Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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2020-02 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=631 Verbleib unbekannt (Vorlage: Abschrift um 1768 in D-B) last file update: Wed May 11 14:48:17 2022
LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG PARIS, 8. DEZEMBER 1763
___________________18. __________________________________\hfill Paris le 8:me de Decemb: ________________________________________________________________\hfill 1763. _____Monsieur mon trés cher Ami! _____Nachdem wir in BrüsslBrüssel ein grosses Concert gegeben, wo der Prinz Carl gegen= wärtig war, und wir an meinem HochenHohen Nahmens Tage um 9. Uhr mit 4. Postpfer=den unter der traurigen Beurlaubung vie=ler guten FreundenFreunde abgefahren und Abends beÿ hellem Tage in Mons, den 2.t Tage eben so frühe in bon avis, den 3.t in Gour=naÿ, und den 4.t um halbe 4. Uhr Abends in Paris angelangt. Ich muß ihnen sagen, daß man alle StundeStunden eineine Post fertig hat, weil erstlich die Posten klein sind, und weil es immer in vollem CaloppeGalope gehet. _____Der Weg von BrüsslBrüssel bis Paris kostet erstaunlich geld. Von BrüsslBrüssel bis Valenciennes sind die Posten Brabantisch und wird iedes Pferd à 3. Escalin oder 45 Xr: teutschen Gelds bezah=let: Hingegen sind alle Posten nicht viel über 2. Stunden lang. So bald man nach Valen=ciennes kommt muß man 6. Pferd nehmen; da hilft nichts dafür: hingegen Zahlt man für das Pferd 25. Sols, das ist einen Livres und 5. Sols, etwa 30 Xr: teutschen Gelds. Dafür bekommt man 2. PostknechtPostknechte, die beÿ iederjeder Post besondere Personen vorstel=len, weil ieder nach seinem belieben ge=kleidet ist: bald glaubte ich es wären ein paar Mausfallträger, bald ein paar Spitzbuben aus einer NachComoedie, bald ein paar welsche Eseltreiber, bald aber ein paar verlauffene peruquiersperruquiers, oder ent=lassne und Herren looseHerren=loose laqueÿen oder gar Cammerdiener, manchmahl aber ein paar abgedanckte FeldweeblsFeldwebels; anbeÿ aber lauter grosse wohlgewachsene Leute, die nicht anders fahren, als wenn sie die Reichs Armée wären, und von einem Chor Preussen verfolgt würden. Man hat ge=nug zu sorgen, damit man die Lohner versorge, damit sie nicht ausspringen, und die Räder ablaufen: und die ba= gage muß beÿ ieder Post Station, wenns nicht recht vest gebunden ist, neu gebunden werden, sonst bricht alles zusammzusammen und wird alles verdorben. Hier setze ich ihnen auch alle Post Stationen anbeÿ, um zu sehen, wie erstaunlich viel abwechslungen bis Paris sind. _____Auf dem Weg ist uns nichts besonders begegnet, als daß wie in Mons der Audi=tor des Teutschmeisterl: Regiments v Lidels=heim und seine Frau die so genannte ehe=malige Freÿsauf=Mariandel besucht ha=ben. Sie haben eine grosse Tochter und Sohn die beÿde Stiftmässig oder Haÿrath=mässigHeÿrathmässig sind. Die guten Leute leben, so, wie halt ein auditor von einem Re=giment leben kann. Es könnte halt bes=ser seÿn! Sie empfihltempfiehlt sich ihren Freun=den in Salzburg durch mich. ieje näher man nach Paris kömmt, je schöner wird die Gegend; danndenn man sieht viele Schlös=ser und Allëen, und meine Frau hatte kein geringes Vergnügen die Bauern mit Zöpfen, die ViehhuetterViehhütter in weisen Man=telnMänteln und grossen Schlieffern, die Bauren=Weiber mit palatin-Hauben, einen klei=nen Schlieffer in der Hand, und einen ste=cken unter den Arm mit dem sie einen Esel vor sich her treibet, zu sehen. – – – Wir kammen also den 18:t Novb: in dem Hôtel des Comte Van-Eyck an, und tra=fen zu gutem Glücke den Herrn Grafen und die Comtesse zu Hauße an, die uns freundlichst empfiengen, und uns ein Zim=mer anwiesen, wo wir gelegen und gut wohnen. Wir