Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN PARIS SALZBURG, 27. AUGUST 1778
Mein lieber Sohn!________________________________________________57_____________________________________\hfill Salzb: den 27 aug: ____________________________________________________________________________________________________________________________________________\hfill 1778. Mein Schreiben vom 13t diess wirst du erhalt haben. Ich versprach in demselb deine zween Briefe, die zugleich angelangt sind, nächstens zu beantwort. der erste schon den 18t und 20t geschriebene erzehlt mir eine Menge vom Anfange und Zuwachs der schäzbar freund=schaft des h: Raffs. Ich wünsche, daß seine Bemühung für dich, auf die du vieles hoffest, seine gute Wirkung hab möge; ich erinere mich aber, daß ihr mir einmahl von Manheim geschrieben, daß Mr: Raff ein sehr ehrlicher guter alter redlicher Man seÿe, daß er aber weder etwas brech noch etwas machen könnte: und, die wahrheit zu sag, das schien mir doch auch unglaublich, den so ein Man hat sich doch Credit gemacht, wen er gleich itzt nicht mehr so sing kan, weil er alt ist. an Pade: Martini habe schon geschrieb. Wir woll nun alles erwart. Was du mir dort von Zeitung schriebst, war aufgelegte Lügen und zwar gar alles. der Mr Hopfgart, den wir ken, war nicht Soldat, sond in Civildienst als Rath. was du am Ende vom Camerdiener weg 25 auf den Buckel schreibst, weil er die Catherl nicht heyrathet, weis ich nicht ob er nicht eine Million auf dem Buckl bekomt wen er sie zur Ehe nimt. Nach und nach, mein Sohn, muß man die Leute ken lern. du kanst dir keine schlechtere Wirtschafterin, keine leichtsünigere Person vorstell, als diese Catherl, sie geht den ganz tag in Visiten und schmarotz herum, die arbeit fliehet sie wie eine ansteckende Krankheit. Ein neues kleid, eine Haube, ein paar Schue p: zieht sie an und trägt es so lang bis es zerriss od schmutzig ist. so gehet sie auch beÿ schönem od schandlichem Wetter imer in einer Haut, und sie war am Mariahimelfartstage mit der nämlich schmutzig Haube, und dem ganz gewöhnlich Anzug im Domb, wie sie tags vorher herumlief. Sie ist ein ehrliches Mädl, aber der Narr in allen gass und mit all Kaufmansdienern, Student p: wie ein Budl, und der Man wird ihr nicht genug Geld gebn, weil sie solches nicht nicht regier kan p: und wie soll er sie heÿrath, der Cardinal zu Passau ist bald 80 Jahre alt, stirbt er, so stirbt sein dienst auch mit: und wie lange kan es beÿm Oberst=hofmeister dauern? was ist er alsdan? und was kan er, um einem andern dienste vorzusteh? – – der LeibCamerdiener, itzt Truchsess, Adam wollte beÿ deiner Schwester bekanntschaft suchen. Einmahl überfiel er uns, von derselb zeit an war wir aber niemals mehr zu Hause, und endlich |: da er sich über seine Liebe geg unsere dienstmagd Tresel öfter herausließ :| befahl ich ihr zu sag, daß es uns, wen er einmahl verheyrathet wäre, eine Ehre seÿn würde ihn und seine Frau beÿ uns zu seh, so lange er aber Wittwer wäre müsste ich mir seine Besuche verbitt, indem meine Tochter nicht der Stoff einer Stattgeschichte seÿn wollte. Nun wand er sich an die Catherl, machte ihr und dem Vatter LiebsErklärung. Sie ist Stolz darauf, spasset sich, und er lauft imer hin. ist das vernünftig? Sie hat sich INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 auch den Hafner Sigmund eingebildet; ich wünsche daß es ihr gelinge, dan so eine Party muß sie hab, wo Geld genug ist. wenigst ist es wahr das h: Hafner nun ernstlicher über seine LiebsHistorie nachgedacht, die Sache überlegt, der vernunft Platz gegeb und von dieser Bekanntschaft sehr nachgelass hat. Dein zweÿter Brief vom 31 Julii erzehlt mir die Umstände der Krankheit deiner best seel: Mutter. daß deine Mutter die erste Person