Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
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LEOPOLD MOZART AN MARTHA ELISABETH BARONIN VON WALD\-STÄTTEN IN WIEN
SALZBURG, 13. SEPTEMBER 1782
_____________________________________________Hochgebohrne, gnädige Frau!
_____Euer Hochgeboren kann ich ohnmöglich das Vergnügen beschreiben, welches
mich ganz erfüllte, als ich Dero für mich so sehr schmeichelhaftes Schreiben
durchlas. In dem nämlichen Augenblicke hatte ich Wielands Sympathien vor
Aug: und es ist ganz ohnstreitig wahr, daß manche Menschen mit der nämlichen
höheren Denkungsart beseligt sind, und ohnbewußt in einer geheimen
geistigen Verbindung stehen, eher, sich jemals, weder gesehen noch gesprochen
zu haben. Musik und vernünftige Bücher sind Euer Hochgebohrn
Gegenstand und Unterhaltung. Dieses ist auch dasjenige, was mich unterhält.
Euer Freyh. Gnaden haben sich von großen Gesellschaften entfernt: und ich
lasse mich durch viele Monate nicht am Hofe sehen, und nur dann, wenn ich
muß; lebe mit meiner Tochter im Stillen; habe einige Freunde die mich
besuchen, – lesen, Musik und ein Spaciergang macht unsere Unterhaltung aus,
und bey schlimmem Wetter ein sehr niedriges Tarock= oder Tresette=Spiel, auch
zu Zeit Schachspiel. Endlich glauben Euer Gnaden durch Leiden so sehr verstimmt
zu sein, und wollen Laune niemand beschwerlich fallen. Ich hingegen
habe durch ohnverdiente Verfolgungen so Vieles gelitten, den Neid, die
Falschheit, den Betrug, die Bosheit und alle dergleichen schöne Eigenschaften
so kennen gelernt, daß ich große Gesellschaften vermeide um nicht ganz
verstimmt zu werden, und mein Bischen gute Laune noch zu erhalten. Es ist
demnach eine ganz natürliche Folge, daß ich nichts sehnlicheres wünsche, als
die Gnade zu haben, Euer Hochgeboren sprechen zu können, da ich gewiß
weiß, daß Euer Gnaden Denkungsart mit der meinigen vollkommen übereinstimmt,
und wir so zimmlich etwas nach Herzenswunsch zusammen schwatzen
würden. Es ist für mich gar zu schmeichelhaft, daß Euer Hochgebohren mich
ihrer unschätzbaren Freundschaft und ohnverdienten Achtung würdig schätzen:
und da kein Mittel sehe solche zu verdienen, – in der That zu verdienen; so
wünsche ich mir wenigst die schicklichen Worte zu finden, die meine Hochachtungsvollen
Empfindungen, die ich gegen eine so verdienstvolle Dame höge,
erklärten, ohne in das lächerliche, oder gar in das ohnanständige zu verfallen.
_____Euer Hochgebohrn sind so gnädig mir Dero Behausung anzutragen, im Falle
ich etwa nach Wien kommen sollte. Ich bin in der That, ganz betroffen! Es
würde Verwegenheit sein, mich dieser so gnädigen Einladung zu bedienen:
aber mein erster Weeg in Wien würde ganz gewiß sein Euer Freyh. Gnaden
die Hände zu küssen; wer kann das wissen! Vielleicht bin ich noch so
glücklich!
_____Sorgen Euer Hochgebohrn nur für ihre Ruhe und Gesundheit! Es schmerzt
mich in der Seele, da ich laß, Euer Gnaden hätten durch vielen Gram und
Schmerz Ruhe und Gesundheit verlohren. Der gütige Gott erhalte Sie! ich bin
äußerst gerührt! – Mein Sohn hat auf mein Schreiben von seinem Entschluß,
Wien zu verlassen, etwas nachgelassen, und da er mich in Salzburg besuchen
will, so werde ihm die weiteren nöthigsten und kräftigsten Vorstellungen
machen. Daß seine Frau aus der Weber: Art schlägt, ist mir herzlich lieb, sonst
würde er unglücklich sein; Euer Gnaden Versichern mich, daß sie eine gute
Person ist, und das ist mir genug!
_____Meine Tochter küßt Euer Hochgebohrn die Hände und ist mit mir betrübt,
daß wir so weit von Wien entfernt sind. Unterdessen tröste ich mich mit der
Hoffnung, daß nicht Berge und Thäler, aber wohl die Menschen zusammen
kommen können, – daß Euer Gnaden mich noch ihrer Gnade und Achtung
würdigen werden, daß ich, wenigstens durch meinen Sohn, von dem erwünschten
Wohlseyn und Zufriedenheit einer so menschenfreundlichen Dame auch
in Zukunft immer Nachricht haben werde, wo mir nichts übrig bleibt als im
Stande zu seyn mit allem Eyfer in der That zeigen zu können, daß ich von
redlichem Herzen mit der größten Hochachtung, Ehrfurcht und Ergebenheit bin
___________________________________________________Euer Hochgebohrn unterth. gehors.
_____________________________________________________________________________________________________________________\hfill Diener Leopold Mozart.
______Salzburg d. 13. Sept. 1782.