Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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WOLFGANG AMADÉ MOZART AN MARIA ANNA THEKLA MOZART IN AUGSBURG MANNHEIM, 28. FEBRUAR 1778
__________________Mademoisell ____________________________ma trés chére Cousine! sie werden vielleicht glauben oder gar meÿnen ich seÿ gestorben! – – ich seÿ Crepirt? – oder verreckt? – doch nein! meÿnen sie es nicht, ich bitte sie; den gemeint und geschissen ist zweÿerleÿ! – wie könte ich den so schön schreiben wen ich tod wäre? – wie wäre das wohl möglich? – – --wegen meinem so langen stillschweigen will ich mich gar nicht entschuldigen, den sie würden mir so nichts glauben; doch, was wahr ist, bleibt wahr! – ich habe so viell zu thun gehabt, daß ich wohl zeit hatte, an das bäsle zu den=cken, aber nicht zu schreiben, mithin hab ichs müssen lassen bleiben. Nun aber habe ich die Ehre, sie zu fragen, wie sie sich befinden und sich tragen? ob sie noch offens leibs sind? – ob sie etwa gar haben den grind? – – ob sie mich noch ein bischen könen leiden? – ob sie öfters schreiben mit einer kreiden? – ob sie noch dan und wan an mich gedencken? – ob sie nicht bisweilen lust haben sich aufzuhencken? – ob sie etwa gar bös waren? – auf mich armen narrn; ob sie nicht gutwillig wollen fried machen, oder ich lass beÿ meiner Ehr einen krachen! doch sie lachen – – victoria! – – unsre arsch sollen die friedens=zeichen seÿn! – ich dachte wohl, daß sie mir nicht länger wiederstehen könten. ja ja, ich bin meiner sache gewis, und sollt ich heüt noch machen einen schiss, obwohl ich in 14 tägen geh nach Paris. wen sie mir also wolln antworten, aus der stadt Augsburg dorten, so schreiben sie mir baldt, damit ich den brief erhalt, sonst wen ich etwa schon bin weck, bekome ich statt einen brief einen dreck. dreck! – – dreck! – o dreck! – – o süsses wort! – dreck! – schmeck! – auch schön! – dreck, schmeck! – – dreck! – leck – o charmante! – dreck, leck! – das freüet mich! – dreck, schmeck und leck! – schmeck dreck, und leck dreck! – – Nun um auf etwas anders zu komen; haben sie sich diese fasnacht schon braf lustig gemacht. in augsburg kann man sich dermalen lustiger machen als hier. ich wollte wünschen ich wäre beÿ ihnen, damit ich mit ihnen recht herumspringennte. Meine Mama und ich, wir empfehlen uns beÿde dem h: vatter und frau Mutter, nebst dem bäsl, und hoffen das sie alle 3 recht gesund und wohlauf seÿn mögen. wir sind es gott lob und danck. das glaub nicht. desto besser, besser desto. apropós: wie stehts mit der französischen sprache? – darf ich bald einen ganz französischen brief schreiben? – von Paris aus, nicht wahr? – sagen sie mir doch, haben sie den spunicunifait noch? – das glaub ich. Nun muß ich ihnen doch noch bevor ich schliesse, den ich muß bald endigen, weil ich Eile habe, den ich habe izt just gar nichts zu thun; und dann auch, weil ich keinen Plaz mehr habe, wie sie sehen; das Papier ist schon bald gar; und müd bin ich auch schon; die finger brenen mich ganz vor lauterschreiben; und endlich auch wüst ich nicht, wen auch wircklich noch Plaz wäre, was ich noch schreiben sollte, als die historie, die ich ihnen zu erzählen in sin habe. hören sie also. es ist noch nicht lange, das es sich zugetragen hat; es ist hier im land geschehen. es hat auch hier viell aufsehens gemacht, den es scheint ohnmöglich; man