war, die du hast müss sterb sehen, war ein besondere Schickung Gottes, und eine Anmerkung die ich den erst Augenblick beÿ erhaltner Nachricht vor aller Welt machte. Mein lieber Sohn! das Schicksaal gab noch zu einer ganz and Anmerkung Anlass. deine liebe Mutter gieng gerne, ohne widerspruch mit dir aus Salzb: weg. Sie sollte von Manheim nach Hause zurückkehren. Du nahmst erst nach der Bekantschaft und Reise mit den Weberischen das ernstliche Bedenk – und den Entschluss mit Wendling nicht zu reisen. – der Brief war so späth geschrieb, daß, bis meine Antwort anlang konnte, Wendling schon weg war. daß hatte ich alles genau ausgerechnet, sonst würdest du nicht zurückgeblieb seÿn. Ich musste also schreib, daß du, so bald es möglich nach Paris eilen solltest, weil die beste zeit vorbeÿ gieng. deine liebe Mutter sahe alles ein, sie wollte mir aber allen verdruß erspahr und schrieb mir am Ende des Briefes: Mein lieber Man aus diesem Brief wirst du erseh haben, daß wen der Wolfgang eine neue Bekanntschaft macht, er gleich guth und Blut für solche Leute geben wollte: es ist wahr, sie singt unvergleichlich, allein man muß ja sein aigen Nutzen niemals auf die Seite setz, es ist mir die Gesellschaft mit dem Wendling und Rahm niemals recht gewesen, allein ich hätte keine Einwendungen machen därffen, und mir ist niemals geglaubt worden, so bald er aber mit den Weberischen ist bekannt word, so hat er gleich sein Sin geändert: mit einem Wort beÿ andern Leut ist er lieber als beÿ mir, ich mache ihm in ein und anderm, was mir nicht gefahl will, Einwendungen, und das ist ihm nicht recht. Die Reise mit Wendling finde freilich nicht für rathsam, ich will ihn lieber selbst nach Paris begleiten, vielleicht bekomst du vom h: v Grim noch eine Antwort. Dieses, mein lieber Sohn, ist das einzige was mir deine seel: liebe Mutter, seit der ganzen Zeit euerer Abwesenheit im Ver=trau von dir als ein Anhang hingeschrieb. und obwohl sie es weit klärer hätte schreib und der Sache ihr recht Nahm hätte geb könn, so hatte sie mich und dich zu Lieb, um sich deutlicher zu erklär. Wäre deine Mutter von Manheim nach Salzb: zurückgekom, so würde sie nicht gestorb seÿn, da nun INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 aber die Göttliche Vorsehung die Stund des Todes deiner Mutter auf den 3t Julii bestimt hatte, so muste sie aus Salzb: mit dir fortreis, und durch deine neue Bekanntschaft ihre zurückreise nach Salzb: gehindert werd. Dieser Todfall, der ganze Hergang der Sache und der ganze Zusamenhang zeiget dir, daß die zusamhängende Kette des Schicksaales und der göttl: vorsehung sich nicht zerreissen lässt, sonst würdest du den Entschluß mit Wendling nicht reisen zu woll und deine Bedenklichkeit eher berichtet, ich dir aber, auf deine vernunft und Tugend vertrauend, solche benom hab, du würdest abgereiset, zu rechter zeit in Paris eingetroff seÿn, du würdest dein Interesse und mehr Bekanntschaft gemacht hab und mein armes Weib würde in Salzb: seÿn. die Sünen des Menschen müss in ein daumel gerath, so, wie der geschickteste Medicus blind wird, und seine Cur verfehlt, die krankheit nicht mehr erkenet, wen die Vorsehung es so hab will. Gott gebe nun aber, daß dieses, was bis itzt geschehen nicht noch weit schlimere Folg für uns alle nach sich ziehet. Es ist noch zeit vorzubeug. Wen du aber fortfährst schlösser in die Luft zu bau, und mit lauter Speculation für künftige noch weit entfernte aussichten dir den Kopf anzufüllen, so wird das Gegenwärtig höchst noth=wendige um dich zu dein Aussicht zu führ vernachlässiget, der Kopf ist dir von Sachen voll, die dich zu allem dem gegenwärtigen untauglich machen; du wirst kein Schritt weiter kom, den itzt must du zu leben haben, und nach dein Gedanken die