haben den FlieglFlügel der Frau Gräfin in unserm Zimmer, weil sie solchen nicht nötignöthig hat, der gut ist, und, wie der unsrige, 2. Manual hat. Wenn ich ihren Brief in BrusslBrussel eher em=pfangen hätte, so hätte ich 100. Livres er=spareterspart, die ich beÿ meiner Ankunft in Paris für die Wohnung, so ich mir in Paris habe kurz vorhero bestellen lassen, habe bezahlen müssen: denn heuer sind die  _______________________________________Quartier Quartier in Paris sehr rahrrar wegen der Vie=len Fremden, die den Winter hier seÿn werden. Weil sonderheitlich 7. Jahre, als der Krieg gedauert, kein Engelländer hieher gekommen; so kommt nun alles häuffiger. Und solche Wohnungen können nicht an=ders als Monatlich gemiethet werden. Mei=ne Wohnung, die ich nun aber habe, macht mich die 100. Livres leicht verschmerzen. Bald nach unserer Ankunft habe ihr schrei=ben richtig erhalten. Daß t: Herr Graf Spaur Bischof zu SeccauSeckau geworden, habe schon von tit: der Gräfin van-Eyck gehört, und zwar, daß es tit: Herr Dom Deca=nus nicht angenohmenangenommen hätte. Ich bedaure die kränklichen Umstände des Herrn Fac=tor Hafners, und der Frau Hafnerin, und wünsche, nebst meiner Empfehlung eine voll=kommene Besserung. Deme Herrn Danz=meisterTanzmeister empfehle mich, und ich lasse ihn bitten dahin zu sorgen, daß er seiner scho=ne, und sich einen jungen braven Tänzer zulege, der ihn überhebet; Er kann nichts vernünftigeres thun. Sie möchten vielleicht wissen, wie mir Paris gefällt? – – – – – – Wenn ich ihnen solches umständlich sagen sol=te, so würde weder eine KhüehautKuhhaut noch eine Rinoceros-hautRhinoceros-haut erklecken. Kauffen sie sich um 45 Xr: Johann Peter Willebrandt königl: dänisch: wirckl: Justiz-Raths pp Histo=rische Berichte und Pracktische An\-merckungen auf Reisen p. Franckfurt und Leipzig 1761. Sie werden vieles Vergnügen haben. Nur das sage ich ihnen, daß Paris ein offe=ner Ort ist, der keine Thore hat, und der Eingang sieht einem Dorffe vollkommen änhlichähnlich: Allein es kömmt bald anders. Die Gebäude sind unglaublich bequemmbequem gebauet, allein ich muß die Erklärung da=von auf unsere mündliche Unterredung ersparen. Das Hôtel, wo wir wohnen, ist so nach der Bequemlichkeit gebauet, daß alle, auch die kleinesten WinklWinkel, zu etwas dien=lich sind. Wohlfeil ist hier nichts als der Wein. Alle 10. Täge kommt mich die kost, ohne Brod, auf 2. Lovis d'or, ohne Wein und Brod, dann täglich 2. Boutellien Wein und 4. Sols brod; die Bout: Wein à 10. Sols. Es kommt folglich unser mittag es=sen 48. Xr: und das Nacht Essen 48. Sols. Den ganzen Tag mit Wein und Brod alles zusammen 120. Sols, oder 6. Livres, das ist: ein Cron- oder Laub-Thaller. Der Louis d'or hat 24 Livres; folglich 4. Cronthaler sind ein Louis d'or, dann ieder Laubthal=ler gilt 6. Livres. Ein LivresLivre hat 20. Sols. Ein Sols hat 4. LiarsLiards. Wenn sie nun die LiarsLiards für Pfenning gelten lassen; so gilt ein Sols einen Kreuzer, folglich der LivresLivre 20. Xr: ein Kron=thallerKron=thaler 2. f: der Lo=uis d'or aber 8 f: nun gibt es keine Münze mehr, als die Six liarsliards Stücke, die nach meiner Meinung 6. PfennigerPfennige sind, und die 2. Sols Stücke oder 2. Kreuzer, die doucdouze Sols Stücke oder 12 Xr: Die VintquatreVingtquatre sols oder 24 St: Nun wissen sie alle Geld Sor=ten, danndenn keine andere giebt es nicht in Franckreich. Ich weis wohl, daß der Louis d'or mehr als 8 f: werth ist p. allein mit die= ser Rechnung komme ich besser zu recht. Ob ich den VerluestVerlust der 3 f: am louis d'or in die Ausgaab, oder in die Einnahme Rechne. Ge=nug, sie sehen hieraus, daß alles Theuer ist. wenn ich mehrer von allem benachrichtiget bin, so werde mehr davon erzehlenerzählen. Das abscheu=lichste