Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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2012-12 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=1013 A-Sm A-Sm: Internationale Stiftung Mozarteum, Bibliotheca Mozartiana. Salzburg (AUT) last file update: Wed May 11 14:48:12 2022
MARIA ANNA MOZART AN LEOPOLD MOZART IN SALZBURG PARIS, 14. MAI 1778 mit Nachschrift von Wolfgang Amadé Mozart
___________________________________________________________________________________________\hfill Paris den 14t Maÿ Mein lieber Mann.__________________________________________________________________________________\hfill 1778 Gott lob und danck wür seind beÿde gesund, und hoffen ihr werdet euch in gleichen gesund befinden, welches unser einziges Vergniegen ist, solches zu vernehm, was unsere umstände betrifft könn wür beÿ diser Jahrs zeit zu friden sein, der wolfganng hat ein guttes haus bekom. er mues den duc de___________, seiner Mademoiselle dochter das Componieren lehrnen alle dag 2 stund, er bezalt brav, und ist der Könnigin ihr favorit, der Duc liebt den wolfgang über alles, dermahlen hat er 3 Scolaren, er könnte mehrer haben er kan sie nicht nehmen, weill alles so weith entlegen ist, und er nicht zeit hat, bis wür besser in der ordnung sein, bis gegen den winter wird er genueg zu thuen bekomen, das er nicht wird wissen wo ihm der Kopf stehet, so sagt ihm iederman, wir haben auch in Sinn |: und es Rathens es uns alle gutte freinde :| das wür solt zu ende des Somers ein eigenes quadier nehm, die Meubel selbst schaffen so man hier leicht bekom kan, und selbst koch, so kan man umb das halbe gelt leben, wür werden es auch thuen, so bald wür werden zu mehrer gelt komen. iezt mächte ich vor allen wissen wie es mit den Krieg stehet, dahier ist die red. das es friden seÿ zwischen den Kaiser, und Preusen, der hiesige Krieg mit engeland ist noch nicht publiciert, aber anstalten werden starcke gemacht. die Königin ist der mahlen schwanger es ist aber auch noch nicht publick, aber doch gewis, es ist eine grosse freid under den franzosen. den herrn Ceccarelli bitte unsere empfehlung abzuleg |: wan er noch zu Salzburg ist :|, es ist uns leid das wür nicht die ehre haben ihm zu kenn. wie gehet es dann der adlgasserin, ist die victorl noch beÿ ihr, und was macht die Eberlin waberl und der baranzki, kom sie noch zu Zeit zu uns. gehet die nannerl noch alle wochen zum andretter ist der Junge andretter noch zu Neuen Etting, weill in bairen alles DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 verändert ist, die freyle von schidenhoffen und die kranach nanerl komen sie noch zum Pölzel schiessen, der herr von schidenhofen würd wohl stolz sein weill er ein so Reiche frau hat, und sich nicht mehr würdigen zu uns zu kom, es ist zwahr nichts daran gelegen, sonsten hoffe ich Salzburg stehet noch am alten orth. hier in Paris hat sich seith der zeit villes verändert, es ist vill grösser gebauet, und so erweithert das es nicht zu beschreiben, die chausse d Antin wo Monsieur grim ist vollig eine Neue forstatt und ville der gleichen schöne breithe strassen, ich habe zwar darvon noch nicht vill gesehen, ich habe aber die Neue statt kartten, und dise ist vill anderst als unsere alte. etwas für die nanerl. die Mode ist hier das man weder ohren geheng noch umm den hals was tragt auch keine gestainlete nadl in haar, nicht das mineste glänzete stainel weder gueth noch falsch, die frisur aber erstaun=lich hoch, kein herz doupee, sondern überall gleich hoch welches mehr als ein drittel elln aus trägt, her nach erst die haub darauf die noch höcher ist als der duppe und Ruckwerths den zopf oder chenion weith ins genick hinunter, und auf der seÿth mit villen boclen garniert, der doupee aber ist lautter Krep keine glate harr, sie haben sie noch höcher getragen, das man hat müessen die gutschen erhöchen, weill kein frauenzimer hät auffrecht sizen können, es ist aber widerum abkomen. die bolonese seind starck Mode und unvergleichlich gemacht. die schlender für ledige frauenzimer vorn glath in leib und keine falthen. iezt weis die nanerl indessen genueg von der Mode und mues den Wolfgang ein Plaz lassen lebts also beÿde gesund ich Küsse euch vill 100000 mahl, meine Empfehlung an alle guette freinde Musieur bullinger Sallerl deibel Jungfer Mizerl und alle andere verbleibe dein getreues Weib die thresel las ich griessen und dem bimbel \hfill Marianna Mozart schick ich ein busserl, lebt die grasmucken noch? – – INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 Nun habe ich schon so viell zu thun, wie wird es erst auf den winter gehen? – ich glaube ich habe ihnen