Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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WOLFGANG AMADÉ MOZART AN LEOPOLD MOZART IN SALZBURG AUGSBURG, 23. BIS 25. OKTOBER 1777 mit Nachschrift von Maria Anna Mozart
9.______________________________________________________________________________________________________________________1 ________________________________________________Mon trés cher Pére! Gestern Mittwoch den 22ten ist meine accademie in scena gangen. Graf wolfeck war fleissig dabeÿ, und brachte etliche stiftdamen mit. ich war schon gleich die ersten täge in seinen logement um ihm aufzuwarten, er war aber nicht hier. vor etlichen tägen ist er wieder angelangt, und da er erfahren daß ich hier bin, so erwartete er nicht daß ich zu ihm kam, sondern, da ich just hut und degen nahm um ihm meine visite zu machen, trat er eben zur thüre herein. nun muß ich eine beschreibung von den vergangenen tägen machen, ehe ich zum Concert kome. vergangenen samstag war ich zu s: ulrich, wie ich schon geschrieben habe. etliche täge vor=her führte mich mein h: Vetter zum Prælaten v: hl: kreüz, der ein rechter brafer Ehrlicher alter Man ist. den samstag ehe ich auf S: ulrich gieng, war ich mit meiner baase nochmahls in hl: kreüzerkloster, weil daß erstemahl der h: Dechant und Procurator nicht hier war, und weil mir mein bäsle sagte daß der Procurator so lustig seÿe. __________________________________________________________________________________heunt als den 23 speist der wolfgang wider bey hl: Creuz, ich wahre auch eingelad, weill ich aber für lauter Kälte den bauch wehe habe, so bin ich zu hause geblib. ist es zu Salzburg auch so kalt wie hier wo es alles zu samen gefrohren ist wie miten in winter, über morg als am Samstag | wan nichts darzwisch komt :| haben wür in Sinn nacher wallerstein abzureisen, das hiesige Consert ist unvergleich=lich ausgefahl, das mehrer wird die Zeittung geb, herr stein gab sich alle müehe, und hat uns ville höfflichkeit erwisen, du kanst dich schrifftlich bedanck beÿ ihme. ich hofe du und die nanerl werd sich gesund befind, mir ist schon Ganz bange weill wir dise wochen keinen brief bekomen hab, ob dir etwonn nichts fehlet. schreibe mir doch bald damit ich aus der sorge kome. mich wundert sehr das du die duet von schuster noch – – ___________________________________________________________________________ach er hat sie ja DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 bekomen, – – Mama: Eÿ beleibe, er hat ja imer geschrieben, daß er sie noch nicht hat – – wolf: das disputiren kan ich nicht leiden, er hat sie gewis, und hiemit ists aus. Mama: du irrest dich wolf: Nein, ich irre mich nicht, ich wills der Mama geschriebner zeigen. Mama: ja, und wo? wolf: da, liest die mama nun liest sie just – – – vergangenen Sontag war ich im Amt beÿm hl: kreüz. um 10 uhr gieng ich aber zum h: stein. – das war den 19:ten wir Probierten ein paar Sinfonien zum Concert. hernach speiste ich mit meinen vettern beÿm hl: kreüz: unter der tafel wurde Musique gemacht. so schlecht als sie geigen, ist mir die Musique in den kloster doch lieber, als das orchestre vom Augs=purg. ich machte eine sinfonie, und spiellte auf der violin das Concert ex B von vanhall, mit algemeinem applauso. der h: Dechant ist ein brafer lustiger Man, er ist ein vetter vom Eberlin heist Zeschinger, er kent den Papa ganz gut. auf die Nacht beÿm soupée spiellte ich das strasbourger=Concert. es gieng wie öhl. alles lobte den schönen, reinen Ton. hernach brachte man ein kleines Clavicord. ich Präludirte, und spiellte eine sonata, und die Variazionen von fischer. dan zischerten die andern dem h: Dechant ins ohr, er sollte mich erst orglmässig spiellen hören; ich sagte, er möchte mir ein thema geben, er wollte nicht, aber einer aus den geistlichen gab mir eins. ich führte es spazieren, und mitten darin, |: die fugue gieng ex g minor :| fieng ich major an, und ganz was scherzhaftes, aber in nämlichen tempo, dan endlich wieder das thema, und aber arschling; endlich fiel mir ein, ob ich das scherzhafte wesen nicht auch zum thema der fugue brauchen könte? – – ich fragte nicht lang, sondern machte es gleich, und es gieng so accurat, als wen es ihm der Daser # angemessen hätte. der h: Dechant war ganz ausser sich. das ist vorbeÿ, da nuzt nichts, sagte er, das habe ich nicht geglaubt, was ich da gehört habe, sie sind ein ganzer Man. mir hat freÿlich mein Prelat gesagt, daß