Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN MANNHEIM SALZBURG, 23. FEBRUAR 1778
Mon trés cher Fils! ______________________________42____________________________________Salzb: d 23t feb: 1778 Damit du mich nur gewiß überzeugest, daß du in allen Sachen zerstreut und unaufmerksam bist, so sagst du gleich anfangs in deinem Brief vom 14t, daß du aus meinem Brief vom 9t erseh, daß ich deine 2 letzt Schreib noch nicht erhalt habe, ich sollte also dein schwermerisch mich fast tödenden Brief den du den 5t erst abgeschickt, schon d 9t beantwortet hab, da du nach unserm so langen Mannheimer Briefwechsel doch wissen solltest, daß ieder Brief geg 6 Täg zu lauff hat, und da ich es auch schon geschrib, daß euere Briefe allzeit diensttag od frey=tag hieher kom, ihr 14 täge keine Antwort darüber lesen könnt. Es würde mir nicht der Mühe werth gewesen seÿn, dieses herzuschreib wen es nicht dir zum Unterricht gescheh wäre, da eine solche Beobachtung für reisende höchst nötig ist. Ich weis einmahl richtig, wen ihr meine Briefe erhalt könnt: und war auch bemühet dahin zu sorg, daß euch alles zur recht Zeit zu hand komt. – allein! was hilft alle meine Genauigkeit, Sorge, Nachdenk und zu einem so wichtig und nothwendig Unternehmen vätterlich angewandte Bemü=hung, wen du |: beÿ einer wichtig scheinend Hinderniß, die etwa die Mama längst mag eingeseh hab :| kein aufrichtiges Vertrau zu deinem Vatter hast; und dan erst dein Sin änderst, wen man zwischen zweÿ feuer komt und nicht hinter sich und nicht für sich kan. Wen ich glaube nun ist alles auf besserm Fusse, und in seinem Gang, so komt wieder im Augenblicke ein närrischer unversehener Einfall, oder zeigt sich am Ende, daß die Sache anderst war, als du mir solche berichtet hattest. So hab ich es dan also abermahl errath? – – du hast also nur 96 f anstatt 200 bekom? – – und warum? – – weil du ihm nur 2 Con=certi und nur 3 quartetti fertig gemacht. – wie viel hättest du ihm mach soll, da er dir nur die Helfte bezahl wollte? – – warum schriebst du mir eine Lüge, daß du ihm 3 kleine leichte Concertl und ein paar quartette nur machen solltest: warum folgtest du mir nicht, da ich dir ausdrücklich schriebe; du sollst vor allem dies Herrn, sobald es dir möglich, bedien. warum? damit du diese 200 f sicher bekomst, weil ich die Mensch besser kene, als du. – Habe ich nicht noch alles errath? ich muß also in der ferne mehr seh, und beurtheil, als du, wen du gleich die Leute vor der Nase hast. Es soll dir kein Zweifl kom, wen ich ein Misstrau geg die Mensch habe, mir zu glaub, und so sorgsam zu handeln als ich es dir imer predige, du hast es ja in kurzer Zeit zimlich zu unserm Schaden erfahren. zwar du hast es mit h: Wendling schon abgemacht, es müss dir solche noch bezahlt werd, du wirst sie nachschicken. ja – wen h: Wendling, das, was du itzt geliefert in Paris an Flautraverfreunde gut anbring kan, dan wird er such noch etwas zu bekom. der eine muß bezahl; der andere macht Gebrauch davon. weiter schriebst du mir von einem paar Scolarn, und sondheitl: würde dir der Holländische Officier für 12 Lection 3 od, wie du gar glaubtest 4 duggatt bezahl: itzt komt am Ende heraus, daß du die Scolar hättest habn, weil du sie aber ein paar mahl etwa nicht angetroff, so bist du ausgeblieb. Du willst lieber aus gefälligkeit Lection geben – ja das willst du! und du willst auch lieber dein alten Vatter in der Noth steck