schon im lezten brief geschrieben, das der Duc de guines, dessen Tochter meine scolarin in der Composition ist, unvergleichlich die flöte spiellt, und sie magnifique die Harpfe; sie hat sehr viell Talent, und genie, besonders ein unvergleichliches gedächtnüß, indem sie alle ihre stücke, deren sie wircklich 200 kan, auswendig spiellt. sie zweifelt aber starck ob sie auch genie zur Composition hat – besonders wegen gedancken – idéen; – ihr vatter aber, der | unter uns gesagt, ein bischen zu sehr in sie verliebt ist | sagt, sie habe ganz gewis idéen; es seÿe nur blödigkeit – sie habe nur zu wenig vertrauen auf sich selbst. Nun müssen wir sehen. wen sie keine idéen oder gedancken bekömt | den izt hat sie würcklich gar – keine | so ist es umsonst, den – ich kan ihr weis gott keine geben. die intention vom vatter ist, keine grosse Componistin aus ihr zu machen, sie soll, sagte er, keine opern, keine arien, keine Concerten, keine Sinfonien, sondern nur, grosse Sonaten für ihr instrument und für meines, schreiben. heüte habe ich ihr die 4:te Lection gegeben, und was die Regln der Composition, und das sezen an=belangt, so bin ich so ziemlich mit ihr zufrieden – sie hat mir zu den Ersten Menuett den ich ihr aufgesezt, ganz gut den Bass dazu gemacht. nun fängt sie schon an 3stimig zu schreiben. es geht; aber sie Ennuirt sich gleich; aber ich kan ihr nicht helfen; ich kan ohnmöglich weiter schreiten. es ist zu fruh, wen auch wircklich das genie da wäre, so aber ist leider keines da – man wird alles mit kunst thun müssen. sie hat gar keine gedancken. esmt nichts. ich habe es auf alle mögliche art mit ihr Probirt; unter andern kam mir auch in sin, einen ganz simplen Menuett aufzuschreiben, und zu versuchen, ob sie nicht eine variation darüber machennte? – ja, das war umsonst – Nun, dachte ich, sie weis halt nicht, wie und was sie anfangen soll – ich fieng also nur den ersten tact an zu variren, und sagte ihr, sie solle so fortfahren, und beÿ der idèe bleiben – das gieng endlich so ziemlich. wie das fertig war, so sprach ich ihr zu, sie möchte doch selbst etwas anfangen – Nur die erste stime, eine Melodie ja, sie besan sich eine ganze viertl stund – und es kam nichts. da schrieb ich also 4 täcte von einen Menuett und sagte zu ihr – sehen sie, was DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM ich für ein Esel bin; izt fange ich einen Menuett an, und kann nicht ein=mahl den Ersten theil zu ende bringen – haben sie doch die Güte und machen sie ihn aus; da glaubte sie das wäre ohnmöglich; Endlich mit vieller mühe – kam etwas an tage; ich war doch froh, das einmal etwas kam. dan muste sie den Menuett ganz ausmachen – das heist, Nur die Erste stime. über haus aber habe ich ihr nicht anders anbefohlen, als meine 4 täcte zu verändern, und von ihr etwas zu machen – einen andern anfang zu erfinden – wens schon die nemliche Harmonie ist, wen Nur die Melodie anderst ist. Nun werde ich morgen sehen, was es ist. –  ich werde Nun bald, glaube ich, die Poesie zu meiner opera en deux acts, bekomen. dan muß ich sie erst, dem Director, M:r de huime præsentiren, ob er sie animt. da ist aber kein zweifel nicht; dan Noverre hat sie angegeben; und dem Noverre hat de huime seine stelle zu dancken. Noverre wird auch bald ein neües Ballet machen, und da werde ich die Musique dazu setzen. Rudolph | der waldhornist | ist hier in königlichen diensten, und mein sehr guter freünd. er versteht die Composition aus dem grund, und schreibt schön. dieser hat mir die organisten stelle angetragen zu versailles, wen ich sie anehmen will. sie trägt das jahr 2000 liv:res; da muß ich aber 6 Monath zu versailles leben. die übrigen 6 zu Paris, oder wo ich will. ich glaube aber nicht daß ich es anehmen werde. ich muß guter freünde rath darüber hören. 2000 liv:res ist doch kein so grosses geld. in teütscher Münze freÿlich, aber hier nicht. es macht freÿlich das jahr 83 louisd'or, und 8 liv:res, das ist, unsriges geld, 915 fl: und 45 kr:, | das wäre freÿlich viell | aber hier nur, 333 thaller, und 2 liv:res – das ist nicht viell. es ist erschröcklich, wie geschwind ein thaller weg ist. ich kan mich gar nicht verwundern, wen man aus den louisd'or nicht viell hier macht, den es ist sehr wenig. 4 so thaller, oder ein Louis, welches das nemliche, sind gleich weg. Nun Adieu. leben sie recht wohl. ich küsse ihnen 1000mahl die hände, und meine schwester umarme ich vom gantzen herzen und bin dero gehorsamster sohn an alle gute freünd und freundin meine Empfehlung,_______________\hfill wolfgang Amadè Mozart mp besonders an h: bullinger. DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881