Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Salzburg
Austria
The Packard Humanities Institute
Los Altos
California, USA
Morgenstern
Anja
text encoding, text editing
Kelnreiter
Franz
technical supervisor, data modelling
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Wissenschaftliche Abteilung. Digitale Mozart-Edition
Ulrich Leisinger
Digitale Mozart-Edition
[https://dme.mozarteum.at]
2013-5
CC BY-NC-SA 4.0
https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=902
A-Sm
A-Sm: Internationale Stiftung Mozarteum, Bibliotheca Mozartiana. Salzburg (AUT)
last file update: Wed May 11 14:48:10 2022
MARIA ANNA UND WOLFGANG AMADÉ MOZART AN LEOPOLD MOZART IN SALZBURG
MÜNCHEN, 29. UND 30. SEPTEMBER 1777
mit Nachschrift von Wolfgang Amadé Mozart an Maria Anna (Nannerl) Mozart
3.____________________________________________________________________________________________\hfill Minichen den 29t
________________________________________________________________________________________________\hfill September 1777
Wür sind gottlob gesund und noch hier, heunt ist der wolfgang beÿ den bischof
in Ciemsee gewesen, morgen aber würd er den Churfürsten aufwarth,
es hat enter nicht sein könn, herr Woschicka hat gestern abends, und heunt
Mitag beÿ uns über disch gespeiset und wahr sehr höflich, wie es mit uns
gehn wird müssen wir erwarth, wir haben recht ville gutte freünde
hier die gern seheten das wir hier bliben; __________________________________________________________________daß ist wahr! sehr viel gute
freünde: aber leider die meisten die nichts oder wenig vermögen. ich war gestern um halbe
11 uhr beÿm graf Seau und habe ihn aber viel ernsthafter und nicht so natürlich wie
das erste mahl befunden. doch war es nur schein. dan heüte war ich beÿm
Fürst Zeil und der hat mir folgendes mit aller höflichkeit gesagt. „Ich glaube
hier werden wir nicht viell ausrichten. ich habe beÿ der tafel zu Nümphenburg
heimlich mit den Churfürsten gesprochen. er sagte mir. iezt ist es noch zu früh.
er soll gehen, nach italien reisen, sich berühmt machen. ich versage ihm
nichts. aber iezt ist es noch zu früh.” da haben wirs. die meisten grossen herrn
haben einen so entsezlichen Welschlands=Paroxismus. doch rieth er mir zum
Churfürsten zu gehen, und meine sache vorzutragen wie sonst. ich habe
heüt mit h: wotschicka über tisch heimlich gesprochen; und dieser bestellte
mich morgen um 9 uhr, da will er mir eine audienz gewis zuwegen bringen.
wir sind nun gute freünde. er hat absolument die Person wissen wollen,
ich sagte ihm aber; seÿen sie versichert daß ich ihr freünd bin und bleiben
werde, ich bin ihrer freündschaft auch völlig überzeigt; und das seÿe ihnen
genung. Nun wieder auf meine schistori zu komen. der bischof in Chiemsee
sprach auch ganz allein mit der Churfürstin; die schupfte die achseln, und
sagte: sie wird ihr möglichstes thun. allein sie zweifelt sehr. Nun komts wegen
graf Seau; graf Seau fragte den fürst Zeil, |: nach dem dieser ihm alles
erzehlt hatte :| wissen sie nicht, hat den der Mozart nicht so viell von haus,
daß er mit ein wenig beÿhülfe hier bleiben könte. ich hätte lust ihn zu
behalten. der bischof gab ihn zur antwort. ich weis nicht. aber ich zweifle
DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881
sehr; doch därfen sie ihn ja nur darüber sprechen; das war also die ursache
warum er folgenden tag so gedankenvoll war. hier bin ich gern; und
ich bin der Meÿnung wie vielle meiner guten freünde, daß wen ich nur
ein jahr oder zweÿ hier bliebe, ich mich durch meine arbeit verdienst
und meriten machen könte, und folglich ehender von hof gesucht würde,
als suchen sollte. Herr Albert hat seit meiner ankunft ein Project im
kopf, dessen ausführung mir nicht unmöglich scheinet. nämlich er wollte
10 gute freünde zusamen bringen, wo ein jeder Monatlich nur 1
Ducaten spendiren dürfte, daß sind das Monath 10 Ducaten, 50 gulden,
jährlich 600 fl:, wen ich nun hernach von graf Seau nur jährlich 200 fl:
hätte, wären es 800 fl: – – wie gefällten den Papa dieser ge=dancke? – – ist er nicht freündschaftlich? – – ist es nicht
anzunehmen, wen es allenfals ernst würde? – – ich bin
vollkomen darmit zufrieden; ich wär nahe beÿ Salzburg. und
wen ihnen, Mein allerliebster Papa, ein gusto kömete |: wie ich es
doch von ganzen herzen wünschte :| Salzburg zu verlassen, und in
München ihr leben zu zubringen, so wär daß ding sehr lustig und leicht.
Den wen wir in Salzburg mit 504 fl: leben musten, so könten wir wohl
in München mit 600 oder 800 fl: leben? – – –
Ich habe 100000 Complimenten von der gräfin larosè auszurichten. daß
ist wohl eine liebenswürdige dame! und unser sehr gute freündin. h:
von Dufresne sagte mir neülich, das sie zweÿ oft mit der Præsidentin
unserer wegen zankten. der Papa steht in grossen gnaden beÿ der gräfin
larosé. sie sagt sie hat nicht bald einen so vernünftigen Man gesehen! –
und er hats auch schon im gesicht! – ich gehe alle tag zu ihr. ihr
bruder ist nicht hier.