lass, dir, als einem iung Mensch ist für gute Bezahlung diese Bemühung zu viel, deinem alt 58 jährig Vatter stehet es besser an um eine elende Bezahlung herum zu lauff, damit er sich und seiner Tochter den nötig Unterhalt mit Mühe und Schweis verschaffet und dich allenfalles mit dem bischen was noch da ist, anstatt die schuld zu bezahl, unterstütz kan, da du dich unterdess unterhaltest einem Mädl umsonst Lection zu geb. Mein Sohn, denke doch nach, und gieb deiner Vernunft Platz! denke nach, ob du nicht grau=samer mit mir verfährst als unser Fürst. von ihm hatte ich mir eben nichts zu versprech. – von dir versprich ich mir alles – von ihm muß ich alles als eine Gnade erwarten. – von dir kan ich alles aus Kindlicher Schuldigkeit hoff. Er ist mir endlich fremd – du aber bist mein Sohn – – du weist was ich seit INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 mehr dan 5 Jahren ausgestand – ja vielles weg deiner mir zu herz genom. das betragen des Fürst konnte mich nur niederbeugen; du kanst mich zu bod schlag: er konnte mich nur Krank mach; du aber kanst mich um das Leb bring. hätte ich deine Schwester und den h: Bullinger, diesen wahr freund, nicht, so würde ich dir vermuthlich diesen Brief, an dem ich schon 2 täge schreibe, nicht im Stande seÿn zu schreib. Aller Welt muß ich meine Angst verbergen, diese sind die einzig 2 Person, die alles wissen därff, und die mich tröst. Ich vertraute auf die Wahrheit alles dessen, was du mir schriebst; und da alles hier die inigste freude hat, wen es dir wohl geht, und mich imer um dich fragten, so erzehlte ich mit Vergnügen, daß du dir Geld verdienst umständlich, und daß du dan nach Paris geh wirst; du weist daß man sich eine freude daraus macht dem Erzbischof_________Verdruß lrzbfcusii vlrdrhoo zu mach; es fehlte nicht an Leut, welche diese Erzehlung dazu braucht. da du in Manheim 150 f nehm musstest, war der alte H: Hagen=auer sehr betrübt, dan diese Leute wünschen uns Verdienste und Einnahme. da ich ihm aber, das, was du mir geschrieb, sagte, und daß euch euere Verpflegung nichts kostet und du 200 f bekomen werdest, auch Scolar hättest, so war er sehr vergnügt. ich muste ihn natürlicher weise bitt, er möchte wegen der Bezahlung der 150 f gedult hab; so antwortete er mir: Eÿ was! Ich habe alles Vertrau auf den h: Wolfgang, er wird als Sohn schon seine Schuldigkeit thun, lassen sie ihn nur nach Paris kom; und leb sie ruhig. erwege nun diese Worte, und die itzigen Umstände, und sag, ob mich nicht der Schlag treff soll, da ich als ein ehrlicher Man dich so in dieser Lage nicht lass kan, es koste was es wolle. du kanst versichert seÿn, daß keine Seele weis, daß wir die 150 f nach Manheim übermacht, den ____________________________________________________Erzbischof die Hagenauerisch würd dem lrzbfcusii in Ewigkeit diese Freude nicht mach: allein wie werd sich diese Freunde nicht abermahl betrüb, da ich dich wieder mit Geld unterstüz muß, um dich nach Paris zu bring. daß aber dieser der einzige veste Entschluß bleiben muß, daß will ich dir beweis. an den Vor=schlag herumzureisen ist, sonderheitl: beÿ den dermaligen Critisch Umständ, nicht ein=mal zu gedenk: man gewint oft nicht einmal die Reiseköst; man muß beständig an allen Ort bitt und Betteln und Protecktion suchen damit das Concert einträglich wird, imer neue Recomandationsbriefe von einem Ort zum andern such, Erlaubniß bitt um ein Concert geben