Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN MANNHEIM SALZBURG, 29. NOVEMBER BIS 1. DEZEMBER 1777
_____Mon trés cher Fils!______________________22.________________Salzb den 1 Novemb. Decembris. 1777 Heute Samstag den 29t schreibe gegenwärtiges – also heute war Concurs ein\newline Choralist aufzunehm anstatt des seel: Egger. Es war mir und uns all lächerlich, daß h: Dom=dechant auch die h: Haydn, h: Meissner, und h: Spizeder dazu eingelad, da doch nie=mand dazu gehört, als die zween Chorregent vom Domb, und von Seÿt des Fürsten der Capellmeister. Ich sagte auch gleich, da ich alle diese Leute beysam sahe und mit lauter stime: Es ist sehr gefehlt word; man hätte den Rust im Sessel hertrag soll, und vor allem den Castraten dazu ruff; damit nur keine Irrung beÿ der Aufnahme eines Domchoralisten vorbeÿ geh möchte. Es war 7 Candidat. des Choralist Seelos Sohn, der gewisse Hözl, den Meissner nach Hof bring wollte. der Student vom Nonberg der imer beÿm Kolb ist, und einige mahl beÿ uns violingespielt. Ein thurnergessel d die Wittib heurath will p: und wer noch? – – der Westermaÿr! unter all war unanimiter des Seelos Sohn im Choral der beste. er machte sein argument Sine errore, die übrig fehlt alle, mehr od weniger, manche traff fast gar nichts. im Figuralgesang, legte ich dein Alma Redemptoris Mater ex F vor. Seelos sang es recht hipsch – – besser als sein Vatter singt, – – der Hözl als Meissnerischer Scolar und Pracktikant von Canzonetten à 3 sang es feiner. allein, da es auf den Choral hier ankomt; so wird der Seelos primo Loco gesetzt, dess Stime auch stärker und er noch iünger ist, Capellknab war, sein Vatter als Choralist 23 jahr dient, viele Kind hat, und der Sohn nur so lang will Choralist bleib bis er ein Titulum Mensæ bekomt, od ein Chorherr stirbt, indem er will geistlich werd. Ob aber der Erzbischof |: wie gewöhnlich :| nicht denoch ein and herausnimt, muß man erwart. Um 9 uhr war dieser Concurs, wo die 7 arm Sinder vor der Probe zittert, da eb auch ein armer Sinder, der, obwohl er erst 19 Jahr alt ist, beÿ einer stark Diebsbande war, zur Richtstatt geführt wurde um sein Kopf herzugeb, damit man ihn aufs Rad steck kan. Gestern, Freytags; ist vormittags die alte Freul: von Kuefstein in die Ewigkeit gegang. und nachmittag, da eben h: Bullinger, wie gewöhnlich, beÿ uns war, haben wir euern Brief vom 23t erhalt. Potz oracl=sprüche, und kein Ende! Ich sagte es ja in meinem letzt Schreib: es müsst Geheimnisse für mich vorgeh. du hast wohl recht – – sie mög gut od böse ausschlag, so werde es frühe genug erfahr. Ich konnte in mein vorig Brief nichts anderes als nach pur vermuthung mit aller nur imer möglich vorsorge schreib: und ich muß beken, daß, da ich aus euer Brief ______________________________________________________________________________________Geldmangel nicht das mindeste, als die bevorstehende Reise, und Gledamngle abnehm konnte, _____________________________________________________________________________________________die Welt besser kenne so musste ich ganz natürlich sehr besorgt seÿn, und da ich dfl Wlet bloolr klnnl _______________________________________________________________________________________________________wahre freunde als ihr alle beÿde – die seltne, ja ganz gewiß seltne Erscheinung wmurlr irlhndl, __________________________________________einem___kleinen hare so hängt meine Hofnung an lfnla kelfnln umrl. hier ist der fall freilich, daß du ___dem Herrn Cannabich einen Freund haben wirst______________Interesse an dla ulrrn Cmnmbfcu lfnln irlhnd uabln wfrot, da sein Fntlrlool weg seiner Tochter_____________________________________________________________________________sagen oder olfnlr Tscutlr damit verknüpfet ist. kurz, ich weis nicht was ich amgln sdrl hoffen_____________________________________________ _____nichts wird usiiln soll. Wan aber in allem falle aus allem nfcuto wfrd? überlass wir es dem allmächtigen Gott lo dlm meeam"cutfgln Gstt! Seyd ihr auf dem masquiert Baall im operaHauß gewesen? – – Gestern, dieß schreibe Heut d 1 