du mir erst, wen es Zeit seÿn wird, entdecken willst, must du ein guten wohleinträglichen Dienst haben, – da solcher aber nicht so leicht, als du glaubst, mit allen den Umständ die du verlangst zu haben ist, dir aber meine Umstände und die zu bezahlende Schuld bekannt sind, so siehest du doch hoffentlich endlich mit gesunder vernunft ein, daß du itzt, da du in Paris einmahl bist, und alda die gute Zeit etwas zu verdien herannahet, auf gar nichts anders zu gedenken und zu studieren hast, als durchzudringen, dich bekannt zu mach und dir Credit und dadurch Geld zu machen. Wegen Manheim hast du bereits alles gethan, was zu thun ist, – du must also den Ausgang abwart, und dazu hilft nun alle Speculation nichts. Es mag nun etwas gescheh oder nicht, so kanst du itzt Paris nicht verlass, geschieht aber nichts – so must du in Paris bleib um zu leb – wo sonst hin? – daß sich in allem falle Graf Sückingen angetragen dir ein Platz in Maynz zu verschaffen ist gut – allein man muß sich nichts für gewiß einbilden, dan das heist nur und muß verstanden werden, er wird sich Mühe geben dir ein Platz zu verschaffen. ob ers zuwegenbringt, das ist eine ande frage? In Maynz ist ein alter Capellmeister h: Schmid der nichts mehr thut. Kreÿser ist eben zur recht Zeit nach Maynz kom INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 als der Concertmeister Jacobi gestorb. seine leichte ins ohr gehende Synfoni haben gefall, er wurde also gleich Concertmeister. Nun studiert er sich zum Capellmeister geschickt zu machen; er ist beÿ allen beliebt, und wird diese Stelle mit der Zeit such. Ich kan es euch nicht verzeih, daß ihr nicht, beÿ dem so lang Aufenthalt in Manheim, ein Reise nach Maynz gemacht. untersuche es unpartheiisch, du wirst beken müss, daß ihr wenig nach meinem Rath und Vorschrift gethan. Eine Reise nach Maÿnz würde dir mehr genützt hab als deine fatale Reise nach KirchheimPolland, Maynz ist doch ein Hof wo einige Aussicht wäre, und wo wir vielle bekante unter der Noblesse und ande freunde hab. Du siehst also, daß gegen=wärtig alle deine Speculation einzig dahin geh muß dich gut in Paris zu Souteniern. das übrige wegen Manheim, Maynz od Salzburg muß man abwart, ohne mit sein Gedank an blossen leer träümen zu hängen, die zu nichts helfen als sich zu gegenwärtigen nothwendigst Verrichtung ungeschickt zu machen, es geschieht ohnehin nur dasjenige was uns die ewige Vorsehung bestimet hat, wen wir nur die nötigen Mittel ergreiffen und uns, durch beständiges Nachdenken auf die von uns dermal noch nothwendig entfernte dinge, nicht selbst für das Gegen=wärtige schaden. In Manheim od besser dermal in München |: wo d Hof Ende dieses Monats eintreff soll :| wird schwerlich etwas zu thun seÿn; ausgenom es wäre, daß ein Bedacht genom würde für ein Componist für die Deutsche opera zu sorg, und daß Raff und Canabich dich in vorschlag brächt. Wendling ist dein freund, allein ich weis nicht, ob die Weberische Bekanntschaft dich nicht um die Gunst des Wendlingischen Hauß gebracht hat. Eine Sängerin hasst die ande. Maÿnz ist in der Bezahlung nicht stark. und Maynz hat mit Salzburg den gleich Vortheil, daß es mit dem todt des Fürst nicht abstirbt. – Manheim stehet auf 2 Augen. Salzburg hat |: wen man recht bezahlt ist :| den Vortheil vor Maynz, daß, sonderheitl: die Kirchenmusik prächtiger – und daß d Ort näher beÿ Italien ist. Ich habe dir schon geschrieb, daß man dich wied hier zu seh wünschet, und man gieng so lange um mich herum, ohne daß ich mich heraus ließ, bis endlich nach dem Todt des Lolli ich der Gräfin sagen musste, daß ich dem Erzb: eine Bittschrift ein=gereicht, in welcher ich aber nichts anders sagte, als daß ich mich, nach mein so viele Jahre unklagbar geleistet zu Gnad empfehle p: