________________________________\hfill Verona d 7t Jener 1770.
Mir ist sehr leid, daß ich dein erstes Schreib nicht erhalt habe. Es muß vermuthlich
auf dem Postamt in Botzen lieg. Ich werde mich erkundig: dan von Insprugg
wird es dahin gegang seÿn. Wir sind, Gott Lob, gesund! damit ich es dir gleich
anfangs sage. du hättest sehr wohl gethan, wen du mir geschrieb hättest,
wie viel von mir Brief empfang, den ein habe Dir von Wirgl, ein durch den Lehn=gutscher, dan ein von Insprugg durch die Post, und ein aus Botzen geschrieb.
Nun muß dir zu erst sag, daß du nebst meiner Empf: dem h: Ranftl meld
sollest, daß wir beÿ h: Stockhamer grosse Ehr empfang, und sehr kostbar
bewirthet word, wo ich auch h: Stickler mein alt bekannt ange=troff. beÿ h: kerschbaumer kannst du nebst meiner Empf: meld,
daß uns h: Semelrock mit aller Höflichkeit empf: und uns weiters ein
Empfehlungsschreib nach bologna gegeb. wir war nur anderthalb Täge
in Botz. [: In Roveredo sind wir kaum angekom, so war gleich
ein gewisser Cristani, der im Collegio Rupertino das Frauenzimer beÿ
der Comedie |: des Cato Kind :| gemacht, beÿ uns, und machte im
Namen seines Bruders auf dem Komend Tag seine Einladung zum
Mittagessen. und wer war dieser sein Bruder? – – derjenige Nicolaus
Cristani, welcher beÿm Edlknab Hofmeister h: Consistorial Cristani
in Salzb: war und mein Scolar auf der Violin war, und dieser ist in
Roveredo und der ganz Gegend die Hauptperson nämlich CreisHauptman,
der in Nahm seiner Maÿst: d Kaÿserin alda ist. du wirst
dich seiner noch wohl erinern, er wohnte beÿ d h: Edlknab. Sobald
wir zu ihm kam, sagte er, der Wolfg: sehe dir gleich, er erinere
sich völlig deiner Bildung. Und wen fand wir da? – – den Sgr:
Comte Septimo Lodron, den Consist: Cristani, ein gewiss Pilati,
Vesti p: die erst 2 sind von Villa einem Graf Lodronisch Gut herein=gekom: dan von Insprugg kam die Nachricht schon voraus nach Roveredo,
daß wir dahin kom werd. du kanst dir leicht vorstell wie vergnügt
wir beysam war einand nach einer Zeit von 19, 20, und mehr Jahr wied zu
seh, und daß dieß ein fröhliches Mittagmahl ware. Unter der tafel kam
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der Camerdiener des h: v Cosmi und Lued uns auf den folgend tag zum
speisen ein. das war wied eine freudige tafel! um so mehr, als h: v Cosmi
als ein Wittwer mit einer ansehnlich freul: im Brautstand war, und sich
ein paar Täge nach unserer Abreise hat Copulir lass. Ich fand alda seine
Alte fr: Mutter, und 3 Schwestern. wär wir länger in Roveredo geblieb, so
hätt wir beÿ ihm wohn müss; sollt wir abermal dahin kom, so müss wir
beÿ ihm absteig. h: Baron Pizzini und T: h: Graf Lodron, an die wir
von Sr: Ex: Hofmarschall reccomendiert word, hab uns mit all nur er=denklich Höflichkeit beehrt. die Noblesse hielte ein Concert in dem hauß
des h: Baron Todesci. und wer war dieser B: Todesci? – – jener h:, den
h: Giovani in Wien einsmal zu uns gefiehrt hat den Wolfg: spiel
zu hör. Vielleicht wirst du dich noch erin. Was sich der Wolfg:
für eine Ehre gemacht, ist unötig zu schreib. den Tag darauf gieng
wir Nachmittags auf die Orgel der Hauptkirche; und obwohl es nur
6 bis 8 Hauptperson gewust hab, daß wir dahin kom werd; so fand
wir doch ganz Roveredo in der Kirche versamelt, und must eigens
Starke kerl voraus gehen, um uns den Weg auf das Chor zu bahn:
wo wir dan eine halbe viertlstunde zu thun hatt, um an die Orgel
zu kom, weil ieder der nächste seÿn wollte. wir war 4 Tag in
Roveredo. Dieser Ort ist nicht groß, und war einsmals ein gar
schlechter Platz, ist aber durch fleiß der Inwohner seit mans=gedenk imer in bessere Aufnahm gekom, indem die meist vom
Weinwachs und SeidenHandlung leb. dermahl sind viele vermögliche
Häuser da, und man ist sehr höflich mit fremd. ] –
In Verona hat die Noblesse nach 7 Täg erst ein Concert od academie
veranstallt kön, dazu wir eingelad war, weil täglich opera ist.