zu kön, und hundert mit unterlaufende oft niederträchtige Umstände ergreiff, die am Ende kaum so viel einbring, daß man den Wirth zahlen kan, und zur Reise sein aigenes Geld |: wen man eines hat :| beysetz, od Kleider uhr und Ringe versetz od verkauff muß. das erste habe erfahr. in Frankfort muste ich beÿ h: ollenschlager 100 f herausnehm, und in Paris nahm ich gleich beÿ meiner Ankunft 300 f von Tourton und Baur, davon ich freilich nach der Hand nicht viel brauchte, weil wir bald zu verdiensten kahm: allein anfangs must wir erst bekannt werden, Briefe abgeben &c: und das brauchte an einem so grossen Ort seine Zeit, da man die Leute nicht allzeit antrift od sprechen kann. [ Mein lieber Wolfg: du überzeugst mich in allen dein Briefen, daß du beÿ dem ersten hitzigen Gedank der dir in kopf komt od in Kopf gebracht wird imer sitz bleibst ohne die Sache recht zu überleg und auseinander zu setz. zum Beÿspiel du schreibst: Ich bin ein Componist, ich darf mein Talent zur Composition nicht vergrab pp: Wer sagt dan INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 daß du das thun sollst? – beÿm herumzigeunern wurdest du dieß wirkl: thun. Sich als ein Componist der Welt bekannt zu machen must du in Paris, Wien, od in Italien seÿn. du bist itzt am nähesten beÿ Paris. Es ist itzt nur die frage, wo ich mehr Hofnung habe mich hervorthun zu kön? in Itali, – wo in Neapl alleine gewiß 300 Maestri sind, und wo durch ganz Itali schon öfters auf 2 Jahre die Maestri für gutzahlende Theater die Scrittura in Händ hab? od in Paris, wo etwa 2 od 3 fürs Theater schreib, und die and Componist man an den fingern herzehl kan? das Clavier muß dir die erste Bekanntschaft und dich beÿ den Grossen beliebt machen, dan kan man auf Subscription etwas stech lass, welches ein bischen mehr einträgt, als wen man einem Italiänisch Cavalier 6 quartetti Componiert, und etliche duggatt, od gar ein Tabattierl von 3 duggatt dafür bekomt. da ist es in Wien noch besser, wenigst kan man da eine Subscription auf geschriebne Musik mach. beydes hast du und ande aus der Erfahrung. Kurz! könnte ich dir mehr gesetztes wesen, oder nur eine mehrere uberlegung beÿ der Hitze deiner Einfälle beÿbringen, so würde ich dich zum glücklichst Mensch der Welt machen. Allein ich sehe, es komt nichts vor der Zeit. – und doch ist in betreff deines Talents alles vor der Zeit gekomen. du begreiffest auch alles mit der gröst Leichtigkeit in den Wissenschaft. Warum soll es den nicht möglich seÿn die Mensch ken zu lern? – ihre Absicht zu errath? – sein Herz vor der Welt zu verschlüss? – und beÿ ieder Sache genaue überlegung zu machen, und sonderheitlich NB nicht imer alleine beÿ der gut od mir od mein Nebenabsicht schmeichelnd Seite sitz zu bleib? warum soll ich nicht meine Vernunft dazu anwend allzeit die böse Seite aufzusuch, all fäll und Folgen nachzuspühr – und endlich dadurch auf mein interesse zu denk, und der Welt zu zeig, daß ich Einsicht und Vernunft habe? oder glaubst du es ist mehr Ehre, wen ich mich für ein Narr halt, und von and zu meinem Schaden auf ihr Eigennutz hinlenk lasse, die dan in die Faust lach und dich als ein jung ohnerfahrn Mensch anseh, der zu allem zu bereden ist. Mein lieber Sohn, Gott hat dir eine treffliche Vernunft gegeb. was dich hindert solche manchmahl nicht recht anzuwend sind, wie ich einsehe, nur 2 Ursach. den wie man sie brauch soll – und wie man Mensch ken