LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG
WIEN, 11. UND 16. OKTOBER 1762
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____________________________Monsieur mon trés cher ami
An dem Fest des hl: Francisci4. Oktober
sind wir nachmittag um halbe 5 Uhr
von Lintz mit der sogenannt Wasser=ordinaire abge=reiset, und selbig tag beÿ finsterer Nacht um halb 8 Uhr in
Matthausen angelanget. den folgend ErchtagDienstag
Mittags kam wir
nach Ips, wo 2 Minoritten und ein Benedictiner, die mit uns auf
dem Schif waren, hl: Mess lasen, unter welchen unser Woferl sich
auf der Orgel so herumtumelte und so gut spielte, daß die P:P:
Franciscaner, die eben mit einig Gäst beÿ d Mittagstafl sa\-ssen,
samt ihr Gäst das Ess verliess, dem Chor zulieffen,
und sich fast zu Todt wundten. Nachts war wir zu Stein,
und am Mittwoch langt wir um 3 uhr in Wien an; wo
wir um 5 uhr das Mittag und Nachtmahl zugleich einbracht.
Wir hatt auf der Reise beständig Reg und viel wind. der
Wolfgangl hatte schon in Lintz ein Catharr, und aller Un=ordnung, frühen aufsteh, unordentlich Ess und Trincken
wind und Reg ohngeacht blieb er, Gott Lob, gesund.
Aus dem Strudl und Wirbl macht man mehr, als an d
sache selbst ist. davon seiner Zeit mündlich das mehr=ere. Beÿ dem anland war schon d Bediente des h:
Gilowsky zugeg, d in das Schiff kam und mich dan
in das quartier führte. wir eÿlt aber bald einem Wirths=hause zu, um unsern hunger zu still; nachdem wir vorhero
unsere Bagage in dem quartier in sicherheit und Ordnung
gebracht. Dahin kam dan auch h: Gilowsky uns zu empfang.
Nun sind wir schon 8 täge hier und wissen noch nicht wo die Sone in
Wien aufgehet: den bis diese Stunde hat es nichts als
geregnet und unter einem beständig Wind zu zeit ein
wenig geschnien, daß wir so gar ein bisch Schnee auf
den Dächern sah. dabeÿ war es auch, und ist wirklich noch
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wo nicht rechtschaff kalt, doch rechtschaff frostig. Eins muß ich sondheitl:
anmerk, daß wir beÿ der schantzlmauth ganz ge=schwind sind abgefertiget und von d Hauptmauth gänzlich
dispensirt word. daran war auch unser h: Woferl schuld:
dan er machte alsogleich seine Vertraulichkeit mit dem
h: Mautner, zeigte ihm das Clavier, machte seine Einladung,
spielte ihm auf dem Geigerl ein Menuet, und hiemit waren
wir expediert. der Mautner bath sich mit d gröst Höflichkeit
die Erlaubniß aus uns besuch zu därff, und notirte sich
zu diesem Ende unser quartier. Bis itzt sind wir, ohneracht
des abscheulichst Wetters, schon beÿ einer Accademie des graf
Collalto gewes, dan hat die Gräfin von Sinzendorff
uns beÿm Graf Wilschegg, und den 11t Beÿ S:r Excellenz dem
ReichsViceCanzler grafen v Colloredo aufgeführt, wo wir die
Erst Ministers und Dames des Kaÿs: Hofes zu seh und
zu sprech die gnade hatt: nämlich; den ungarisch Canzler
graf Palfi und d böhm: Canzler graf Coteck samt
dem Bischoff Esterhasÿ und einer Menge die ich nicht
alle merk konnte. Alles, sondheitl: die Dames waren
sehr gnädig mit uns. die zukünftige brauth des T: h:
graf Leopold Künburg hat meine Frau selbst ange=redet und ihr gesagt, daß sie nach Salzb. sich
verheÿrath wird. Es ist eine hipsche, freundliche Dame,
mittelmässiger Grösse. sie erwarthet ihr geliebt dieser
täg in Wien. Die Grafin v Sinzendorf ist sehr bemühet
für uns, und alle Dames sind in mein Bueb verliebt.
