Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart
Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Salzburg
Austria
The Packard Humanities Institute
Los Altos
California, USA
Morgenstern
Anja
text encoding, text editing
Kelnreiter
Franz
technical supervisor, data modelling
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
Wissenschaftliche Abteilung. Digitale Mozart-Edition
Ulrich Leisinger
Digitale Mozart-Edition
[https://dme.mozarteum.at]
2015-5
CC BY-NC-SA 4.0
https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=1440
A-Sm
A-Sm: Internationale Stiftung Mozarteum, Bibliotheca Mozartiana. Salzburg (AUT)
last file update: Wed May 11 14:48:19 2022
LEOPOLD MOZART AN MARIA ANNA VON BERCHTOLD ZU SONNENBURG IN ST. GILGEN
SALZBURG, 9. UND 10. JUNI 1785
___________________________________________\hfill Salzb: d 9t Junii
______________________________________________________________\hfill 1785.
Eben itzt um 3 Viertl auf 5 uhr abends ist die
Fr: v: Gerlichs in die Ewigkeit gegang.
gestern abends um 6 uhr hat man ihr die hl: Öhlung ge=geb, und um 8 uhr gieng h: v Kleinmayr von ihr weg.
Noch habe nichts gehört, daß sie ein Testament gemacht hat: und
ich zweifle auch darum sehr daran, weil sie schon eine lange
Zeit sehr schwach war, und sie niemals etwas davon hören
wollte, da sie, wie d alte Deibl, noch imer auf die Zurück=kunft verlorner Kräfte und schönes Wetter hofte. Vielleicht
hat h: v Kleinmaÿr es zu weg gebracht. doch schwerlich, –
es müsste erst gestern od heut Vormittag gescheh seÿn.
Vorgestern Nachmittag war schönes warmes Wetter, und ich sahe
mit h: v D'Ippold und den Cavalliers dem exercier in der
Riedenburg zu. Morg d 10t soll das wirkl: manaivre seÿn:
allein, wens so erstaunlich regnet und giesst, wie heut, so
ists ohnehin nichts. Gestern war d schönste Tag, – Nachts um
10 uhr kam ein donerwetter, es war aber, nachdems 4 od
5 rechtschaffne Schläge gethan um 3 Viertl auf 11 uhr wied
alles vorbeÿ, – es regnete gleich ganz entsetzlich. Überhaupts
hat iederman die Bemerkung gemacht, daß alle die Gewitter,
dern wir schon etliche hatt, geschwind vorbeyzog, weil durch die
Erschitterung der Luft, die das Leutt so viller Statt=Glocken
verursach, das Gewitter nicht mehr in ihrem natürlich Lauf
gehindert und aufgehalt wird; noch weniger aber kom sie wied
zurück, weil ander Orts wed geleuttet noch geschossen wird; da
sonst die Gewitter oft lange nicht weiter gieng, od 2 und 3
mahl in einem Kreis herum wieder zurückkam.
Diesen augenblick komt schon die SperrComission, der alte
h: von Zillenberg, h v granjean, und der Schirkhofer –
DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881
welcher nahe beÿm Hause vorausgieng, um solches anzukündig,
dan ich glaube, daß sie die Tode kaum recht auf das Brett
gebracht hab. itzt eben schlagts 6 uhr.
den 13t Maÿ hat es in Münch ein Auftritt gegeb. Franz Lang gerieth
kurz vor der Komoedie mit dem Castraten dal Prato in ein Wortwechsel
über wäschereyen des Kastrat: es kam zum Herausfordern, und
sie gieng wirkl: um ihre Degen zu hohlen, man rief den Canabich
dazu, dieser wollte sie ausseinand bring; allein dal Prato soll
den Canabich so gescholt hab, daß dieser darüber aufgebracht
ihm ein paar Stockhiebe versetzte. dal Prato zog eine degen=klinge, die er in seinem Stock verborg hatte, auf Canabich:
Lang aber ergrief den Castraten und beÿde hatt ihn nun so
zusamengedroschen, daß er höchst übl zugericht zu Bette liegt.
Canabich und Lang hab Hausarrest, die Sache ist vor Gericht
anhängig. diesen bericht hatte vom 18t Maÿ. Nun sagt ein
Schreib vom h: Marchand vom 5t Junii. der bewusste Auf=tritt nimt nun eine ernsthafte Wendung. Die Sache wird
Criminaliter tracktiert und ist nun vor dem Hofrath.
Canabich und Lang hab noch imer Hausarrest: Man hofft zwar
daß es Künftige woche zu Ende geh wird, indem man alles
versucht um eine Aussöhnung zu bewirk. – h: Marchand
Empfehlt sich samt all den seinig dem h: Sohn und dir in
beyd Briefen auf das nachdrücklichste. Er ist gesint,
wen er Erlaubniß erhält, uns vielleicht im august zu besuch.
übrigens schreibt er: hab sie auch so schönes Wetter? Mord Element!
bald wäre uns die gedult zerriss! Regen! Schlossen! und kalt,
daß wir glaubten der verflossene Winter |: schneereichen Ange=denkens :| wäre wieder auf dem Rückmarsch! übrigens
wünscht er, und bittet Gott für dich um eine glückl: Niedkunft.
