Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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LEOPOLD MOZART AN MARIA ANNA UND WOLFGANG AMADÉ MOZART IN PARIS
SALZBURG, 12. UND 13. JULI 1778
Mein liebes Weib, und mein lieber Sohn!_______________53________________\hfill Salzb: den 13 Julÿ 1778
Um deinen Nahmenstag, mein liebes Weib, nicht zu verfehlen, schreibe unter heutigem
dato, wo der Brief sicher noch einige Täge vorher eintreffen muß. Ich wünsche dir Million
Glück solchen abermals erlebt zu hab, und bitte den allmächtigen Gott, daß er dich
diesen Tag noch vielle Jahre gesund, und, so viel es auf diesem verändlich Welttheater
möglich, auch vergnügt möge erleb lass. Ich bin vollkom überzeugt, daß dir zu
deinem wahren vergnügen dein Man und deine Tochter mangelt. Gott, wird
nach seinem ohnerforschlichen Rathschluß und heiligister Vorsehung alles zu unserm
Besten wenden. Hättest du wohl vor einem Jahre geglaubt, daß du dein komend
NahmensTag in Paris hinbringen würdest? – – So unglaublich es damals manchem
geschien hätte, |: obwohl uns eb nicht :| – eben so möglich ist es, daß wir mit der
Hilfe Gottes, eher als wir es vermuth, wied alle beÿsam sind: den dieses alleine
ist, was mir am Herzen liegt, – von euch getrennt zu seÿn – von euch entfernt,
und so weit entfernt zu leben; sonst sind wir, Gott seÿ gelobt, gesund!
Wir beÿde küssen dich und den Wolfgang million mahl, und bitt euch hauptsächlich für
die Erhaltung euerer Gesundheit besorgt zu seÿn. – Nun hat endlich die Kriegs=scene sich eröffnet! Man wird es in Paris schon wiss, daß den 5t dieses der König in
Preussen von Glaz aus über Nachod gegen Königsgraz in Böhm eingedrungen.
gewiß ists, daß der Krieg ausbrech musste, da beÿde Mächte ohne ihrer Ehre zu nahe zu
trett ihre Kriegsheere nicht mehr zurückzieh konnt. Man hat schon seit einig Wochen
von Seit Östereichs dem König durch Marche und Contremarche da und dort Platz
und Gelegenheit lass woll ein Einfahl zu unternehm und den Angrief zu mach:
allein d König fand nicht vor gut etwas zu unternehm; nun hat d Kaÿser
beÿ Nachod ein sehr starkes falsches Magazin anleg lass; und dieses hat den König
zum Einfall bewogen. das Magazine war aber falsch und nichts als nur etwas
anscheinendes darin. Man musste dieses wagen, es mag nun ausfall, wie
es will, indem Östereich der angreiffende Theil nicht seÿn konnte und nicht seÿn
wollte, die Croaten aber als vorpost |: zu dem sie eigentlich nur zu gebrauch sind :|
kaum mehr im zaum zu halt war; weil diese Leute imer etwas zu erbeut
hoff und wünschen, auch dessweg gerne zu felde geh. die Sächsisch Trupp hab sich
mit Preussen vereiniget, und es ist vermuthlich war, daß sie zum Corpo des
Prinz Heinrichs gestossen, und wahrscheinlicher weise geg Eger und die Obere
Pfalz etwas unternehm werd. die nächste Post wird wohl nähere Nachricht mit=bringen: dieses ist den 11 mit der östereich: Post eingelauff. dieser Krieg
wird einer der blutigst Kriege werd, der König wird mit Ruhm sterb, und
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der Kaÿser sein Kriegs=Leben mit Ruhm anfang woll. dieses vorherstehende
schrieb ich gestern d 12t. Heute den 13 vormittag, das ist dies augenblick vor 10 uhr erhalte
dein betrübtes Schreib vom 3 Julÿ. du kanst dir leicht vorstell, wie uns beyd um das
Herz ist. Wir weint eins zusam, daß wir kaum den Brief lesen konnt. – und deine
Schwester! – grosser Barherziger Gott! dein allerheiligster Wille geschehe! Mein lieber
Sohn! beÿ aller meiner imer möglichen Ergebung in den göttl: willen wirst du es
doch ganz menschlich und natürlich find, daß ich durch thrän fast gehindert werde zu
schreiben. was kan ich endlich für ein Schluß mach –? keinen and als itzt, da dieses schreibe,
wird sie vermuthlich Tod – od sonst muß sie besser seÿn, den du schreibst den 3t,
und heute ist schon der 13te. du schreibst sie war auf das Adlass gut. allein einige
täge hinach klagte sie frost und hitz. Euer letzter brief war vom 12t Junÿ,
und da schrieb sie – gestern hab ich mir Adergelass: das war also d 11t. – und
warum den an einem Samstag – an einem fast=tage? – – Sie wird wohl fleisch gespeist
