Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN AUGSBURG
SALZBURG, 15. OKTOBER 1777
9._______________________________________________________________________________________\hfill Salzb: d 15t octb: 1777.
_________________________________Mon trés cher Fils!
Mit dem Brief den ich an mein bruder einschloß, ist dieß der dritte Brief, den ihr von mir
in Augsp: erhaltet. Ich sehe vor, daß du vielleicht vor komendem Sontag kein Concert wirst
geben können; weil man es imer 8 täge vorher bekannt mach muß. Ich muß eine Anmer=kung machen, davon du nach den Umständ Gebrauch mach kanst. Wen du siehest, daß du
grossen Beÿfahl hast, und man dich Hochschätzet, so wünschte ich, daß nach der Hand, wen
du von Augspurg weg bist, ein besonderer Artickel zu deinem Lobe in den Augsp:
zeitungen erschein möchte, welches mein Bruder dem h: Stein, od h: Glatz ihm
vortrag, und h: Stein veranstalt könnte. Du weist schon warum: das würde
hier iemand vielle Galle machen. h: Stein und andere Evangelische würd
sich eine freude daraus mach. NB. Du wirst wohl wiss, daß man die Lutheraner, Evangelische
nen muß, dan sie woll nicht lutheraner genannt werd, so sagt man auch eine evangelische Kirche,
und nicht lutherische Kirche. wie die Calvinisten Protestant woll genannt werd, und nicht Calvinist.
das fiel mir eben beÿ dir zur Nachricht zu sagen, man könnte oft mit einem unruhigen Menschen
wegen einem einzigen solch Wort in Verdriesslichkeit kom; obwohl sich vernünftige nicht darüber
aufhalten. Nun muß ich auf euere Reise kom. Was du wegen der opera in Neapl geschrieb, war
eben auch mein Gedanken: nämlich, die Scrittura suchen zu erhalt. – ja ich bin willens aber=mahl den Michael del Agata anzugeh, wen die Scrittura in Neapl nicht sollte zu stande kom:
dan, wen man eine Scrittura beÿ Hand hat ist es allzeit gut. Ihr habt euch zu lang in München
aufgehalt: und in Augsp: must du doch ein od 2 Concert geb um doch etwas einzunehm, es mag
wenig oder viel seÿn; die schönen Worte, Lobsprüche und Bravissimo zahlen weder Postmeister noch
Wirthe, sobald man nichts mehr gewin kan, muß man also gleich weitertracht. den 4t Novemb:
am Fest Sti Caroli ist gemeiniglich eine opera in Manheim. Nun ist die frage, ob du wilst
antragen bis dahin in Manheim zu seÿn? – – Es ist fast ohnmöglich! Manchmal geht der
Fürst Taxis, und der Fürst von Ötting Wallerstein auch nach Manheim die opera zu seh. zum
Glück sind diese beÿden Fürst nicht weit von Augsp: – – ihr müst euch also über die höchste
Noth in Augsp: nicht aufhalt; ausgenom ihr seht euern klar Nutz; dan die opera die itzt
in Manheim gemacht wird, und zwar nur den tag St: Caroli, wird als dan im fasching wieder
aufgeführt. Wen du also beÿm Fürst Taxis wohl angeseh wärest, so dürftest du dich eben
dessentweg nicht mit Gewalt losreissen, dan die opera siehest du dan allezeit noch. Es würde
auch nicht daran zu gedenken seÿn itzt vorher von Wallerstein nach Würzburg zu geh,
wen du den 4 Novemb: in Manheim seÿn wolltest, sondern ihr müstet von Wallerstein
schnurgerade nach Manheim eylen, welches ein zimlicher Weeg ist; es wird so etwa
20 Meil weegs seÿn, das wär also 2 tagreisen. die Mama wird es in der PostCart find;
es komt viel darauf an ob der Weeg gut ist, und ob er viele Umweege macht.
von Wallerstein werd nur 15 Meilen nach Würzburg seÿn, und von Würzburg auch 15 Meil
nach Manheim. itzt sind die Täge schon Kurz; ihr müst allezeit tracht, morgens beÿ zeit
abzureisen um nicht in die Nacht hineinreisen zu därffen. dieses könnt ihr beÿ gut
freund umständlicher erfahren, sonderheitlich glaube beÿ h: Postverwalter, wo meines bruders
Tochter sehr wohl bekannt ist, und wo du vielleicht an den Fürst Taxischen Hof briefe erhalt kannst.
gegen fremde, die in euerem Wirthshaus wohn müst ihr weg euerer Reise nicht zu aufrichtig
seÿn, den es giebt viele Avanturieurs und spitzbub. Vergesst ja nicht den Fürst Taxis
und Fürst Ötting Wallerstein um Empfehlungsschreib nach Mannheim zu bitt.
