Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN AUGSBURG
SALZBURG, 12. UND 13. OKTOBER 1777
mit Nachschrift von Joseph Bullinger
8)
_______________________________Mon très cher Fils!____________________________________\hfill Salzb d 12 octob: 1777
Ich hoffe die Mama und du werden sich beÿde recht wohl befind und mein Brief, den
ich an mein bruder Franz Aloysi eingeschloss, richtig erhalt hab. Wir befind uns beyde,
Gott Lob, gesund. der Sago thut mir sehr wohl anschlag, und ich hoffe es wird imer besser
werden, wir gehen, da das Wetter gut ist beÿ Zeit, mit unserm getreu Pimperl täglich spazier,
welcher recht lustig und nur alsdan sehr traurig und recht sichtbarlich in der gröst
Beängstigung ist, wen wir beÿde nicht zu Hause sind, den da glaubt er, weil er euch
verlor, er werde nun uns auch verlier: so daß, als wir auf den Ball gegang, er
von der Mizerl nicht mehr weg wollte, weil er uns in der Maske geseh; und da
wir zurück gekom, war er so voll der Freude, daß ich geglaubt er werde ersticken.
Er ist auch, da wir aus war, nicht im Zimer auf seinem Bette geblieb, sond beÿm
Mensch beÿ der thür auf dem bod lieg blieb, und hat nicht geschlaff, sond imer
gespehnt, ob wir nicht wied kom. Eben itzt komt die Nanerl von der Gratulation
beÿ d Obersthofmeisterin, die ihr aufgetrag euch ihr Compliment zu vermeld,
wie auch der Obersthofmeister und Oberststallmeister. Heut nachmittag wird
h: Bullinger das beste geben. Beÿ h: v Schiedenhof muß alles in voll flam
seÿn, den es heist, er hätte bereits um den HaÿratsConsens eingegeb; das ist
richtig, daß, als er sich erkläret, daß er so lange nicht wart könnte, die Eltern
sich entschloss hab sie ihm zu geb. wie sie aber weg dem Hayratgut auseinander
gekom, weis man noch nicht. Hier ist ein Geschwätz entstand unter den Leut,
du hättest vom Churfürst ein so grosses Regal bekom, daß du auf ein ganzes
Jahr zur Reise genug hättest, und daß der Churf: beÿ der erst Vaccatur dich
in seine dienste nehm werde. Nun ist es mir lieber die Leute sagen etwas gutes
und vortheilhaftes, als etwas schlimes, und zwar weg dem Erzbischof!
Ich vermuthe die Leute des Fürst in Chiemsee werd, dem Erzbis: zum trotz solche sachen
aussprengen. Ich wünschte das Wetter blieb imer so schön, als es itzt ist, weg euerer Reise.
den 13 octob: Wir haben dein Schreib |: nicht aus Augsp: wie wir hoft :|, sond abermahl aus München
erhalt, wo es heist: daß ihr den 11t, das wäre Samstags nach Augsp: gehen werdet: und aus
verstos habt ihr beÿde den Brief vom 11t datiert, das wird heissen soll den 10t abends p:
um des Himels willen, wen ihr in München so lange geblieb, wo doch gar kein kreuzer Einnahm
zu hoffen, und zwar fast 3 woch, dan werdet ihr weit kom. Daß der Fürst Taxis in Disching
und nicht in Regenspurg ist, das ist was altes: allein ihr müst euch in Augsp: beÿ der
Post=Direction, wo meines Bruders Tochter sehr wohl bekannt ist, erkundigen, wie lang
der Fürst in Disching verbleibt, dan bis nach Regenspurg wäre wied ein starker ab=weeg. vermuthlich wird er bald nach aller Heiligen wied nach Regensp: geh. Ihr müst
euch weg eueres Aufenthalt in Augsp: darnach richten. ohnweit disching ist gleich