weis auch, unter uns ge=sagt, den ausgang von der sache noch nicht. also, kurz zu sagen, es war, etwa 4 stunde von hier, das ort weis ich nicht mehr – – es war halt ein dorf oder so etwas; Nu, das ist endlich ein ding, ob es tribsterill wo der dreck ins meer rint, oder burmesquick wo man die krumen arschlöcher dräht, war; mit einem wort, es war halt ein ort. da war ein hirt oder schäfer, der schon ziemlich alt war, aber doch noch robust und kräftig dabeÿ aus=sah; der war ledig, und gut bemittelt, und lebte recht vergnügt. ja, das muß ich ihnen noch vorher sagen, ehe ich die geschichte auserzähle, er hatte einen erschröcklichen ton, wen er sprach; man muste sich allzeit fürchten, wen man ihn reden hörte. Nu, um kurz von der sache zu reden, so müssen sie wissen – er hatte auch einen hund den er Bellot nante, einen sehr schönen grossen hund, weis mit schwarzen flecken. Nu, eines tages, gieng er mit seinen schaafen daher, deren er 11 tausend unter sich hatte; da hatte er einen stock in der hand, mit einem schönen rosenfarben stockband. den er gieng niemahlen ohne stock. das war schon so ein gebrauch; nun weiter. da er so eine gute stunde gieng, so war er müde, und sezte sich beÿ einen fluß nieder. Endlich schlief er ein, und da traumte ihm er habe seine schaaf verlohren, und in diesen schrocken erwachte er, und sahe aber zu seiner grösten freüde alle seine schaafe wieder. endlich stund er auf, und gieng wieder weiter, aber nicht lang; den es wird kaum eine halbe stunde vorbeÿgegangen seÿn, so kam er zu einer brücke, die sehr lang war, aber auf beÿden seiten gut geschützt war, damit man nicht hinab fallen könne; nu, da betrachtete er seine heerde; und weil er dan hinüber muste, so fieng er an seine 11 tausend schaaf hinüber zu treiben. Nun haben sie nur die gewogenheit, und warten bis die 11 tausend schaaf drüben sind, dan will ich ihnen die ganze histori aus=erzählen. ich habe ihnen vorher schon gesagt, daß man den aus=gang noch nicht weis. ich hoffe aber, daß, bis ich ihnen schreibe, sie gewis drüben sind; wo nicht, so liegt mir auch nichts daran; wegen meiner hätten sie herüben bleiben könen. sie müssen sich schon unterdessen so weit begnügen; was ich davon gewust habe, das habe ich geschrieben. und es ist besser, daß ich aufgehört habe, als wen ich etwas dazugelogen hätte. da hätten sie mir etwa die ganze schistori nicht geglaubt, aber so – – glauben sie mir doch – die halbe nicht. nun muß ich schliessen, ob es mich schon thut verdriessen; wer anfängt muß auch aufhören, sonst thut man die leüte stöhren. an alle meine freünde mein Compliment, und wers nicht glaubt, der soll mich lecken ohne End, von nunan bis in Ewickeit, bis ich einmahl werd wieder gscheid. da hat er gwis zu lecken lang, mir wird dabeÿ schier selbsten bang, ich fürcht der dreck der geht mir aus, und er bekomt nicht gnug zum schmaus. Adieu bääsle. ich bin, ich war, ich wär, ich bin gewesen, ich war gewesen, ich wär gewesen, o wen ich wäre, o daß ich wäre, wollte gott ich wäre, ich wurde seÿn, ich werde seÿn, wen ich seÿn würde, o das ich seÿn würde, ich wurde gewesen, ich werde gewesen seÿn, o wen ich gewesen wäre, o daß ich gewesen wäre, wollte gott ich wäre gewesen, was? – ein stockfisch. addieu ma chére Cousine, wohin? – ich bin der nämlich wahre vetter Manheim den 28ten febro 1778__________\hfill wolfgang Amadé Mozart mp