Nun fiel endlich die Rede auf dich – und ich sagte alles von d Brust heraus, was nothwendig war, und so, wie ich es dem Gr: Starmberg gesagt hatte. Endlich fragte sie mich, ob du den nicht kom würdest, wen mir der Erzb: den Lollisch gehalt und dir den Adl=gasser: geben würde, welches, da ich es schon vorhero berechnet hatte, zusam INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 ______________________________________________________________________________________________________27 Aug. 78 jährlich 1000 f beträgt, so konnte ich nichts anders thun als antwort, daß ich kein zweifel hätte, daß du dieses, wen es gescheh würde, mir zu Liebe anehm würdest, indem sie noch beysetzte, daß nicht der geringste Zweifel wäre, daß dich der Erzb: alle zweÿ jahre nach Itali reisen liesse, indem er selbst imer behauptet, daß man von Zeit zu Zeit wied etwas hör muß, und daß er dich mit gut reccomandations Brief verseh würde. würde dieses gescheh, so könnte ich sichere Rechnung machen, daß wir alle Monate 115 f wenigst, und wie es itzt ist mehr als 120 f monatl: gewisse Einkünft hätt. ohne was ich durch den verkauf meiner Violinschule einnehme, welches Jährlich, gering gerechnet, 50 f beträgt, und ohne was deine Schwester für sich verdient, die itzt monatlich 10 f gewis einnimt, und sich damit kleidet, indem sie die 2 klein freul: von d Gräfin unterweiset, und zwar täglich, ich aber die grössern 2. hierzu ist nun nicht gerechnet, was du etwa für dich besonders verdien könntest, den obwohl hier auf nichts Rechnung zu mach, so weist du doch daß du von zeit zu zeit etwas eingenom, und auf diese Art stünd wir besser, als an iedem andern Ort, wo es ums doppelte theurer ist, und wen man aufs geld nicht so genau schau darf, so kan man sich schon Unterhaltung verschaff. Allein der Hauptpunckt ist, daß ich mir auf die ganze Sache keine Rechnung mache, weil ich weis wie schwer dem Fürst ein solcher Entschluß ankom würde. daß es der Gräfin in ganzer Ernst und Wunsch ist, darfst du gar nicht zweifeln, und daß der alte Arco, der gr: Starmberg und der Bischof von Königsgratz dieses mit guter Art durchzubring wünschen, hat seine Richtigkeit – Es hat aber seine Ursachen, wie es beÿ all Sach geht, und wie ich dirs tausendmal sage, die Gräfin förchtet, und auch der alte Arco, daß auch ich fortgehe. Sie haben niemand zur Unterweisung auf dem Clavier; ich habe den Ruhm, daß ich gut unterweise, und die Proben sind da. Sie wissen nicht, wen, und wan sie so dan iemand bekom: und sollte einer von Wien kom, wird er wohl um 4 f od ein duggatt 12 lection geb, da man and Orts 2 und 3 duggatt bezahlt? – – das setzet sie alle in verlegenheit. Allein, wie schon gesagt habe, ich mache keine Rechnung darauf, weil ich den Erzb: kene: obwohl es gewiß ist, daß er dich im Herz zu hab wünschte; so kan er doch zu keinem Entschluß kom, absondlich wen er geben soll. dasjenige, was du imer in dein Gedanken hast würde ganz gewiß hiedurch befördert werd, den eine INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 Reise nach Italien od hiesige günstige Umstände könnt vieles thun. du schreibst imer und ewig von den betrübt Umständen der Weberisch Familie. aber sage du mir, wie konnte es dir mit gesunder vernunft in Kopf kom, daß du derjenige seÿn könntest, welcher diesen Leut ihr Glück zu mach im Stande ist? du weist nun nach und nach |: wie ich hoffe :| wie viel Geld ein einziger Mensch braucht, um sich mit Reputation zu unterhalt. du bist nun in dem Falle, – und du warst es seit dem 23 Sept: des vorigen Jahres mit deiner seel: Mutter in 2 Person, wo ich, um euch zur Reise zu equippier und mit Reisegeld zu verseh, mit 300 f und dan in Manheim abermahl mit 200 f euch unterstütz musste. das sind nun 500 f, die ich nur