er sein lebetag niemand so bündig und ernsthaft die orgl habe spiellen hören. |: dan er hat mich etliche tage vorher gehört, der Dechant war aber nicht hier :| endlich brachte einer eine Sonata her, die fugirt war. ich sollte sie spiellen. ________________# So hieß ein Schneider in Salzburg. INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 ___________________________________________________________________________________________________________________2 ich sagte aber, meine herrn, das ist zu viell; das muß ich gestehen, die sonata werde ich nicht gleich so spiellen können. ja, das glaub ich auch, sprach der Dechant mit viellem Eÿfer, dan er war ganz für mich. das ist zu viell, da giebts keinen dem das möglich wäre. übrigens aber, sagte ich, will ich es doch Probiren. da hörte ich aber imer hinter meiner den Dechant. O Du Erzschufti. o du spizbub; o du du! – – ich spiellte bis 11 uhr. ich wurde mit lauter fugen themata Bombardirt, und gleichsam belagert. Neülich beÿm stein brachte er mir eine Sonata vom Becché – – ich glaube ich habe das schon geschrieben. appropós wegen seinen Mädl. wer sie spiellen sieht und hört, und nicht lachen muß, der muß von stein wie ihr vatter seÿn. Es wird völlig gegen dem Discant hinauf gesessen, beleÿbe nicht mitten, damit man mehr gelegenheit hat, sich zu bewegen, und grimassen zu machen. Die augen werden verdreht. es wird ge=schmuzt. wen eine sache zweÿmahl kömt, so wird sie das 2:te mahl langsamer gespiellt. komt sie 3 mahl, wieder längsamer. der Arm muß in alle höhe, wen man eine Pasage macht, und wie die Pasage marckirt wird, so muß es der arm, nicht die finger, und das recht mit allen fleiss schweer und ungeschickt thun. das schönste aber ist, daß wen in einer Pasage | die fortfliessen soll wie öhl :| nothwendiger weise die finger gewechselt werden müssen, so brauchts nicht viell acht zu geben, sondern wen es zeit ist, so läst man aus, hebt die hand auf, und fängt ganz Comod wieder an, durch das hat man auch eher hofnung einen falschen ton zu erwischen, und das macht oft einen Curiosen Effect. Ich schreibe dieses nur um dem Papa einen begrif vom Clavier spiellen und instruiren zu geben, damit der Papa seiner Zeit einen Nuzen daraus ziehen kan. h: stein ist völlig in seine tochter vernart. sie ist 8 halb jahr alt, sie lernt nur noch alles auswendig. sie kan werden. sie hat genie. aber auf diese art wird sie nichts. sie wird niemahlen viell geschwindickeit bekomen, weill sie sich völlig befleist die hand DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM schweer zu machen. sie wird das nothwendigste und härteste und die hauptsache in der Musique niemahlen bekomen, nämlich das tempo, weil sie sich vom jugend auf völlig befliessen hat, nicht auf den tact zu spiellen. h: stein und ich haben gewis 2 stund mit einander über diesen Punct gesprochen. ich habe ihn aber schon Ziemlich bekehrt. er fragt mich iezt in allen um rath. er war in den Becché völlig vernarrt. nun sieht und hört er, daß ich mehr spielle als Becché; daß ich keine grimassen mache, und doch so expres=sive spielle, daß noch keiner, nach seinen bekentniss, seine Piano forte so gut zu tractiren gewust hat. daß ich imer accurat im tact bleÿbe. über das verwundern sie sich alle. Das tempo rubato in einem Adagio, daß die lincke hand nichts darum weiß,nen sie gar nicht begreifen. beÿ ihnen giebt die lincke hand nach. Graf Wolfeck und mehrere, die ganz Passionirt für Beché sind, sagten neülich öfentlich im Concert, daß ich den Becché in sack scheibe. graf wolfeck lief immer im saal herum, und sagte. so hab ich mein lebe tag nichts gehört. er sagte zu mir. ich muß ihnen sagen, daß ich sie niemahlen so spiellen gehört, wie heüte. ich werde es auch ihren vatter sagen, so bald ich auf salzbourg kome. was meÿnt der Papa was das erste war nach der Sinfonie? – – Das Concert auf 3 Clavier: h: Demler spiellte das Erste, ich: das zweÿte, und h: stein das dritte. dan spiellte ich allein, die lezte Sonata ex D fürn Dürnitz: dan mein Concert ex B. dan wieder allein ganz orglmässig, eine fuge ex c minor, und auf einmahl eine Prächtige sonata ex c major so aus dem kopf mit einen Rondeau auf die lezt. es war ein rechtes Getös und lerm. h: stein machte nichts als gesichter und grimassen für verwunderung. h: Demler muste beständig lachen. das ist ein so Curioser Mensch, das wen ihm etwas recht sehr gefällt, so mus er ganz entsezlich lachen. beÿ mir fieng er gar zu fluchen an. addio. ich küsse dem Papa die hände, und meine schwester umarme ich vom ganzen herzen ich bin dero gehorsamster sohn den 24 oct: 1777 augusta vindelicorum._________________________\hfill wolfgang Amadé Mozart mp DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 ________________________________________________________________________________________24 okt.1777.