Eben erhalte Nachricht, daß unter dem gestrig nächtlich
donerwetter 3 Frau glückl: entbund word, darunter
DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881
die Frau des h: don pippo di gallo gualbert von Dobrowa ist,
welche nach so viel Jahr nun noch die Salzb: Welt mit einer Freule
beschenkt hat.____den 10t Junii.___verflossne Nacht hat es sehr stark
geregnet, so das heute das Wasser am fleischthörl ansteht, und
es regnet noch; aber nur stückweis und nicht imer anhaltend.
An meinem flügel sind über 20 Seyt abgesprung, weil das feuchte
wetter das Holzwerk so angeschwellt hat, daß es von selbst um einen
ganz Ton sich hinauf gestimt hat, folglich musst die Seÿt abreiss.
Ich hatte gestern den ganz Nachmittag zu thun, um geschwind alle
Seyt herunterzustim, damit nicht noch mehrere abreisen.
Nun wird h: Egedacher kom und aufzieh. der Orgelmacher
Johanes Schmid hat mir geschrieb; hier sind seine Worte:
____________________die Mss:le Raderin hat mir geschrieb, daß das
____________________Fortepiano, so für die ggde fr: Tochter gekauft word,
____________________ganz unbrauchbar wäre p: und dieses scheint mir
____________________ein Aufschnitt, den sie würdens mir wohl zu erst wiss
____________________lassen, – im fahl ich allzeit bereit bin zu sag, wie
____________________das Instrument zu behandeln ist. grosse fehler,
____________________ohne solche zu vernachlässi- gen, kön dabeÿ nicht vor=
____________________fallenvorfallen p: – Mit dem Instrument, so der Raderin
geschickt, hab auch Verdruss, d Provisor |: der es angefrümt :| wills itzt nicht
zahl, und sie kans nicht zahl: ich lasse also das Instrument zurück kom.
wüsst sie iemand, um geschwinder aus dem Handl zu kom, der das Instrument
für 163 f nebst 17 f Reisekost, also um 180 f übernimt, so stehts zu
diensten, daß ich nur von diesen Leuten los werde. NB mit h: gr: Wolfegg
mit auch noch nicht quit p: p: – – Nun ists also gut, daß ich sehe, wen hinauskome,
wo es den fehlt, um es schreib zu könn. der Egedacher ist so elend, daß man ihm
vom Auflieg das brand=fleisch wegschneid muß; unterdess, daß das Purcinellomädl
die Tochter Liebesgeschicht hatte und mit einem Dischlergesell durchgeh wollte p: p:
Nun erhalte dein Brief. Ich werde am Montage, oder falls verhindert würde,
oder vielmehr, wen das Wetter gar zu elend seÿn sollte, am Dienstag Mittags
beÿ euch eintreff. Ich fahre bis in Hof, – dort nehme ich des Wirths gefährtl, und
dem Both habe es schon gesagt, daß er es beÿm Wirth vorläufig meld soll. Ist es
gut Wetter, so kome gewisser am Montage. – Diesen Augenblick höre, daß
Die Lisel |: Kaÿ- serin :| der Tresel erzehlt hat, die Frau von Gerlichs habe schon vor
8 Jahr ein Testament gemacht, welches aber bis itzt erst an den Tag gekom, da
sie niemand etwas davon gesagt hat. H: v Kleinmayr wird es schon gewust, und solches
dort schon zu stande gebracht hab, darum war d Besuch so fleisig. Morg abends wird sie
begrab, Montag, Dienstag und Mittwoch sind die Gottesdienst. – Ich hörte die Sol=dat um 4 uhr ausrück: die Sone lies sich seh, und ich gieng auch hinaus. Da sie geg halbe
5 uhr anfang wollt, fiengs an zu regn, – es kam ein Wind, – im augenblick
ein donerwetter, und so ein erschröcklicher Regen, dgleich ich in meinem Leb auf
offnem feld kein ausgestand. Nun stellt euch vielle hundert Mensch vor, dern die
meisten auf allem falle mit Regendächern schon verseh war. Der ganze #
DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881
#ofenloch=berg war so voll, als ich hinauskam, daß man nicht mehr hinauf konte.
und noch marschierten hundert Mensch neb meiner hinaus. ich postierte mich also
zwisch der Alm und dem Ofenlochberg auf die Anhöhe der Wiesen, und hatte
2 Spektackl. Vor meiner die Soldat, – und hinter meiner die Menge d Mensch auf
dem Berg. kaum hatt die Soldat sich gestellt und presentiert, – so musst sie sich
in die Kasermen retirier, und alles, was gegenwärtig war, hatte im augenblick
Gewitter, plitz, doner, Wind, und den unbeschreiblichst Platzreg auszusteh der
eine starke halbe Stunde wenigst wüthete. alle Hermesisch, Edlbachisch, Pichlisch p:
Professors, Collegiant, Kapellknab p: – war ober meiner. Ich kans nicht be=schreib, – muß es erzehl. genug, das Manaivre dauerte dan bis nach 8 uhr,
und es wird unterdess genug seÿn, wen euch sage, daß die Fr: v Hermes, und ihre
Freul Röck und Vordücher beÿm hereingeh hatt, die bis fast an die Knie wie im
Koth eingedaucht war, die Mademoiselle beÿm gr: Über- acker hat gar ihre Schue verlor,
die im Koth steck geblieb. Nun lebts gesund ich küsse den h: Sohn und dich samt
den Kindern von Herz und bin euer redlicher Vatter_______________\hfill Mozart mp
À Madame
Madame de Sonenbourg
à
St: Gilgen
DOM=MUSICK=VEREINU.MOZARTEUM
INTERNATIONALESTIFTUNG:„MOZARTEUM”1881