Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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LEOPOLD MOZART AN WOLFGANG AMADÉ MOZART IN MÜNCHEN
SALZBURG, 28. DEZEMBER 1778
Mon cher Fils!____________________________________________68________________________________________\hfill Salzb: d 28 Decemb:
_______________________________________________________________________________________________________________________________1778
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Du wirst, da dieses schreibe vermüthlich schon in Münch angelangt seÿn. Ich habe dir
schon zu wiederhohlt mahl geschrieb, daß unser Interesse, und meine Aussicht es erford,
daß du dermahl nach Salzb: zurückkehrest, und da ich glaubte du würdest deiner Vernunft
zur Überlegung Platz geb, und auf die dir gar wohl bekannte Einsicht deines Vatters
mehr, als auf deine Hofnungsleere wünsche vertrauen setz, so konnte ich nicht im geringst
zweifeln, daß du auf das neue Jahre nun endlich gewiß in Salzb: seÿn würdest:
allein, da ich es am wenigst dachte, und schon ein Brief von Augsp aus zu seh
glaubte, so giebst du mir Nachricht, daß du mit dem h: Prelat erst d 26 od 27t
nach Münch reisen wirst. gut! – diese Gelegenheit entschuldiget dich. Nun aber
bilde dir nicht ein in Münch hinzusitz. von Augsp: ist gar die Rede nicht, ich
habe da nichts nothwendiges zu betreib. Ich will also, daß, wen du keine gute Ge=legenheit früher findest, daß du, sage ich, mit der erst dilligence die in der erst woche
des Jeners abgehet, dich hieher begiebst. der gewöhnliche PostwagTag ist d Mittwoch,
folglich der 6te Jener, da aber an diesem Tage das Fest der hl: 3 Könige ist, so
mag er etwa ein Tag später geh: obwohl er auch diesen tag vielleicht geh wird, weil
er erst um Mittag geht, wo die Kirchzeit schon vorbeÿ ist. sollte es dir beyfall,
durch h: Canabich weg eines längern Aufenthalts an mich schreib zu lass, so
würde es von darum eine vergebene Arbeit seÿn, weil ich ihm dan alles so
umständlich und so überzeugend nach der länge überschreib würde, daß er meine
Gründe den Augenblick einseh und sich über manches sehr wund würde. allein,
was will ich viel sag. du selbst, wen du ohne vorurtheile |: alle lustig Träume
beÿ seits gesetzt :| alles überlegst, wirst so gut, als ich sehen, daß ich recht habe:
und ob ich gleich mir nicht die Mühe geb dürffte über meine Meinung dir Rechen=schaft zu geb, so will ich doch eines und andes berühr, da ich vom vielschreib
herzlich müde bin und mir seit 15 Monate fast die Augen vergebens aus
dem Kopf geschrieb. dir steckt absolute im Kopfe in Münch anzukom!
begreifst du den nicht, daß es mit unserm Vortheile nicht gescheh kan? – –
du weist daß d Hof mit Leut übersetzt ist: und weist du, daß der Churfürst
sich um die Musik nichts bekümert? – – und glaubst du wohl ich würde es
zu geben, daß du um 6 od 700 f da bliebest? weist du warum? – –
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weil hier 4 und 500 f weiter reichen als 6 und 700 f in Münch, und
weil man nicht weis wie lange der spass dauert. Ich gieb meine Seeligkeit
zum Pfand, daß die ganze Musik in Münch das drittl ihrer besoldung
fallen lässt, wen sie ein dienst, der niemahls abstirbt, erhalt könn.
das geschieht aber dermahl nicht aus der Ursache, als wollte ich, daß du dein
lebstage die hiesig Dienste behalt sollst, – keineswegs –, das sollst du absolute
nicht! nur will ich itzt unsere Schulden sicher bezahlt wiss, – und das muß
seÿn – das muß ohnabänderlich seÿn! ich bin alt, – ich kan nicht wiss
wen mich Gott in die Ewigkeit rufft, ich will nicht mit schuld sterb, und
noch weniger will ich daß man wisse daß ich durch dich in diese Schuld verfall, davon der=mahl niemand, ausser dem h: Bullinger, etwas weis. ich will nicht, daß
um schuld zu bezahl unsere Sach nach meinem todt elendig verkauft und
um das halbe geld hingeworff werd. – da wir mit kleinem Gehalt
leb musst und unser Geld beyzusetz gezwung war, damahls würde ich
mich entschloss hab etwas bessers zu nehm; alleine da ich itzt alle Monate
mit deinem Gehalt sicher 100 f einehme, so sehe, daß ich, da noch accidenti,
und der Verkauf meiner Bücher dazu kom, in einem paar Jahr alles
bezahlt habe und ruhig sterb kan: und das muß ich und das will ich!
damit ich mich aber dir vollkom erkläre, so wisse, daß, wen ich auch für
meine Person den Hazard mach wollte, auf den Tod des Churfürst gar
nicht zu denk, ich niemals ein Antrag für dich anehm würde, als
1000 f, und da müsten wenigst 400 f auf mich, die übrig 600 f auf
dich decretiert seÿn. – Nun muß ich dir aber noch die gefährlich
aspecten von Europa vor aug stell, wo du, wen Du Vernunft hast,
gleich einseh wirst, daß Salzburg der beste Winckl ist, wo man den
Ausgang ruhig und ohne Gefahr, vergnügt abwart kan.