hab. Sie hat mit dem Aderlass zu lange gewartet. ich habe es ja erinert, weil
ich sie kene, daß sie gerne alles von heut auf morg verschiebt absondlich an einem
fremd Ort, wo sie sich erst um einen Chyrurg erkundig muß. Nun ist einmal
die Sache so – und nicht mehr zu ändern – da ich mein vollkomenes vertrau in
deine Kindliche Liebe setze, daß du alle menschenmögliche Sorgfalt für deine gewiß
gute Mutter getrag hast, und, wen Gott uns sie noch schenket, imer trag wirst;
für deine gute Mutter, dessen Augapfel du warest, und die dich ganz ausseror=dentlich geliebt hat, – die völlig stoltz auf dich war, und die |: ich weis mehr
als du :| gänzlich in dir gelebt hat. Sollte nun aber alles unser Hoff vergebens
seÿn! Sollt wir Sie verlohr hab! – Grosser Gott! So hast du freunde nötig;
redliche freunde! sonst komst du um dein Sach. Begrabniß=unköst! &c:
Mein Gott! manche dir ganz unbekannte Unköst, wo man einem fremd
betrügt – übernimt – hintergehet – in unötige Köst bringt und aussaugt,
wen man nicht redliche freunde hat: du kanst es nicht versteh. Sollte nun
dieses Unglück vorgefahl seÿn, so bitte h: Baron v Grim, daß du deiner
Mutter sach alle zu ihm in verwahr bring därfst, damit du nicht auf gar
so viel Sach achtung zu geb nothwendig hast: oder versperre alles recht gut,
den wen du ganze täge oft nicht zu Hauß bist, kan man ins Zimer brech und
dich ausrauben. Gott gebe, daß alle diese meine Vorsorge unnötig ist: an dieser
kenest du aber deinen Vatter. Mein liebes Weib! mein lieber Sohn! – da Sie
einige Täge nach der Aderlaß unbäßlich geword, so muß sie sich schon seit dem 16 od 17
Junÿ krank befind. ihr habt doch zu lang gewartet – Sie hat halt geglaubt es
wird durch Ruhe im Bette – durch diäte, – durch aigene Mittl besser werd, ich weis
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wie es geht, man hoft und schiebt von heut auf morg: allein, mein lieber Wolfg: das
Laxiern beÿ Hitz erfordert augenblicklich ein Medicum um zu wiss, ob man
die Hitz benehm od noch lass muß, da die abkühlend Mittel noch mehr Laxiern
machen: und stellt man den durchlauf zur unrecht Zeit, so geht die Materia
peccans in ein Brand. – Gott! Dir seÿ alles überlass.
Ich wünsche dir Glück, daß du mit deiner Synfonie im Concert Spirituel so glücklich
durchgekom. ich stelle mir deine Angst vor. – dein Entschluß, wens nicht gut
gegang wäre, ins Orchester zu lauff war wohl nur ein erhitzter Gedanke. Behüte
Gott, diese und alle dleÿ Einfälle must du dir ausschlag; sie sind ohnüberlegt,
ein solcher Schritt würde dir das Leb Kost, und das setzt doch kein vernünftiger
Mensch auf eine Synfonie. ein dergleich affront – und zwar öffentl: affront
würde und müste nicht nur ein franzos sond ied ander, d auf Ehre hält, mit
dem degen in der Faust rech. Ein Italiäner würde schweig, und dich in einem
Winckl vorbassend Todschiess. – von Münch habe gewisse sichere Nachricht,
daß Graf Seeau als Musique Intendant für Münch und Manheim Confirmiert
seÿe; daß der Musique Status nach Manheim geschickt word; daß die beÿd
Capellen untereinand gestoss, und die bösten ausgewehlt werd; daß h: Wo=schitka mit and LeibCamerdienern pr: 400 f in Pension gesetzt word,
welches mich wundert; daß d Dr: Sanftl die Keckheit gehabt 3000 f für die Cur
zu verlang, und auf dieses von Titl und Gehalt gänzlich Cassiert word;
und endlich daß man sich in Münch Hofnung macht den Churfürst und die
Churfürstin seine Gemahlin nebst d ganz Hofstatt schon d 10 Augusti
wied in Münch zu seh. – Ich schrieb mein Glückwunsch am Anfange des
Briefs, – und die Nanerl wollte mit ihrem Glückwunsch denselb schlüss.
allein sie kan |: wie du dirs leicht vorstell Kanst :| kein Buchstab schreib, die Sache
komt eb itzt, da sie schreib sollte, – ieder Buchstabe, den sie hinschreib soll,
treibt ihr ein Thrän Guß in die Augen. Vertrette du, ihr lieber Brud,
ihre Stelle – wen du es, wie wir hoff und wünsch, noch vertrett kanst.
doch Nein! du kanst es nicht mehr – Sie ist dahin! – du bemühest dich zu sehr
mich zu tröst, das thut man nicht gar so eÿferig, wen man nicht durch den verluest
aller menschlicher Hofnung od durch den fall selbst dazu ganz natürlich angetrieb wird.