kan, hast du durch mich, genug gelernet. du sagtest oft aus spaß, da ich alles so errath konnte, alles so oft voraus sahe: der Papa komt gleich nach Gott. Was meinst du wohl was dieß für zwo ursach sind? – untersuche dich, lerne dich könn mein lieber Wolfg: – du wirsts find: es sind ein bischen zu viel Hochmuth, und Eigenliebe; und dan daß du dich gleich zu familiär machst, und iedem dein Herz öffnest, kurz! daß du, da du ohngezwung und natürlich seÿn willst in das gar zu offenherzige verfällst. das erste sollte zwar das letztere verdrengen. dan wer Hochmuth und Eigenliebe besitzt wird sich nicht leicht zur familiarität herablassen. Allein dein Hochmuth und aigenliebe wird nur beleidiget, wen man dir nicht gleich die gebührende Hochschätzung erzeuget: so gar Leute die dich noch nicht ken, sollt dirs an d Stirne lesen, daß du ein Mensch von Genie bist. Schmeichlern hingegen die INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 dich mit absicht dich auf ihr Eigennutz hinzuzieh, in den Himel erheb, kanst du mit der gröst Leichtigkeit dein Herz öffn und ihn in allen, wie dem Evangelium glaub. du wirst auch ganz natürlich betrog, dan sie brauch sich nicht zu verstell, weil das Lob billig ist; sie sag nicht, was nicht die wahr=heit wäre und sie sich zwang anthun müst, solches vorzubring; nur ihre Absicht bleib dir verborg, die dir also Nebenumstände zeig müss, und zeigen kön. und um dich desto gewisser zu fang misch sich die Frauen=zimer darunter – widerstehest du da nicht, so bist unglükseelig auf deine Lebenszeit. überlege alles, was dir imer in der kurzen Zeit deines Lebens begegnet ist, – überlege es mit kaltem Bluthe, mit gesund ohneingenomener Vernunft – und du wirst seh, daß ich nicht allein als Vatter, sondn als dein gewisser freund mit dir spreche. dan so angenehm, so lieb mir der Nahme Sohn zum Herzen dringet; so sehr ist oft den Kindern der Nahme Vatter verhasst. das glaub ich von dir nicht: obwohl du von einem frauenzimer in Wien die Worte gehört hast. Ach, wen doch nur kein Vatter wäre. welche Worte allein dir ein Abscheu hatt erweck müss. Ich bitte dich, glaube nicht, daß ich ein Misstrau in deine Kindliche Liebe setze; alles, was ich sage geht nur dahin, ein rechtschaffen Man aus dir zu machen. Million Mensch haben keine so grosse Gnade von Gott erhalt, wie du. welche Verantwortung! Wäre es nicht imer schade, wen ein so grosses Genie auf abweege geriethe! – und das ist in einem Augen=blicke gescheh! – du bist mehr gefahr unterworff all die Milion Mensch die das Talent nicht hab, dan du bist ohnendlich mehr verfolgung auf einer, und Nachstellung ander seits ausgesetzt. \newpage Die Mama geht mit dir nach Paris, du must ihr in allem mündlich dein Vertrau und mir durch Briefe wiedm. mit nächster Post werde alles anzeigen, samt all adressen und brief an Diderot, D'Alembert p: du wirst auch Reise – – und ande Berechnung von mir erhalt in d Kost, und der Musikali=stechensunkost. ich muß schlüss die Nanerl u ich Kiss euch viel mille mahl u bin ] _____________________________________________________________________________________\hfill Mzt mp alles empf sich in specie h: Bullinger mit nächster Post werde wohl umständlich vernehm, wie viel ihr geld habt. die chaise wird dan verkauft. ____________________________________________________________________________________N 40. INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881