Digitale Edition der Briefe und Dokument der Familie Mozart Digital Edition of Letters and Documents from the Mozart Family Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg
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2020-02 CC BY-NC-SA 4.0 https://dme.mozarteum.at/DME/briefe/letter.php?mid=647 Verbleib unbekannt (Vorlage: Abschrift um 1768 in D-B) last file update: Wed May 11 14:48:19 2022
LEOPOLD MOZART AN LORENZ HAGENAUER IN SALZBURG LONDON, 8. JUNI 1764
____________________________________24 ____________________________________\hfill London den 8. Junij Monsieur!_______________________________________\hfill 1764. _____Mit dem grösten Vergnügen der Welt habe dero Zuschrift vom 21.t Maij, den 6.ten Junij richtig empfangen. Es hat folglich dieses Schreiben einen guten Wind zur See gehabt. Ich bin unendlich erfreuet, daß mein erstes Schreiben richtig angelanget, und hofe, daß das zweÿte, so ich unterm 28.t abgelassen, entzwischen auch wird eingetrof=fen seÿn. Sie sind begierig zu wissen, ob dero Schreiben vom 5.t April in Paris richtig erhalten habe. Da ich alle meine Schrif=ten nebst vieller anderer Bagage in Paris gelassen, so weis ich nicht unter was für einem dato ihr letzterer Brief ware. Das weis ich, daß ich ihnen in zweÿ Brief nach einander gemeldet, mir oder nicht mehr, oder unter der addresse des H: Grim meines Freundes zuzuschreiben. Wenn Sie mir auf mehr, als einen dieser zween Briefe geantwortet haben, so war es der erste, den ich erhalten, worin=ne der Einschluss von Tit: gd: Herrn Beicht=vatter ware. Wunderen sie sich nur nicht, daß ich keine Meldung davon gethan; mei=ne Abreise von Paris ware so verwirrt, als über die Knie gebrochen, wie man zu sagen pflegt, daß wir uns recht, zu sagen, loos reissen musten, um von Paris weg zu kommen. Und unsere Ankunft in London überhäufte mich mit so viellen neuen Gegenständen und füllte mir den Kopf mit so vielen nothwendigsten Verrich=tungs-überlegungen, daß es unmöglich ware alles vorgegangene in das Gedächt=niß zurück zu bringen. _____Machen Sie meine gehorsamste Dancksagung an Tit: gnädigen Herrn Beichtvattern für seine mir höchst angenehme Antwort. Und ich lasse S:r Hochfürstlichen Gnaden unsern gnädigsten Herrn das Kleid küssen, und Höchstdenselben für die Gnade dan=ken, die er der Maria Anna Fesemeÿrin erweiset, indem sie noch ein Jahr in Italien zu verbleiben hat. Daß die heiligen Messen alle sind gelesen worden und allzeit gelesen werden, vernehme mit Freuden: Bitte die in letzten Brief an=bemerckte auch zu besorgen. Das Wet=ter war vom 8.t bis 20.t aprilis in Paris und auf der Strasse bis Calais, und in Calais selbst nicht so erstaunlich böß: allein der Wind war uns entgegen. Wenn wir den Wind im Rüggen gehabt hätt; so würden wir gleich zur See gegangen seÿn. Entzwischen hatten wir Zeit am Grünnen Donnerstage die Oesterliche Beicht zu verrichten und zwar beÿ den PP: Capu=cinern zu Calais. Hier gehen wir zum französischen Gesandten in die Kirche, der uns am nächsten ist, und an den wir von Hof zu Versailles selbst recommendirt sind, beÿ dem wir auch schon gespeist haben. Ich hatte wieder einen Schröck vor mir. näml: 100. Stuck guinées in Zeit von 3. Stunden einzunehmen. Es ist glücklich vorbeÿ. Ich habe schon geschrieben daß ietzt alles aus der Statt ist. Der 5.te Junius war der einzige Tag an dem man etwas versuchen kunte; weil den 4.t des Königs Geburts Tag war. Es war mehr um eine Bekanntschaft