Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN MANNHEIM SALZBURG, 23. NOVEMBER 1778
Mon cher fils!_____________________________________________66______________________________\hfill Salzb d 23 Novb: __________________________________________________________________________________________________________________\hfill 1778 Ich wünsche daß dich dieser Brief nicht mehr in Manheim antrift, und da du meine antwort vom 19t wirst erhalt haben, so hoffe, daß, wen du noch in Manheim Bist, mit dem erst Postwag abreis wirst, und das ist die Ursache, warum ich dieses zweyte Schreib an dich erlasse. Ich bin deiner projecten müde, durch welche du mir die besten Plane, die ich oft hatte zu nichts gemacht; welches du nicht einsiehest, weil du nichts mit kaltem Blut und ohne Vorurtheile überleg kanst – od willst, – freilich oft nicht kanst, weil du dich, durch das feuer deiner Jugend, und durch die schmeichelhaft Vorschläge, die dir bald dieser bald jener macht, in einem Augenblicke hingerissen wirst, und alles für Gold ansiehest, das doch am Ende nichts als falsches Rauschgold ist. du vergissest dadurch, daß dein Vatter dein einziger bester wahrer freund ist, der so wohl aus vätterlicher Schuldigkeit nach dem Gesätz Gottes, als aus Liebe zu seinem Kind am aller gewissest und untrüglichst dein Bestes besorg muß – wird, und kan. Ich konnte auch nicht allzeit die Kette und den Zusamenhang meines Plans schreib, da dieses und jenes von Verän=derung der Umstände abhängt, darüber ich aber auch schon 2 und 3 ande wege im Kopf hatte. Zweÿ Sach sind, die dir den Kopf voll mach und dich an aller vernünftig Überlegung hindern. die erste und Hauptursache ist die Liebe zur Mdss:le Weber. der ich ganz und gar nicht entgeg bin; ich wars damahls nicht als ihr Vatter arm war, warum sollte ichs nun itzt seÿn, da sie dein Glück – und nicht du ihr Glück mach kannst? – – und ich muß vermuth, daß ihr Vatter diese Liebe weis, da es alle Manheimer wissen, – da es h: Fiala von ihn gehört, – da es h: Bullinger, der beÿm Graf Lodron als Instrucktor ist, hier erzehlte, da er mit den Manheimer musicis auf dem Postwag von Ellwang |: wo er in d Vacanz war :| fuhre, und diese von nichts anderm mit ihm sprach, als von deiner Geschicklichkeit, Composition und Liebe mit Msse: Weber. – Nun hab ich dir auch schon längst meine Meinung geschrieb, daß du durch die Antrettung der hiesig Dienste Gelegenheit bekomst näher beÿ Münch zu seÿn, wo du in 18 Stund seÿn kanst – von woher wir alles, auch das mindeste erfahrn, wohin wir, so gut als auf Seon, eine spazierreise machn, und wo uns h: Weber und seine Mss:le Tochter hier besuch und beÿ uns wohn INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 kan, ja ich wollte – und will dies nun schreib, daß du h: Canabich, h: Wendling, h: Rahm h: Ritter einlad sollst uns zu besuch im frühejahre und Somer haben diese herrn nicht viel zu thun und wird ihn zum vergnüg dien eine so kurze nicht kostbare spazierreise zu mach. Sonderheitl: wird die Antrettung der hiesigen dienste |: ob es gleich itzt die 2te Ursache ist, die dir den Kopf voll macht :| die einzige sichere Gelegenheit seÿn, wiederum nach Itali zu kom, welches mir mehr im Kopf steckt als alles das übrige. und diese Antrettung ist ohnabänderlich nothwendig, wen du anderst nicht den allerverdamlichst und bosshaftest Gedank hast, dein für dich so besorgt Vatter in Schand und Spott zu setz; dein Vatter, der sein Kindern alle Stund seines Lebens aufgeopfert, um Credit und Ehre zu bring, da ich nicht im Stande bin eine Schuld, die sich in allen auf 1000 f belauffet, zu be=zahl, wen du nicht durch die hier richtige Einahme deines Gehalt die abzahlung erleichterst; wo ich dan sicher alle Jahre über 400 f abzahl, und noch dabeÿ mit euch beyd herrlich leb kan. derjenige Sohn, der sich statt seines Vatters ins Gefängniß werff ließ, ja d für ihn gar sterb wollte würde es wohl ganz angenehm gefund hab seinem Vatter zu liebe jährlich mit ein bisschen Beschwerniß und auch damit ver=mischtem vielem Vergnüg einige hundert Guld einzunehm, anstatt weg 25 Louisd'or ein ganz Winter zu einem Concert hinzusitz und sein Vatter schmacht zu lass. Allein was nützt alle Vorstellung die dir mein redliches Vatterherz macht, wen du, da du den Brief mit flichtig Aug durchliesest, ohne Reflexion – scharfes Nachdenk über die Vorfälle deiner ganz Reise und meiner Vorstellung zu mach, solch weglegst und dein flichtig Lieblingsgedank und Projeckt überlässt, die wie eine Seifenblase in der Luft zerplatz. du bist auf dieser Reise schon so oft hinter das Liecht geführt word, du hast so vielmahl erfahr, daß ieder der dir Gefälligkeit erwieß, od doch die allermeist solches aus Interesse und aus Absicht that: und wie viele hab dir goldene