Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN MANNHEIM SALZBURG, 5. JANUAR 1778
Mon tres cher Fils!______________________________________________________________________\hfill Salzb: d 5t Januarii _______________________________________________________________31.______________________________________________________\hfill 1778 Den 30t ist also der Chfst aus Bayern in die Ewigkeit gegang. mein Schreib, so aus Münch untern 31t erhielt heist so: der 30t Decemb: ist der traurigste unter all Täg, die Bayern zählt. um halbe 2 uhr nachmittag starb unser Churf:, der gütigste Fürst, den die Welt aufzeig konnte, durch den Eigensin eines alt fast abgelebt irrigen Mediciner in der nun ganz Baÿern verhasst Figur des Dr: Sanftel. Er führte die ganze Cur, wie schon in meinem vorig gemeldet, ganz alleine: all and Medicis begegnete er mit der äusersten Grobheit, und da die Blattern schon fast abgedorrt, sprach er, am Samstage d 27, nun ist vor aller Welt aug keine Gefahr mehr. am nämlich tage abends sagte der Churfürst: Sanftl ich muß sterben, ich erkene es an der äuserst Schwachheit und unbeschreiblichst Mattigkeit; Sanftl erklärte es als eine Melancholÿ. NB ein andes schreib vom Frst Zlfe berichtet daß ihm dan d Dr: ein gläsl Mosler zu drinck erlaubt habe. – Am Sontage wurde es ärger, der Sanftl ließ aber noch kein and Medicum zu; und gab auch dem Churf keine Medicin. Am Montage wurde er imer schwächer und zeigte sich am Armb eine grosse Röthe, die Sanftl für ein Rothlauf hielt, und die weise Kugl d englisch Freulen brauchte. Abends verzog sich die Röthe in etwas. In der Nacht vom 29 bis 30t wurde der Churfürst wie vom Schlag gerührt – dan sahe der elende alte Dr daß es der Brand war. der Churf selbst verlangte, daß man ihn öffentlich verseh sollte. das geschahe morgens um halbe 6 uhr. dan wurd die Stattthore gesperrt, eine Procession angestellt, wo viel 1000 mensch schrÿen und bethet. Er verlangte um 9 uhr die Mutter Gottes im Herzogsspittal nochmals zu seh: die auch processionaliter nach Hofe getrag wurde. So ein Specktacl hat noch kein Land geseh! alles lief aus den Häusern, gieng mit, es wurde aber mehr geheult, geschri und so geweint, daß man es das viertl der Statt durch hörte. der Churf: machte seine inbrinstigste Andacht dabeÿ bis 1 uhr, dan verschied er um halbe 2 uhr ganz sanft, nach einer 23 tägig schmerzensvoll Kranckheit. Alle Medici, die in d Statt war, hielt um 9 uhr noch ein Consilium, aber zu späth! und der alte eigensinige elende Dr gieng davon, und sagte: ich bin verlohrn! hält sich auch bis itzt verschlossen in seinem Hause auf. Abends um 4 uhr wurde schon S:r Durchl. der Churfürst von Manheim als unser Herzog durch den Trompetenschall ausgeruff, und heute müssen alle dicasterien und das militaire den Eyd der Treue ableg. am Samstag abends, nach der Beerdigung, wird der Churfürst selbst hier ein=treff. Gott stehe uns beÿ und gebe, daß es dabeÿ bleibe: aber man fürchtet imer einen Besuch von Ö – –, und dan sind wir verlohr! wir hoffen das bessere, Gott gebe es! &c: dieser Brief ist vom 31t Decemb. unterdess hab wir Nachricht, daß der Churf v Manheim schon den freÿtag 2t Jener abends in Münch ganz alleine, nur mit einem Cavalier graf od Baron Vieregg begleitet in der Stille eingetroff. Ihr könnt euch leicht vorstell, daß man auch hier wünschet, daß die Sache so bleib möchte. Unterdess muste ich heute doch von herzen lachen, da schon die Rede in der Statt gieng, daß dich der INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 Churfürst zum Capellmeister in Münch mach werde, da der alte Be=rnasconi ohnehin nicht mehr dien kan. Von Vöckelbruck will man hier Nach=__________________________________________________________________________________kaiserlichen richt hab, daß die alda und um Wels herumliegend