beÿ Donauwerth das berühmte Reichskloster Kaysersheim, wo der h: Reichs Prelat, wie
ich höre ein grosser Liebhaber von Virtuosen ist, und wo man euch alle Ehr erweis wird,
Man muß sich aber imer Ehre geb und sich ein bischen kostbar mach, in Augsp: wirst
du alles dieses erfahr, und h: Stein wird dir viel Anleitung geben und dir auch
Briefe an verschiedene Ort verschaff könn. Ich weis nicht ob du besser vorher nach
Wallerstein od nach Kaysersheim geh kanst: das versteht sich, nach dem du beÿm Fürst
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Taxis gewesen. Kaysersheim liegt rechter hand, und Wallerstein Linkerhand,
folglich glaube vorher nach Kaysersheim, dan soll dich der h: Prelat mit sein
Pferd nach Wallerstein führ lass. der Fürst von Ötting Wallerstein wird
vielleicht auf seinem Schloß Hochenaltheim seÿn, welches gleich beÿ wallerstein
liegt. das kanst du alles in Augsp, und dan in Disching erfahr. Du wirst dich
erinern, daß dich der Fürst ein junger schöner Herr in Neapel eingelad, daß du ihn besuch
möchtest; daß kan auch die Ursache seÿn, daß du ihm aufwartest. Nun war vormals
in Anspach beÿ dem Margrafen, dan in Mergentheim od Mergenthall beÿ S:r Ex: dem
LandComandeur etwas zu thun, und dies wäre mit einem klein abweeg von Anspach
nach Mergentheim der Weeg nach Würzburg. Ob aber diese Ort noch gut sind, wirst
du aller Orten leicht erfahr; doch darf man eb nicht iedem Esel glaub: den, wen
manche da und dort nicht viel geacht werd, und dessweg unzufried sind, so werd grosse
Virtuosen ganz anderst angeseh. Wen an solch Ort die ganze Musik NB ich sage die
ganze Musik abgedankt word; dan ist es freilich ein Zeich, daß kein geld mehr da
ist: und wen kein accompagnement mehr da ist, – kan man sich freilich nicht mehr
producier. Von Würzb: gieng der Weeg über Heidlberg nach Manheim.
dan ist Darmstatt, Frankfort, Maynz und Coblenz.
Weil es mir eben einfalt, so muß dir erinern |: dan du giebst auf solche sach wenig
acht :| daß der Pabst, von dem du den Orden hast der berühmte und grosse Pabst
Ganganelli, Clemens der 14te war. Zu Kaÿsersheim must du dein Kreuz trag.
Was du wegen der opera in Neapl schreibst, war alles ohnehin längst mein Gedank.
hat dir h: Missliw: auch die addresse an den Don Santoro gegeben? du magst
nun den Brief von Augsp: aus wegschick, oder mir einschlüss, das ist alles eins, wen
er nur gut und deutlich geschrieb ist. hast du die addresse nicht, so must du mir den
Brief schick, ich werde mit Misliwet: Correspondier, und alles in Gang bring,
dan an der addresse ist alles gelegen. Wie, od was hätte ich dem Missliw: unter=dess schreib könn, da ich nicht wuste ob du beÿ ihm warest od nicht? Ich konnte
auch dir meine Meinung über die ganze Sache nicht schreib, weil ich nicht wuste,
was unter dieser Sache stecken möchte, weil ich sicher glaub muste, daß Missl: weis
das du in Münch bist: dan ihr waret schon den 22t in München, und er schrieb
mir erst den 28t. Was die ganze Historie seiner Krankheit betrift, werde mich
ein anders mahl umständlicher erkler. Er ist halt freÿlich zu bedauern!
dein Schröcken, dein Angst p: da du ihn sahest ist mir mehr als zu begreiflich, es
würde mir eben so seÿn, du kenst mein Herz!