________________________________x freytag mitdag haben wür beÿ hern bellvall
gespeist, hernach sind wür zur frau von durst gegang, und mit
ihr in der Comedi gewesen, sie last sich dir und der nanerl empfehl;
herr becke ist heunt mit der gräfin Seeau auf das land gereiset.
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881
mir gefählt es hier schon guet allein ich möchte mich abtheillen könn
damit ich beÿ euch zu Salzburg auch sein könnte, ich bitte dich nihm
deine gesundheit in obacht, und gehe so bald nicht aus bis dir nicht
recht gutt ist, und laß dir kein graues haar wachsen, es wird mit
gottes hilf alles recht werden. wie es sein mus. an alle meine freinde
Empfehlung, nehmlich frau von Moll, frau von gerlisch, Mamsell Catherl
absonderlich meiner allerliebst Sallerl, und herr bullinger, frau hagen=auerin Jungfer Mizerl mit ein worth an alle die von uns was hören
mög, den bimperl küsse ich auf sein zingerl, er würd mich schon
vergess hab. die nanerl würd wohl schön gebuzt sein weill sie
zweÿ Kamer Jungfern hat, schreib uns fein was in Salzburg Neues
pasiert. morgen wird eine deutsche operette auf gefürth, wier werd
hinein geh solche zu sehen, weill ein solcher lerm ist. das sie so schön
sein soll. die thresel lasse ich auch schön griessen, sie soll ihr die
Zeit nicht lang werden lassen bis ich wider kome, und den bimpes
fleisig brunzen führ. die Vögerl las ich auch griess, ich kan
unmöglich vill schreib, dan die feder ist Miserabel und mit der
goldern kan ich gar nicht schreiben. ich küsse euch also alle
beÿde vill Million 1000 mahl lebts recht vergniegt und gesund
beÿsamen, ich bette däglich für euch. adio Maria Anna Mozartin
x heüte als den 30:t gieng ich nach abrede mit M:r wotschicka um 9 uhr nach hof. da
war alles in jagd uniform. Baron kern war dienender kamerherr. ich wäre gestern
abends schon hinein gegangen, allein ich konte H: wotschicka nicht vor den kopf
stossen, welcher sich selbst antrug mich mit den Churfürsten sprechen zu machen.
um 10 uhr führte er mich in ein enges zimerl so, wo S: Ch: Durchleicht durch=gehen müssen, um vor der jagd Mess zu hören. graf Seau gieng vorbeÿ, und
grüste mich sehr freündlich. befehl nach liebster Mozart. als der Churfürst an
mich kam, so sagte ich. Euer Churf: Durchleicht erlauben das ich mich unterthänigst
zu füssen legen, und meine dienste antragen darf: ja, völlig weg von Salzburg?
völlig weg. ja Euer chur: Durchleicht. ja warum den, häbts eng z'kriegt? – – Eÿ
beleÿbe, Euer Durchl:, ich habe nur um eine Reise gebeten, er hat sie mir
abgeschlagen, mithin war ich gezwungen diesen schritt zu machen; obwohlen
ich schon lange im sin hatte weg zu gehen. dan Salzboug ist kein ort für
mich. ja ganz sicher. Mein gott ein junger Mensch! aber der vatter ist
ja noch in Salzboug? – ja Euer chur: Durchlch, Er legt sich unterthänigst Ect:
ich bin schon dreÿmal in italien gewesen, habe 3 opern geschrieben, mit
Mittglied der accademie in Bologna, habe müssen eine Probe austehen, wo
vielle maestri 4 bis 5 stund gearbeitet und geschwizet haben, ich habe es
in einer stunde verfertiget: daß mag zur zeügniss dienen, das ich
im stande bin in einen jedem hofe zu dienen. Mein einziger wunsch ist
aber Euer Churf: Durchl: zu dienen, der selbst ein grosser = = ja mein
liebes kind, es ist keine vacatur da. mir ist leid. wen nur eine va=catur da wäre. Ich versichere Eur Durchl: ich würde München gewis Ehre Machen.
ja das nuzt alles nicht. es ist keine vacatur da. dieß sagte er gehend. nun
empfahle ich mich zu höchsten gnaden. h: wotschicka rieth mir; ich sollte mich
öfters beÿm Churfürst: sehen lassen. heut Nachmittag gieng ich zum graf Salern.
seine gräfin tochter ist nun kamerfreülle. sie ist mit auf die jagd. ich
und Ravani waren auf der gasse wie der ganze Zug kam. der Churf:
und Churfürstin grüsten mich sehr freündlich. die gräfin Salern kante mich
gleich. sie machte mir sehr vielle Complimente mit der hand. Baron Rum=ling den ich in der Ante Camera vorher sahe, war niemahlen so höflich mit
mir wie diesesmahl. wie es mit den Salern gegangen schreib ich aufs
nächste. recht gut. sehr höflich. und aufrichtig. iezt bitte ich recht obacht zu
geben auf die gesundheit, ich küsse dem Papa 100000 mahl die hände.
und bin und bleibe
P:S: Ma trés chere soeur,
ich schreibe dir aufs nächsten eigenst
einen brief ganz für dich.
meine Empfehlung an. A: B: C: M: R: und mehr
der gleichen buchstaben. Addio.________________________________________\hfill gehorsamster sohn
_______________________________________________________________________________________\hfill wolfgang Amadé Mozart mp
einer bauete hier ein haus und schrieb darauf:
das bauen ist eine grosse lust,
das so viell kost, hab ich nicht g'wust. über nacht schrieb ihm einer darunter:
und das es so viell kosten thut,
hättst wissen solln, du fozenhut:
DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881