kmyolrefcul Soldaten_________________________________sich___marschirfertig osedmtln ordre erhalt hätt, ofcu amrocuilrtfg zu halt: und eben der=gleich soll des Trompeter Schwarz Sohn aus Böhm geschrieb hab. Gott bewahre uns, daß würde ein schön Auftritt geben. – Es wird sich bald zeigen. heute antworte nach Münch, und hoffe imerzu etwas neues zu hören, das ich dir dan auch gleich bericht werde: doch werdet ihr auch schon natürlicher weise vieles erfahr, – – doch, wer weis es, vielleicht weniger als ich. Wegen der Zurückreise der Mama habe schon lange gedacht, daß es nicht bequemer gescheh könnte, als mit den leer wäg, die nach Salzb: reisen um die Kaufleute abzuhohlen. es komt nur darauf an, wie sie von Manheim nach Augspurg komt? hätte sie dazu eine bequeme Gelegenheit, so konnte unser chaise in Manheim verkauft werd: wo nicht, so müste sie mit der chaise nach Augsp: geh, solche im kloster beym heil: Kreuz steh lass, bis mein Bruder solche zu verkauff Gelegen= heit findet. dan, da ihr 4 Person seyd, so könnt ihr sie nach Paris nicht brauch; und in Manheim würde man sie auch etwa besser anbring, weil alles theuer ist. Von Augsp, kan die Mama in 3 täg in Salzb: seÿn, die Rosslehner geh theils den 9t, teils d 10t Merz von Augsp: weg um die Kaufleute wieder abzuhohlen. da kan man ganz bequem in einem geschloss viersitzigen gläser wag um wenig fuhrlohn fortkom. ich bin einmahl um ein Max d'or hereingereiset. – Wollte sie aber mit den Kaufleut beym hereinreisen mitkom, so würde es vielleicht einigen Anstand hab, weil sie meistens schon in vier Person ihre Compagnie hab. eins od das ande kan zum voraus durch mein Bruder mach. die Hauptsache komt nur an, wie sie von Manheim gut nach Augsp: komt? für das ande werde schon sorgen. Man muß aber beÿ zeit darauf denken; dan die Zeit geht bald herum, und mir wäre es lieber wen sie mit 3 hereinreisend die 4te Person seÿn könnte: dan würde ich auch schon bericht, wen sie in Augsp: seÿn muß. was die chaise anbelangt, hab selbe um etlich und 80 f gekauft; ihr werdet wohl freunde find, die solche schätz, und, wen NB die Mama solche nicht brauch könnte, so gut es möglich verkauff könntet. Man wird in Manheim nicht viel um 8 Louisd'or von wägen kauffen. Sollte die Mama aber keine bequeme Gelegenheit nach Augsp haben; so würde vielleicht ein ehrlicher reisender frohe seÿn in einer bequem chaise für sein Postgeld mit zu kom; man muß aber der Person versichert seÿn, das verstehet sich. Sollte nun übrigens, wie wünsche und hoffe, der Churfürst im ruhigen Besitz seines neu Herzogthums bleib; so wird von Zeit zu Zeit imer iemand nach Münch reisen, wo sie mitkom könnte. ist sie in Münch, so mag sie dan ein Lehnrössler alda nehm, und nach Hauß fahr. überhaupts komt es auf den Bericht an, wie ihr glaubt, daß sie nach Augspurg komen kan, das übrige muß nach INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 diesem eingerichtet werden; auch muß ich euch erinern, daß ihr nichts auf die letzte spahrt, daß die Mama beÿ zeiten ein verzeichniß macht von deiner Wäsche, strimpfe &c: und allen dein Kleidungsstück, damit du weist, was du beÿ dir hast pp: und wie wird es mit dem Coffre gehen? Man muß beÿ zeit eine Probe mach, ob eins aus euch beyden solche gebrauch kan. Sie wird für beyde zu groß seÿn. auf alles dieses muß beÿ zeit gedacht werd. Wen die Mama solche zurückführ will, kan sie freylich solche mit strohe ob ausfüll: allein ihre Kleider geh enge zusam; der Wolfg: wird sie noch eher brauchen kön. Basta. Nur beÿ zeit vorgesorgt! Gestern war Pölzlschüss, der Wolfgang war bestgeber, die Scheibe war ein Brandlspiel von 4 Person, darunter die sich die Näglbeissende Catherl in ihrer wahr Kleidung die Hauptperson war. auf dem Tisch lag ein stich vom Herzbrand, das Herz ass oben auf, auf dem Herz das