aus diesem Grund schuldig bin. Nun bist du allein – must du nicht mühesam für dein tägliches auskom sorg? und ist das schon genug? – – must du nicht tracht ein vorgehendes Geld in Er=spahrung zu bring? Ich setze den Fall, gott verhütte es, du würdest Krank, und hast kein erspartes geld – was würdest du thun? – – würdest du nicht elend verlass daliegen? würdest du nicht von der Gnad und Barmherzigkeit gutherziger Mensch leb müss? – – und wo sind diese gutherzigen Mensch? – – wen man mit gesundem Leibe genug zu thun hat um für sich selbst, eine einzige Person, zu sorgen und sich freunde zu machen, um sein vorhaben durchzusetz, was für ein Elend stehet einem Menschen bevor, der durch Krankheit od ein and auch nur klein Unbässlichkeitszustand gehindert wird Geld zu verdien und seinen verrichtungen nachzugehen? wen er dan kein vorräthiges Geld im Sack hat, so ist er den selb Augenblick von aller Welt verlass – die wenigen freunde zieh sich nach und nach weg – und der freund, der noch etwa bleibt, ist in Umständ, daß er nur mit wort seine freundschaft an Tag legen, in der that aber nichts thun kan, weil er selbst arm ist. – und sind wir armseelige Mensch sicher von einer Unbässlichkeit über=fall zu werden? – – hast du nicht das traurige Beyspiel an deiner seel: Mutter und an Hundert Mensch, die um dich leben, heute gesund, morgen Krank sind. Denke nach ob du, seit dem du von mir weg bist, ein einzigen freund hattest, welcher die Kraft hatte, etwas für dich auszuwirken? – – du schriebst es mir gar einmahl selbst, daß du sehr viele gute freunde hättest, die aber nicht im Stande sind etwas in Stand zu setz. Solche freunde, die nichts als wünschen, und vorschläge machen, giebt es genug. Wen man ieden solchen wunsch und vorschlag für richtig annimt, so ist man INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 betrogen. Ich bitte dich hab Mitleiden mit dir selbst und deinem arm Vatter, besorge deine dermahl nothwendige Umstände, setze mich nicht in Gefahr hier zum spoth und Gelächter zu werd. Man kan sich Mühe geb der Mdssle: Weber, so viel es möglich ist, zu helfen; und alles was du seiner zeit willst, allein geh den unsere Kräft so weit einer aus 6 Kind bestehend Familie aufzuhelff? wer kan dieses? – ich? – du? – der wir uns selbst noch nicht hab helfen könn. wie kanst du andern helfen, bevor du dir nicht selbst geholfen hast? du schreibst – liebster Vatter! ich recomandiere sie ihn von ganzem Herzen. wen sie unter=dessen auf etliche Jahre nur 1000 f zu geniessen hätten. Allerliebster Sohn! muß mir nicht, da ich dieses lese, für dein gesund vernunft bange seÿn? – – um Gottes willen ich soll ihn auf einige jahre zu 1000 f helfen! – könnte ich das, ich würde zu erst dir und mir und deiner lieben Schwester helfen, die schon 27 Jahr alt ist, und keine versorgung weis, und ich schon alt bin. wo sind den die Höfe, od wo ist itzt ein Hof der einer Sängerin 1000 f giebt? – in Münch hab sie 5–6 – höchstens 700 f ___________________________und dan bildest du dir ein man wird einer jung ___________________________Person, die man als eine Anfangerin betrachtet ___________________________schnurgerade 1000 f geben? – – das wirst du, wen ___________________________du tag und Nacht nachdenkest, und für halb gescheh od für ganz leicht dir vorstellest, nicht erleben; sonderheitlich da man, wie du imer hörest und erfahrest, sich vorher ein Nahmen, od so zu sagen, sich berühmt machen muß, bevor man grössere Schritte zu seinem Glück in der Welt machen kan. Wen du den ganz Tag denkest, und hunderttausend dinge dir für möglich vorstellest, so wird die Sache doch nicht nur allein nicht geschehen, wen du nicht vielmehr deine itzige Umstände dir einträglich und nützlich machest, sondern du wirst