Die Cavagliers an die wir recomendirt war, sind il Marquese Carlotti.
il Conte Carlo Emilij. Il Marquese Spolverini. Il Marquese
Dionisio St: Fermo. Il Sgr. Conte Justi del Giardino. Il: Sgr:
Conte Allegri. Beÿ h: Marquese Carlotti war wir für allzeit einge=lad, wie auch beÿ h: Loccatelli. Zweÿmal speist wir beÿ h:
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Marquese Carlotti. dan beÿ h: Comte Carlo Emilij. 2 mahl beÿ
h. Conte Justi, der ein schön Gart und gallerie hat. du wirst
in Kaÿslers Reisebeschreibung solches vielleicht find. dan speist wir
gestern beÿ h: Locatelli, und heute war eine völlige verwirrung,
die ich dir umständlicher erzehl muß. wir war auf heute beÿ einem
gewiss ehrlich Man h: Ragazzoni eingelad. der general Einnehmer
von Venedig il Sgr: Luggiatti bath die Cavagliers mich zu ersuch, daß
ich erlaub möchte den Wolfg: abmahl zu lass; gestern vormittag
geschahe es, und heute nach der Kirche sollte er das zweÿte mahl sitz,
und wir sollt alda auch speisen. Sgr: Luggiatti verfügte sich in
Person zu h: Raggazzoni und bath ihn uns ihm zu überlass; dieser
mußte solches, obwohl mit gröst widerwill, gescheh lass, weil Luggiatti
eine große Hand in Venedig hat. wir sollt demnach heut vormittag
nach der Kirche zu h: Luggiatti kom, um vor dem Tische noch
einmahl dem Mahler zu sitz. Es kam aber wied ein stärkerer,
od grösserer nämlich der Bischof von Verona aus dem Hauß Ju=stiniani, welcher durch h: Locatelli uns nach der Kirche
nicht nur beÿ sich, sond zum speisen hab wollte. da er aber
vernahm, daß man im Begriffe wäre des Wolfg: Portrait
zu mach, und wir abreis woll, so liesse er es zwar
gescheh, daß wir zu h: Luggiatti zum speis gieng, hielt uns
aber doch bis nach 1 Uhr nachmittag beÿ sich auf. Man fuhr
demnach fort des wolfg: Portrait auszumahl, und wir gieng
erst um 3 Uhr zum Ess. Nach dem Tische fuhr wir nach
der Kirche St. Tomaso um auf 2 Orgeln dieser Kirche
zu spiel; und obwohl dieser Entschluß erst unter dem Ess
genom und durch ein paar billets dem Marquese Carlotti
und Comte Pedemonte bekannt gemacht word; so war denoch beÿ unserer
Ankunft in besagter Kirche ein solche menge Volk versamelt, daß
wir kaum Raum hatt aus der Kutsche zu steig. Es war ein solches
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Gedränge, daß wir gezwung war, durch das Kloster zu geh, wo uns
dan in einem Augenblicke so viele Mensch zuliefen, daß wir nicht würd
Platz gefund hab, wen uns die Patres, die schon an d Klosterporten
uns erwartet, nicht in die Mitte genom hätt. da es vorbeÿ war;
war der Lermen noch grösser, den ieder wollte den klein Organist
sehen. So bald wir im wag war, ließ ich uns nach Hause führ; schloss
das Zimer zu, und fieng diesen Brief zu schreib hat: ich muste mich mit
Gewalt von allem los machen, sonst würde man uns nicht so lange in
Ruhe lass ein Brief zu schreib. Morgen fahr wir mit h: Loccatelli nach
dem Amphitheatro und and Seltenheit d Statt, dan speis wir beÿ
ihm, hernach werd wir AbschiedsVisit zu mach fahr, übermorg einpack
und Mittwoch abends mit Gottes hilfe nach Mantua reisen, welches, obwohl
es nahe ist, weg dem Kotigen Wege, eine kleine Winter=tagereise ist.
Sind keine Briefe vom h: Lotter weg richtigem empfang des gelds gekom? – –
hat h: Breitkopf in Leipzig nicht geschrieb, ob er die 100 Bücher empfang hat? – –
Sind die Bücher nach Wien geschicket word, und hat h: Gräffer der Empfang
berichtet? – – dergleich Sach must du mir nur mit einem paar Worte be=richt. – war es in Salzb: in den WeinachtsFeÿrtag auch schön Wetter und
nicht kalt? – – Nun hab wir aber 8 Täge fast starke kälte. und stelle dir
vor; aller Ort wo wir speisen, im Speiszimer wed Camin noch Ofen.
Man bekomt abscheuliche Schwarz-blau-rothe hände. Ich wollte lieber
in einem Keller Essen. von dieser Materie, die unser gröstes Kreutz ist,
ein andersmahl mehrers. du darfst mir kecklich schreib, wie man den Hand=teig macht, vielleicht ist er uns nötig. Entzwischen mache 12 St: Violin=schule zusam, und schicke solche in die Joseph Wolfische buchHandlung nach
Insprugg. derjenige, welcher diese Handlung in Insprugg besorget schreibt
sich, wen nicht irre, Felicius od Felicianus Fischer. In der Mayrisch Buchdrucke=reÿ kanst du es erfahr. Du darfst nur ein kleines Briefl beÿleg. ungefehr
also: Sie erhalt hier 12 St: Ex: der Violinschule, die mein Man ihn zu schick
von Verona mir ordiniert hat. Sie mög es, abgeredter massen, in Comission behalt,
und das St: à 2 f 15 Xr tyrol. Münz verkauff, und die verkauft in nämlicher
Müntz à 1 f 45 Xr meinem Man vergütt: solches in die Zeitung setz, und die
Kosten diesfals meinem Mane aufrechn.__________________\hfill Nun ist das Papier zu Ende
______________________________________________________________________\hfill Lebe wohl ich bin Dein alter Mzt mp
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