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881
Ich konnte beÿ eurer Abreise 1000 nothwendige Sach nicht mit dir reden, weil ich krank, verwirrt,
verdrüsslich, niedergeschlag, und sehr betrübt war; weil mir überdas das Reden auf der brust
sehr wehe that, und ich weg dem Einpack, und in der frühe weg dem Aufpack vieles zu denk
und anzuordn hatte. Ich würde dir sonst gesagt hab, daß du gleich beÿ deiner Ankunft in Münch
um einen Copisten schau solltest, und so an all Ort, wo du dich eine Zeit lang dich aufhaltest.
dan du must tracht auch mit der Composition etwas zu machen, und das geschieht, wen man einige
Sinfoni und Divertimenti abcopierter in bereitschaft hat, solche einem Fürsten, od and Liebhaber
præssentier zu könn. die Copiatur muß also veranstaltet werd, daß der Copist wenigst das
violino primo oder eine andere Hauptstime im Hauß beÿ dir schreibt; das übrige kan man
ihm alsdan nach hause geben. Nun solltest du absolute für den Fürst Taxis etwas bereit hab.
du kanst also geschwind die Obo, Horn, und die Violastim von 6 gut Sinfoni einem
oder |: damit es geschwinder gehet :| mehrern Copisten zum schreib geb: so kanst du dan
die Sinf: von der Hofschrift dem Fürst überreich, und es bleib dir noch von der Hofschrift die
duppliert Violin und Bas zu einer ander solch Gelegenheit, etwa nach Würzburg, und därff
nur die Oboen, Corni und viola dazu kom. Die Divertimenti sind geschwind Copiert: zwar die deinig
hab viel stim, und sind lang. Basta! du must dir aller Ort geschwind um ein Copist schau, sonst
verlierest du viel! was nützt dich sonst alle die Musik die du mit dir hast? – – du kanst nicht abwart,
bis sie ein Liebhaber Copier lässt: und dan bedankt er sich dafür, das ist alles. allzeit aus
der Spartitur abschreib lass ist zu mühesam und werd 1000 fehler einschleich, dan müste
man den Copisten imer im Hause hab. zur abschreibung der Hauptstime kan er ein paar vor=mittag komen, wo ihr ohnedas zu Hause seyd, und das übrig zu Hause schreib. das ist einmal noth=wendig. zum Beyspiele, köntest du dem h: v Obladen in Augsp: gleich etwas geb, er müste
dir doch ein Regal dafür mach. Er hat Synfo: von dir, die ihm h: Ranftel geschickt; aber
sie werden solche gewiß niemals niemals gut produciert hab. Nun liegt dir aber imer
mehr daran etwas für den Fürst Taxis zu hab. – – und wäre das Oboe=Concert herausge=schrieb, so würde es dir in Wallerstein, wegen dem Perwein etwas eintrag. der h: Reichs=Prelat in Kaysersheim würde dich für Musik auch gut beschenk: dort habt ihr den Vor=theil, der nicht klein ist, daß ihr für kost und trunck p: nichts bezahl därft, dan die
WirthsConto reissen auch in den Beutl. Nun hast du mich verstand. diese sind iene An=stalt die die allernothwendigst sind; welche das Interesse betreff: alle übrige Compliment, und
visiten p: sind nur Nebendinge, wens leicht seÿn kan, ohne die Hauptsache, die was einträgt,
zu verabsäum. Aufs Geld einnehm muß alle Bemühung geh, und aller Bedacht aufs wenig
ausgeb, so viel es möglich ist; sonst kan man nicht mit Ehre reisen; ja sonst bleibt man gar
sitz, und setzt sich in Schulden. – – Man findet ia doch endlich aller Ort Copisten. Man muß sich
vorher eine Schrift von ihm zeigen lass, und auch das Papier anseh, damit es doch wenigst
mit dem andern Papier ein wenig gleichkomt: kurz! man muß auf alles bedacht
seÿn! damit kein Haupt=fehler herauskomt, und das geschieht, wan man den Kopf recht
zwisch den Ohr hat. – – Nun fällt mir was anders ein. du hast das grosse Lateinische
Gebettbuch beÿ dir, das dir sehr nützlich ist, nicht nur weil alle Psalm und andere Kirchen=text darin sind, – – das deutsche der Psalm hat die Mama in ihrem gross Officio – – sond es
ist dir auch dienlich zur Übung in der lateinisch Sprache, wen du zur Abwechselung zu zeit
morgen und abend Gebetter daraus bettest, die Gebetter sind leicht zu versteh;
es sind auch Beicht und Comunion gebetter p: darin.
Wen ihr zu wenig Schnupfdücher habt; so ist vielleicht Augsp;: der beste Ort ein halb Duzet od
ein Dutzet zu kauff, aber keine blau, die die farb lass, od die Nas auffress. auch wird
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in Augsp: die Leinwand noch am wohlfeilst und best seÿn dir noch zweÿ od wenigst eine Unterhos
mach zu lass. die Spartitur, die noch nicht eingebund sind, wird dir mein Bruder geschwind
einbind. du must aber sagen, daß sie nicht müss beschnitt werd. Er darf nur die and seh.
In Augsp: wird mein Bruder oder seine Tochter od frau |: den mich allen Empfehle :| schon ein=packen helfen. – – h: Baron Dürnitz war gewis nicht in München? – – – –
dies geld hättest du wohl auch gut zur Reise brauch könn. Wie viel habt ihr beÿ Herrn
Albert bezahlen müssen? – – – die Præludia für die Nanerl sind unvergleichlich!
sie Küsset dich millionmahl dafür; sie spielt solche auch schon recht gut.
