Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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Salzburg
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN MANNHEIM
SALZBURG, 19. NOVEMBER 1778
Mon très cher Fils!____________________________________________65_________________\hfill Salzburg den 19 Novb: 1778.
Ich weis in der That nicht, was ich schreib muß – ich werde noch von Sin kom, oder
an einer Abzehrung sterb. Es ist ohnmöglich mich aller deiner projecten, die du seit
deiner Abreise von Salzb: im kopf hattest und auch mir überschriebst zu erinern,
ohne mein gesund Menschenverstand darüber zu verlier. alles lief auf Vorschläge,
leere Worte, und am Ende auf gar nichts hinaus. Nun, da ich seit dem 26t
Sept: mir mit dem gröst Vergnügen – zu meiner Gemüthsberuhigung
Hofnung machte dich auf dein Nahmenstag in Salzb: zu sehen, muste ich
die erste Todesangst aussteh, da du von Nancy vom 3t schriebst: morg den 4t geh
wir nach Strasburg, und den 9t schrieb die Gebrüd Frank, daß du noch nicht angelangt
bist. Endlich schriebst du mir erst den 14t von Strasburg. Beÿ dem Aufent=halt in Nancy war also das Geld zum Fenster hinausgeworff, da anstatt
das Geld da ohnnötig zu verzehr du eine eigene Gelegenheit nach Strasburg
hättest nehm und das Geld dazu anwend kön geschwinder in Strasburg einzu=treff. dan sassest du in Strasburg bis die Wassergüsse ausbrach, obwohl ich
dir zum voraus dahin geschrieb, daß du, wen nichts zu mach ist, alsogleich abreis
und nicht das Geld ohnnötig verzehr sollst, und obwohl du mir selbst geschrieb
daß es pauvre zu gehe, daß du d 17 ein klein Concert geb, und dan gleich ab=reisen werdest: allein, man lobte dich, – und das ist für dich schon genug!
du bliebst sitz – ohne mir ein Wort zu schreib, mich in die zweÿte
Todes Angst zu setz, da wir die Gewässer und Reg auch hier hatt, und
wir alle aus der Herzensangst erst den 10t Novemb: durch den Brief
vom 2t Nov: geriss wurd. wärst du nach dem Concert vom 17t octob: den 19t od 20t
abgereiset, so würdest du vor dem gross Regengewässer in Augsp: gewes und wir
aus aller Angst gewesen seÿn, und das in Strasb: unütz verzehrte Geld wäre
im Sack geblieb. Nun hieß es den 5t reiset er ab, so schrieb h: Scherz. Ich hoffte
nun Post=täglich von Augsp: Nachricht daß du angekom: alleine imer hieß es er ist
noch nicht da – und ein Brief vom 13t Nov: behauptete so gar, daß du gar nicht
mehr kom wirst; also – da ich bis heute den 19t kein Schreib von dir sahe; so war
ich ganz natürlich in der 3t Beängstigung, da mir der närrische Einfall ohnmöglich
hätte beÿkom könn, daß du dich in Manheim, wo d Hof nicht ist, aufhalt
würdest, folglich schon den 10 langstens in Augspurg glaub konnte, ja, ich
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glaubte dieses um so gewisser, als ich dachte du würdest keine zeit verlier bald nach
Münch zu kom, wohin du, wie ich vermuthete schon damals als du von Nancy
abgereiset um auf Carolifest antrag mach würdest. Hast du also 8 Louisd'or
in Strasburg nur dessweg aus Fürsorge herausgenom um in Manheim
herzusitz? Du hoffest in Manheim angestellt zu werd? angestellt? – –
was heist das? – – du sollst wed in Manheim noch an keinem Ort in der
Welt itzt angestellt werden –, ich will das Wort angestellt nicht hör.
Wen der Churf: heute stirbt; so könn ein Battallion Tonkünstler die in
Münch und Manheim sind in die Weite Welt wandern und Brod such, da
der Herzog von Zweybrück selbst ein Orchestre von 36 Person hat, und die
dermahlige Churbaÿr Manheimische Musik jahrlich 80000 kostet.
die Herrn Manheimer sind närrisch, wen sie sich einbild der Churfurst werde
Münch verlass; sie schmeicheln sich mit der Hofnung, weil sie es wünschen.
Ich hab bessere und sichere Nachricht – Es kan gar aus Politisch Staats=ursach nicht seÿn: – allein was nützt alles dieses Geschwätz. die Hauptsache
ist, daß du itzt nach Salzb: komst. Ich will nichts von den vielleicht zu
verdienend 40 Louisd'or wiss. deine ganze Absicht gehet dahin mich zu
Grunde zu richt nur um deine in Lüft stehende Plane auszuführ.
du hattest über 15 Louisd'or im Sack, da du von Paris abgereiset.