Die Mama schreibt wegen der freul: Tochter des Kriegs Secretaire von Hamm. Nun
möchte es leicht seÿn, daß er mir zuschrieb: ich würde dan in der gröst Verlegenheit
seÿn. Erstlich wist ihr, daß wir sehr sparsam leb: und diese Leute sind gewohnt gut
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zu fress. doch dieß ist nicht die Hauptsache. die Mama und du schreib, daß sie
sehr einfältig erzog ist, folglich vermuthe, daß sie auch wenig Talente zur Musick
hab wird. wäre dieses, so kan ich mir keine Ehre machen. weg der schlecht position
der Hände hat es nichts zu sag, da lässt sich helfen; wens aber an den Ohr fehlt,
und folglich kein tempo zu hoffen, dan muß ich mir die Ehre gehors: verbitt.
du hättest also über diesen Punckt eine kleine Probe mit ihr mach soll: und diese
ist bald gemacht. man darf nur ein paar leichte täcte vorspiel, und seh ob
sie es à tempo nachspiel kön. – ob ihn, wen sie einmal die Nott der 2 täckte
wissen auch das Tempo treff. Schreibe mir also mit nächster Post, ob sie ein
gehör hat oder nicht? – – sonst kan ich mich nicht entschliess.
h: Freisinger hat mit mir studiert, das hat seine Richtigkeit, daß er mich aber zu
Kloster Wessobrun so vortrefflich die Orgl hat spiel hören, das habe ich nicht gewust.
so kan doch nichts geheim bleib: du weist wie oft ich dir gesagt habe: nicht ist so klein
gesponen; es komt noch an die Son. Ob ich den HofRath Öfele köne? – – das glaube!
ich hab als discantist im Kloster St: Ulrich in Augsp: unter der Messe eine Cantate gesung,
als er mit der schönen Lepin einer Kaufmanstochter, die schön sang und Clavier spielte,
und mit der er über 30000 f erheÿrathet, in der Capelle des Prelat vom h: Prelat
selbst zusam gegeb wurde. Ich sahe ihn dan nach der Hand ia auch öfter in Münch
als er schon Hofrath war. Sic transit gloria mundi! alles versoff vor dem End, macht
ein richtigs testament! die übertriebene Musickliebhabereÿ hat getreulich dazu geholf.
Daß der lieben Mama das einpack beschwerlich fällt, will von Herz gern glaub! o wie
gern wollte ich es statt ihrer thun, und sie gänzlich überheb. Ich kisse sie viel 1000000
mahl und wünsche ihr Gesundheit und Gedult. Meine Gedult ist schwerer!
die Nanerl bedankt sich für die Præambula. gestern hat die Catherl das beste und ich
das 2te gewon. die Schidenh: Louis und Kronach Nanerl war auch da, über 8 täge woll
beÿde auch mit schüss. wir sind dan mit einand bis halbe 6 uhr spazier gegang, und dan
hab wir bis 8 uhr geschmirbt, um 8 uhr gegess, um 3 viertl auf 9 uhr mit den 2
Freul nach Haus und dan zum Hagenauer, um halbe 11 uhr nach Hauß und schlaff
gegang. Heut ist die Hochzeit vom Pergerbreu auf dem Rathshause. die ganze
SchützCompag: Hagenauer: Schiedenhof: p: Mitzerl und ganz Salzb: empf: sich
wir Kissen euch beÿde von Grund des Herz, und bin d alte
____________________________________________________________________________________________________________\hfill Mozart mp
Ob wir die Duetto vom Schuster erhalt? – – gar nichts! hättest du nicht dazu
setz könn, die ich durch Peter od Paul geschickt habe. wo sollen wir itzt nachfrag?
wer soll sie uns nun einhändigen? – – zu zeit fehlts halt noch am Ellebog!
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Allerbester! Ich wünsche, daß Ihnen mein Vater-land recht wohl gefallen möge. Nun werden ihnen
die Ohren wehe thun von lauter a. Ich empfehle
mich der liebsten Mama unterthänig.___Jos. Bull.
À Monsieur
Monsieur Wolfgang Amadé
Mozart Maitre de Musique
_____________________à
Beÿm Lam=wirth____________Augspourg
in der heil: Kreuzer
gasse.
Franco
N: 8.
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