Centrum. oben die, trotz wieland! geschwind hinge=schriebne vortreffliche Poesie. _____Am Herzbrand leid ich stark! Herz bleibt mein liebste Farbe: _____Und, wan ich viele Jahr noch als ein Jungfer darbe; _____So gehts auf d'finger los: weil ich stets Nägl beisse. _____Bekom ich kein Man! – – dan auf die Welt ich sch – – e. _____Die Catherl hat aber auch selbst das beste gewon. So bald h: Adlgasser gestorb, sagte ich der Nanerl, ich will wett, der Erzbisch: läst dem Bischof von Königsgratz Joseph Arco durch die Gräfin schreib, um den Organist, den schmutzig Hasse oder Hass, wie er heist, komen zu lass: du wirst dich eriner, daß dir die gräfin einmahl davon gesproch? es ist der schmuzige alte kerl, d dir _____________________on beÿm Fürst Pugiatowsky in Wien das thema von der Fuge vom Scarlati hat aufgegeb. Nun heist es wirkl: der Erzb: habe schon um ihn geschrieb. unterdess bin ich schon 2 mahl beÿ den Lodronisch freulein gewesen: die gräfin ließ mich am Neujahrsabend durch den Camerdr ersuchen zu ihr zu kom. Sie sagte mir, mit ihrer gewöhnlichen falsch freundlichkeit, sie hätte mich etwas zu bitt: ich sollte aber, wens mir ungeleg wäre, ihr ansuch nur freÿ abschlagen, sie wollte mich gar nichts genier. NB Das war so viel gesagt = als ich erkene selbst, daß sie mir gar keine obligation hab. Sie bath mich dan ihre freul zu übernehm. sie wüste wohl, daß ich wenig zeit hätte, und mich nicht gerne plagte. Ich machte einige difficultät, und sagte endlich, daß ich ein tag um 11 uhr den and Tag um 4 uhr kom werde. da war sie in ihrem Vergnüg, sprach vielles von euch beÿd p: und war dan am freytag schon im zimer, als ich zu den freul kam. – Nun was ands. die Camerjungfer beÿ der Frl: Rosa Firmian, Cathl: Gilowsky, komt weg. der HofRath lässt sie nicht mehr da. Vorgestern ist der HofRath Caietan Berti begrab word. Euern Brief vom 27 Dmb: habe erhalt, am neu JahrsTag habe euch nicht geschrieb; den ich bin den abend vorher und den Tag selbst mit Glückwünsch beschäftigt gewesen. Mich freuet es ohnendlich, daß es euch nun gut gehet, daß ihr gesund seyd, und du mein liebes weib eine Warme Stube hast. das Portrait so _____________________Wieland du mir vom Wflemnd machst, hätte ich dir beÿ nahe auch machn, ohne ihn geseh zu haben. Mr: Grim und die zween gr: Romanzow haben mir ihn völlig beschrieb, als wir mit einand über den Münichberg gegang. alle solche Philosophisch Köpfe hab auch gemeiniglich _______________________________________________________________________Beichten etwas fantastisches. – daß ich mich weg dem Blfcutln angefragt, darf dich gar nicht verdrüss, ich werde dir ein andersmahl darauf antwort: ja du kanst dir selbst antworten, wen du dich gänzlich in meine Person, und in die Stelle eines Vatters setzest. INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 könnte die Mama kein Manheimer HofCalend mitbringen? – – ich möchte auch gern wissen wie der titul von Voglers Buch heist, und was es kostet? wen sich der Wolfgang meiner Methoden erinert, wird er beydes um ein wohlfeil Preiß bekom. aber er muß nicht lachen; sondern ein ernsthaftes Gesicht machen. Nun muß gewiß schlüss, das Papier wird imer schwärzer. wir sind gesund, Gott lob, ihr werdet es auch seÿn, sorget nur für eure gesundheit, ich und die Nanerl küss euch Millionmahl und bin samt ihr der alte ___________________________________________________________________________________________________________\hfill Mzt mp Es ist bereits ein anderer Kaÿs: Abgesandter in Münch angelangt, welcher den Graf Hardik ablöset. dieser wird nun Instructiones hab, die man dem andern erst hätte zuschick müss. Gott gebe ruhe und fried! À Monsieur Frcoaug Monsieur Wolfgang Amadé Mozart Maître de Musique à Manheim N:o 30. INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881