Russland hat sich bereits wider die öster: Besitznehmung von Baÿern
erklärt. da steh nun über 30000 Man bereit die Preussen zu versterk.
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alle Lutherisch oder Protestantisch Fürsten sind theils unter d Hand, theils offenbar
mit Preussen verstanden, Schweden, Hanover, Hessen, Braunschweig p: p: –
Sachsen ist ohnehin mit 30000 Man beÿ Preussen, und damit Sachsen nicht mehr
umsatteln kan, so halten die in Sachsen stehend Preussen die Sächsisch truppen
so unter ihr Augen und respective gefang, daß sie gänzlich nicht nur unter=mischt sind, sondern so gar in der Hauptstatt Dressden, ja selbst in
der Residenz alda aller Orten 2 Schildwach steh, nämlich
ein Sachse und ein Preusse. das sagt so viel, der Sachse ist des Preussen
Gefangener und sein Beobachter. Bricht Russen loß – So bricht der
Türk geg Russ aus. Wird Preuss durch Schwed und Hanover
verstärkt; so muß sich Frankreich mit den stipuliert 25000 Man
Hilfstruppen für östereich in Bewegung setz, da giebts Krieg im
Reich, Krieg in Böhm, Mähr, Schlesien, Pohlen p: und Prinz Heinrich
wird mit seiner Preussisch Arme versuch ins Bayern beÿ Straubing
|: wens ihm gelingt :| einzubrechen – dan wird sich Spani und Por=tugal auch erklern, – Kurz! ein erschröcklicher allgemeiner
Krieg ausbrech. Itali wird noch der ruhigste und glücklichste Ort bleib.
unter dess wird man freilich diesen Winter hindurch sich an allen
Höfen Mühe geb dieses erschröckliche Übel zu verhind. ja, da der
Churfurst von Bayrn und Pfalz nach Wien geh soll, und wie man heute
sagt, bereits dahin soll abgereiset seÿn, so mag es wohl dahin abziehlen
einen grossen Ländervertauschungs Plan zu entwerff, um dadurch
dem Könige in Preuss und allen Widersprechern das Maul zu
Stopfen, das Gleichgewicht in Europa zu erhalt und denoch die
Ländervertauschung also einzuricht, daß Böhm, Frank und das
Reich bedeckt und vor Preussen sicher bleibt. vielleicht könnte dieß
zu stande Gebracht werd, wen Östereich ganz Baÿern erhielte und
dagegen dem Churfürst eben so viel von den Niederland abtrett wollte,
was ganz Baÿern beträgt? – – da dan der Churfurst seine Länder
mehr beysam hätte, und geg alle Anfälle durch franckreich und östereich
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versichert und dadurch auch Zweybrück zu frieden gestellt wurde.
du siehest also, daß nichts geringeres als eine ganze umwendung und ver=tauschung der Länder oder ein erschröcklicher Krieg bevorstehet, in welch
alle Mächte verwickelt werd. und da hab die grossen Herrn auf ganz
etwas anders als auf Musick und Tonkünstler zu denck. Man muß
diese grosse Epoca in einem ruhigen Winckl abwart, sonderheitlich da
Preussen das ganze Römische Reich wied Östereich, Östereich hingeg
solches wid Preuss auffordert. Kurz! ein vernünftiger Man
muß auf die Folgen denken, und es sind hundert ande Sach, die den
Entschluß dich itzt ein paar Jahre hier zu hab, nothwendig mach,
die alle herzusetz nicht möglich ist. du bist den 26t Sept: von Paris
abgereiset: wärest du geradezu nach Salzb: gereiset, so hätte ich
schon 100 f an unsern Schuld bezahlt, will sag – bezahlen könn.
Ich will also, daß du alsogleich nach meiner vorschrift abreisest, da
es abscheulich ist, und ich mich schäme alle Welt versichert zu hab, daß
du auf Weinacht od auf allerlängste auf das Neue Jahr ganz ge=wiß hier seÿn wirst. Himel, wie oft hast du mich zum Lügner
gemacht! – die Sonaten für die Churfurstin soll nichts verhindern;
den, sind sie da, – so kanst du sie übergeb. sind sie nicht da –, so
kanst du dem h: Canabich Comission geb und mit ihm auch darüber
Correspondier: da möchte der Plund darauf wart; das wäre
lächerlich –, wer weis was wieder hinter dies schön Veranstaltung
stecket! und sind sie nicht da, und kom seiner zeit, so werde
ich Rath schaff, was zu thun ist. Nun glaube, daß ich mich deutlich
erkleret habe –, oder muß ich selbst auf die Post sitz und dich
abhohlen –, so weit wird es wohl doch mein Sohn nicht kom lass!
Gestern hatt wir grosse Compagnie beÿm Pölzlschüss, es war ein er=staunlicher Lerm; alles empfehlt sich sondheitl: Ceccarelli und Bullinger
die Nanerl und ich Küss dich viel 100000 Mahl und ich bin dein dich
_______________________________________________________________\hfill erwartend Vatter Mzt mp
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