____________________________________________________________________________________\hfill das sind – – 165 f
Nach dein Wort, wenig gerechnet nahmst du
in Strasb: 7 Louisd'or ein__________________________________________________________________\hfill 77 f
vom h: Scherz 8 Louisd'or_________________________________________________________________\hfill 88 f
________________________________________________________________________________________________________\hfill 330 f
Der Wagen von Paris war bezahlt. das ist nun also ein schönes Geld für
eine einzige Person – wo man mit der Dilligence geringe Unkost hat,
à proportion verstehet sich.
Kurz! ich will absolute weg deiner nicht mit Schande, und in Schuld sterb;
und noch weniger deine arme Schwester im Elend hinterlass; – du weist so
wenig als ich wie lange dich Gott leb lässt. Wen ich der Md:me Canabich
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schreibe, daß ich weg deiner abreise aufgenom________________________________________\hfill 300 f
daß ich dir in Manheim – angeschaft____________________________________________________________\hfill 200
daß ich in Paris vom Gschwendner empf geld bezahlte_______________________________\hfill 110
daß dem B: Grim zu zahl habe – 15 Ld:_______________________________________________________\hfill 165
daß du in Strasb: empf: 8 Loud:__________________________________________________________________\hfill 88
daß du also in 14 Monat mich in Schuld gesetzt mit___________________________________\hfill 863 f
Wen ich ihr sage, daß sie allen den, die dir rath in Manheim zu bleib
diese Nachricht geb, und ihn sag solle, daß ich dich nach Salzb: auf ein
paar Jahre in Dienst verlange, weil ich dadurch diese Schuld zu bezahl
aussehe, so werden sie alle dich mit keinem Worte mehr zurückhalt,
sondern ganz ande Gesichter mach. Kurz! – bisher war meine Briefe nicht
nur als Vatter, sond auch als freund geschrieb; ich hoffe du wirst nach Empfang dieses
__________________________________Schreibens, deine Reise alsogleich beschleinig,
__________________________________und so verfahr, daß ich dich mit freud
__________________________________empfang, und dir nicht mit Vorwürff
__________________________________entgeg geh darf: ja ich hoffe, daß du,
__________________________________nachdem deine Mutter mal à propos in Paris
hat sterb müss, du dir nicht auch die Beförderung des Todes deines Vatters
über dein Gewissen zieh willst. Ich hab Gott Lob, noch mein Verstand nicht
verlohr – mir liegt es ob für das Beste, für das zeitl: und ewige Wohl meiner
Kinder zu sorgen – ich muß Gott dafür Red und Antwort und die strengste
Rechenschaft geben – ich muß auf meine und mein Kind Ehre sorgfältig
acht hab. die 863 f müss bezahlt seÿn. Ich verstehe das Plan mach besser
als du, der einer ieden Schmeicheleÿ glaubt. ich weis, daß ichs in 2 Jahr bezahl
kan. Ich alleine kans aber nicht bezahl. und du bist itzt nicht im Stande
etwas mit kaltem Bluthe zu überleg: und bekümerst dich wenig um die
reputation deines Vatters, der seit fast 2 Monat heute das erste mahl weis
wohin er dir zuschreib muß. Kurz! meine Schuld müss bezahlt seÿn, beÿ
dem Empf: dieses wirst du abreisen. Ich will nicht das Gelächter der Statt
seÿn, die dich zu seh wünschet, und den schmeichelhaft Gedank hatt, da du mir so lange
nicht geschrieb, du werdest an meinem Nahmenstage mich überfall. Eÿ, ja, das wäre
zu viel zärtlichkeit! wie hätte ich so was verdient! – – h: Fiala hat die Münch: dienste
niedergelegt, obwohl er kein Kreuzer am gehalt verlohr, weil er die Verwirrung nach des
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Churf: Todt voraussiehet. seine Baggage liegt beÿ mir im Saal. Ein Violoncello,
2 Violin, eine Viola, ein Küstl mit Musik und ein Coffre. heute abends wird er
mit der Dilligence samt seiner Frau eintreff. nächstens hoffe ein Brief von dir, daß
du abgereiset bist. Gott gebe dir eine glückl: Reise ich Kisse dich millionmahl u bin
____________________________________________________________________________________\hfill dein dich erwartender Vatter
______________________________________________________________________________________________________________________\hfill Mzt mp
deine Schwester umarmt dich – und hoffet dich bald zu umarm. Sgr Ceccarelli empfehlt
sich und kan den Augenblick kaum erwart dich zu seh. hätte ich zeit, so könnte ich dir
die Strafe des ungehorsams eines Sohnes geg seine Eltern und die ganze
Geschichte beschreib. graf Sigerl Lodron hat mit 3 lang Schnitt auf der Seite bis
auf die Rippen hinein müss operiert werd, er liegt zwisch Todt und Leb; elendig!
schmerzhaft! die Geschichte wäre zu lange. Es war eine erstaunliche operation!
Es war alle Chyrurgi und Medici auch der Doctor Quella aus Passau dazuberuff.
À Monsieur
Monsieur Le chevalier Wolfgang
Amadé Mozart Maître de Musique
à
Manheim
Nro 61.
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