ist hier das trinckwasser, so aus der Seine |: so abscheulich aussieht :| geholltgeholt wird. Es sind einige Wasserträger, die das Pri=vilegium haben, und etwas an den König be=zahlen müssen; folglich mus alles Wasser bezahlet werden. Wir haben es im Hause, Es wird auf der gasse ausgeruffen: de l'eau. Wir sieden uns alles Trinckwasser, und las=sen es abstehen, dann wird es schöner. Jeder fremder fast bekommt anfänglich einiges abweichen vom Wasser, iedes von uns be=kammbekam es auch, aber nicht Starck. Eine nicht geringe Comoditè ist hier die so genann=te kleine Post in Paris beÿ der ich den gan=zen Tage Briefe in allen Gassen von Paris abschicken und wieder erhalten kann. Es ist dieses um so nothwendiger, weil man ________________________________________________________an an maches Ort eine ganze Stund und mehr zu fahren hat, da man nun für die erste Stunde 25. Sols, und dann in der Folge für iede Stunde 20. Sols bezahlen muß, so könnte man so viel Geld ausgeben, und doch niemand antreffen, man pflegt es also vorhero einander mittels der petite poste zu benachrichten. Das Fuhrwerke, von dem ich erst gesprochen habe, sind die Fiacres, ein elendes fuhrwerck, deren ie=der seine Numer hat: damit ich weis wer mich geführt hat. ein anders sind die Ca=rosse de remise, die sehr theuer sind. Al=lein ich muste schon 3. mahl eine solche haben, um beÿ grossen Prinzen in dem Hof hin=ein fahren zu därffendürffen, dahin kein Fiacre gelassen wird und heraus halten müssen. man muß sie für den ganzen Tag neh=men, und muß 12. livres oder 2. Cron= thaller bezahlen, und noch ein TrinckgeltTrinckgeld geben. Ich hätte ihnen längst geschrieben, allein ich gedachte abzuwarten, bis wir am Hofe gespielet hatten. Allein nun hinterthindert die Trauer wegen der Infantin solches, bis zu Ausgang derselben. Ist also S:e Ex: Graf Daun am Schlagflusse ge=storben? – – wieder ein Canonicat ledig. à propos! sagen sie mir ist nicht Mr: Wo=ditska, der Sohn des Herrn Concertmei=sters in München, nach Salzburg in das Collegium Rupertinum gekommen; Er ist ein sehr artiger wohlerzogener Mensch, und ich rieth ihm, wann er ausser dem Collegio wohnen wollte, in unserem Haus beÿ der Madame v Wohlhaupt das Zimmer zu bestel=len; seine Frau Mutter ist eine Brentano, und Befreundte des Herrn Calligari; ich habe ihr dero Nahmen aufgeschrieben, um dieß=fahls mit ihnen Correspondiren zu können. Wegen dero GütteGüte, so sie hatten mit Her=ren Calligari wegen meiner zu correspon=diren, dancke gehorsam: Ich habe noch nichts gesehen noch gehört. Es wäre mir lieb, wenn solches bald geschehetgeschähe: Denn man weis halt nicht, was uns armen Menschen zustehen kann. Bies iezt sind wir |: Gott Lob :| alle gesund. Meine Frau, mein Wolf=gängerl und Nannerl empfehlen sich samt mir ihnen dero Frau liebsten ihrem ganzen Hauß und allen unsern Freunden, und ich bin der alte. P: S: Die rechte Addresse an mich muß also seÿn. ___Chez Mr: le Comte de Van Eyck Envoyé ___de Baviere. rue S:te Antoine à l' ___Hôtel de Beauvais. Es ist noch anzumercken, daß Sie feines Pappier nehmen, denn alle Briefe werden gewogen, und erstaunlich theuer taxiert. Lassen sie den Herrn Johannes nach und nach, was neues giebt, mit Gelegenheit, klein auf einen Bogen hinschreiben; dann schreiben sie gleichwohl das, was sie mir zu schreiben haben am Ende daran. Ich habe keine Tituls nötig; der Brief mag einer Zeitung ähnlich sehen. Es wird bald wieder ein Brief von mir zu Salzburg seÿn. Vor zween Tagen hat uns ein Teutscher BaquierBanquier Mr Hummel tractiert, der den Herrn Hafner kennet. Da waren nur Teutsche eingeladen: es waren aber mei=stens lutherische Schweitzer. Morgen müssen wir zu der Marquise Villeroy, und zu der Comtesse de Lillebonne. – – –