Decemb hab ich das beste gegeb, INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 H: Bullinger gewan es für dich, ich zog für die Mama 8 Xr profit. Cajetan An=dretter, Bullinger, Gilowsky Cath: und die Nanerl spielt nachdem wie gewöhnlich, und ich statt des Andretter, der um 4 uhr gieng, spielte ich bis nach 5 uhr. Nun etwas anders. die gewisse Hausmeisterin ist aus dem vordern Zimer, wo Stadler war, ausge=zogen; die Fr. Mosshamerin, ist in dieses Quartier hinübergegang, und die Mitzerl, die sich allzeit empfehlt, hat sich nach ihrem geschwind Schuß, also gleich hinunter gezog, wo die Mossham: war, wo es ihr weg dem stieg steig und auch weg ihrer Kuchl bequemer ist. da sie nun nach der Hand sahe, daß sie unter 100 Person niemand in ihr voriges zimer nehm konnte weg unser; so überließ sie mir das zimer jährlich für 8 f – und ich nehme die arme Haubenhefterin die Auer Sandl herein. komend Mittwoch, übermorg, wird sie einziehen. wo sie vorhero war, muste sie 12 f bezahl. nun giebt sie 8 f und der tresel monatl: 15 Xr fürs einheitz und auskehr, das sind jährlich 3 f – so bleibt ihr noch ein guld über. sie kauft ihr fleisch mit dem unsern, wir lass es mit sied, und die tresl richtet ihr alsdan ihr Suppen und fleisch an und giebt ihrs hinüber. Es ist mehr Almosen beÿ einer, als beÿ herumziehend faullenzend arm. In unserer Holzläge, wird ihr, zu ihrem Holz, ein kleiner Platz geraumt, und an den fast=täg komt es auf ein paar löfl voll supp und ein wenig Mehlspeis auch nicht an. Was du mir weg der Lytaney zum heil: Kreuz geschrieb, hätte ohne so vielem Umschweife, ad Captandam Benevolentiam, gescheh könn. Ich würde ohnehin nicht dagegen gewesen seÿn: da ich weis, daß sie solche Lytani am meist brauch. daß sie aber gar Leute zur Musik verschreib, weis ich besser, daß es nicht wahr ist. Ich war selbst einige zeit discantist da, und sang ob auf den Stieg beÿ der Orgl. Die Musici in der Statt werd eingelad. Die HofTrompeter kom dazu, wen sie da sind. Die Durner zu den Posaun könn sie auch hab pp: und das ist schon genug Mir ist noch nichts geschrieb word. Ich würde es ihn aber lieber Copierter um den pur Copistenpreiß, als in der Spart schick. vor viel Jahr, hatte eb der h: Dechant, als Organist damals von mir eine Spart 3 Jahre in Händ, bis ichs wieder erhalt konnte: und es würde doch hier schöner geschrieb, als wen sie es von Student ab=buffen, und die Spart braf herum schmieren lass. über das weist du, daß manches beÿ dein Sparten nicht gut zu lesen ist, wen mans nicht schon in der übung hat. Ich liebe, daß es recht geschrieb seÿe und keine schmuzig flickereÿen und fehler. Vom H: Oberbereüter ist alles stille. vom h: von Schiedenhofen geht eine Rede herum, als hätte die Sache, weg nun entdeckt misslich Gesundheits=Umständ der freul Braut einig Anstand. Hingeg ist gewiß, daß h: von Schiedenhof seiner Schwester nur den 3t theil des vermögens zu gesteh will; daß aber der Hofrath dawider ist; – daß h: Babbius, der nun im Hofrath INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 das vermög der freul Louis einzuseh Gelegenheit hatte, mit ihr heimlich Bekannt=schaft gemacht, daß sie imer beÿ der Fr: von Gaÿer zusam kom, daß Babbius dadurch seine Umstände wird zu verbessern such; daß, wen es ernst seÿn sollte, der HofCanzler, – und dan auch der Erzbischof selbst auf seiner Seite seÿn werden, und daß h: Schiedenhof dabeÿ keine Freude hab wird, so wenig als die Schwester mit der vorzugehend Hayrath des Bruders zufried ist: dan sollt Babbius die Freÿl: v Schiedenhof Hayrath, so wird ihr ganzes vermögen heraus müss, und ihr h: Bruder nichts zu seinem Vortheil zurück halt könn. H: Secretaire v Ham, hat mir längst geschrieb, und ich ihm längst geantwortet: seine gegen=antwort ist auch schon vor 3 Post=täg wieder eingetroff; dan ich ließ ihms über den Aus=spruch zu thun, was er mir für Verpflegung und Lehrgeld bezahl wollte. Er erklärte sich er hoffte, daß ich mich mit jährlich 150 f für alles begnügen möchte: das wär nun eben monatl: 12 f 30 Xr, dabeÿ er das frühestück von einem