die zeit in Unwirksamkeit hinleb, unbekannt, und arm bleib mich und dich zugrunde richt, und keinem Mensch helfen. Alles, was du thun must, ist, an Canabich und Raff zu schreiben, daß sie dich beÿm Churfürst und Seau als ein Componisten zu den deutsch opern vorschlagen. das nämliche sollte gr: Sicking an B: Gemingen od ande Correspondent thun, du solltest dessweg auch an den Kays: Gesandt B: Lerbach ein franz: Brief schreib. B: Grim könnte dir ihn aufsetz. Kurz! an alle Leute muß man schreib, die imer beÿ dem Churf: etwas anbringen könn. dan es werden imer ins Künftig in München deutsche opern gespielt werd. an Carolitag d 4t Novemb: wird die opera vom Wieland und Schweitzer aufgeführt, und vermuthlich den fasching durch fortgesetzt werd. ich werde von hier aus auch meine Bewegung beÿm gr. Seau machen. wen du auch itzt nur 600 f bekom würdest. Man muß sich in Ruf bringen. Wen ist Gluck – wen ist Piccini – wen sind alle die Leute hervor gekom? – Gluck wird 60 Jahre auf dem Hals hab und es sind erst 26 od 27 Jahre, daß man angefangen hat von ihm zu red, und du willst daß itzt das franzosische Publikum, od auch nur die Directores der Specktacul von Deiner Compositions=wissenschaft schon sollen überzeugt seÿn, da sie in ihrem Leben noch nichts gehört hatt, und dich INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 nur von deiner Kindheit an als ein vortrefflich Clavierspieler und besonderes Genie könn. du must also unterdessen dir Mühe geben durchzudringen, und dich als Componist in all Gattung zeigen zun, – und da muß man die Gelegenheit dazu aufsuch und ohnermüdet freunde suchen, solche ansporn, und ihn keine Ruhe lassen, solche, wen sie einschlaff, wieder aufmuntern, und nicht, das, was sie sagen, schon für gethan, glaub; ich würde längst an M: de Novere selbst geschrieb hab, wen ich sein Titul und adresse wüsste. Unterdess werde ich und deine freunde weg München sorgen. all dein und mein denk und sorg für den h: Weber ist dermal vergebens, bis nicht du in bessern Umständ bist, die must du itzt besorg: alsdan, wan du in Credit od an einem gut Platz bist, dan hat deine Sorge und Hilfe mehr kraft und Wirkung, itzt wirst du nur zerstreuet, schadest dir selbst, und kanst ihn nicht helfen. deine Schwester und ich küssen dich millionmahl von ganzem Herzen, sie konte dir nicht schreib, weil ich zu viel geschrieb. also auf das nächste. um Gotteswill! trage Sorge für deine Gesundheit, sonst sterben wir beÿde. ich bin dein wahrer freund u redliche Vatter Mzt mp. Vom Krieg! da es dem Prinz Heinrich nicht gelungen beÿ Komotau in Böhm einzudring, so zog er sich nach Pirna beÿ Dressden zurück, und fiel ganz oben beÿ Rumberg, Tollenstein, Zwickau, Laipa herein. Laudon hatte die ganze Sächsische Gränz von Eger bis in die Lausnitz zu bedecken. er stand in der Mitte beÿ Leitmeriz, zog sich in Eyle gegen Tornau, so daß Prinz Heinrich sich auf Niemes zurückzieh musste und nicht beÿ Tornau über Arnau eindring und sich mit dem könig conjungier konnte, dan der Kayser stand geg Nahod geg den König, und Laudon mit der front gegen Nimes, gegen den Heinrich, so daß Kayser und Laudon eine Linie macht und einand secondier kont. Heinrich hielt nicht stand, zog sich geg Leutmeriz herunter, der König verließ Nahod, wo er seit dem 5 Julii stand, und zog sich hinter Trautenau ins gebürg, um zu mach, daß die Armeen des Kaysers und Laudons sich auch ausseinandtheilen müssen. Nun ist zu erwarten, wie sie einand weiter den Weeg ablauff werd. addio. À Monsieur Monsieur Le Chevalier Wolfgang Amadé Mozart maître de musique ___________________à chez Mr: Le Baron de Grimm p: Rue de la chaussée d'Antin prés le Boulevard.______________Paris Nro 545 INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881