Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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WOLFGANG AMADÉ MOZART AN LEOPOLD MOZART IN SALZBURG PARIS, 1. MAI 1778 mit Nachschrift von Maria Anna Mozart
__________________________________________________________________________40__________________________\hfill Paris le 1 may. 1778 _______________________________Mon Trés cher Pére! wir haben ihren brief von 12ten Aprill richtig erhalten, das war eben die ursache warum ich ihnen so lange nicht geschrieben, weil ich auf einen brief von ihnen hab warten wollen; und sie müssen mir nicht übel nehmen, wen ich sie bisweilen lang auf einen brief warten lass; die briefe komen hier gar theüer, und wen man nicht gar was nothwendiges zu schreiben hat, so ist es ja nicht der mühe wehrt 24 ja auch öfters mehr sous auszugeben. ich habe imer geglaubt ich will so lange das schreiben verziehen, bis ich ihnen etwas neües, und mehr von unsern umständen schreiben kan; allein nun bin ich doch gezwungen, ihnen, von wenigen und noch zweifelhaften sachen nachricht zu geben. der kleine violoncellist zygmontofscky und sein schlechter vatter ist hier, das werde ich ihnen vielleicht schon geschrieben haben – – ich thue es nur im vorbeÿ gehen, weil ich just darauf gedacht habe, daß ich ihn in jenen ort gesehen habe, wovon ich ihnen nun meldung thun will; daß ist, nehmlich beÿ der Mad: La Duchesse de chabot. M:r Grim gab mir einen brief an sie, und da fuhr ich hin. der inhalt dieses briefs war hauptsächlich, mich beÿ der Duchesse de Bourbon | die damals im kloster war | zu recomandiren, und mich neüerdings beÿ ihr wieder bekant zu machen, und sich meiner erinern zu machen. da giengen 8 täg vorbeÿ ohne mindester nachricht; sie hatte mich dort schon auf über 8 täg be=stellt, und also hielte ich mein wort, und kame. da muste ich ein halbe stund in einen Eiskalten, ungeheizten, und ohne mit Camin versehenen grossen Zimer warten. Endlich kam die D: chabot, mit gröster höflichkeit, und bat mich mit den clavier verlieb zu nehmen, indeme keins von den ihrigen zugericht seÿe; ich möchte es versuchen. ich sagte: ich wollte von herzen gern etwas spiellen, aber izt seÿe es ohnmöglich, indeme ich meine finger nicht empfinde für kälte; und bat sie, sie möchte mich doch aufs wenigste in ein Zimer wo ein Camin mit feüer ist, führen lassen. O oui Monsieur, vous avés raison. das war die ganze antwort. dan sezte sie sich nieder, und fieng an eine ganze stunde zu zeichnen en compagnie anderer herrn, die alle in einen Circkel um einen grossen tisch herumsassen. da hatte ich die Ehre eine ganze stunde zu warten. fenster und thürn waren off. ich hatte nicht allein in händen, sonder in ganzen leib und füsse kalt; und der kopf fieng mir auch gleich an wehe zu thun. DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 da war also altum silentium. und ich wuste nicht was ich so lange für kälte, kopfweh, und langeweile anfangen sollte. oft dacht ich mir. wens mir nicht um M:r Grim wäre, so gieng ich den augenblick wieder weg. Endlich, um kurz zu seÿn, spiellte ich, auf den miserablen Elenden Pianforte. was aber das ärgste war, daß die Mad:me und alle die herrn ihr zeichnen keinen augen=blick unterliessen, sondern imer fortmachten, und ich also für die sessel, tisch und mäüern spiellen muste. beÿ diesen so übel bewandten umständen vergieng mir die gedult – ich fieng also die fischerischen Variationen an. spiellte die hälfte und stund auf. da warn menge Eloges. ich aber sagte was zu sagen ist, nemlich daß ich mir mit diesen Clavier keine Ehre machennte, und mir sehr lieb seÿe, einen andern tag zu wählen, wo ein bessers Clavier da wäre. sie gab aber nicht nach, ich muste noch eine halbe stunde