Berge versproch – und nichts gehalt? – – – Liebster Sohn! – du kenst die Welt noch zu wenig. – – wen du aber einmahl wieder zu Hause seÿn wirst, und dan mit mehr Ruhe und mit kaltem Blute allen den Begebenheit, INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 all den falschen Verheissung und verschieden Umständen, die dir itzt durch die zu vielle Zerstreuung entwisch, die dein flüchtiger Geist nicht beobachtet, wen du allen diesen Sachen nachdenck wirst; dan wirst du auch dich meiner Briefe und aller meiner Prophezeiung und Voraussehung des menschlich Undanks erinern und eine nützliche Lehre für die Zukunft daraus zieh. Herr Fiala war gestern Beÿm Erzbischof, und da er ihn um alles weg den Manheimern fragte, sonderheitlich weg den Composition, so sagte ihm h: Fiala, daß die beste Musik die die h: Manheimer hätt vom Mozart wär: daß gleich in der erst accademie, dern alle Montage eine im KaysersSaale ist, ausser der Synfonie vom Canabich, alles übrige vom Mozart war; daß gleich nach der Synf: Mdsse Weber eine Arie vom Mozart, dergleich er in seinem Leb nicht gehört hätte, gesung habe. – dan mußte er dem Erzbischof alles sag, – er fragte ihn über ieden besonders, der von dir ein Concert gemacht, und zeigte sein grosses Vergnüg darüber, dan muste er ihm auch ____________________________umständlich das Singen, alter p: der Weberin ____________________________beschreib p: – Mein Lieber Wolfgang! ich denke ____________________________imer h: Weber ist ein Man, der, wie die ____________________________meisten derleÿ Leute sind, die sich in der Armuth ____________________________schmuck, und dan in Glückesumständ nicht ____________________________mehr ken. Er schmeichelte dir, da er dich nötig hatte – vielleicht gestehet er es itzt nicht einmahl daß du ihr etwas gezeigt oder gelernt hast. gemeiniglich sind diejenig, die arm warn, recht stolz, wen sie in gute Umstände kom. – gestern Sontags am Fest Ceciliæ hat deine Schwester den Ceccarelli, den Fiala und seine Frau zum speisen eingelad, damit sie mich ermuntern, da ich seit dem 19t, wo dein Brief aus Manheim erhalt, sehr krank war, weil ich ganze Nächte nicht schlafen konnte und imer an dich dachte und den 21 der Hochzeittag war, wo, wir, wan deine ehrliche seel: Mutter lebte, 31 Jahre verhayratet wär. Nachdem Ess kam, h: Bullinger, h: Zahlmeister, der Hautboist Feiner, und die Cath: Gilowsky zum Pölzlschüss, dan wurde Coffé getrunck; um 4 uhr gieng alles in die Comœdie, und um 7 uhr nach Hof, Fiala bließ ein Concert, und die erste Synf: war eine FinalmusikSynfonie von dir, andante und Trio mit Hautb: Solo. Brunetti hat alle vom Stadler verlangt und nach Hof schreib lass; Sie habens recht gut produciert. Was ich dieser Täge für eine Noth hatte! da die Coffre und Bagage des Fiala auf der Wag abgewog und zu mir gebracht wurde, so glaubte h: kolb – andretter: und alle Welt es wäre deine Bagage, und du wärest, tags darauf mit dem Postwag angekom: das war ein Geläuffe! umsonst! Ich habe ein bequem Legkast in dein Zimer mach lass, wo man die kleider auf Stellen ganz Bequem hineinlegen kan, ohne Schublad, mit zweÿ thürn, recht bequem, INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881 und das Clavicordin stehet schon längst unter dem Schreibtische. der Graf Sigerl Lodron war vorgestern zum sterb. Man hat 2 neue Schnitt in Leib mach müss, und seit einig Tag ward so ein unerträglicher Gestank und faule Materie, daß die Leute dabeÿ krank geworden; heute gehet es etwas Besser, dan die Materie fliesst itzt wied frisch, und ist nicht mehr Schwarz. – halte dich nicht mehr auf, wen du noch da bist, wen du willst, daß ich glauben soll, daß du mich liebst und noch beÿm Leb erhalt willst, ich küsse dich millionmahl _________________________________________________________________________________________\hfill und bin dein redlicher Vatter Mzt mp deine Schwester umarmt dich von ganzem Herz. Ceccarelli kan den Augenblick nicht erwart dich zu seh. h: Bullinger, Fiala, seine Frau, h: Feiner, gilowsky ruescherl, alle Robinisch, Andretterisch, Mölckischen, Hagenauerisch, Kolbisch p: empfehl sich. ich hab den Fiala zum Hagenauer ins quartier über 3 Stieg zum wohn gebracht, wo du und deine Schwester gebohrn sind. Ich hoffe du wirst also gleich abreisen, sonst schreib ich an Md:me Canabich – ich will, wen Gott will, noch ein paar jahre Leb, meine Schuld zahl, – und dan magst du, wen du lust hast, mit dem Kopf an die Mauer lauffen: – – doch, Nein! du hast ein zu gutes Herz! du hast keine Bossheit – du bist nur flüchtig! Es wird schon kom! \newpage À Monsieur Monsieur Le chevalier Wolfgang Amadé Mozart maître de musique FroAugl:________________à Manheim Nro 62 INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881