__3 das Concert hat 90 fl: getragen ohne abzug der unkösten. Wir haben also nun mit die 2 Ducaten auf der stube 100 fl: eingenomen. die unkösten vom Concert haben nicht mehr als 16 fl: 30 kr: betragen. den saal hatte ich freÿ. von der Musick glaube ich werden halt vielle umsonst gegangen seÿn. wir haben nun in allem 26 oder 27 fl: verlorren. das geht noch an. das schreibe ich den 25: samstag. heüte frühe habe ich den brief empfangen wo die trauerige nachricht des tods der fr. oberbereiterin darin stehet. Nun kan die frl: thonerl ein spiziges maul machen – – – vielleicht muß sie es weit aufsperren – – und leider leerer wieder zumachen. wegen der Mundbecken dochter habe ich gar nichts einzuwenden. dieß hab ich alles schon lange vorher ge=sehen. das war eben die ursach warum ich so zegerte weg zu reisen, und warum es mir so hart ankam. ich hoffe die Historie wird doch nicht schon in ganz Salzburg bekant seÿn? – – ich bitte den Papa recht inständigst zu tuschen so lange es möglich ist, und in gottes=Namen halt die unkösten die ihr vatter wegen den Prächtigen eintritt ins kloster gehabt hat, unterdessen für mich zu ersezen, bis ich wieder nach Salzburg kome, und das arme mädl, | wie der P: gassner in klösterle | ganz natürlich, und ohne alle Hexereÿ, kranck, dan wieder gesund mache, und sie völlig wieder zum kloster=leben bringe. ich küsse dem Papa die hände, und dancke gehorsamst für den glückwunsch zu meinem Namens=tag. lebe der Papa unbe=sorgt. ich habe Gott imer vor augen. ich erkene seine Allmacht, ich fürchte seinen Zorn: ich erkene aber auch seine liebe sein mitleiden und barmherzickeit gegen seine geschöpfe. er wird seine diener niemalen verlassen – – wen es nach seinem willen geht, so gehet es auch – – nach meinem; mithin kan es nicht fehlen – – ich muß glücklich und zufrieden seÿn. ich werde auch ganz gewis mich befleissen ihren befehl und rath, den sie mir zu geben die güte hatten, auf das genaueste nach zu leben. h: Bullinger sage ich 1000 danck für seinem glückswunsch. ich werde ihm nächstens schreiben, und mich selbst bedancken. unterdessen kan ich ihn nichts als versichern, daß DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 ich keinen bessern, aufrichtigern und getreüern freünd weis, kenne, und habe – – als ihn. der jungf: Sallerl, beÿ der ich mich auch unterthänigst bedancke, werde ich verse, zur dancksagung, in den brief des h: bullinger einschliessen. beÿ meiner schwester be=dancke ich mich auch, und sie soll nur die schusterischen Duetts be=halten, und sich weiter um nichts bekümern. ich habe des=wegen gassner (der kaufman) und nicht gasser geschrieben, weil man ihn hier überall so nennt. der Papa schreibt mir in erstern brief, ich hätte mich mit dem buben v: Langenmantl gemein gemacht – – nichts wenigers. ich war halt natürlich sonst weiter nichts; ich glaube der Papa meint er ist noch ein bub, er ist ja schon 21 oder 22 jahr alt, und ist verheÿrathet. kan man den noch ein bub seÿn wen man verheÿrathet ist? – – ich bin s[eit] dem nicht mehr hinkomen. heüt trug ich 2 billiets hin zum ab[schied] und liess mich excusiren, daß ich nicht hinauf gehe; ich hätte a[ber] noch all zu viell notwendige gänge. iezt muß ich schliessen, den die mama will absoulement zum tisch und einpacken. Morgen reisen wir nach Wallerstein schnurr gerade. ich glaub es ist am besten der Papa schliest die briefe noch imer meinem vettern ein, bis wir einmahl in einem ort sizen bleiben. aber nicht in Arrest, versteht sich. Mein liebs bäsle, welches sich beÿderseits empfehlt, ist nichts wenigers als ein Pfaffenschnitzl. gestern hat sie sich mir zu gefallen, französisch angezogen. da ist sie um 5 p cento schöner. Nun addio. ich küsse dem papa noch=mahlen die hände, und meine schwester umarme ich, und allen guten freünden und freündinen empfehle ich mich, und auf das heisel nun begieb ich mich, und einen dreck vielleicht scheisse ich, und der nähmliche narr bleibe ich, Wolfgang et Amadeus Mozartich, augspurg den 25 octobrich, 1700 Siebenzigich. DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881