zu machen; und 8 Tag Zeit, ja nur 2. oder 3 täge waren es, wo man die Billets vertheillen konnte, weil eher nie=mand fast in der Statt ware. Und, sehen sie! da sonst zu einem solchen Concert, 4. bis 8. Wochen gebraucht werden, um die Billets, die man hier Tickets nennt, zu vertheilen; so haben wir, zu aller Verwunderung, nicht mehr als ein paar hundert, aber die ersten Personen in ganz London gehabt; nicht nur alle Gesandten, sondern die ersten Familien Engellands waren zugegen, und das vergnügen war allgemein. Und ich kann noch nicht sagen, ob mir 100. guinées profit bleiben, weil ich noch die Gelder von Milord March _____________________________________________________für für 36. Billets, dann für 40. Billets von einem Freund aus der Statt, dann noch verschiedene andere nicht in Händen habe: und die Unkösten erstaunlich gross sind. weniger als 90. sind es gewiß nicht. Nun hören sie etwas weniges von den Unkösten! für den Saal ohne Beleich=tung und Musick Bulter p 5. guinées. für iedes Clavier, deren ich 2. haben muste, wegen der Concert mit 2. ClaverinsClavecins, einen halben guinée. iede Person, deren 2. wa=ren, nämlich ein Sängerin und ein Sänger, bekomt 5 bis 6 guineés. Der erste Violi=nist 3. guinées, &c. so auch alle die Solo und Concert Spiellen, 3, 4 und 5 guinées. Die gemeinen Spieler ieder einen halben guinée p allein ich hatte das Glück, daß mich die ganze Music nur 20. guinées samt dem Saal und allem gekostet hat; weil die Music die meisten nichts angenohmen haben. Nun Gott Lob, diese Einnahme ist vorbeÿ. Betreffend die 200 Louis d'or, so beÿ den Banquiers Tourton et Baur in Paris liegen, so ist es mir sehr lieb, daß sie solche übernehmen, und mir gegen empf: derselben à 2250 f: ein Jährliches interesse pr: 3. p. Cento geben wollen. Ich werde nicht ermangeln morgen nach Paris zu schreiben und zu veranstalten, das gedachte 200 Louis d'or an H:n Johann Christoph Schwerdner in Hamburg zu dero Disposition bezahlet werden. _____Daß man ein Thor beÿ dem Hofstall machen will, war schon ein alter Gedancke. Er ist auch sehr gut, und es lässt sich etwas sehr schö=nes hier anbringen; Allein ich möchte einen franzosen und ein Engelländer dahin wünschen, um diese Sache schön und bald auszuführen; ja ich wäre begierig den Plan davon zu sehen. Ein Franzoß wäre noch geschickter dazu, als ein Engel=länder. Ich habe viel schöne Sachen gesehen, die in diesem Handl einschlagen. Ich bin froh daß ich es weis, daß ein neues Thor gemacht wird, damit ich nicht zum unrechten fahre, wenn ich komme. Dem Herrn Schlachtner empfehle mich, und dancke samt meinen Kindern und Frau für seine freundschaftsvolle Erinne=rung. Ich kann ihm nicht mehr parti=cularitäten berichten, als was er in Zeitungen und in denen an Sie geschrie= benen Briefen finden wird, und sonder=lich im letzten. Genug ist es; daß mein Mädl eine der geschicktesten Spil=lerinnen in Europa ist, wenn sie gleich nur 12. Jahre hat, und daß mein Bub, Kurz zu sagen, alles in diesem seinen 8. Jährigen Alter weis, was man von einem Manne von 40. Jahren forderen kann. mit kurzem: wer es nicht sieht und hört, kann es nicht glauben. Sie selbst, alle in Salzburg wissen nichts davon: denn die Sache ist nun ganz etwas anders. _____Ich mus schlüssen die Post gehet ab, und ich bin dero gehorsamste diener. P:S: Ich meine Frau, die Nannerl und unser großmächtige Wolfgangus empfehlen sich ihnen, ihrem ganzen Hause und ganzen Salzburg.