Mit der nächsten Post werde nach Venedig schreib, und sehen, ob du nicht die opera für
die Ascensa bekom kannst. Missliwetcek hat mir mit der größten freude Nachricht
gegeben, daß er, wider sein verhoff, das vergnüg gehabt dich und auch die Mama zu seh,
la quale, schreibt er, è veramente una Signora di garbo degna del Sgr Mozart.
er gab mir Nachricht, daß er dem Erzb: 12 Sinf: und 6 Quintett Con oboe obligato itzt
eingeschickt, und bittet mich wegen der production besorgt zu seÿn, und auch dahin zu seh, daß
der Erzb: wegen der vorigen und itziger Musik sich seiner erinern möchte: procuri di
ramentar all' Principe la Musica vecchia, e moderna, che gli mando, per interesse mio. sono viaggia=tore &c: er schreibt auch am Ende: alla Sgra: Figlia manderò delle Suonate per Cembalo.
Ich will nun sehen wie es mit der anzuhoffend Scrittura von Neapl ablauff wird, und unterdess
die Scrittura für die Ascensa suchen. dan ist es zeit auf das weitere zu denken, wen du nur
trachtest dich unterdess fortzubringen: und solltest du in Manheim oder ander Orts gut ankom könn,
so hindert dieses gar nichts eine Reise nach Italien, wo nicht gleich, doch in kürze mach zu kön, da
ieder grosser Herr, der die Musik wahrhaft liebt, sich eine Ehre daraus macht, wen iemand der
in seinen dienst stehet sich Ruhm erwierbt. den nächsten Brief den ich schreibe, werde Francò unter
der adresse meines Bruders nach Augsp: schicken. Er wird, solltet ihr weg seÿn, eur weeg wiss,
und nach schick, doch glaube, er wird euch noch in Augsp: antreff. Nach meiner Meinung solltest
du dich wegen der opera in Manheim nichts bekümern, da du es im fasching seh kanst. aber den
Fürst Taxis must du auf sein Güttern nicht versäum: und da must du dich nach den Umständ
alsdan richten. Wie du die Sache in Manheim anzufang hast, werde dir ein andersmahl schreib.
die Schusterl: Duetto haben wir noch nicht geseh, vielleicht kom sie mit dem heutig Postwag.
wir befind uns, Gott Lob, gesund! und ich würde noch gesünder seÿn, wen ich einer
der sorglosen Vätter wäre, der in 3 Wochen Weib und Kind vergess kan. das könnte ich
in 100 Jahren, ia so lange ich lebe nicht, ich und die Nannerl Kissen euch millionmahl und
ich bin lebendig und todt der alte redliche__________________________\hfill Man und Vatter
________________________________________________________________________________________________\hfill Mozart mp
Es bleib mir manche Sachen unbeantwortet, und ihr werd beobacht, daß ich euch auf alles
antworte. warum? – – weil ich, wen ich das nötigste geschrieb habe, dan euer Schreib
vor mir hinlege, – durchlese, und so oft etwas komt, solches beantworte. ferner –
liegt imer ein Stück Papier auf mein tisch; so oft mir was beyfällt, das ich euch
zu schreib hätte, so notiere es mit einem paar Worte. komt es alsdan zum Briefschreib,
so kan ich nichts vergessen.
Hier schicke dir ein ziemlich gross Brief mit Musik. Ich konnte es nicht über mein Herz
bringen diese Sachen dir nicht zu schick. Man komt in Gelegenheit derleÿ Sachen zu mach,
und dieß sind doch imer gute Muster.
des gewesten LeibCamerdr Adams Frau ist gestern begrab word.
der Erzb: ist noch in Lauffen.
des h: Ranftl Sohn P: Rupert ist hier, und wird morg zu mir kom.
der Churf: war am Sontag den 12t zu mittage in Seeon, hat ihn aber keine
unköst gemacht, sond alles mit gebracht, weil er weis, daß sie nicht reich sind.
Alles empfehlt sich. die Hagenauerisch |: gestern war ein starker tereselgratulationstag :|
die Jgf: Sallerl, gr. Arco, Bullinger, der getreue, der uns gestern um halbe 7 uhr
nachts, da ich und die Nanerl beÿm gewöhnl: ClavierExercitio war zwisch 2 Liechtern,
besuchte. die f: Mitzerl. Sgr: Ferlendis und Ferrari. M:e Gerlichs, h: HofRath v Mölk,
der nicht einmahl gewust, daß die Mama fort ist, und die tresel, beÿ der es im kopf
allweil ein ding ist, ausgenom, daß sie itzt statt in der Kuchl zu sitz auf die nacht
spin muß, und letzt freÿtag alles hat thun müss, was sie sonst in 2 täg gethan,
und doch dabeÿ wohl auf und bessers humors als sonst ist, alle – alle, und Leute,
die mir nicht alle einfall, empfehl sich. addio!
N: 9
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