Nun gehe ich zum Mittagess, ich werde aber appetit hab.
Dieses schreibe um halbe 4 uhr Nachmittag. Ich weis nun daß meine Liebe Frau im
Himel ist. Ich schreibe es mit weinend Augen, aber mit gänzlicher Ergebung
in den göttlichen Willen! da gestern die Kirchweyhe beÿ der hl: Dreyfaltigkeit
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war, so wurde unser gewöhnl: Pölzelschüss auf heute verschob. ich konnte und wollte
es weg dem Betrübt Briefe so späth nicht mehr absag lass. wir assen wenig, die
Nanerl aber muste, da sie vor Tische stark geweint hatte, sich erbrech, bekam er=staunliche Kopfschmerz, und legte sich hinach ins Bette. h: Bullinger fand uns,
wie alle die übrig uns antraff in der betrübtest Situation. ich gab ihm ohne ein
Wort zu sagen dein Brief zu lesen, und er verstellte sich trefflich und fragte mich
was ich davon hielte. ich antwortete ihm, daß ich vest glaubte mein liebes Weib
seÿ schon Todt: er sagte, daß er in der That fast eb dieses vermuthe; und dan
sprach er mir Trost ein und sagte mir als ein wahrer freund alles dasjenige, was
ich mir bereits schon selbst gesagt hatte. Ich gab mir Mühe mich aufzuraum,
mich beÿ der Ergebung in den allerheiligst Göttl will zu erhalt, wir endigt unser
Schüss, alles gieng betrübt weg, h: Bullinger blieb beÿ mir, und fragte mich den
unvermerkt, was ich den davon hielte, ob beÿ diesen überschriebn KrankheitsUmständ
noch hofnung ware. ich antwortete ihm, daß ich glaubte sie wäre nicht nur itzt todt,
sond den Tag, da dein Brief geschrieb word, schon gestorb; daß ich mich in den Will
Gottes gebe, und denk müsste, daß ich 2 Kind habe, die mich hoffentl: so lieb werd,
als wie ich einzig für sie lebe: daß ich es so
gewiß glaube, daß ich dir so gar Erinerung, und Besorgniss weg der folge p:
an dich geschrieb habe. Auf dieses, sagte er mir, ja, sie ist Todt. und in diesem
augenblick fiel mir der Schleÿer vom Gesicht, den mir dieser schnelle zufahl für
die Augen hielt, der meine voraussehung verhinderte, da ich sonst geschwind
auf die Vermuthung verfall wäre, du werdest dem h: Bullinger unter der hand
das wahre geschrieb hab, so bald ich dein Brief laß. dein Brief hatte mich aber wirklich
dum gemacht – ich war im erst Augenblick zu sehr niedgeschlag um etwas
nachdenk zu könn. itzt weis ich nichts zu schreib! weg meiner kannst du ruhig
seÿn, ich werde als ein Man handeln. denke nach was du für eine dich zärtlich liebende
Mutter hattest – itzt wirst du ihre Sorg erst einseh – so wie du beÿ reifen Jahr nach meinem
Todt mich imer mehr lieb wirst. – liebst du mich – wie gar nicht zweifle – so trage
Sorg für deine Gesundheit, – an deinem Leb hängt mein Leb und der künftige
Unterhalt deiner ehrlichen dich von Herzen lieb Schwester. daß es unbegreiflich em=pfindlich ist, wen der Tod eine gute glückseelige Ehe zerreisst; das muß man er=fahr, um es zu wiss. – Schreib mir alles umständlich; vielleicht hat man ihr
zu wenig bluth gelass? – – das gewisseste ist, daß sie sich zu viel auf
sich selbst getrauet, und den Doctor zu späth gruf: unterdess hat d Brand
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in intestinis überhand genom. Sorge für deine Gesundheit! mache uns nicht
alle unglücklich! die Nanerl weis noch nichts von Bullingers Brief, ich
habe sie aber schon so zubereitet, daß sie glaubt, daß ihre beste Mutter todt ist.
Schreibe mir bald – und alles – wen sie begrab word – wohin? – –
Grosser Gott! das Grab meines lieb Weibes muß ich in Paris such!
Wir küss dich beyde von Herz ich muß schlüss die Post geht fort.
____________________________________________________________\hfill dein redlicher höchstbetrübter vatter
___________________________________________________________________________________________________\hfill Mozart mp
_________________________________Sorge das nichts von euern Sach verlohr
______________________________________wird.
________________________________________________________________13 Jul 78
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A Monsieur
Monsieur le chevalier Wolfgang
Amadé Mozart Maître de Musique
______________________à
Rue Gros chenet
vis à vis celle du
Croissant à l'hôtel_____________Paris
des 4 Fils emont
Nro: 51
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