warten, bis ihr herr kam. der aber sezte sich zu mir, und hörte mit aller auf=mercksamkeit zu, und ich – ich vergas darüber alle kälte, kopfwehe, und spiellte ungeachtet den Elenden clavier so – wie ich spielle wen ich gut in laune bin. geben sie mir das beste clavier von Europa, und aber leüte zu zuhörer die nichts verstehen, oder die nichts verstehen wollen, und die mit mir nicht Empfinden was ich spielle, so werde ich alle freüde ver=lieren. ich hab den M:r grim nach der hand alles erzehlt. sie schreiben mir daß ich braf visiten machen werde, um bekandtschaften zu machen, und die alten wieder zu erneüern. daß ist aber nicht möglich. zu fuß ist es überall zu weit – oder zu kothicht, den in Paris ist ein unbeschreiblicher dreck. in wagen zu fahren – hat man die Ehre gleich des tags 4 bis 5 livres zu verfahren, und umsonst. den die leüte machen halt Complimenten und dan ists aus. bestellen mich auf den und den tag; da spiell ich, dan heists. O c'est un Prodige, c'est inconcevable, c'est étonant. und hiemit addieu. ich hab hier so anfangs geld genug verfahren – und oft umsonst, daß ich die leüte nicht angetrofen habe. wer nicht hier ist, der glaubt nicht wie fatal das es ist. überhaubt hat sich Paris viell geändert. die franzosen haben lang nicht mehr so viell Politesse, als vor 15 jahren. sie gränzen izt starck an die grobheit. und hofärtig sind sie abscheülich. INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 Nun muß ich ihnen eine beschreibung vom Concert Spirituel machen. das muß ich ihnen geschwind im vorbeÿ gehen sagen, daß meine Chör=arbeit so zu sagen umsonst war. den das miserere von holzbauer ist ohnedieß lang, und hat nicht gefallen, mithin hat man anstatt 4 nur 2 Chör von mir gemacht. und folglich das beste ausgelassen. das hat aber nicht viell zu sagen gehabt, den vielle haben nicht gewust, daß etwas von mir dabeÿ ist, und vielle haben mich auch gar nicht gekant. übrigens war aber beÿ der Prob ein grosser beÿ=fall; und ich selbst | den auf das Pariser=lob rechne ich nicht | bin sehr mit meinen Chören zufrieden. Nun aber mit der Sinfonie Concertante hat es wieder ein Hickl=hackl. da aber glaube ich ist wieder was anders dar=zwischen. ich hab halt hier auch wieder meine feinde. wo habe ich sie aber nicht gehabt? – das ist aber ein gutes zeichen. ich habe die Sinfonie machen müssen, in gröster Eÿl, habe mich sehr befliessen, und die 4 Concertanten waren und sind noch ganz darein verliebt. Le gros hat sie 4 täg zum abschreiben. ich finde sie aber noch imer an nemlichen Plaz liegen. Endlich den vorlezten tag finde ich sie nicht – suche aber recht unter den Musikalien – und finde sie versteckt. thue nichts dar=gleichen. frage den Le gros. apropós. haben sie die Sinf: Concertant schon zum schreiben geben? – nein – ich habs vergessen. weil ich ihm natürlicher weise nicht befehlen kan daß er sie abschreiben und machen lassen soll, so sagte ich nichts. gieng die 2 täg wo sie hätte executirt werden sollen ins Concert. da kam Ram und Punto im grösten feüer zu mir, und fragten mich, warum den meine Sinfoni Concert: nicht gemacht wird? – das weis ich nicht. das ist das erste was ich höre. ich weis von nichts. der Ram ist fuchswild worden, und hat in den Musique Zimer französisch über den Le gros ge=schmält, daß das von ihm nicht schön seÿe etce: was mich beÿ der gantzen sache am meisten verdriest, ist, daß der Le gros mir gar kein wort davon gesagt hat, nur ich hab nichts darvon wissen därfen – wen er doch eine excuse gemacht hätte, daß ihm die zeit zu kurz wäre, oder dergleichen, aber gar nichts – ich glaub aber, da ist der Cambini ein welscher Maestro hier, ursache, dan den habe ich, unschuldigerweis die augen in der ersten DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 zusamenkunft beÿm le gros, ausgelöscht. er hat quartetti gemacht, wovon ich eins zu Manheim gehört habe; die recht hüpsch sind; und die lobte ich ihm dan; und spiellte ihm den anfang; da war aber der Ritter, Ram und Punto, und liessen mir keinen fried, ich möchte fortfahren, und was ich nicht weis, selbst dazu machen. da machte ich es den also so. und Cambini war ganz ausser sich; und konte sich nicht enthalten zu sagen, questa è una gran Testa! Nu, das wird ihm halt nicht geschmeckt haben. wen hier ein ort wäre, wo die leüte ohren hätten, herz zum empfinden, und nur ein wenig etwas von der Musique verstünden, und gusto hätten, so würde ich von herzen zu allen diesen sachen lachen, aber so bin ich unter lauter vieher und bestien | was die Musique anbelangt | wie kan es aber anderst seÿn, sie sind ja in allen ihren handlungen, leidenschaften und Passionen auch nichts anders – es giebt ja kein ort in der welt wie Paris. sie därfen nicht glauben, daß ich ausschweife, wen ich von der hiesigen Musique so rede. wenden sie sich an wem sie wollen – nur an keinen gebohrnen franzosen – so wird man ihnen | wens jemand ist an dem man sich wenden kan | das nemliche sagen. Nun bin ich hier. ich mus aushalten, und das ihnen zu lieb. ich danck gott dem allmächtigen wen ich mit gesunden gusto davon kome. ich bette alle tag gott, daß er mir die gnade giebt, daß ich hier standhaft aushalten kan; daß ich mir und der gantzen teütschen Nation Ehre mache, indeme alles zu seiner grösten Ehr und gloÿ ist, und das er zuläst daß ich mein glück mache, braf geld mache, damit ich im stande bin ihnen dadurch aus ihren dermalen betrübten umständen zu helfen, und zuwegen zu bringen daß wir bald zusamen komen, und glücklich und vergnügt mit einander leben könen. übrigens sein willen geschehe wie in himel also auch auf Erden. ihnen, liebster Papa bitte ich aber, sich zu impegniren unterdessen, daß ich bald italien zu sehen bekome. damit ich doch hernach wieder aufleben kan. machen sie mir doch diese freüde, ich bitte sie darum. Nun bitte ich sie aber recht lustig zu seÿn – ich werde mich hinaushauen wie ich kan. wen ich nur ganz davon kome. addieu. ich küsse ihnen 1000mahl die hände, und meine schwester umarme ich von ganzen herzen und bin dero gehorsamster sohn_____________________________________\hfill wolfgang Amadè Mozart mp DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 _____________________________________________________________________1 Mai 78 Mein lieber mann, ich hoffe du und die nanerl werden sich wohl befind ich bin der Zeit her beÿ 3 woch mit zahn wehe, Kopf, hals, und ohr schmerz geblagt gewes, iezt gott lob ist es wider besser ich kome zwahr nicht vill aus, allein die zimer sind gleich wohl kalt wan schan ein feür brind, man mues es erst wider gewohnen. wan etwan der graff wolfegg nacher Paris solte Reisen und könnte mir ein schwarzes pulfer und ein digestdiv pulfer mit bring das wehre mir sehr lieb, dan ich habe fast ganz damit aufgezehrt. Richte mich beÿ allem bekant aus, der Monsieur Henna und seine frau last sich auch befehlen, er komt öffters zu mir, adio lebts beÿde gesund ich küsse euch vill 100000 mahl und verbleibe _____________________________________________________\hfill dein getreues weib ___________________________________________________\hfill Maria Anna Mozartin DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 ____________Fr:co À Monsieur Monsieur Leopold Mozart maitre de la Chapelle de S: A: R: L'archeveque de salzbourg _________________________________à par straßbourg Augspurg_________________________Salzbourg. PAYÉ PARIS N: 41 N: 41 INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881