Schälchen Coffée und einer Semel täglich anzumerken nicht vergaß. Ich hab ihm noch nicht geantwortet, da ohnmöglich Zeit hatte, und es ohnehin keine Eyle hat, indem er mir schon im erst Brief sagte, daß er sein Fr: Tochter auf künftiges Frühejahr schick wollte, und im zweyt brief dabeÿ Blieb, den Winter weg Reise anführte und noch beysetzte, daß sie erst müsste gehörig mit allem verseh – – warum nicht gar Equipiert werd: Es muß demnach erst die Ausfertigung gemacht werd. Vielleicht soll ich sie gar zum Weib nehm! Vermög dieses vorschlags würde ich also die Ehre hab dem Freulein v Ham für tägliche 25 Xr Kost – trunck – frühestück – Zimer, p: und Unterricht: | NB in allem | zu geben. ich werde ihm nächstens schreib und ihm umständlich erweisen, daß ich sie unter jährlich 200 f nicht nehm könnte. – und bis aufs frühejahr wird es noch manch Schnee werff, und vieles Wasser in allen flüss hinunterlauffen.___H: Leutgeb, der itzt in einer vorstatt in Wien ein kleines schneckenhäusl mit einer kästereÿ gerechtigkeit auf Credit ge=kauft hat, schrieb an dich und an mich, kurz, nachdem du abgereiset, und versprach mich zu be=zahlen mit gewöhnlicher voraussetzung der Gedult, bis er beÿm käs=Handl reicher wird, und von dir verlangte er ein Concert. Nun wird er aber schon wissen, daß du nicht mehr in Salzb: bist. – Mad:me Duscheck schrieb mir kürzlich und wünsch er und Sie dein Aufenthalt und deine Umstände zu wissen. – Nun muß dich zum Schlusse frag, ob h: Baron Dürniz dich in Münch bezahlt hat? oder ob du ihm es schenken wirst? – – ob ich od du ihn nicht sollt ein bischen erinern? – – Nun glaube hab alles gesagt, was ich weis. die Nanerl ist itzt zum Hagenaurisch, und gehet alsdan zu den Robinisch, wo ich auch hinkome um der freul: Louis die Schuster: Duett hören zu lass. Lebts beÿde gesund, wie wir, wir kiss euch viel 1000000000000 Mahl und bin der imer wie die un= schuldig Kinder ohne freud und Leid dahin schnaubende Man und Vatter __________________________________________________________________________________________________________________\hfill Mzt mp h: Bullinger, der eb da ist um halbe 3 uhr, empf: sich samt allen. Er wird, wie oft geschieht, den Brief auf die Post trag. INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 die Comoediant sind noch nicht gekom, und werden auch so bald noch nicht kom, wen sie doch noch kom; dan sie entschuldigt sich der Prinzipal hätte sich den Arm ge=brochen. Mir scheint sie bleib in ihrer Vorstatt in Wien, so lange es Leute giebt. bekom sie keine Leute mehr, dan ist es imer Zeit aufzubrech. hab sie aber imer Leute, so werd sie es vorträglicher find zu bleib wo sie sind; als mit Reiseköst erst etwas zu wagen. Sgr: Rust nimt imer kraftmittl und ist seit der Zeit nicht mehr aus dem Zimer gekom. Er gedenket sich so weit zu kräft zu bring um im frühejahre reisen zu kön, da er sond zweifl durch briefe sich unterdess um eine opera Buffa per la prima Fera bewerben wird. die Haydin ist schon einige Woch krank im Bette. Mit h: Graf Johanes von Arco, den du kenest, der die Militairdienst quittiert hat, und itzt beÿ seinem h: Bruder, des graf Leopoldl Vatter in Passau war, hat sich eine abscheuliche Historie zu getrag: Er hatte ein unvergleichlich gut bedient. Diesem stand in Passau das Glück vor ein recht gut Herrschaftsdienst zu bekom. er bath sein Grafen ihn zu reccomandier; dieser aber ward darüber im höchst Grad aufgebracht, zahlte ihn aus, zog ihm die Livray aus, schickte um den Feldwaibl der kays: Werbung, und übergab ihn. da er nun mit dem feldwaibl über die donau=brügge gieng, stürzte sich der arme Mensch über die Donaubrügge, und ersäufte sich. Es war abends um 5 uhr, Es wurde ganz Passau rebellisch, und gr: Arco muste aus Passau flieh, sonst hätt ihn die Student und der Pöbl todt geschlag. nicht wahr eine schöne Cavallier=Historie! addio! À Monsieur Monsieur Wolfgang Amadé Mozart Maître de Musique im Pfälzischen____________à Hof.______________________________Manheim Frcoaug N:ro 22. INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881