Nun sind wir schon aller Orten im Ruff. und als ich alleine
den 10t in d opera war, hörte ich den Erzherzog Leopold
aus seiner Loge in eine ande hinüber eine Menge sach erzehl,
daß ein Knab in Wien seÿe, d so trefflich das Clavier spielte pp:
selbig abend noch um 11 uhr erhielt ich befehl den 12t nach
Schönbrun zu kom. den and tag aber erhielt ich neu
Befehl den 13t dahin zu geh, weil am 12t das fest
Maximiliani, folglich ein unruhiger gallatag war, dan,
wie ich höre, will man die Kind gelegentlich hör. Hauptsächlich
erstaunet alles ob dem Bueb, und ich habe noch niemand
gehört, der nicht sagt, daß es unbegreiflich seÿe. der h:
Baron Schell, od Ehemaliger Lulu bemühet sich sehr
für mich, und er erkenet mit dankbarem Gemüthe
die Gnad, die er in Salzburg genoss. Bitte gelegentlich
nebst meiner Empfehlung T: g: h: v Chiusolis solches
anzurühm. t. h: graf Daun hab mir auch an h:
Baron Schell ein Schreib mitgegeb. Er macht mir
gute Hofnung, daß ich vergnügt von Wien abreis werde.
Es scheint auch also; indem uns der Hof eher zu hör ver=langt, bevor wir uns gemeldet hab. den der Junge
Graf PalfiEntweder Karl Hieronymus Pálffy-Erdöd (1735–1816) oder Johann Leopold Pálffy-Erdöd (1728–1791), dessen Mutter Josepha eine geborene Schlick war.
gieng eben durch Linz als unser Concert
anfang sollte, Er machte der Gräfin v Schlick seine
Aufwartung, diese erzehlte ihm von dem Knab, und
bewegte ihn, daß er die Post vor dem Rathshause halt ließ
und mit d Gräfin in das Concert kam. Er hörte es mit
Erstaun an, und erzehlte es mit vielem Lerm dem
Erzherzog Josef, dieser erzehlte es der Kaÿserin.
Sobald es nun bekannt ware, daß wir in Wien war,
kam d Befehl daß wir nach Hof kom soll. sehen
sie, das ist d Ursprung.
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das vorhergehende schrieb ich den 11t mit dem vesten Vorsatz, den 12t
wen wir von Schönbrun kom, wie es abgeloff, zu bericht. Allein wir
must von Schönbrun schnurgerade zum Prinz von Hildeburgshausen
fahr; es überwog demnach 6 Duccat die Expedition des Briefes,
Ich nehme das Vertrau zu der Frau Hagenauerin und verspreche
mir von ihrer freundschaft so viel Gütte, daß Sie den Glückwunsch zu
ihrem NahmensTage auch itzt und zwar so kurz annehm wird, daß ich
nur sage, wir werd Gott bitt, daß er Sie samt all d ihrig in die
spätheste Jahre gesund erhalt, und seiner Zeit uns alle
in den Himel auf ein Brandl=spiel auf ewig einlad und auf=nehm wolle. Nun lässt die Zeit mehr nicht zu in Eÿl zu sag, als
daß wir von den Maÿestett so ausserordentlich gnädig sind aufgenohm
word, daß, wen ich es erzehl werde, man es für eine fabl halt wird. genug!
der Wolferl ist der Kaÿserin auf die Schooß gesprung, sie um den
Halß bekom, und rechtschaff abgeküsst. kurz wir sind vor 3 uhr bis
6 uhr beÿ ihr gewesen und der Kaÿser kam selbst in das ande Zimer heraus
mich hineinzuholl, um die Infantin auf der Violin spiel zu hör.
den 15t schickte die Kayserin durch den geheim Zahlmeister, der in
galla vor unser Hauß gefahr kam, 2 Kleid: eins für d bub und
eins fürs Mädl. so bald d befehl komt, müss sie beÿ Hofe er=schein, und der geheime Zahlmeister wird sie abhohl. Heut um 12 3 uhr
müss sie zu den 2 Jüngst Erzherzog. um 4 Uhr zum graf
Palfi ungar: Canzler. Gestern sind wir beÿ dem Graf Caunitz
und vorgestern beÿ der gräfin Küntzgin und dan beÿm
graf v Ulefeld gewesen. wir sind schon auf 2 täge wied verstellt.
sag sie es zur Gnade aller Ort, daß wir, Gott lob, gesund
und glücklich sind, ich Empfehle mich und bin d alte
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bitte der Frau Doctor Niderlin von unserm
wohlseÿn Nachricht geb zu lass. NB: schicken sie mir keine Briefe mehr
ein, sond öffn und lesen sie solche nur, den ich muß sonst für unotige Briefe
viel Postgeld ausgeb: sie seh dan schon, was nothwendig ist.
d ganz Welt mein Compliment. Wien d 16t oct: 1762.
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