LEOPOLD MOZART AN JOHANN JAKOB LOTTER IN AUGSBURG
SALZBURG, 28. AUGUST 1755
______________________________________________________________\hfill Salzb: d 28t Augusti
_________________________________________________________________________________\hfill 1755.
__________Monsieur mon tres cher amy!
Eben war ich in Gedanken, und mit mir unentschlossen, ob ich heut
wied an sie schreiben solle od nicht? Als ich dero schreiben, dem ich mit
grösster Begirde entgegen gesehen, erhielte. Nun weiß ich doch
wie es stehet; und sie hätten mir einen ungemein Dienst gethan,
wenn sie mir vor wenigist 8 od 14 Tägen gleich geschrieb hätt: denn
ich hätte manche ande Sachen zu Componir angenom, die ich abge=schlagen habe, weil ich glaubte nun werde ich gleich alles zu Ende bring
müss, um sie nicht aufzuhalten. Daß sie über meine Exempel
erstaunet sind; das will ich gerne glauben. Allein, es kan einmal
nicht anders seÿn, so müss sie ausseh, wenn man sie richtig und
zum Begriffe des Nebenmensch deutlich anbring will. Ich habe
mich ungemein gehütet nichts überflüssiges von Beÿspiel einzuschalt;
um nicht das Buch unnötig zu verstärk. Lassen sie es nur iemand,
der davon zu Urtheil im Stande ist, einseh; ich habe nichts entgegen.
jed verständiger wird find, daß iedes Exempel sein besond Nutz
hat, und die meisten davon nur zur Noth angebracht sind. In d
Folge der Noch beÿ Handen habend Hauptstücke gibt es zwar freÿlich
noch Beÿspiele Genug: allein sie seh nimer so fürchterlich aus. Ich
könnte es ihn einschik: doch weil es keine Noth hat, so will ichs noch
überseh. Weil sie nun schreib, daß sie nicht wiss wie weit das
Mspt der vielen Noten wegen laufft; so hab ich itzt entzwisch mit
dem Eilften Hauptstücke geendet. Sie müss wiss, daß ich alles
was ich in 12 Hauptstücke zu bring gedachte, nun in Eilf Hauptstücke
hab nothwendig bring müss; sonst wenn ich das eilfte Hauptstück
zertheilet hätte, würde es gar zu klein geg die übrig geword
seÿn. Sehen sie: Das achte Hauptstück schlisst mit der
Applicatur. Das Neunte handelt von den Vorschläg p:
das Zehnte vom Triller. Das Eilfte von dem Tremulo,
Mordente, und den übrig willkührlich Auszierung. Und mein
letztes Blat schliesst mit d 226t Seite. Mein Mspt
bestehet dermal also in 226 od 27 Seiten. Und also kan es bleib.
So kan ich schliess: wenn sie sich nicht ärgern, daß es mit eilf
Hauptstücke schliesst. Denn etwas mit einer ungleich zahl
end ist eben so gefährlich, als wen ein Haas
od eine Katze über den Weeg läuft. Sie seh das mein Mspt
dermal nicht gar 57 bög hat. Wollen sie noch ein Hauptstück,
damit es ein Dutzet wird; so hab ich Materie genug. sind sie nur
unbesorget, ich will zum falle noch ein Hauptstück dazu geb, so man
mit vielem Vergnüg darin les wird NB aber kein Exempel komt
nimer dazu. Was anbelanget: daß sie mich sprech möcht; der=mal aber nicht nach Salzb: kom. So ist diess eine meiner grösten
Verdrüsslichkeiten. Freÿlich wäre es für mich eine Gelegenheit nach
Augspurg zu kom, und zwar mit einem Ritorno, auch so wied
nach Hause zu kehren. Allein, erstlich könnte ich nicht länger
als etwa geg 7 od 8 Täge in Augspurg seÿn. Und was man in einem
Handel in so wenig Zeit richt kan, wiss sie selbst: denn diess
müste ich Hauptsächlich betreiben. zweÿtens muß ich doch auch auf
die Unkosten denken. und drittens müste ich erst sehen ob ich
hier weg kan. Basta, ich werde darüber schlaffen. Übrigens
Sagen sie mir doch, wenn glauben sie, daß das Buch möchte zu
stände kom? Ich denk imer wir werden das 1756ste Jahre etwa
damit anfang. Ich kan nicht anderst schliess, wenn ich nach dero Briefe
schliesse, den sie mir unterm 20 Maii eingeschicket haben, und worine es
heisst: Diese Woche noch will in Gottes Nahm den Anfang mach. wissen
sie noch, was sie mir von einem dgleich Lehrbuche vom Wagenseil gesagt
hab. Wenn mich diese Verzegerung nur nicht in schad bringt. ihnen
wird es nicht schad; denn vielleicht hab sie noch einige Exemplari von
ihrem saubern Panduristen od vielmehr Rudimenta PanduristæRudimenta panduristae, Oder: Geig-Fundamenta : Worinnen die kürzeste Unterweisung für einen Scholaren, welcher in der Violin unterwiesen zu werden verlanget, ... dargethan wird ... / [Mutmaßl. Verf.: Georg Christoph Wagenseil]. - Augsburg: Lotter, 1755. - 48 S.
übrig?
Die mögen sie entzwisch fortbring.
Was die Bücher anlanget, so glaubte ich meine Comission würde nahmhafter
seÿn. Allein es besteht nur in folgendem.
_____Redekunst.____________________
_____Critische Dichtkunst.________Gottscheds
_____Deutsche Sprachkunst__________
________fabeln________________________
________Lehrgedichte____________________Gellerts
________Wagners Phraseologia.
________P: Desings Index Poeticus.
Und letztlich war auch eine Nachfrage von Werners musik: Calend.
1755. d 28. August, aus Salzb
von h. Leopold Mozart.
|: ohne Unterschrift :|
Zum beschlusse muß ich noch etwas erinern, so sie zwar etwa schon
wiss werd. Vor 7 Woch sind hier alle neu Churb: kreuzer und
Landmüntz de ao 1754 u 55 ausgeruff und nur noch eine Zeit
von 6 Woch anberaumet word, nach welcher verfliessung
sie gänzlich abgewürdigt seÿn soll. Da nun aber davon eine
unsägliche quantität in unserm Lande ist, so nimt man sie zwar
noch an, allein man kan nicht wiss wie Lange. Obwohl Gott
bald mit dem Geld Univestr eine Ändung mach muß, und ich
glaub gänzlich bis auf das Neue Jahr werd wir umkehr.
Die meinige ist sehr übel zu fried: daß sie nicht nach Salzb:
kom. Sie empfehlet sich; die GoldFlotte ist halt noch nicht ankom.
Es ist nur zu fürcht es möchte beÿ dem itzt ausgebrochen
kriege unter die Capers kom.
An do Frau Liebste mein ergebenstes Compliment. p.
nicht weniger an das Collegi Music.
Der h: Wagner schreibt mir schon 2 briefe gleich nach einand und
möchte Musiq haben. ich hab ihn auf gedult verwiesen.
Wenn etwa das Collegi Music etwas beliebt, schreiben
sie es mir fein in tempore.